Trainerwissen «Belohnung in der Hundeerziehung von Raphaela Niewerth (www.hundeschulkonzepte.de) «Um das Prinzip der Belohnungen zu verstehen, müssen wir uns zunächst mit den verschiedenen Lernformen und deren Verstärkern befassen. Der wohl bekannteste Begründer der klassischen Konditionierung ist Iwan Petrowitsch Pawlow, der bewies, dass viele Reize eine unwillkürliche biologische Reaktion zur Folge haben. Die Reaktion darauf wird nicht bewusst hervorgerufen und ist nicht steuerbar. Auf dem Gebiet der Operanten Konditionierung (auch instrumentelle Konditionierung genannt) gilt Burrhus F. Skinner als prägend. Diese Lerntheorie besagt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten wiederholt gezeigt wird abhängig, von der Reaktion auf dieses Verhalten ist. Einfach ausgedrückt: Was sich lohnt, wird wiederholt was eine negative Konsequenz hat, wird vermieden. Diese Art des Lernens wird auch als Lernen am Erfolg oder Lernen durch Belohnung/Bestrafung bezeichnet und nimmt eine übergeordnete Rolle in der Hundeerziehung ein. Für eine bessere Übersicht eine kleine Gegenüberstellung der Unterschiede: Klassische Konditionierung Der Hund wird einem Reiz ausgesetzt, eine natürliche und von ihm nicht zu beeinflussende biologische Reaktion erfolgt. Der Reiz steuert also das Verhalten. Ein Beispiel: Das Nachjagen hinter einer Beute führt zur Ausschüttung von Adrenalin im Körper des Hundes. Diese körperliche Reaktion ist nicht beeinflussbar. Nach wenigen Wiederholungen wird der Hund jedoch bereits beim Anblick dieser Beute einen erhöhten Adrenalinspiegel aufweisen und ein erregtes Verhalten zeigen. Operante Konditionierung Hierbei kommen drei Merkmale zusammen, nicht nur zwei, wie bei der klassischen Konditionierung. Diese sind der Reiz, ein Verhalten und die entsprechende Konsequenz daraus. Das Verhalten wird nach erfolgter Konditionierung bewusst gezeigt, um die erwartete Konsequenz zu erfahren bzw. zu vermeiden. Beispielsweise steht der Hund bettelnd am Kühlschrank, denn in der Vergangenheit bekam er hieraus des Öfteren eine Kleinigkeit. Der auslösende Reiz ist der Gang des Menschen zum Kühlschrank, das Verhalten ist neugieriges Hinterherlaufen vom Hund und die Konsequenz ist die Gabe einer Scheibe Wurst. Fällt aber nun plötzlich eine Flasche beim Öffnen der Tür aus dem Kühlschrank und zerschellt direkt vor dem Hund, wird dieser in Zukunft den Kühlschrank vermutlich meiden. Da bei einer operanten Konditionierung eine erlernte und keine natürliche Reaktion erfolgt, ist diese auch veränderbar. 15-0347_BB_Newsletter_Wissensbar_07_Belohnen_Hundeerziehung_151111_MG.indd 1
Trainerwissen Des Weiteren unterscheiden wir zwei Arten der Belohnung sowie zwei Arten der Bestrafung: Belohnung Wir geben etwas Angenehmes hinzu = positive Verstärkung (Beispiel: Der Hund bekommt eine Belohnung für ein ausgeführtes Kommando). Wir nehmen etwas Unangenehmes weg = negative Verstärkung (Beispiel: Der Hund zieht an der Leine, weil er zu einer bestimmten Stelle will. Bleibt er stehen und schaut er sich zum Menschen um, wird die Leine gelockert und der unangenehme Zug hört auf). Bestrafung Wir fügen etwas Unangenehmes hinzu = positive Strafe (Beispiel: Der Hund zieht an der Leine und erhält einen Leinenruck). Wir nehmen etwas Angenehmes weg = negative Strafe (der Hund befolgt ein Kommando nicht, die bereits hervorgeholte Futterbelohnung verschwindet wieder in der Tasche). Was aber genau eine Belohnung zur positiven Verstärkung ist, soll auch hier einmal verdeutlicht werden. In der Hundeerziehung unterscheiden wir zwischen einem primären, einem sekundären und einem generalisierten Verstärker. Primäre Verstärker Bei dieser Art von Belohnungen handelt es sich um natürliche Bedürfnisse, wie Nahrungsaufnahme, Sozialkontakte usw. Diese primären Verstärker wirken von Geburt an und unmittelbar durch den ausgelösten Reiz. Sie müssen nicht erlernt werden. Der Reiz ist zum Beispiel ein Hungergefühl, der primäre Verstärker in diesem Fall die Nahrungsaufnahme. Dieser Reiz kann nicht so einfach durch die Gabe einer anderen Belohnung befriedigt werden. Sekundäre Verstärker Der sekundäre Verstärker wird auch als konditionierter Verstärker bezeichnet. Somit ist eigentlich schon klar, was gemeint ist. Ursprünglich löste der Reiz (z. B. ein Clickergeräusch oder der Griff in die Jackentasche) keine Reaktion aus, aber durch die zeitgleiche oder unmittelbar folgende Gabe eines primären Verstärkers wurde dieser neutrale Reiz selbst zum Verstärker. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Belohnung auch wirklich als Verstärker wirkt und somit das Zeigen des gewünschten Verhaltens erhöht, ist also am höchsten, wenn die Belohnung aus dem Bereich der primären Verstärkung kommt. Deshalb ist es sinnvoll, die Bedürfnisse seines Hundes gut zu kennen bzw. in der jeweiligen Situation zu erkennen und als Belohnung wenn möglich auf eben diesen primären Verstärker zurückzugreifen oder zumindest das vorliegende Grundbedürfnis zu bedienen. Buchtipp: Verstärker verstehen: Über den Einsatz von Belohnung im Hundetraining von Viviane Theby erschienen im Kynos Verlag 15-0347_BB_Newsletter_Wissensbar_07_Belohnen_Hundeerziehung_151111_MG.indd 2
Trainingsstunde Belohnung in der Hundeerziehung Konzept für eine Trainingsstunde Ziel: Der Hundehalter wird angeregt, sich Gedanken über alternative Belohnungen für seinen Hund zu machen und lernt zu erkennen, ob und wann eine Belohnung vom eigenen Hund auch als solche empfunden wird. Eine schöne Trainingsstunde zum Thema Was ist eine Belohnung könnte wie folgt aussehen: Theorie: Fragerunde was ist eine Belohnung? Die meisten Kunden zählen nun auf (zur Unterstützung, dass sie es auch wirklich tun, kann der Trainer schon mal den Daumen hochhalten, damit es so aussieht, als würde man verschiedene Möglichkeiten sammeln wollen). Sie sagen Dinge wie Futter, Bällchen, Streicheln... Daraufhin erklärt der Trainer, dass nun Möglichkeiten aufgezählt wurden, wie man einen Hund belohnen kann. Was genau ist aber eine Belohnung, bzw. wird als solche empfunden? Eine Belohnung für eine bestimmte Verhaltensweise wird nur dann als eine Belohnung empfunden, wenn sie ein aktuelles Bedürfnis befriedigt! ist die Antwort. Hin und wieder kommen die Teilnehmer tatsächlich darauf, das ist aber eher selten. Um das noch einmal zu verdeutlichen, eignet sich folgende Übung. Wir bilden mit der Gruppe einen ausreichend großen Kreis. Der erste Teilnehmer stellt sich in die Mitte und hält seinem Hund ein tolles Leckerchen vor die Nase. Diese mit Futter gefüllte Hand wird nun an die Brust des Menschen genommen. Jetzt bekommt der Hund ein Hörzeichen, zum Beispiel Sitz!. Nach Ausführung des Hörzeichens wird der Hund zur Belohnung gestreichelt. Die Teilnehmer sollen nun beurteilen, ob der Hund das Streicheln als Belohnung, als neutralen Reiz oder gar als Strafe empfindet. Tipp In diesem Zusammenhang sollte darauf eingegangen werden, was die Kunden gesehen haben und welche körpersprachlichen Signale der Hund gesendet hat. Auch für uns Trainer ist es ein wichtiger Hinweis, mit was für Hundetypen wir es zu tun haben. Deshalb bietet sich diese Trainingsstunde auch bei Neukunden an. Natürlich ist das Verhalten des Hundes nicht nur vom Faktor Belohnung abhängig, sondern wird auch von anderen Faktoren wie Gruppengröße oder der fremden Umgebung beeinflusst. Dennoch kann das Verhalten zumindest richtungsweisend für uns sein. Mögliche Verhaltensweisen sind: Züngeln mit nach hinten gelegten Ohren = Beschwichtigung, evtl. weil das Vorbeugen des Menschen als Bedrohung angesehen wurde. Züngeln mit aufgerichteten Ohren = Übersprunghandlung, laut Tinnbergen eine nicht nachvollziehbare Handlung, die aufgrund zweier gegensätzlicher Motivationen (gestreichelt werden und fressen wollen) gezeigt wird. Sie deuten auf einen Konflikt des Hundes hin. Anspringen = ist die Reaktion von wagemutigen Hunden. Sie maßregeln im Grunde den Menschen, weil dieser das Futter verwehrt. Teilweise springen sie dabei gezielt Richtung Magengegend. Sehr junge Hunde hingegen zeigen das Anspringen noch als natürliche Verhaltensweise des Futterbettelns. Wegducken = Hund weicht dieser unangenehmen und aus seiner Sicht unangemessenen Handlung aus, oft auch um den Blick zum Futter nicht zu verlieren. Anschmiegen, geschlossene Augen = Der Hund genießt die Streicheleinheit 15-0347_BB_Newsletter_Wissensbar_07_Belohnen_Hundeerziehung_151111_MG.indd 3
Trainingsstunde Einfrieren, ohne das Futter aus den Augen zu verlieren = Der Hund erträgt das Streicheln, ohne sich jedoch belohnt zu fühlen. Theorie Alles, was der Hund gerade möchte, kann also gezielt als Belohnung eingesetzt werden (primärer Verstärker). Kommt uns sein Hundekumpel entgegen, kann der eigene Hund z. B. zur Belohnung, weil er sich gut benimmt und nicht bellt oder in die Leine springt abgeleint werden (Aktivitätsverstärker nach dem Premack-Prinzip). Wir können den Hund auch im Vorfeld schon auf eine Belohnung fokussieren, um seine Motivation in diese Richtung zu verändern. Dazu können wir ihm kurz ein Spielzeug zeigen und es dann wieder verwehren (sekundärer Verstärker). Oder wir Clickern immer in dieser Situation, so wird das Geräusch an sich schon zur Belohnung (generalisierter Verstärker). Nun wollen wir eine Übung aus dem Alltag mit einbauen, um das Thema noch besser zu verstehen. Ziel ist, dass der Hund beim Öffnen der Heckklappe im Kofferraum bleibt, ohne dass der Mensch ein Kommando gibt. Die Frage also vorab: Was ist für den Hund in diesem Moment die Belohnung? Natürlich der Ausstieg aus dem Kofferraum, werden alle Teilnehmer einvernehmlich festhalten. Wir wären also dumm, wenn wir das Aussteigen dürfen nicht ganz bewusst als Belohnung für die Kooperation einsetzen würden. Alle Hunde werden in den Kofferraum des Autos ihres jeweiligen Halters gebracht. Anschließend wird das weitere Vorgehen gemeinsam besprochen. Schritt 1: Die Kofferraumklappe wird in die Hand genommen und ein paar Mal kurz geöffnet und sofort wieder verschlossen. Wichtig ist, dass die Hand des Menschen auf jeden Fall zwischen Klappe und Verschluss bleibt, damit der Hund nicht verletzt werden kann. Schritt 2: Der Hund wird sich nun eine alternative Verhaltensweise zu dem nach vorne drängeln überlegen müssen. Die meisten Hunde nehmen sich nun ein wenig zurück. Schritt 3: Dieses vom Hund angebotene Verhalten nehmen wir sofort zum Anlass, die Klappe weiter zu öffnen. Schießt er nun wieder nach vorne, schließen wir die Klappe wieder und beginnen von vorn. Schritt 4: Wir leinen den Hund an und warten auf eine Kooperationsbereitschaft. Will er sich an uns vorbei drängeln, schließen wir direkt wieder den Kofferraum und beginnen wieder mit Schritt 1! Kooperiert er, darf er aus dem Kofferraum springen. Wichtig dabei ist, dass die gesamte Übung ohne die Gabe von Kommandos durchgeführt wird. Theorie Belohnungen sollten also den Situationen entsprechend Anwendung finden: Oft glauben wir, unseren Hund zu belohnen, dieser empfindet es allerdings nicht so. Ein Beispiel: Der Familienhund freut sich auf die Heimkehr der Kinder von der Schule. Damit es kein allzu großes Durcheinander gibt, wird er auf seinen Platz geschickt, wo er abwarten soll, bis die Kinder im Haus sind und ihre Jacken ausgezogen haben. Würde dieser Hund nun zur Belohnung von der Hundehalterin in die Küche geführt, wo sein Mittagessen auf ihn wartet, ohne vorher die Kinder begrüßen zu dürfen, würde er das wohl nicht wirklich als Belohnung für sein vorher gezeigtes Wohlverhalten akzeptieren. Merke: Eine Belohnung muss auch vom Empfänger in der jeweiligen Situation als solche empfunden werden! 15-0347_BB_Newsletter_Wissensbar_07_Belohnen_Hundeerziehung_151111_MG.indd 4
Trainingsstunde Allerdings kann der Belohnungseffekt einzelner Maßnahmen auch trainiert werden, in dem das Begehren erhöht wird. Wird z.b. ein Teil der Tagesration des Hundefutters durch Futtersuchspiele oder Gehorsamsübungen in den Alltag mit einbezogen, bekommt es eine ganz andere Wertigkeit, als ein Futter, welches den ganzen Tag zur freien Verfügung bereit steht. Welche Belohnungen können für Hunde noch in Frage kommen? Ein Labrador mag es sicher, wenn er mal gerubbelt oder geklopft wird, den Whippet wird es eher gruseln. Streicheln am Kopf empfinden dagegen viele Hunde nicht als Belohnung, besonders dann nicht, wenn andere Hunde in der Nähe sind. Ein Dackel findet ein gemeinsames Such- oder Buddelspiel sicher spannender als ein Eurasier, ein Malteser empfindet das Auf-dem-Schoß-sitzen-dürfen sicher eher als Belohnung als ein Jack Russel Terrier Die Teilnehmer sollen nun verschiedene Dinge mit Ihrem Hund machen, um herauszufinden, welche Vorlieben der Hund hat z. B. buddeln, Blätter fangen, gemeinsam rennen usw. Wenn das gut funktioniert, kann dies gezielt in eine Übung eingebunden werden. Ein Motivationsobjekt oder ein Futterstück hinhalten, um ein Bedürfnis zu wecken. Die Beute verwehren bzw. an die Brust halten und dann ein Kommando geben, z.b. Sitz! Setzt sich der Hund, bekommt er seine erwartete Belohnung. Das gleiche geht auch mit rennen, buddeln usw. Also erst gemeinsam rennen, dann anhalten und ein Kommando geben, dann wieder rennen. Abschlussrunde Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Umsetzung! Ihr Belcando Expertenclub-Team Was ist hängen geblieben, was werdet ihr diese Woche üben? Zur Information und Nachbereitung erhalten die Teilnehmer das vorbereitete Handout mit folgender Aufgabe: Sie sollen die Woche über verschiedene Dinge mit ihrem Hund ausprobieren, um herauszufinden, was ihrem Hund Freude bereitet, wobei sie immer die jeweilige Situation berücksichtigen sollten. Nur weil der Hund auf der Hundewiese auf ein angebotenes Zerrspiel mit dem Hundehalter nicht eingeht, heißt das nicht, dass dies zu anderer Gelegenheit keine adäquate Belohnung für ihn darstellen kann, sondern lediglich, dass die Situation andere Motivationen weckt. 15-0347_BB_Newsletter_Wissensbar_07_Belohnen_Hundeerziehung_151111_MG.indd 5