14. Wahlperiode 21. 05. 2010 Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums Unabhängig, bürgernah, effizient: Eckpunkte für eine Neuordnung des Datenschutzes und der Datenschutzaufsicht in Baden-Württemberg Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, umgehend einen Gesetzentwurf zur Neuordnung des Datenschutzes und der Datenschutzaufsicht in Baden-Württemberg vorzulegen, der den vom Europäischen Gerichtshof konkretisierten Anforderungen an einen Datenschutz in völliger Unabhängigkeit genügt und folgende Eckpunkte berücksichtigt: 1. der Datenschutz für den nicht öffentlichen und den öffentlichen Bereich wird beim Landesbeauftragten für den Datenschutz zusammengeführt; 2. die neue einheitliche Datenschutzkontrollstelle für den öffentlichen und den nicht öffentlichen Bereich wird als oberste Landesbehörde an den Landtag angegliedert und ist dem Parlament rechenschaftspflichtig; 3. der/die Landesbeauftragte für den Datenschutz wird unmittelbar vom Landtag gewählt; 4. für eine wirksame und permanente parlamentarische Kontrolle und Aufsicht über die neue Datenschutzbehörde wird beim Landtag eine Datenschutzkommission als parlamentarisches Kontrollorgan eingerichtet; 5. die Verantwortlichkeit des/der Landesbeauftragten für den Datenschutz gegenüber dem baden-württembergischen Landtag hat ihre Grenzen in der sachlichen Unabhängigkeit des/der Datenschutzbeauftragten; Eingegangen: 21. 05. 2010 / Ausgegeben: 22. 06. 2010 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente
6. die Berichtspflichten des/der Datenschutzbeauftragten gegenüber dem Landtag werden ausgeweitet, Tätigkeitsberichte sind mindestens einmal jährlich vorzulegen; 7. die neue Datenschutzbehörde muss ihre Aufgaben ohne jegliche unmittelbare und mittelbare Einflussnahme Dritter in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen können: Es darf keine Fach- und Rechtsaufsicht geben und eine mögliche Dienstaufsicht darf nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf Entscheidungen der Datenschutzkontrollstelle führen; 8. die neue Datenschutzbehörde wird mit ausreichenden Eingriffs- und Durchsetzungsbefugnissen ausgestattet, um eine unabhängige Amtsführung zu gewährleisten; 9. zur unabhängigen Wahrnehmung ihrer Tätigkeit erhält die neue Datenschutzbehörde die notwendige Entscheidungshoheit bei Personal, Haushalt und Organisation; 10. der Haushalt des/der Landesbeauftragten für den Datenschutz wird in einem eigenen Kapitel im Haushaltsplan des Landtags veranschlagt und 11. der Personalaustausch zwischen der Datenschutzbehörde und der Landesverwaltung (Fluktuation, Rotation) ist zu gewährleisten. 21. 05. 2010 Schmiedel, Dr. Schmid, Stickelberger, Stoch, Dr. Brenner und Fraktion Begründung Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 9. März 2010 (Rechtssache C 518/07) entschieden, dass der Datenschutz für den nicht öffentlichen Bereich in der Bundesrepublik gegen das Erfordernis der völligen Unabhängigkeit der Datenschutzkontrollstellen verstößt, indem sie die für die Überwachung der Verarbeitung personenbezogener Daten durch nicht öffentliche Stellen und öffentlich-rechtliche Wettbewerbsunternehmen zuständigen Kontrollstellen in den Bundesländern staatlicher Aufsicht unterstellt und damit das Erfordernis, dass diese Stellen ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen, falsch umgesetzt hat. Da in Baden-Württemberg der Datenschutz für den nicht öffentlichen Bereich derzeit im Innenministerium angesiedelt und der Aufsicht des Ministeriums unterstellt ist, muss der Landesgesetzgeber handeln, um diesen Verstoß gegen EU-Recht und gegen das Erfordernis der Unabhängigkeit zu beheben. Handlungsbedarf besteht aber auch bei der Datenschutzkontrollstelle für den öffentlichen Bereich, da der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Baden- Württemberg nach 26 Abs. 3 Landesdatenschutzgesetz der Dienstaufsicht des Innenministeriums und damit der Regierung untersteht und der Haushalt des Landesbeauftragten für den Datenschutz im Haushaltsplan des Innenministeriums und somit bei der Regierung veranschlagt ist ein klarer Verstoß gegen das Erfordernis einer unabhängigen Datenschutzkontrolle. 2
Die Landesregierung hat auf den Antrag der SPD zur Bündelung des Datenschutzes (Drs. 14/5333) im Dezember 2009 mitgeteilt, dass sie den Datenschutz für den öffentlichen und den nicht öffentlichen Bereich baldmöglichst zusammenlegen und die Zuständigkeiten beim Landesbeauftragten für den Datenschutz bündeln will. Die Landesregierung kommt damit spät aber immerhin einer Forderung nach, die von der SPD schon seit vielen Jahren erhoben wird. Vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils zur Unabhängigkeit des Datenschutzes und angesichts der anstehenden Neuausrichtung und Bündelung des Datenschutzes in Baden-Württemberg legt die SPD-Landtagsfraktion Eckpunkte für einen unabhängigen, bürgernahen und effizienten Datenschutz vor. Datenschutz muss das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gewährleisten und wirkungsvoll sichern. Die Eckpunkte der SPD-Fraktion zielen deshalb im Kern darauf ab, dass: die Datenschutzkontrolle im öffentlichen und im nicht öffentlichen Bereich in Baden-Württemberg künftig den vom Europäischen Gerichtshof konkretisierten Anforderungen an einen Datenschutz in völliger Unabhängigkeit gerecht wird, die Datenschutzkontrolle von einer ministerialfreien Behörde wahrgenommen wird, die demokratisch legitimiert ist und einer effektiven permanenten parlamentarischen Kontrolle unterliegt und durch die Neuordnung und Bündelung der Datenschutzkontrolle ein effektiver Schutz der Datenschutzgrundrechte gewährleistet wird: Unabhängig, bürgernah und effizient. Diese Ziele sind am besten zu erreichen, wenn der Datenschutz für den öffentlichen und den nicht öffentlichen Bereich beim Landesbeauftragten für den Datenschutz zusammengeführt, die Behörde als oberste Landesbehörde direkt an den Landtag angegliedert, der Landesdatenschutzbeauftragte unmittelbar vom Parlament gewählt wird und die Datenschutzbehörde dem Parlament gegenüber umfassend rechenschaftspflichtig ist. Ein solches Modell einer ministerialfreien Datenschutzbehörde erfordert aus verfassungsrechtlichen Gründen eine hinreichende parlamentarische Kontrolle der beim Landtag angesiedelten Datenschutzbehörde mit der permanenten Verantwortlichkeit des Landesdatenschutzbeauftragten gegenüber dem Parlament. Aus diesem Grund muss beim Landtag eine Datenschutzkommission eingerichtet werden, die als parlamentarisches Kontrollorgan die Aufsicht über die Datenschutzbehörde ausübt. Diese Kontrolle darf allerdings nicht zu Einflussnahmen des parlamentarischen Kontrollgremiums auf konkrete Sachentscheidungen der Datenschutzbehörde führen. Nach EU-Recht gilt der Grundsatz der Weisungsunabhängigkeit der Datenschutzbehörde nicht nur gegenüber einer Regierung oder einem Ministerium, sondern auch gegenüber einer Parlamentsverwaltung. Parlamentarische Verantwortlichkeit bedeutet auch, dass die Berichtspflichten der Datenschutzbehörde gegenüber dem Parlament ausgeweitet werden müssen. Tätigkeitsberichte müssen mindestens jährlich erstattet werden. Die neue Datenschutzbehörde ist auch mit ausreichenden Eingriffs- und Durchsetzungsbefugnissen auszustatten, um eine unabhängige Amtsführung zu gewährleisten. Diese Anordnungen unterliegen der Rechtskontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. 3
Zur unabhängigen Wahrnehmung ihrer Tätigkeit erhält die Datenschutzbehörde auch die notwendige Entscheidungshoheit bei Personal, Haushalt und Organisation. Der Haushalt des/der Landesbeauftragten für den Datenschutz ist in einem eigenen Kapitel im Haushaltsplan des Landtags zu veranschlagen. Nach Ansicht der SPD benötigt die zusammengelegte Datenschutzbehörde bis 2012 mindestens 30 bis 35 Stellen, um ihre Aufgaben effizient und bürgernah erfüllen zu können. Derzeit sind beim Landesbeauftragten für den Datenschutz 17 Stellen angesiedelt, für die originäre Kontrolltätigkeit im nicht öffentlichen Bereich stehen im Innenministerium sechs Stellen zur Verfügung. In Bayern soll der Datenschutz bis 2012 nach bisheriger Planung auf insgesamt 41 Stellen ausgebaut werden (öffentlicher und nicht öffentlicher Bereich). Damit die Datenschutzbehörde für hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktive Arbeits- und Karrierebedingungen anbieten kann, muss ein ständiger Personalaustausch zwischen der Datenschutzbehörde und der Landesverwaltung (Fluktuation, Rotation) gewährleistet sein. Bislang sind die Datenschutzkontrollstellen für den öffentlichen und nicht öffentlichen Bereich in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg, in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein in einer Behörde zusammengefasst. Mit Ausnahme von Bremen unterliegen dabei alle diese Behörden soweit sie auch die Datenschutzkontrolle für den nicht öffentlichen Bereich ausüben einer nach EU-Recht nicht mehr zulässigen Staatsaufsicht. Stellungnahme Mit Schreiben vom 15. Juni 2010 Nr. 2 0552.6/19 nimmt das Innenministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, umgehend einen Gesetzentwurf zur Neuordnung des Datenschutzes und der Datenschutzaufsicht in Baden-Württemberg vorzulegen, der den vom Europäischen Gerichtshof konkretisierten Anforderungen an einen Datenschutz in völliger Unabhängigkeit genügt und folgende Eckpunkte berücksichtigt: 1. der Datenschutz für den nicht öffentlichen und den öffentlichen Bereich wird beim Landesbeauftragten für den Datenschutz zusammengeführt; Zu 1.: Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen hatten sich bereits vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2010 (C-518/07) darauf verständigt, die für die Datenschutzaufsicht über den öffentlichen und den nicht öffentlichen Bereich zuständigen Stellen beim Landesbeauftragten für den Datenschutz im Land zusammenzuführen. Hieran hält die Landesregierung fest. 2. die neue einheitliche Datenschutzkontrollstelle für den öffentlichen Bereich und den nicht öffentlichen Bereich wird als oberste Landesbehörde an den Landtag angegliedert und ist dem Parlament rechenschaftspflichtig; 4
3. der/die Landesbeauftragte für den Datenschutz wird unmittelbar vom Landtag gewählt; 4. für eine wirksame und permanente parlamentarische Kontrolle und Aufsicht über die neue Datenschutzbehörde wird beim Landtag eine Datenschutzkommission als parlamentarisches Kontrollorgan eingerichtet; 5. die Verantwortlichkeit des/der Landesbeauftragten für den Datenschutz gegenüber dem baden-württembergischen Landtag hat ihre Grenzen in der sachlichen Unabhängigkeit des/der Datenschutzbeauftragten; Zu 2. bis 5.: Wie die künftig beim Landesbeauftragten für den Datenschutz angesiedelte einheitliche Datenschutzaufsicht organisiert und ausgestaltet wird, bedarf ins besondere im Hinblick auf verschiedene rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs einer sorgfältigen Prüfung. Da das Urteil alle Bundesländer betrifft, befasst sich damit der AK I der Innenministerkonferenz. Dessen Prüfung dauert gegenwärtig noch an. Eckpunkte der Organisation und Ausgestaltung der künftigen Datenschutzaufsicht in Baden-Württemberg können daher erst nach Abschluss der Prüfung festgelegt werden. 6. die Berichtspflichten des/der Datenschutzbeauftragten gegenüber dem Landtag werden ausgeweitet, Tätigkeitsberichte sind mindestens einmal jährlich vorzulegen; Zu 6.: Mit Gesetz vom 18. November 2008 (GBl. S. 387) ist die Berichtspflicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz im Anschluss an die Rechtslage im Bund und in den meisten anderen Bundesländern von einem Jahr auf zwei Jahre verlängert worden. Die hierfür maßgeblichen Gründe sind nach wie vor aktuell. Insoweit wird auf die amtliche Begründung und die Erörterung im Ständigen Ausschuss und im Plenum des Landtags verwiesen (LT-Drs. 14/ 3194 und 14/3440; Plenarprotokoll 14/53). Die Landesregierung sieht keine Veranlassung, die Berichtspflicht wieder auf ein Jahr zu verkürzen. In diesem Zusammenhang wird noch einmal darauf hingewiesen, dass der Landtag den Landesbeauftragten für den Datenschutz jederzeit um die Erstellung eines Gutachtens oder die Erstattung eines besonderen Berichts bitten kann ( 31 Abs. 2 Satz 1 des Landesdatenschutzgesetzes). 7. die neue Datenschutzbehörde muss ihre Aufgaben ohne jegliche unmittelbare und mittelbare Einflussnahme Dritter in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen können: Es darf keine Fach- und Rechtsaufsicht geben und eine mögliche Dienstaufsicht darf nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf Entscheidungen der Datenschutzkontrollstelle führen; 8. die neue Datenschutzbehörde wird mit ausreichenden Eingriffs- und Durchsetzungsbefugnissen ausgestattet, um eine unabhängige Amtsführung zu gewährleisten; 9. zur unabhängigen Wahrnehmung ihrer Tätigkeit erhält die neue Datenschutzbehörde die notwendige Entscheidungshoheit bei Personal, Haushalt und Organisation; 10. der Haushalt des/der Landesbeauftragten für den Datenschutz wird in einem eigenen Kapitel im Haushaltsplan des Landtags veranschlagt und 5
11. der Personalaustausch zwischen der Datenschutzaufsichtsbehörde und der Landesverwaltung (Fluktuation, Rotation) ist zu gewährleisten. Zu 7. bis 11.: Die Landesregierung wird den Vorgaben des Urteils des Europäischen Gerichtshofs selbstverständlich Rechnung tragen und die geforderte Unabhängigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz auch im nicht öffentlichen Bereich sicherstellen. Festlegungen zur Organisation und Ausgestaltung der Datenschutzbehörde lassen sich jedoch erst nach Abschluss der Prüfung der durch das Urteil aufgeworfenen Rechtsfragen treffen. Insoweit wird auf die Antworten zu den Nummern 2 bis 5 des Antrags verwiesen. Die Regelung der Eingriffs- und Durchsetzungsbefugnisse der Datenschutzaufsichtsbehörden im nicht öffentlichen Bereich obliegt im Wesentlichen dem Bund. Die derzeitige Regelung ergibt sich aus 38 des Bundesdatenschutzgesetzes. Rech Innenminister 6