Die Schweizer Konsumgüterindustrie in Zeiten zunehmender Globalisierung

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Transkript:

Die er Konsumgüterindustrie in Zeiten zunehmender Globalisierung Das er Gewerbe von konsumnahen Gütern musste sich in den vergangenen Jahren vermehrt der internationalen Konkurrenz auf den freien Märkten stellen. Staatliche Marktstützen in Form von Subventionen oder Exportförderung wurden stetig abgebaut. Gleichzeitig wurden die Zölle auf importierten Produkten im Zuge der Marktliberalisierung deutlich reduziert. Der stark zunehmende Druck ausländischer Konkurrenten vor allem auch aus Billiglohnländern führte zu einer erheblichen Anpassung der Branchenstrukturen und einer konsequenten Ausrichtung der exportorientierten Unternehmen auf hochqualitative Produkte. Thomas Stocker Economist, verantwortlich für Analysen und Prognosen der Konsumgüterindustrie, BAK Basel Economics, Basel Die Konsumgüterindustrie verlor in den letzten 25 Jahren stark an Bedeutung. Besonders betroffen war der Textil- und Bekleidungsbereich: Deren Wertschöpfungsanteil sank von 1,3% auf 0,3%, und die Produktion wurde zu einem grossen Teil ins Ausland verlagert. Bild: Keystone Die Lebens- und Genussmittelindustrie sowie das Textil- und Bekleidungsgewerbe verloren beide in den vergangenen Jahren in einer von Dienstleistungsbranchen und Investitionsgüterindustrien dominierten er Volkswirtschaft zusehends an Bedeutung. Diese natürliche, von Nachfrage und Standortentscheiden verursachte Strukturanpassung zeigte sich in der Textil- und Bekleidungsbranche deutlich ausgeprägter als im Nahrungs- und Genussmittelsektor. Die branche steuerte 19 rund 2,3% zur nationalen Wertschöpfung bei. Bis zum Jahr 2005 sank der Anteil auf knapp unter 2,0%. Das durchschnittliche Wachstum der realen Bruttowertschöpfung betrug in der industrie zwischen 19 und 2005 rund 0,9% pro Jahr (Gesamtwirtschaft: 1,5%). Erheblich mehr an Bedeutung büsste das Textil- und Bekleidungsgewerbe ein. Der Wertschöpfungsanteil reduzierte sich zwischen 19 und 2005 von 1,3% auf 0,3%. Der gesamte Zeitraum war geprägt von einer kontinuierlichen Abnahme der realen Wertschöpfung von 4,2% im Jahresdurchschnitt. Keine andere Branche innerhalb der er Volkswirtschaft erlebte in den letzten 25 Jahren einen vergleichbaren Produktionsrückgang. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Erwerbstätigkeit. In der Textil- und Bekleidungsbranche reduzierte sich die Zahl der Erwerbstätigen um durchschnittlich 5,6% pro Jahr. 19 waren noch rund 72 000 Menschen in diesem Produktionszweig tätig; heute sind es lediglich etwas mehr als 16 700. Der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamterwerbszahl reduzierte sich von 2,2% auf 0,4%. In der industrie sank der Erwerbstätigenanteil von 2,0% auf 1,5% innerhalb der letzten 25 Jahre, was einem durchschnittlichen Rückgang von 0,3% pro Jahr entspricht. Im Jahr 2005 waren knapp 62 700 Personen in der Lebens- und Genussmittelindustrie beschäftigt (19: ca. 67 000). Textil- und Bekleidungssektor: Historisch gewachsene regionale Verteilung Die er Textil- und Bekleidungsindustrie ist in der Ostschweiz (SG, AR, AI, TG, GL, SH) und im Tessin überproportional vertreten. Seit Anbeginn der Industrialisierung war die Ostschweiz das eigentliche schweizerische Ballungszentrum der Textilproduktion (Webereien, Textilveredelung, Herstellung von konfektionierten Textilwaren), was sich auch in der heutigen regionalen Verteilung 35 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2007

2.5 2.0 1.5 1.0 Grafik 1 Anteile der Konsumgüterindustrie an der Gesamtwirtschaft, 19 und 2005 19 2005 In % noch widerspiegelt. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden leistet der Textil- und Bekleidungssektor mit 7,2% im Jahr 2005 einen beachtlichen Teil zur kantonalen Gesamtwertschöpfung. In den Kantonen Appenzell Innerrhoden (3,3%) und Glarus (2,0%) besitzt die Branche im schweizerischen Vergleich einen überdurchschnittlichen Stellenwert. Im Kanton Tessin spielt vor allem die Bekleidungsindustrie eine zentrale Rolle. Rund 90% der Beschäftigten in der Tessiner Textil- und Bekleidungsbranche arbeiten in der Herstellung von Bekleidung. Eine vergleichbare regionale Konzentration lässt sich in der industrie nicht beobachten. Fast 40% der nationalen Branchenwertschöpfung werden in den Mittellandkantonen Zürich, Bern und Aargau generiert; daneben haben insbesondere in den Kantonen St. Gallen, Waadt und Luzern namhafte Unternehmen ihren Sitz. Aus Logistik- und Verteilungsgründen befinden sich keine grösseren Produktionsstätten der industrie in den Alpen- und Jurakantonen. 0.5 0.0 Reale Wertschöpfung Erwerbstätige Reale Wertschöpfung Erwerbstätige Index 19 = 1 40 20 Grafik 2 Gesamtwirtschaft (ohne aufgeführte Branchen) 19 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung in der Konsumgüterindustrie im Vergleich zur Gesamtwirtschaft (ohne Konsumgüterindustrie), 19 2005 2005 Stagnierende Inlandsnachfrage und zunehmender Preisdruck Die industrie setzt ihre Produkte vorwiegend über den Gross- und Detailhandel ab. Als weitere Abnehmer fungieren Restaurants und Hotels. Für die Hersteller von Bekleidung übernimmt der Gross- und Detailhandel ebenfalls eine zentrale Funktion zwischen den Produzenten und den Konsumenten. Die er Märkte für sowie für Bekleidung zeigten sich in den letzten Jahren gesättigt. Während sich der gesamte private Konsum zwischen 19 bis 2005 um durchschnittlich 1,4% pro Jahr erhöhte, nahmen die Konsumausgaben für um lediglich 0,5% pro Jahr zu. Für Bekleidung und Schuhe gaben die er im Jahr 2005 sogar weniger Geld aus als noch im Jahr 19. Neben der stagnierenden Nachfrage drückte vor allem auch der gestiegene Preisdruck von Seiten der Produktabnehmer auf die Margen der Konsumgüterproduzenten. Der Eintritt ausländischer Discounter in den er Markt verschärfte die Situation der heimischen Lebensmittelproduzenten zusätzlich. Gleichzeitig erhöhte sich die Nachfragemacht bei den Detailhändlern durch diverse Zusammenschlüsse und Aufkäufe kleinerer Ladenketten durch die grossen Player. Obwohl der er Markt im Lebens- und Genussmittelbereich vor allem bei landwirtschaftlichen Produkten nach wie vor stark von ausländischen Produkten abgeschottet wird, versuchten die Detailhändler je längere je mehr, die günstigeren Produkte aus dem Ausland zu importieren. Durch eine effizientere Betriebsorganisation und ein straffes Kostenmanagement wurde versucht, die Preisansprüche des Marktes zu erfüllen. Dieser Prozess von immer tieferen Verkaufspreisen und erhöhtem Wettbewerbsdruck führte schlussendlich vor allem im 36 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2007

Serie Grafik 3 Verteilung der nominalen Bruttowertschöpfung der Konsumgüterindustrie in den er MS-Regionen, 2005 Produktionsverlagerung in Billiglohnländer... In der Textil- und Bekleidungsbranche schritt die Auslagerung der Produktion in asiatische und später auch in osteuropäische Länder schon seit Anfang der Neunzigerjahre zügig voran. Vor allem in der Massenproduktion von günstigen Produkten ist der Standort mit seiner Kostenstruktur keine Alternative mehr. Die im 21. Jahrhundert in der verbliebenen Manufakturen suchen ihr Glück auf den internationalen Märkten mit einer konsequenten Qualitätsstrategie ihrer Produkte. Durch immer neue Innovationen und hochstehendes Design im Textil- und Bekleidungsbereich werden weltweit Abnehmer der er Spezialprodukte gefunden. Die Exporte der er Textil- und Bekleidungsindustrie (2006: 4,48 Mrd. Fr.) gingen in den letzten 15 Jahren wertmässig zwar um 10% zurück, werden aber heute von deutlich weniger Unternehmen geleistet. Dies zeigt die starke Exportorientierung der noch vorhandenen Produzenten. industrie Nom. Bruttowertschöpfung in Mio. CHF 616,00 200,00 30,00 Textil- und Bekleidungsgewerbe Nom. Bruttowertschöpfung in Mio. CHF 187,00,00 9,00...und Export von «Swiss Quality» MS = Mobilité spatiale Kasten 1 Branchen der Konsumgüterindustrie Zum Branchenaggregat «Herstellung von n» gehören nach der Allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige (Noga) des Bundesamtes für Statistik von die Branchen «Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln sowie Getränk» (Noga 15) und die «Tabakverarbeitung» (Noga 16). Das Branchenaggregat «Herstellung von» besteht aus «Herstellung von Textilien» (Noga 17) und «Herstellung von Bekleidung» (Noga 18). Textil- und Bekleidungssektor zu vielen Betriebsschliessungen. Wie aus den Betriebszählungsdaten des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervorgeht, schlossen in der Textil- und Bekleidungsbranche zwischen und 2005 rund 0 Unternehmen ihre Tore. Dies bedeutet eine Abnahme von 36% gegenüber dem Stand von. Im Zuge der Betriebsschliessungen ging innert zehn Jahren jeder zweite Arbeitsplatz in der Branche verloren. In der industrie resultierte zwischen und 2005 ebenfalls ein deutlicher Rückgang bei den Arbeitsstätten von 22,4%. Im Gegensatz zur Textil- und Bekleidungsbranche kam es aber vermehrt zu Unternehmenszusammenschlüssen oder -übernahmen, welche oft keinen erheblichen Personalabbau verursachten. Zwar ist eine Abnahme bei den Beschäftigten zu beobachten, die aber im Vergleich zur Textilund Bekleidungsbranche mit 4,7% zwischen und 2005 relativ bescheiden ausfällt. 37 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2007 Auch für die industrie gewinnen die ausländischen Märkte immer mehr an Bedeutung. Die voranschreitende, beidseitige Öffnung der Märkte zwischen der und der Europäischen Union bringt neue Möglichkeiten. Zwischen und 2006 erhöhten sich die Exporte um durchschnittlich 7,8% pro Jahr (Gesamtexporte: 5,9%). Wie bei den Produzenten im Textil- und Bekleidungsgewerbe werden die ausländischen Märkte mit relativ teueren, aber hochqualitativen Produkten bedient. Dabei nutzen die er Nahrungsmittelproduzenten höchst erfolgreich das Label «Swiss Quality» für Marketingzwecke. Folglich können höhere Verkaufspreise durchgesetzt werden, die vom Konsumenten auch goutiert werden. Die Strategie der PremiumProdukte ist für die er Produzenten in vielen Nahrungsmittelsegmenten (Käse, Jogurt, Schokolade usw.) zu einer lukrativen Nische auf den Weltmärkten geworden. In den letzten Jahren zeichnet sich auch ein neuer Trend bei den mittelgrossen er Nahrungsmittelproduzenten ab. Die Produktion wird näher zum Kunden gebracht, indem Produktions- und Vertriebsstrukturen im Ausland aufgebaut resp. Kooperationen mit ausländischen Produzenten eingegangen werden. Im Gegensatz zur Textil- und Bekleidungsbranche wird aber weiterhin auch im Inland produziert. Eine komplette Produktionsauslagerung in andere Länder ist im bereich auch wegen

Total Index 19 = 150 130 110 90 Grafik 4a Private Konsumausgaben der er Haushalte für die Bereiche der Konsumgüterindustrie und Total, 19 2005 Total Index = 220 200 1 1 Grafik 4b 19 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 Bekleidung und Schuhe 1988 1989 Exporte Exporte 2006: 173,46 Mrd. Fr. Exporte 2006: 4,19 Mrd. Fr. 2005 Exporte der er Konsumgüterindustrie und der Gesamtwirtschaft, 2006 Exporte 2006: 4,86 Mrd. Fr. 2006 Quelle: OZD, BAK Basel Economics / Die Volkswirtschaft der oben genannten «Swissness»-Strategie nicht absehbar. Für die er industrie ist die Europäische Union (EU) der zentrale Absatzmarkt. 70% der wertmässigen (in Franken) Ausfuhren wurden im Jahr 2006 in die EU25 geliefert. Innerhalb der EU waren (Anteil: 19%), (11%) und das Vereinigte Königreich (10%) die grössten Abnehmerländer. In die wurden rund 6% der Gesamtexporte geliefert. 1 Importe stammten 2006 vorwiegend aus (18%), (17%) und (16%). 2 Bei der Art der exportierten Produkte nahmen die konsumfertigen Nahrungsmittel mit einem Exportanteil von 67% den Spitzenplatz ein. Lediglich 3% der Ausfuhren waren Ausgangsstoffe für die Nahrungsmittelindustrie. Demgegenüber betrafen 16% der Importe solche Rohstoffe. Ebenfalls grosses Gewicht bei den Einfuhren besassen die konsumfertigen Nahrungsmittel (61%) und Getränke (20%). Das Textil- und Bekleidungsgewerbe lieferte 2006 rund 63% ihrer wertmässigen Exporte in die EU25, allen voran (22%). Gefragt sind die er Textil- und Bekleidungsprodukte auch in den (11%) und (10%). Textil- und Bekleidungsprodukte wurden hauptsächlich aus (Importanteil: 31%), (24%) und China (8%) importiert. 3 Hohe Produktivität Um auf den globalisierten Märkten bestehen zu können, muss die er Konsumgüterindustrie ihre Produkte zu Weltmarktpreisen anbieten können. Die zurzeit unumgänglichen Kostennachteile in der Produktion vor allem bei den Vorleistungskosten wie Rohmaterialeinkauf, Energie, Mieten, Telekommunikation müssen durch eine höhere Produktivität wettgemacht werden. Ein Vergleich mit den wichtigen europäischen Konkurrenten und den zeigt auf, dass die er industrie eine überdurchschnittliche nominale Stundenproduktivität aufweisen kann. Ein er Arbeitnehmer erzielt im Jahr 2005 eine Wertschöpfung von 84 Franken pro Stunde fast das Doppelte des westeuropäischen Durchschnitts. Eine Erklärung für die hohe Produktivität in der ist die konsequente Ausrichtung der exportorientierten Unternehmen auf hochqualitative Produkte mit vergleichsweise hohen Preisen. Der durchschnittliche jährliche Wachstumsbeitrag der industrie liegt in der zwischen 19 und 2005 leicht unterhalb des westeuropäischen Durchschnitts. Deutliche höhere Beiträge an das nationale Gesamtwachstum lieferte die Branche in, Finnland und im Nachbarland. Im internationalen Vergleich zeigt sich aber, dass nur in und der Anteil der Nahrungsund Genussmittelindustrie am Bruttoinlandsprodukt noch grösser als in der 38 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2007

Wachstum reale Bruttowertschöpfung, 19 2005 p.a., in % 3.5 2.5 1.5 0.5 0.5 1.5 2.5 3.5 4.5 90 70 50 40 30 20 10 0 Grafik 5 Wachstumsbeitrag der Konsumgüterindustrie an die Gesamtwirtschaft pro Jahr, 19 2005 0.2 Grafik 6 Finnland Gesamtwirtschaft Vereinigtes Königreich Nominale Stundenproduktivität, in Fr. Finnland Vereinigtes Köngireich 0.6 1.0 1. 4 1.8 Wachstumsbeitrag p.a. 19 2005 0.06% 0.03% 0.01% Branchenanteile am BIP, nominal, 2005 2.2 Nominale Stundenproduktivität der Konsumgüterindustrie und der Gesamtwirtschaft, 2005 1 Erst schwach vertreten waren die er Nahrungsund Genussmittelhersteller auf den aufstrebenden Märkten China (0,3%), Indien (0,1%) oder Brasilien (0,3%). 2 Überseeländer wie die (3%) oder Brasilien (3%) spielten nur eine untergeordnete Rolle bei den Herkunftsländern. 3 Bezüglich der Handelsstruktur fällt auf, dass sich die Textil- und die Bekleidungsprodukte bei den Exporten mit einem Anteil von je 50% die Waage hielten. Bei den Importen belief sich der Anteil der Bekleidungsstücke auf 71%. Vereinigtes Königreich Niederlande ausfällt. Das langfristige reale Wachstum (19 2005) der er Nahrungs- und Genussmittelindustrie liegt nur marginal unter dem durchschnittlichen Wachstum der wichtigsten westeuropäischen Länder. Die Textil- und Bekleidungsbranche erzielte zwischen 19 und 2005 nur in den und in ein positives reales Wertschöpfungswachstum. In den anderen hier untersuchten Ländern verlor die Branche wie in der deutlich an Bedeutung. Die Auslagerung der Produktion in asiatische und seit der EU-Osterweiterung vermehrt in osteuropäische Länder zeigt sich auch in den anderen westeuropäischen «Hochlohn-Ländern» deutlich. Eine im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Bedeutung hält das Textil- und Branchengewerbe im «Modeland». Allerdings sank auch im südlichen Nachbarstaat die reale Wertschöpfung im Durchschnitt um 0,7% pro Jahr. Zukunft: Hightech im traditionellen Gewerbe? Mit einigen traditionellen Produkten lässt sich weder im bereich noch in der Textil- und Bekleidungsbranche grosses Wachstum erzielen. Die Zukunft der branche wird mehr und mehr Lifestyle- und Gesundheitsprodukten sowie Convenience gehören, welche dem Konsumenten neben der reinen Nahrungsaufnahme einen (gesundheitlichen) Zusatznutzen bringen. So vertreiben bereits erste Nahrungsmittelhersteller innovative Produkte auf den Märkten, welche beispielsweise leicht erhöhten Blutdruck oder den Cholesterinspiegel günstig beeinflussen. Den Trend in diese Richtung zeigt auch die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Nahrungsmittelherstellern und Pharmaindustrie (Stichwort Medical Nutrition). Um die Anforderungen des Marktes und die Bedürfnisse der Konsumenten zu befriedigen, wird die industrie längerfristig das Bild eines traditionellen Gewerbes immer mehr verlieren und verstärkt zu einer Branche heranwachsen, die der Forschung&Entwicklung und der damit verbundenen Innovationskraft einen zentralen Stellenwert in der Unternehmensphilosophie einräumt. Ähnliches gilt auch für die er Textil- und Bekleidungsindustrie. Nur mit innovativen und neuartigen Hightech-Textilien kann sie auf den globalisierten Märkten bestehen. Hierbei wird vor allem die markttaugliche Nutzung von neuen Technologien (z.b. Nanotechnologie) eine entscheidende Rolle spielen. Zukunftsweisend ist, dass vom erischen Textilverband (TVS) eine engere Zusammenarbeit zwischen technischen Hochschulen und den Produzenten angestrebt wird, um das Wissen und die Forschungsresultate in praktische Anwendungen umzuwandeln. 39 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2007