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Transkript:

1 Ich bin der Junge, der bei meinen Eltern wohnt und der glaubt, dass es woanders besser wäre, aber egal. Ich heiße Leopold, aber alle nennen mich Leo. Das ist kürzer und macht auch nicht so alt. Mein Vater wollte, dass ich Leopold heiße, weil das der Vorname meines Urgroßvaters war, meine Mutter wollte 5

lieber Jean-René, wie ihr Vater. Ich weiß gar nicht, was schlimmer ist. Ich wohne in einem Hochhaus im fünften Stock, es gibt einen Aufzug, aber der funktioniert nie. Meine Mutter trägt die Einkäufe immer die Treppe hoch. Mein Vater kann nicht, er sitzt vor dem Fernseher. Mein Vater arbeitet nicht, er ist auf der Suche. Wenn man ihn fragt, was er macht, dann sagt er:»ich bin auf der Suche.«Ich bin immer woanders, sogar wenn ich da bin, bin ich woanders. Mich braucht er nicht zu suchen, ich bin nicht da. 6

Ich wohne im Hochhaus B und meine Nachbarn heißen Omar, Julien, Tristan, Guillaume, Ingrid, Amédée, Slimane, Nora und Cache-Coeur, der keine Familie hat. Ingrid und Nora sind Freundinnen. Ingrid, das ist die Hässliche. 7

Wenn ich den Nachbarn begegne, dann sage ich immer guten Tag, sonst heißt es, dass ich nicht höflich bin, und wenn ich nach Hause komme, kriege ich eine gescheuert, weil ich schlecht erzogen bin. Das Problem ist, dass meine Eltern nur mich gemacht haben, ich bin ein Einzelkind. Als sie mich gesehen haben, hatten sie vielleicht die Nase voll oder sie konnten kein zweites Kind mehr bekommen, was weiß ich, egal, jedenfalls bin ich allein. Wirklich ganz allein. Wenn ich spiele, wenn ich rede, wenn ich schlafe, immer bin ich allein. Und für meine Eltern bin ich der einzige, der Dummheiten macht, und wenn sie mich ausschimpfen, dann ist keiner da, mit dem ich das teilen kann. 8

Als Einzelkind hat man es im Leben schwer. Ich will einen Zwillingsbruder. Ingrid sagt, das geht nicht, aber was Ingrid sagt, ist mir egal. Nora sagt nichts.

Ich muss unbedingt mit Nora darüber reden, sonst ist es vielleicht zu spät. Nora kommt nicht aus Frankreich. Sie trägt die Sonne mit sich herum, und ihre Augen machen mich ganz verrückt, weil aus ihnen die Sonne herausstrahlt. Sie hat Haare, Hände und Beine wie alle anderen Mädchen, aber sie ist wie aus Honig gemacht. Für meinen Zwillingsbruder sind mir schon ein paar Sachen eingefallen. Ich möchte, dass wir immer im gleichen Augenblick an die gleichen Sachen den- 10

ken und dass wir uns nichts erklären müssen, wir würden uns nie streiten, wir wären wie ein Junge, nur doppelt. Das klingt ganz einfach, aber wenn ich das den anderen erzähle, dann lachen sie mich aus, als wäre ich ein Blödmann. Was mir fehlt, sagt Julien, ist ein Klon. Julien ist ein großer Denker, in der Schule hat er immer gute Noten, vielleicht ist er sogar der Klügste in unserer Klasse, was man daran erkennen kann, dass er sich schneller meldet als alle anderen. Das Problem ist, er stottert ein bisschen, er denkt schnell, aber wenn man mit ihm über was reden will, muss man geduldig sein, weil in seinem Mund drängeln sich zu viele Wörter, die alle gleichzeitig herauswollen.

Ich bin geduldig, das trifft sich gut.»ein Klo... Klo... Klon«, sagte er,»ist...«ich musste lachen: Klon klingt fast wie Klo. Aber ich habe nur kurz gelacht, denn Julien darf man nicht unterbrechen, er weiß sonst nicht mehr, wohin mit seinen vielen Wörtern.»Ein Kl...Klon ist g...gen...nauso wie d...du. Man n...nimmt deine Ge...Ge... Ge...Gene und m...macht einen zw... zweiten Leo, der g...gen...nau so ist wie d...du.«julien muss man verstehen können, das ist nicht leicht, er kennt so viele Wörter, die nicht mal mein Vater kennt, außer er hat dazu was im Fernsehen gesehen. Aber egal, Julien ist mein Freund, er erklärt mir alles, was ich nicht verstehe. 12

Er hat mir erklärt, was Gene sind, und das hat mich völlig umgehauen, dass man so was machen kann, einen ganzen Haufen Leos, die alle gleich sind, ich fand das genial, genau so was brauchte ich: einen Klon! Ich bin wie der Blitz nach Hause gerannt, um ihnen zu erzählen, wie man es machen muss, mit den Genen, mit dem Klon und alles, ich wollte jetzt keinen Zwilling mehr, ich wollte einen Klon! Meine Eltern mögen es nicht, wenn man total aufgeregt ist vor Freude, auch wenn die Freude nur ganz klein ist. Das Glück, das ist nicht ihr Ding. Ich habe erst mal eine verpasst bekommen, damit ich mich beruhige, und danach hatte ich keine Lust mehr, meine Geschichte zu erzählen, ich wollte nur 13

noch in mein Zimmer und mich einsperren. Das habe ich auch gemacht. Aber vorher habe ich die Tür zugeknallt. 14

2 Am nächsten Tag habe ich mich in der Schule zum ersten Mal gemeldet. Alle waren wie erstarrt, sogar die Lehrerin hat mich ziemlich lange angeschaut, bevor sie mich gefragt hat, ob ich aufs Klo wollte, ich sagte nein, aber ich hätte da eine Frage. Langes Schweigen. Dazu muss gesagt werden, dass ich immer in der letzten Reihe sitze, ich bin 15