österreichisches kuratorium für alpine sicherheit Errichtung, Wartung und Sanierung von Klettersteigen und drahtseilgesicherten Wegen

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Transkript:

österreichisches kuratorium für alpine sicherheit Errichtung, Wartung und Sanierung von Klettersteigen und drahtseilgesicherten Wegen

Errichtung, Wartung und Sanierung von Klettersteigen und drahtseilgesicherten Wegen Herausgeber Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich Mit freundlicher Unterstützung durch Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Bundesministerium für Bildung, Unterricht und Kunst Tiroler Landesregierung, Abteilung Sport

Einleitung Wir danken für die Unterstützung Impressum Eigentümer und Verleger Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit, A-6020 Innsbruck, Olympiastraße 10 Telefon 0043 (0)512 / 36 54 51 office@alpinesicherheit.at www.alpinesicherheit.at Projektkoordination Ingo Kroath - Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Durchgeführte Versuchsreihen und Messungen Chris Semmel Florian Hellberg - DAV-Sicherheitsforschung Initiative und Projektbegleitung Christoph Höbenreich - Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Sport Michael Larcher - Oesterreichischer Alpenverein Ernst Riha Textbeiträge Chris Semmel Florian Hellberg Ernst Riha Eugen E. Hüsler Dominik Kocholl Baufachliche Beratung Harald Mark Reinhard Ranner Martin Berner Franz Karger Robert Span Alexander Riml Ewald Holzknecht Walter Wille Fotos und Grafiken C. Semmel, F. Hellberg, E. Riha, C. Höbenreich, M. Berner, A. Riml, R. Ranner, R. Span, S. Gatt Weitere Quellen: Mehr Sicherheit im Bergsport Teil 10; Pit Schubert; Bayrisches Staatsministerium und DAV-Sicherheitskreis Herstellung Satz, Ausarbeitung und Druck: SternDruck, Fügen Lektorat: Birgit Kluibenschädl copyright 2009 - Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit und Deutscher Alpenverein. Alle Rechte vorbehalten. Klettersteiggehen boomt. Das zeigen zum einen die Zahl an neu entstehenden Steigen jährlich entstehen im Alpenraum geschätzt 30 bis 40 neue Klettersteige und drahtseilgesicherte Wege, zum anderen die Unfallstatistik. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2007 hat sich die Zahl der Klettersteigunfälle verdoppelt (DAV-Bergunfallstatistik). Ähnliches zeigen die Daten der Unfallstatistik des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit: Im Jahr 2008 verunfallten knapp 2,5 Mal so viele Personen auf Klettersteigen wie 2006. Bislang fehlte eine moderne, auf empirischen Messdaten beruhende Analyse bestehender Klettersteigbautechniken ebenso wie eine umfassende Empfehlung und Anleitung für den Bau sicherer und qualitätsvoller Klettersteige. Um diese Lücke zu füllen, hat das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit, Plattform der alpinen Szene Österreichs, auf Anregung des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abteilung Sport und des Österreichischen Alpenvereins, die Sicherheitsforschung des DAV beauftragt, technische Tests zu den wichtigsten sicherheitstechnischen Parametern durchzuführen und die Ergebnisse zu baulichen Empfehlungen zusammenzufassen. In einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Bergführern, Klettersteigbauern und Herstellern von Klettersteigmaterial, wurden die baulichen Empfehlungen abschließend gemeinsam diskutiert und ausgearbeitet. Das vorliegende Werk gibt Auftraggebern, Erbauern und Betreibern von Klettersteigen das nötige Know-how, um Klettersteiggehern maximale Sicherheit und Komfort auf Klettersteigen und drahtseilgesicherten Wegen bieten zu können. Durch diese Empfehlungen werden Klettersteige (noch) sicherer und attraktiver. Wir erwarten uns eine deutliche Qualitätssteigerung bei Planung, Bau und Wartung. Gleich ob Neubau oder Sanierung, für die Erbauer und Erhalter von Klettersteigen ist beides eine Herausforderung. Neue Materialien und Techniken, die unterschiedlichen Ansprüche der Auftraggeber und Zielgruppen und das rechtliche Rahmenwerk machen daraus eine komplexe Unternehmung. Diese Empfehlung soll eine Route durch die Wand des aktuellen Wissenstandes rund um den Klettersteigbau sein. Die Sicherheit für die Klettersteiggeher steht dabei im Vordergrund. Die Alpenvereine stehen dem alpenweiten Trend zur Neuerschließung von Klettersteigen grundsätzlich kritisch gegenüber. Die Erschließung der Alpen mit dem Bau von Hütten, Wegen und Klettersteigen wird weitgehend als abgeschlossen betrachtet. Gleichzeitig muss es aber Ziel sein, die Entwicklung der Klettersteige so mitzugestalten, dass negative Auswirkungen auf Natur und Landschaft vermieden werden und die bergsportlichen und sicherheitstechnischen Standards der Alpenvereine in die Planung und Umsetzung neuer Klettersteigprojekte einfließen. In diesem Sinne sind an neue Klettersteige außerhalb raumordnerisch festgelegter Erschließungsgebiete sehr hohe Anforderungen an Bedarf, Naturverträglichkeit, Sicherheit und alpinsportliche Konzeption zu stellen. Die gegebenen Empfehlungen beschreiben die optimale bauliche Umsetzung aus der Sicht des DAV, OeAV, Naturfreunde Österreich und des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit. Bestehende Steige, die in einzelnen Punkten von den gegebenen Empfehlungen abweichen, können trotzdem sicher und qualitativ hochwertig sein. Es ist nicht das Ziel der Empfehlung, bestehende Steige zu kritisieren. Vielmehr soll dieses Werk für Erbauer und Bauherren in Zukunft eine Referenz, Ratgeber und Hilfestellung sein. HR Dr. Karl Gabl Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Dr. Christian Wadsack Oesterreichischer Alpenverein Prof. Dr. Heinz Röhle Deutscher Alpenverein Dr. Karl Frais Naturfreunde Österreich Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 5

Inhaltsverzeichnis Planung eines Klettersteiges Einleitung............................................................ 5 1 Planung eines Klettersteiges........................................... 7 1.1 Grundlegende Überlegungen............................................ 8 1.1.1 Begriffsdefi nition...................................................... 9 1.1.2 Hochseilgärten....................................................... 10 1.1.3 Vorgehen beim Bau eines Klettersteiges................................... 10 1.2 Bergsportliche Aspekte.................................................11 1.3 Juristische Aspekte................................................... 12 1.4 Naturschutzfachliche Aspekte........................................... 17 1.5 Wirtschaftliche Aspekte................................................ 18 2 Bautechnische Empfehlungen......................................... 19 2.1 Routenführung von Klettersteigen........................................ 20 2.1.1 Blitzschlagproblematik................................................. 21 2.2 Lasten am Klettersteig (Defi nitionen)..................................... 21 2.2.1 Ungünstige Verteilung der Kräfte am Klettersteig............................ 22 2.2.2 Belastungen beim Begehen eines Klettersteiges............................ 24 2.2.3 Defi nition der Lasten.................................................. 24 2.3 Bauweisen und Verankerungssysteme.................................... 25 2.4 Verankerungssysteme für Drahtseile...................................... 27 2.4.1 Ankerformen........................................................ 27 2.4.2 Geeignete Werkstoffe für Anker......................................... 29 2.4.3 Defi nition der Anker und Ankerdimensionierung............................. 30 2.4.4 Einbindetechnik und -tiefe.............................................. 35 2.4.5 Ankerabstände...................................................... 37 2.5 Drahtseile.......................................................... 38 2.5.1 Geeignete Seiltypen.................................................. 38 2.5.2 Seildimensionierung.................................................. 39 2.5.3 Seilbefestigung...................................................... 39 2.5.4 Nichttragende Teile in der Sicherungskette................................. 44 2.6 Fortbewegungshilfen.................................................. 45 2.6.1 Grundlegende Empfehlungen........................................... 45 2.6.2 Tritt- und Griffbügel................................................... 45 2.7 Wartung............................................................ 47 2.7.1 Wartungsinhalte...................................................... 47 2.7.2 Wartungsintervalle.................................................... 48 2.8 Bauliche Umsetzung.................................................. 49 2.9 Herausgeber und Kontakt in Sachen Klettersteig............................ 56 3 Begleitende Maßnahmen............................................. 57 3.1 Sicherheitskonzept................................................... 58 3.2 Markierung und Beschilderung.......................................... 58 3.3 Schwierigkeitsbewertung............................................... 65 3.3.1 Die Schall-Schwierigkeitsskala.......................................... 65 3.3.2 Die Hüsler-Schwierigkeitsskala.......................................... 65 4 Abschließende Bemerkungen......................................... 67 4.1 Zusammenfassung................................................... 68 Obwohl in der vorliegenden Broschüre auf die geschlechtsspezifisch korrekte Anrede zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet wurde, wollen wir nicht nur die Leser, sondern auch alle Leserinnen ansprechen. 6 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 1 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 7

Planung eines Klettersteiges 1 Das Anlegen von Klettersteigen eröffnet einem sehr großen Personenkreis die extremere Bergwelt. Häufig verfügen diese Personen über wenig alpinistische Ausbildung und Erfahrung. So haben die heute neu erschlossenen Klettersteige eher einen Fun-Charakter, als dass sie Abenteuer-Bergfahrten sind. Diesem Umstand ist bei der Neuanlage, aber auch bei der Sanierung bestehender Anlagen Rechnung zu tragen. Die zentrale Frage bei der Planung eines Klettersteiges lautet daher: Ist eine Neuroute sinnvoll? Langjährige Erfahrungen haben gezeigt, dass solche Anlagen sehr unterschiedlich aufgenommen werden. Während manche Via Ferrata jeden Sommer mehrere tausend Begehungen verzeichnet, fristen andere ein Mauerblümchendasein: falsch geplant. Neue Klettersteige stehen zunehmend in Konkurrenz mit bestehenden Anlagen. Da genügt es nicht mehr, ein paar Drahtseile am Fels zu verankern. Neue Steige müssen das bestehende Angebot sinnvoll ergänzen, sie müssen eine echte Attraktion darstellen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn zu einem ortsnahen Sportklettersteig eine alpine Anlage errichtet wird, die ein besonders schönes Landschaftserlebnis bietet. Umfasst das Klettersteigangebot eines Tales, einer Region mehrere Anlagen, wirkt sich das auf die Übernachtungsfrequenz positiv aus, die Wertschöpfung im Umfeld steigt. Der Klettersteig-Boom darf nicht den Blick auf einen besonders wichtigen Aspekt verstellen: den Naturschutz. Die Bergwelt der Alpen ist mit einem breiten Infrastrukturnetz durchzogen, so dass ihre Erschließung als weitgehend abgeschlossen betrachtet werden kann. Für den Neubau von Klettersteiganlagen hat dies zur Konsequenz, dass jeder Eingriff in diesen empfindlichen Naturraum wohlüberlegt stattfinden sollte. Die nachhaltige Entwicklung der Region steht im Vordergrund. Dies stellt allgemein sehr hohe Anforderungen an den Bedarf, die Naturverträglichkeit, die Sicherheit und die alpinsportliche Konzeption. Für DAV, OeAV und Naturfreunde ist ein Klettersteig-Neubau oder die Beteiligung an einer solchen Maßnahme nur in eingehend begründeten Ausnahme-Einzelfällen, bei Einhaltung und Erfüllung aller im Folgenden genannten Anforderungen und Kriterien sowie nach Prüfung und Entscheidung durch den Verbandsrat denkbar. Gleichzeitig wird allen Planern, Antragstellern und Ausführenden, Entscheidungsträgern und am Genehmigungsverfahren Beteiligten angeraten, ihrer Beurteilung von Klettersteig-Neuanlagen die nachfolgenden Empfehlungen der Alpenvereine (OeAV, DAV) zu Grunde zu legen. 1.1 Grundlegende Überlegungen Beim Bau eines Klettersteiges fließen die unterschiedlichsten Aspekte und Interessen ein: vorhandene Infrastruktur, Geländeform, Naturrahmen, Nutzer (z.b. Familien), jahreszeitliche Begehbarkeit (ganzjährig, Wintersperre), finanzielle Möglichkeiten. Aus diesen Faktoren ergibt sich das Profil eines Klettersteig-Projektes. Dabei kann es sich um einen klassisch alpinen Klettersteig handeln, um einen Sportklettersteig, eine Fun-Route oder einen gesicherten Steig. Der Sicherungsaufwand richtet sich nach den morphologischen Gegebenheiten und der angepeilten Zielgruppe (Familien, Einsteiger, erfahrene Klettersteiggeher): aufwändigere Sicherungen ergeben moderatere Schwierigkeiten. Darüber hinaus gilt das Prinzip: Mit größerer Zivilisationsferne rücksichtsvollerer Einsatz von Technik. Mit dem Bau und der Sanierung von Klettersteigen sollen Personen beauftragt werden, die die Berge und das Klettern, die Schönheit und Gefahren sowie die spezielle Bautechnik kennen. Dieses Wissen ist speziell bei Bergführern mit der entsprechenden Erfahrung zu finden. Es ist eine besondere Herausforderung, die richtige Route für den Klettersteig festzulegen, welche die Gegebenheiten am Fels und im Gelände nutzt und dabei die Sicherheit der Begeher berücksichtigt. 1.1.1 Begriffsdefinition Ein Drahtseil macht noch keinen Klettersteig. Die lange Tradition und der derzeitige Klettersteigtrend haben, unabhängig von der Schwierigkeitsbewertung einzelner Steige, eine große Vielfalt unterschiedlicher Formen seilgesicherter Anstiege zur Folge. Die folgende Klassifizierung soll hier einen Überblick über die verwendeten Begriffe geben. Die Einordnung einzelner Steige in eine der Kategorien kann im Einzelfall schwierig oder sogar unmöglich sein, da die Übergänge fließend und auch Mischformen möglich sind. Drahtseilgesicherte Wege: Darunter versteht man in der Regel Bergwege im An- und Abstieg oder durch Schluchten, die an gefährlichen Stellen mit Stahlseilen, Tritthilfen, Ketten oder Fixseilen Hilfen für den Bergsteiger bieten. Bei drahtseilgesicherten Wegen handelt es sich nicht um echte Klettersteige, sondern um Wege bzw. alpine Routen, die an den schwierigsten Stellen gesichert sind. In diese Kategorie sind viele Höhenwege und Hüttenübergänge, aber auch Gratüberschreitungen (teils mit echten Kletterpassagen) einzuordnen (Beispiele: Jubiläumsgrat/Wetterstein, Steinerne Rinne/Kaisergebirge, Augsburger Höhenweg/Lechtaler Alpen, Alta via Bepi Zac/ Marmolada, Sentiero Costanzi/Brenta). In Kletterrouten hingegen gibt es in der Regel keine Fixseile. Die Kletterer sichern sich an vorhandenen oder selbst angebrachten Zwischensicherungen und Standplätzen. Klettersteige sind mit Stahlseilen und evtl. Griff- und Tritthilfen statisch abgesicherte Routen, auf denen zur Selbstsicherung ein Klettersteigset als spezielle Ausrüstung verwendet wird. Klettersteige können folgende (hier idealtypisch beschriebene) Ausformungen haben: 1. Klassische alpine Klettersteige Der klassische alpine Klettersteig verläuft in alpinem Gelände, durch Wände oder über Grate, hat in der Regel einen längeren Zustieg und führt meist auf einen Gipfel. Er nutzt die Struktur des Geländes, ist also logisch im Verlauf und verzichtet weitgehend auf artistische Elemente wie Seilbrücken. Schwierige Passagen sind in der Regel durch Leitern, Tritt- und Griffeisen entschärft (Beispiele: Dolomiten-Klassiker wie Pößnecker, Lipella oder Costantini; Hochthron-Klettersteig/ Berchtesgaden, Innsbrucker Klettersteig/Karwendel, Mittenwalder Höhenweg/Karwendel, Rinesch-Klettersteig/Totes Gebirge, Imster Klettersteig/Lechtaler Alpen). 2. Sportklettersteig Sportklettersteige haben meist einen kurzen Zustieg und sind in Relation zum Gelände sparsam (oft nur mit einem Drahtseil) gesichert. Ausdauerkraft (Arme) ist mehr gefragt als Bergerfahrung oder Kondition. Der Umkehrpunkt kann in der Wand oder an einem beliebigen Ausstiegspunkt sein: hier ist der Weg das Ziel (Beispiele: Kaiser-Max-Steig/Karwendel, Via Kapf-Kessi/Bregenzerwald, Reinhard-Schiestl-Klettersteig/Ötztal, Via Pisetta/Gardaseeberge). 3. Fun-Klettersteig Fun-Klettersteige haben ihren Ursprung in den französischen Alpen, wo seit 1992 über hundert dieser Klettersteige errichtet wurden. Sie sind meist in Tal- oder Seilbahnnähe angelegt, haben einen möglichst spektakulären Verlauf in einer Steilwand, wenig bis keinen Felskontakt, dafür jede Menge Eisen und allerlei artistische Elemente wie Seilbrücken, Stahlnetze und Seilrutschen. Bergerfahrung ist nicht notwendig, im Vordergrund steht maximaler Spaß-Faktor. Seit ein paar Jahren trifft man diese Art von Parcours auch vermehrt in den Ostalpen an (Beispiele: diverse Schluchtklettersteige wie Postalmklamm/Salzkammergut, Hias/Dachstein, Gorges de la Durance/ Briançonnais, Orrido di Foresto/Valle di Susa). 8 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 9

Planung eines Klettersteiges 1 1.1.2 Hochseilgärten Die Abgrenzung zwischen Klettersteigen und Hochseilgärten ist fließend. Klettersteige gibt es bereits seit mehr als 100 Jahren, lange bevor man Hochseilgärten gebaut hat. Historisch sind Klettersteige aus versicherten Alpinen Steigen erwachsen. Vor allem im Verlauf des Ersten Weltkriegs entstanden viele seilversicherte Steige, die teilweise heute noch als Klettersteige erhalten werden. Im Zuge der bergsportlichen Entwicklung ist das Klettersteiggehen heute als eigenständige Bergsportdisziplin zu verstehen. Jährlich entstehen neue Klettersteige mit ganz unterschiedlichen Charakteren. Während es bereits seit 1988 eine Norm für Klettersteigbremsen und Klettersteigkarabiner gibt, existiert für den Bau von Klettersteigen bis dato keine Norm. Für Hochseilgärten existiert hingegen seit dem Jahr 2008 eine europäische Norm (EN 15567). Hochseilgärten sind moderne, funorientierte seiltechnische Kletter- und Sicherungsaufbauten, für die immer ein Betreiber existiert, ähnlich einer Kletterhalle. Sie haben im Gegensatz zu Klettersteigen nicht den Charakter eines Weges, sondern eher den Charakter eines Parcours. Werden in einen Funklettersteig komplexe seiltechnische Elemente wie z.b. ein Flying Fox oder Seilschwingen integriert, ist die Grenze zum Hochseilgarten fließend, da solche Elemente in der Regel betrieben und betreut werden müssen. Neben der Betriebssicherheit solcher Elemente sollten hier auch die bautechnischen Anforderungen berücksichtigt werden. Aus bersportlicher Sicht sollte bereits bei der Planung geklärt werden, ob solche komplexen seiltechnischen Elemente in einem Klettersteig organisatorisch und sicherheitstechnisch tragbar sind. Im Zweifel sollte hier die Norm für Hochseilgärten als Grundlage herangezogen werden. Einfache Seilbrücken und Seilkonstruktionen zur Überwindung von Schluchten können hingegen als klassische Wege betrachtet werden. Die unter Punkt 2.2 ff genannten Überlegungen und Grenzwerte sind hier maßgeblich. 1.1.3 Vorgehen beim Bau eines Klettersteiges Planung Am Anfang steht die Idee: Eine Gemeinde, ein Tourismusverband, Seilbahnbetreiber, ein alpiner Verein wollen einen Klettersteig. Auf den Grundsatzentscheid folgt die Suche nach einem geeigneten Felsgelände (kein Schutz- und/oder Klettergebiet, festes Gestein). Gleich anschließend sollte die Kommunikation mit den Betroffenen und Interessengruppen eröffnet werden. Sucht man das Gespräch möglichst früh, ist es leichter, Konflikte zu lösen und Widerstände ab zubauen. Da Klettersteige relativ teuer sind, empfiehlt sich die Suche nach privaten Sponsoren. Dadurch wird das Projekt breiter abgestützt, was die Chancen einer Realisierung erhöht. In alpinen Regionen besteht auch die Möglichkeit auf Fördergelder zurückzugreifen (z.b. der EU). Bei jeder Neuprojektierung von Wegen und Steigen ist Konfliktpotential gegeben. Die oben angeregten Vorgespräche lassen Bedenken und Einwendungen rechtzeitig erkennen. Gelingt es nicht, bereits im Planungsprozess Lösungen dafür zu finden, ist ein weiteres Vorgehen kritisch. Lange währende Streitigkeiten um die Klettersteiganlage auch mit finanziellen Konsequenzen sind vorprogrammiert. Die offene Kommunikation im Vorfeld der Errichtung des Klettersteiges ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Bau und die Akzeptanz des Steiges. Abstimmung mit Interessengruppen Grundeigentümer - abklären, wer Grundeigentümer im Verlauf des Steiges und seiner Zu- und Abstiege ist - Erlaubnis zum Bau einholen alpine Vereine - Durch welches Arbeitsgebiet eines alpinen Vereins führt der Steig? - Die Information über das Projekt sollte nach Möglichkeit auch an die angrenzenden alpinen Vereine gegeben werden. lokale Bergführer- und Kletterverbände - Da Klettersteige häufig im Umkreis von Wänden projektiert werden, durch die Kletterrouten führen, sollte auch mit den lokalen Kletterern Kontakt gesucht werden. - Die Beeinträchtigung von bestehenden Kletterrouten durch den Steig ist in jedem Fall zu vermeiden, es sei denn, es kann mit den im Gebiet aktiven Kletterern oder den Erstbegehern eine Übereinkunft erzielt werden. Bergrettung - Die Planung eines Klettersteiges soll mit der Bergrettung/Bergwacht abgestimmt werden. Gemeinde / Naturschutz / Tourismusverbände - In jedem Fall sind die Gemeinde, auf deren Gebiet das Projekt angesiedelt ist, und die zuständige Behörde (zum Beispiel die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt oder die Naturschutzbehörde in der Bezirkshauptmannschaft) möglichst frühzeitig in die Planungen einzubeziehen. Dabei geht es besonders um die naturschutzrechtliche Beurteilung und die Parkplatz- und Zustiegsproblematik. - Gegebenenfalls ist auch die zuständige Landesregierung bzw. die Bezirkshauptmannschaft in die Planung einzubeziehen. Forst / Jagd / Almwirtschaft - Sollte der Steig oder sein Zustieg durch Forst- und Almgebiet verlaufen, sind in jedem Fall auch die Belange des Forstes und der Almbauern zu berücksichtigen. - Gleiches gilt für die Anliegen der Jagd. andere Nutzer z.b. Seilbahnen, Liftbetreiber 1.2 Bergsportliche Aspekte Bergsportliche Gesichtspunkte bei der Anlage eines Klettersteiges haben wesentlichen Einfluss auf die Zielgruppe, die Begehungshäufigkeit und die Sicherheit. Konflikte mit anderen Nutzergruppen, insbesondere mit Sport- und Freikletterern gilt es zu vermeiden. Zielgruppe Es gilt festzulegen, welche Zielgruppe durch einen Klettersteig angesprochen werden soll. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen bezüglich Höhe und Homogenität der Schwierigkeit, Art der Installationen, Verlauf oder Länge bzw. Attraktivität des Zieles: 10 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 11

Planung eines Klettersteiges 1 leicht, aufwändig gesichert: leicht, eher kurz, kleine Abstände zwischen den künstlichen Tritten bzw. Griffen: alpin, sparsam gesichert: talnah, sehr sportlich: Alpine Gefahren Einsteiger, Familien Kinder Bergsteiger gut trainierte Klettersteiggeher Alpine Gefahren wie insbesondere Schneedruck, Nässe oder Steinschlag durch vorhergehende Klettersteiggeher sind zu berücksichtigen und durch geschickte Routenwahl zu vermeiden. Gleiches gilt für spezifische Gefahren des Zu- und Abstieges. Beeinflussung bestehender Kletterrouten Die Neuanlage eines Klettersteiges darf nicht dazu führen, dass bestehende Kletterrouten zerstört oder beeinträchtigt werden. Im Zweifelsfall ist im Zuge der Abstimmung mit den Interessengruppen (siehe 1.1.2) ein Konsens herzustellen und die Bedeutung einer bestehenden Kletterroute mit der zukünftigen Bedeutung des Klettersteiges abzuwägen. 1.3 Juristische Aspekte Die Rechtslage erfährt laufend Veränderung. Neue Entscheidungen, Erlässe und Erkenntnisse beeinflussen die Spruchpraxis. Die nachstehende überblicksartige Darstellung entspricht dem Stand vom Sommer 2009, ist grundsätzlich gehalten und kann eine Rechtsberatung im Einzelfall keinesfalls ersetzen. Eigentumsfragen Die Errichtung eines Klettersteiges bedarf in aller Regel der schriftlichen Zustimmung des Grundeigentümers. Für Deutschland gilt: Klettersteige sind an sich bauliche Anlagen, die dem Bauordnungsrecht unterstehen. Das Bauordnungsrecht ist Landesrecht, das in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ist. Es empfiehlt sich daher, die Frage der Baugenehmigung vorab mit der jeweils zuständigen Bauaufsichtsbehörde (meist Landratsamt) zu klären. Sicherheitshalber sollte auch das Wasserwirtschaftsamt beteiligt werden. Naturschutzrecht und Genehmigungen Die naturschutzrechtlichen Vorgaben im jeweiligen Gebiet müssen berücksichtigt werden. Dabei sind regionale, nationale und internationale Bestimmungen zu beachten. In Österreich ist, je nach Bundesland, eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich. Als Behörden sind die Bezirkshauptmannschaften bzw. die Magistratsabteilungen (Umweltreferate) zuständig. In Tirol ist das Tiroler Naturschutzgesetz 2005 mit den entsprechenden Landesgesetzblättern zu beachten. Klettersteige unterliegen ausdrücklich der Bewilligungspflicht und werden somit anders behandelt als alpine Kletterrouten ( 6 lit e TNSchG). In Naturschutzgebieten und in der Nähe von Gewässern sind besondere Auflagen zu beachten. In den einzelnen Bundesländern sind dazu eine Reihe von Erlässen und Verordnungen maßgebend. Im Internet sind die Gesetze und Vorschriften im EDV-System RIS (dem Rechtsinformationssystem der Republik Österreich) abrufbar: http://www.ris.bka.gv.at In Deutschland sind die jeweiligen Kreisverwaltungsbehörden (Landratsämter) erste Ansprechpartner. Diese können Auskünfte über die konkrete Situation im jeweiligen Gebiet und die rechtlichen Vorgaben geben. Je nach Schutzgebietsstatus und -verordnung so wie der Art des geplanten Klettersteiges können eine naturschutzrechtliche Befreiung und/oder eine öffentlich-rechtliche Genehmigung notwendig sein. Haftungsrecht Der Erschließer/Träger übernimmt durch die Anlage eines Klettersteiges Absicherungspflichten und muss die ordnungsgemäße Errichtung und regelmäßige Instandhaltung sicherstellen. Zivilrechtlich gehaftet wird für ein Verhalten, das ursächlich für das unerwünschte Ergebnis (Schaden), sowie rechtswidrig und schuldhaft (persönlich vorwerfbar) ist. Die Haftpflichtversicherung, wie sie für Sektionen der Alpenvereine und auch für die Naturfreunde Österreichs besteht, schließt auch Klettersteige mit ein, wodurch etwaige haftungsrechtliche Ansprüche abgedeckt sind. Mindestens einmal jährlich (in der Regel bei Saisonbeginn nach der Frost- und Tauperiode) und bei Hinweisen auf Schäden sind protokollierte Begehungen (Kontrollen) durch fachkundige Personen durchzuführen. Wenn sicherungstechnische Mängel festgestellt werden, ist der Klettersteig sofort durch den Halter zu sperren. Eine Tafel sollte dabei die Mängel und resultierende Gefahren nachvollziehbar darstellen und der Mangel bzw das Sicherheitsdefizit dennoch sobald als möglich behoben werden. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland richtet sich die Häufigkeit der Kontrolle nach der Art des Klettersteiges und des verwendeten Materials. So wird bei einem von einem alpinen Verein unterhaltenen, nicht beworbenen Bergweg mit einzelnen Sicherungen eine jährliche Kontrolle ausreichen. Bei modernen, namentlich intensiv beworbenen Klettersteigen mit hoher Begeherfrequenz reicht eine solche Kontrolle nicht aus. Generelle Zeitintervalle, die für alle Klettersteige gleichermaßen gelten, lassen sich nicht nennen, da die Verhältnisse bei jedem Steig verschieden sind. Je öfter es vorkommt, dass Sicherungen auf Grund der örtlichen Verhältnisse beschädigt werden, desto häufiger muss die Kontrolle sein. Kann eine an sich gebotene Kontrolle nicht durchgeführt werden oder können gemeldete oder festgestellte Schäden nicht sofort repariert werden, muss durch Schilder deutlich darauf hingewiesen und der Klettersteig unverzüglich gesperrt werden. Eigenverantwortlichkeit Auch wenn von der Planung bis zur Eröffnung alle Anstrengungen unternommen wurden, um den Klettersteig durch Beschilderung, Markierung und Baumaßnahmen sicher zu machen, bleibt ein Risiko für den Klettersteiggeher bestehen. Dieser hat sich nicht nur auf die objektiven Gefahren (z. B. Steinschlag, Wettersturz, Blitzschlag) einzurichten, sondern er hat auch selbst dafür einzustehen, dass er den Schwierigkeiten des Klettersteiges gewachsen ist. Gleichwohl stellen sich im Falle eines Unfalles straf- und zivilrechtliche Fragen der Haftung und ihre Konsequenzen. Daran ändert ein Schild Benützung auf eigene Gefahr gar nichts, da es rechtlich völlig wirkungslos ist. Sofern kein Fremdverschulden vorliegt hat der Klettersteiggeher alle (Schadens-)Folgen eigenverantwortlich selbst zu tragen. 12 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 13

Planung eines Klettersteiges 1 Wegehalterhaftung und Klettersteige (Österreich) Bei einem Klettersteig handelt es sich laut herrschender Meinung um einen Weg im Sinne der Wegehalterhaftung. Damit kann die Wegehalterhaftung des 1319a ABGB zur Anwendung gelangen, die das Haftungsprivileg aufweist, nur bei bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz für Schäden haften zu müssen. Gehaftet wird für den mangelhaften Zustand des Wegs. Ob er mangelhaft ist, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist. Unter grober Fahrlässigkeit wird auffallende Sorglosigkeit verstanden. Die gebotene Sorgfalt wird dabei nach den Umständen des Einzelfalles in ungewöhnlichem Maß verletzt und somit ist ein Schadenseintritt nicht nur möglich, sondern geradezu wahrscheinlich. Es ist im Einzelfall zu beurteilen, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Jedenfalls müssen die Sicherungsmaßnahmen stets zumutbar sein bei Unzumutbarkeit ist für ihr Fehlen nicht zu haften. Selbstverständlich schließt die Wegehalterhaftung den Grundsatz der Eigenverantwortung nicht aus: Ein Klettersteiggeher kann niemanden verantwortlich machen, wenn er ausrutscht, nicht mehr weiterkommt (Blockierung), aus Unachtsamkeit oder in Folge von Entkräftung stürzt oder einen Sicherungsfehler begeht. Im Anwendungsbereich des 1319a ABGB bleibt für allgemeine Verkehrssicherungspflichten kein Raum. Der Geschädigte kann sich auch nicht auf den mangelhaften Zustand des Klettersteiges berufen, wenn der Schaden bei einer unerlaubten oder widmungswidrigen Benützung entstanden ist und diese Unerlaubtheit dem Benützer erkennbar war. Zur Sperrung eines Klettersteiges empfehlen sich deutliche Hinweis- bzw Verbotsschilder. Wenn also jemand einen Klettersteig unerlaubt oder widmungswidrig benützt (z.b. weil der Klettersteig gesperrt ist), kann dieser bei einer Verletzung keine Schadenersatzansprüche stellen er handelt auf eigene Gefahr. Eine Wegwidmung Nur für Geübte wurde vom OGH als zu unklar eingestuft. Wie soll jemand auf die Schnelle beurteilen, ob er geübt ist? Eine denkbare Möglichkeit wäre: Zutritt verboten, außer Sie verfügen über ein Klettersteigset, einen Klettergurt und einen Helm und haben bereits Klettersteige mit mehreren Stellen der Schwierigkeit C durchstiegen. Damit wird der Benutzerkreis, für den der Klettersteig gewidmet ist, klar abgegrenzt. Das Aufstellen von Warnschildern oder Sperren befreit hingegen nicht von der Haftung, da eine Sperre nur solange pflichterfüllend wirkt, als eine Ausbesserung/ Absicherung untunlich ist. Würde für die Benützung eines Klettersteiges ein Entgelt verlangt werden, so liegt keine altruistische Interessenneutralität, sondern eine Interessenverfolgung des Halters vor. Benutzungsverträge mit Klettersteiggehern schließen die deliktische Wegehalterhaftung aus. Wer Maut oder Ähnliches verlangt, findet sich in der schärferen Vertragshaftung wieder ihre unangenehmen Begleiterscheinungen sind: Beweislastumkehr, Haftung bereits für leichte Fahrlässigkeit und die Erfüllungsgehilfenhaftung. Besondere Kommerzialisierung von Klettersteigen mit vordergründigem Umwegrentabilitätsziel bringt Klettersteige in den Bereich der Interessenverfolgung und damit der vertraglichen Haftung. Ein besonderes Haftungsrisiko entsteht, wenn Anpreisungen der Sicherheit eines Klettersteigs gerechtfertiges Kundenvertrauen weckt. Abgrenzungsprobleme zur Bauwerkshaftung ( 1319 ABGB) sind auch für Klettersteige nicht auszuschließen. Verkehrssicherungspflicht und Klettersteige (Deutschland) In Deutschland gibt es keine besonderen Vorschriften für die Wegehalterhaftung, sondern es gelten die allgemeinen Regeln über die Verkehrssicherungspflicht, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden. Danach hat jeder, der im Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, alle nach Lage der Dinge erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, damit andere nicht zu Schaden kommen. Bei Klettersteigen wird das Gelände Personen zugänglich gemacht, die es ohne die Sicherungen und die Steighilfen nie betreten hätten, und damit eine Gefahrenquelle eröffnet. Folglich ist der Klettersteig so zu errichten und zu unterhalten, dass er den legitimen Erwartungen des Verkehrs entspricht. Dabei kommt es darauf an, was ein vernünftiger Klettersteiggeher an Sicherheit erwarten darf. Er muss dabei vor allem vor Gefahren geschützt werden, die für einen Benutzer, der mit der notwendigen Ausrüstung und der gebotenen Vorsicht den Steig begeht, trotz der Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich daher nicht oder nicht rechtzeitig einstellen kann (Fallen). Anders als in Österreich hat der Verantwortliche (Erbauer oder Halter) in Deutschland nicht nur für grobe Fahrlässigkeit, sondern auch für die leichte (einfache, normale) Fahrlässigkeit einzustehen. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt ( 276 Abs. 2 BGB). Ob dies geschehen ist, ist nach den allgemeinen Sorgfaltsanforderungen zu bestimmen, die an einen einsichtigen und besonnenen Menschen, namentlich aus dem betreffenden Verkehrskreis (Klettersteigeinrichter, Klettersteighalter) zu stellen sind. Wesentliche Hinweise für die erforderliche Sorgfalt ergeben sich dabei aus den DIN- und EN-Normen. Halter Halter ist derjenige, der die Kosten für die Errichtung oder Erhaltung des Klettersteiges trägt und die Verfügungsmacht hat, also berechtigt ist, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. (Grund-)Eigentümer und Halter müssen nicht identisch sein. Wenn also ein Weg bzw. ein Klettersteig über fremden Grund führt und der Grundeigentümer dies duldet, haftet dennoch derjenige, der den Weg angelegt hat. Es kommt öfter vor, dass Grundeigentümer eines Klettersteiges z.b. eine Agrargemeinschaft oder die Bundes- oder Staatsforste sind. Gebaut wurde der Klettersteig im Auftrag eines Vereins oder Verbandes. Im Schadensfall haftet nur der Halter, also in diesem Beispiel der Verein/Verband für den mangelhaften Zustand des Klettersteiges. Wenn sich mehrere Personen um die Wartung kümmern, ist jeder einzelne davon als Halter anzusehen, mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen für jede einzelne Person. Andererseits muss der Halter darauf achten, dass sich nicht fremde Halter in die Wartung einmischen und unbrauchbare/gefährliche Veränderungen vornehmen. Der korrekte Halter würde sich in eine Mitverantwortlichkeit begeben. Mitwirkende/Personen des Wegehalters (Verkehrssicherungspflichtige) Arbeitnehmer und ehrenamtliche Mitarbeiter, welche auf konkrete Anweisungen handeln, haften in Österreich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Darin besteht das Haftungsprivileg der Wegehalterhaftung ein österreichisches Spezifikum. Den Klettersteigerrichter bzw Halter trifft allerdings der objektivierte Sorgfalts- und Verschuldensmaßstab des 1299 ABGB. Ungeachtet der konkret subjektiven Fähigkeiten hat eine Person, die sich die Tätigkeit zutraut, die typischen Fähigkeiten eines Klettersteigerrichters zu vertreten. Nach deutschem Recht haftet der Arbeitnehmer oder ehrenamtliche Mitarbeiter eines alpinen Vereins auch für einfache Fahrlässigkeit. Grundsätzlich hat der ehrenamtliche Mitarbeiter bei einfacher Fahrlässigkeit aber einen Anspruch gegen die Sektion, dass diese ihn ganz oder teilweise von der Haftung freistellt. Entsprechendes gilt für den Arbeitnehmer gegenüber dem 14 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 15

Dienstherren. Wird die Wartung an ein Unternehmen mit eigenem Organisations- und Verantwortungsbereich übertragen, so haftet der eigentliche Halter nur bei sorgloser Auswahl des Unternehmers. Das Unternehmen selbst haftet im Rahmen der allgemeinen Schadensersatzregelungen. Stand der Regeln der Technik Juristen unterscheiden meist zwischen den allgemein anerkannten Regeln der Technik, dem höheren Stand der Technik und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Stand der Technik wird von einem begrenzten Personenkreis mit hohem einschlägigem Fachwissen vertreten, in der Praxis jedoch noch nicht allgemein verwendet. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik haben wie Verkehrsnormen bereits weite Anerkennung in Theorie und Praxis gefunden jeweils eine große Mehrzahl sind davon überzeugt, dass die Regel richtig ist. Die Regeln müssen allgemein gebräuchlich sein und sich in der Praxis bereits durchgesetzt und bewährt haben. Deshalb entsprechen die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht zwangsläufig den von Normungsorganisationen herausgegebenen technischen Regeln. Beweislast Die Beweislast im Schadensfall trägt nach österreichischem Recht ( 1296 ABGB) grundsätzlich der Geschädigte, insbesondere bei der deliktischen Wegehalterhaftung. Ausnahme: Bei der Haftung aus einem Vertragsverhältnis kommt es was das Verschulden betrifft zu einer Beweislastumkehr. Es ist weit schwerer beweisen zu müssen, dass einen keine Schuld trifft. Dies gilt grundsätzlich auch nach deutschem Recht. Kann der Geschädigte allerdings den Nachweis erbringen, dass der Verkehrssicherungspflichtige gegen eine Verkehrsnorm, etwa eine DINoder EN-Norm, verstoßen hat, so hat er den Beweis des ersten Anscheins dafür erbracht, dass die objektive Sorgfaltspflicht verletzt wurde und dass der Schaden hierdurch verursacht wurde. Es ist dann Sache des Schädigers, dies zu widerlegen. Auch das österreichische Zivilverfahrensrecht kennt den Anscheinsbeweis. Strafrechtliche Haftung Die für Klettersteige idr relevanten strafrechtlichen Normen in Österreich sind Fahrlässige Tötung ( 80 StGB), Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ( 81 StGB), Fahrlässige Körperverletzung ( 88 StGB), Gefährdung der körperlichen Sicherheit ( 89 StGB) und Fahrlässige Gemeingefährdung ( 177 StGB). Für die Strafbarkeit ist Voraussetzung, dass je nach Delikt entweder eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit, eine Beeinträchtigung der Gesundheit eines Menschen oder der Tod eingetreten sind. Wenn dem Betroffenen vom Staatsanwalt eine Sorgfaltswidrigkeit vorgeworfen wird und das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass eine Handlung oder Unterlassung des Betroffenen zum Delikt geführt hat, wird der Betroffene strafrechtlich verurteilt. Der Grundsatz im Zweifel für den Betroffenen gilt sowohl im deutschen wie auch im österreichischen Strafrecht. Kann etwa der Staatsanwalt kein Verschulden nachweisen, geht der Beschuldigte frei. Das Strafrecht richtet sich primär an natürliche Personen. In Österreich erweitert seit 2006 das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz die Strafbarkeit auf juristische Personen. So können etwa Vereine, Körperschaften oder Gesellschaften für Organisationsverschulden strafrechtlich belangt werden. Gefährdungstatbestände wie die 89 und 177 östgb kennt das deutsche Strafrecht nicht. Dasselbe gilt für den Tatbestand der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ( 81 östgb). Im deutschen Recht gelten die allgemeinen Vorschriften der 222 dstgb (Fahrlässige Tötung) und 229 dstgb (Fahrlässige Körperverletzung). Sowohl in Deutschland als auch in Österreich kann auch ein Unterlassen zur Strafbarkeit führen, aber nur, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestand (z. B. bei Garantenstellung). Ein (Übernahme-)Verschulden kann in beiden Staaten darin liegen, dass Aufgaben übernommen worden sind, denen man nicht gewachsen war. Eine Abdeckung von strafrechtlichen Risiken durch Versicherungen ist nicht möglich. Sie sind nicht versicherbar. 1.4 Naturschutzfachliche Aspekte Die Errichtung eines Klettersteiges sollte keine tiefgreifenden Eingriffe in die Natur und Umwelt mit sich bringen. Die Anforderungen des Artenschutzes sind zu berücksichtigen. Die Gefährdung einzelner Arten oder Lebensräume sollte ausgeschlossen werden. Raumordnung Sofern Schutzgebiete nach regionalen, nationalen oder internationalen Standards berührt werden, sind die entsprechenden Verordnungen und etwaige Genehmigungsprozesse (z.b. naturschutzrechtliche Bewilligung) für die Errichtung von Klettersteigen zu berücksichtigen. Der geplante Klettersteig muss mit dem jeweiligen Schutzzweck in Einklang gebracht werden können. Bei allen raumordnerischen Fragestellungen ist nicht nur die Anlage an sich in die Überlegungen einzubeziehen, sondern auch Zu- und Abstiege sowie die Parkplatzsituation, zu erwartende Folgekonzepte und indirekte Auswirkungen der Erschließungsmaßnahme. Die mögliche Erreichbarkeit des Klettersteiges mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel und bestehender Infrastruktur von Berg- und Wanderwegen ist in die Überlegung einzubeziehen. Erschließungsgrad Bei der Neuanlage eines Klettersteiges sind auch der allgemeine und der touristische Erschließungsgrad in einem Gebiet entscheidend. Noch unerschlossene Gebiete sollen respektiert und in ihrem Charakter erhalten werden. In einer Region sollen nach touristischen und ökologischen Gesichtspunkten ausreichend Ruhezonen verbleiben. Die Nähe zu vorhandener Infrastruktur und die Klettersteigdichte in einem Gebiet sind zu berücksichtigen. Der Bau von Klettersteigen sollte in regionale Entwicklungskonzepte integriert sein bzw. diese berücksichtigen. Auch eine Abstimmung zwischen den Regionen ist anzustreben. Steinbrüche Gerade in Mittelgebirgsregionen kann die Einrichtung von Klettersteigen in Steinbrüchen eine lohnende Alternative zur Einrichtung an natürlichen Felsen darstellen. Besucherlenkung Der Bau von Klettersteigen kann gezielt dazu eingesetzt werden, Besucherlenkung zu betreiben und unerschlossene Bereiche zugunsten solcher Bereiche zu beruhigen, die bereits touristische Infrastruktur aufweisen. 16 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 17

Bautechnische Empfehlungen 1.5 Wirtschaftliche Aspekte Je nach Art und Umfang des Projektes können durch die Anlage eines Klettersteiges sowohl auf fi nanzieller als auch auf organisatorischer Ebene erhebliche Anforderungen entstehen. Bereits im Vorfeld muss sichergestellt werden, dass diese bewältigt werden können. Betreiberkonzept Ein Betreiberkonzept mit einer detaillierten Projektplanung muss folgende Punkte abdecken: Finanzplan Betreuung in der Bauphase Pfl ege und Wartung Vertragliche Verpfl ichtung (und fi nanzielle Rückstellungen) bezüglich eines evtl. Rückbaues 18 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 2 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 19

Bautechnische Empfehlungen 2 Steht das Konzept für den Bau eines neuen Klettersteiges erst einmal oder eine bestehende Anlage erfordert Instandhaltungsmaßnahmen, geht es an die bauliche Ausführung. An Klettersteigen gibt es wie an allen Anlagen zur bergsteigerischen Erschließung Gefahrenstellen. Die DAV-Sicherheitsforschung führte umfangreiche Untersuchungen durch: zur auftretenden Belastung zu den unterschiedlichen Systemen damit verbunden zu den verschiedenen Ankern und deren Einbindetechnik und zur Bruchfestigkeit der Sicherungsmittel Weiters wurden bestehende Normen, wie die Norm für Falldämpfer (EN 958), die Norm für Drahtseile (EN 12385-4), für Bohrhaken (EN 959), für Karabiner (EN 12275) sowie für Drahtseilklemmen und deren Verwendung (EN 134M-5), berücksichtigt. Ziel der Untersuchungen war es, in diesem Kapitel eine Handlungsanweisung für das Errichten von sicheren Klettersteigen zu geben. Hierzu wurden die grundsätzlichen sicherheitstechnischen Anforderungen an Anker Drahtseile Fortbewegungshilfen sonstige bautechnische Installationen erarbeitet, also die wesentlichen Bestandteile eines jeden Klettersteiges. 2.1 Routenführung von Klettersteigen Bei der Neuanlage oder Sanierung von Klettersteigen sind einige grundsätzliche Überlegungen zur Führung der Route anzustellen. Insbesondere sind die unter 1.1.2 genannten Aspekte zur Anlage von Klettersteigen zu berücksichtigen. Durch eine geschickte Routenwahl sollte den allgemeinen alpinen Gefahren Steinschlag - insbesondere durch vorausgehende Klettersteiggeher - und Gewitter (Exponiertheit der Klettersteiganlage) vorgebeugt werden. Für die Planung des Routenverlaufs gilt es folgende Punkte zu beachten: Wichtig ist, dass ein Klettersteig nicht nur sicher, sondern auch attraktiv für den Begeher ist (die Bestimmung der Zielgruppe ist entscheidend). Landschaftliche Schönheit und/oder besondere sportliche/bewegungstechnische Reize sind dafür maßgebend. Der Routenverlauf sollte so gewählt werden, dass eine möglichst homogene Schwierigkeitsverteilung entsteht. Vor markanten Schlüsselstellen, die deutlich über der durchschnittlichen Schwierigkeit eines Steiges liegen, empfiehlt sich nach Möglichkeit der Bau eines Zwischen- bzw. Notausstiegs. Grundsätzlich sind Zwischenausstiege von Vorteil (auch für Rettungseinsätze). Quer oder diagonal verlaufende Drahtseile sind wesentlich anfälliger gegen Schneelasten als senkrecht verlaufende. Querungen möglichst auf Felsbändern anlegen und die Drahtseile unter Überhängen, Dächern oder Felsvorsprüngen führen, wo sie so weit als möglich vor Witterungseinflüssen (Schneelasten, Vereisen durch Niederschläge etc.) geschützt sind. Schneelasten treten in flachen Passagen stärker auf als in steilen. Rinnen und Couloirs meiden: Steinschlag führt zu Beschädigungen der Klettersteiganlage (Riss des Drahtseils, Ankerausbrüche etc.) und gefährdet die Klettersteigbegeher; Schneelasten haben verheerende Auswirkungen. Die Drahtseile sollten den Fels nicht berühren (dies gilt insbesondere für gespannte Systeme): einerseits besteht die Gefahr der Drahtseilbeschädigung durch die Reibung am Fels und andererseits müssen die Klettersteiggeher ihr Sicherungssystem aus- bzw. umhängen. Varianten bzw. Alternativstrecken (leicht/schwierig) erhöhen die Attraktivität von Sportklettersteigen bzw. Fun-Parcours. Dadurch wird ein breiteres Publikum angesprochen. 2.1.1 Blitzschlagproblematik Unterbrechungen in der Drahtseilführung bewirken entgegen der weit verbreiteten Meinung kaum Schutz gegen Blitzschlag bzw. das Weiterleiten von Spannungen durch Blitzentladungen. Erst ab einem Abstand von mehr als 5 Metern können Unterbrechungsstellen wirken. Daher gibt es keine wirksamen bautechnischen Maßnahmen gegen die Blitzschlaggefahr an Klettersteigen. Es bleibt, an die Verantwortung des Begehers zu appellieren: Bei Blitzschlaggefahr keine Klettersteige begehen! Bei Blitzschlaggefahr kein Eisen anfassen es sei denn man stünde auf Eisen! Anders ausgedrückt: Wenn Du auf Fels stehst, berühre kein Eisen; wenn Du auf Eisen stehst, berühre keinen Fels! Bei Blitzschlaggefahr am Klettersteig die Selbstsicherung nicht aufgeben! Die dabei unter anderem durch Induktion auftretenden Kräfte können betroffene Personen vorübergehend paralysieren und in Absturzgefahr bringen. 2.2 Lasten am Klettersteig (Definitionen) Für die Auslegung der Anker, Drahtseile und Seilverbindungen für den Klettersteigbau ist es sinnvoll, die auftretenden Belastungen abzuschätzen. Grundsätzlich ist zwischen der Verkehrslast und der Maximallast zu unterscheiden. Als Verkehrslast wird die Last bezeichnet, die beim normalen Begehen auftritt, also durch Festhalten und Fortbewegen am Drahtseil im Auf- und Abstieg sowie beim Ruhen in den Fixpunkten. Dieser Last muss der Klettersteig dauerhaft ohne Schädigung standhalten. Befestigungsanker dürfen sich hierbei nicht plastisch (dauerhaft) verformen oder lockern. Im Sturzfall, was beim Klettersteiggehen selten vorkommt, kann aber kurzzeitig eine bedeutend höhere Last wirken, die als Maximallast bezeichnet wird. Bei der Maximallast kann eine plastische Verformung toleriert werden, ein Werkstoffversagen bzw. ein Ausbruch der Anker darf jedoch nicht auftreten. Neben der Verkehrs- und Maximallast ist noch mit Schneelast oder Steinschlag (besonders im Winter oder Frühjahr) zu rechnen, was im Bereich von mehreren Tonnen liegen kann. Diese Problematik ist vor allem in der Planung zu berücksichtigen (einfaches Auswechseln von betroffenen Stellen und geschickte Routenführung), da es nicht sinnvoll bzw. unrealistisch ist, den gesamten Klettersteig für derartige Lasten auszulegen. 20 Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit Deutscher Alpenverein Oesterreichischer Alpenverein Naturfreunde Österreich 21