1 Qualitätssicherung in der Begleitung und Beratung ehrenamtlicher Betreuer i. V. m. der Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine - Praxisbeispiele- Sehr geehrte Damen und Herren, das Thema unserer Fachtagung heißt Ehrenamt ich habe mir die Aufgabe gestellt, über die Begleitung und Beratung ehrenamtlicher Betreuer als Querschnittaufgabe zu sprechen. Meine Ausführungen habe ich wie folgt gegliedert: 1. Was sagt das Gesetz zur Bestellung eines Betreuers? 2. Was versteht man unter Eignung des Betreuers? 3. Wie sieht die Realität aus? 4. Was tun wir als Betreuungsverein? Praxisbeispiele (Lambrecht) 5. Was ist notwendig, um das Ehrenamt zu stärken und Schlussbemerkungen (Rech)
2 1. Was sagt das Gesetz zur Bestellung eines Betreuers? Im Bürgerlichen Gesetzbuch finden wir den Paragraphen 1897, der im Absatz 1 sagt, ich zitiere: zum Betreuer bestellt das Vormundschaftsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuten. Weiter in Absatz 5 wird hervorgehoben, dass, wenn der Volljährige keinen eigenen Vorschlag hat, wen er zum Betreuer bestellt haben möchte, so hat das Gericht bei der Auswahl eines Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen. Und fast ganz zum Schluss dieses Paragraphen finden wir im Absatz 6 noch eine ganz wichtige Aussage des Gesetzgebers. Hier weißt er ausdrücklich darauf hin, dass nur dann ein beruflich tätiger Betreuer bestellt werden soll, wenn keine andere geeignete Person zu Verfügung steht. Das Betreuungsgesetz favorisiert also eindeutig den ehrenamtlichen Betreuer als Regelbetreuer.
3 2. Was versteht man unter Eignung des ehrenamtlichen Betreuers? Zuerst möchte ich mich mit den Fragen beschäftigen, die man dieser volljährigen Person stellen sollte, die man für geeignet hält, eine konkrete Betreuung ehrenamtlich zu führen. - Was bedeutet ehrenamtlich? - Haben Sie Zeit, genügend Zeit und sind sie bereit, diese für den zu betreuenden einzusetzen? - Sind sie bereit, sich unentgeltlich für den zu betreuenden zu engagieren? - Sind sie bereit, Verantwortung für einen anderen zu übernehmen? - Welche Vorstellungen haben Sie von der Aufgabe und welche Anforderungen könnte die zu betreuende Person stellen? Auch wem sich eine exakte inhaltliche Eingrenzung der Ehrenamtlichkeit offenbar als schwierig erweist, so scheinen demnach die drei Bestimmungskriterien: Unentgeltlichkeit Soziale Motivation Freiwilligkeit dem Ehrenamt inne zu sein. - Was bedeutet Eignung zur Bestellung als rechtlicher Betreuer? - Eignung ist abhängig von Kompetenz und Bereitschaft, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen und ihn hierbei persönlich zu betreuen - Kompetenz zur Besorgung alltäglicher Angelegenheiten Dies sind alle notwendigen Erledigungen, die mehr oder weniger täglich in jedem Haushalt anfallen können.
4 Zusammenfassend heißt geeignet: - Lebenserfahrung - gesunder Menschenverstand - Kooperationsfähigkeit - Interesse am Mitmenschen - Einfühlungsvermögen Auszugsweise hier ein paar Beispiele, die in gerichtlich festgesetzten Aufgabenkreisen wiederzufinden sind: 1. Vermögenssorge, vornehmen von Rechtshandlungen und Abgabe von Erklärungen diesbezüglich, Anträge stellen, Sozialhilferechtliche Ansprüche prüfen) 2. Gesundheitssorge, Prüfung Erforderlichkeit von Untersuchungen, Behandlungen, Einwilligungen in Maßnahmen abgeben, 3. Vertretung bei Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialhilfeleistungen 4. Wohnungsangelegenheiten 5. Post- und Fernmeldeangelegenheiten - Kernbereich der persönlichen Betreuung ist der persönliche Kontakt, Kontaktfähigkeit - Kommunikative Kompetenz (Besprechungspflicht des Betreuers, Herausfinden von Wünschen des Betreuten usw.) - Fähigkeit, fehlende rechtliche Handlungsfähigkeit herzustellen oder wiederherzustellen - Zusammenfassend spricht man bei einem ehrenamtlichen Betreuer von einer Laienkompetenz
5 3. Wie sieht die Realität aus? - Das Vormundschaftsgericht lässt im Umfeld des zu Betreuenden prüfen, ob eine geeignete Person bereit ist, die Betreuung im Ehrenamt zu führen - Beim Verpflichtungsgespräch wird der ehrenamtliche Betreuer über seine Pflichten und Rechte informiert, später wird er sagen: das hat mir keiner gesagt! In einer aufgeregten Situation im Gebäude eines Gerichtes ist es gut nachvollziehbar, dass man sich nicht an alles erinnern kann. - Und dann geht es los ein Handlungsbedarf ist sofort vorhanden - Der ehrenamtliche Betreuer führt seine Aufgaben nach besten Wissen und Gewissen durch, so wie er es auch eigentlich immer für sich selbst gemacht hat - Irgendwann stellt er fest, dass dieses Leben, für das er nun auch Sorge trägt, so ganz anders ist als sein eigenes und ganz andere Bedarfe bestehen - Komplizierte Gesetzestexte, ständige neue Rechtsprechung und Gesetzesveränderungen erschweren den ehrenamtlichen Betreuern die Tätigkeit - Dann hört er auch noch das Wort H A F T U N G - Der ehrenamtliche Betreuer fühlt sich überfordert und es kommt entweder dazu, dass die Vertretung in bestimmten Angelegenheiten unzureichend oder gar nicht wahrgenommen werden oder es kommt zu einem - Betreuerwechsel an einen Berufsbetreuer - Ehrenamtliche Betreuer sind in zwei ganz unterschiedliche Gruppen geteilt: 1. Familienangehörige des Betreuten, führen etwa 60 70% der Betreuungen 2. Männer und Frauen, die Betreuungen übernehmen von Menschen, die ihnen entweder völlig fremd sind oder die sie aus Nachbarschaft o.ä. kennen - familienfremd
6 Wie sieht das zahlenmäßig aus? Übersicht über geführte Betreuungen (Quelle BtPrax 4/2008 Aufsatz Jürgen Seichter) 2002 2003 2004 2005 2006 Erstbetreuung 208.491 215.914 218.254 223.365 222.843 Angehörige 138.773 144.095 142.006 145.021 142.468 (66,6%) (66,9%) (65,1%) (64,9%) (63,9%) Sonst. ehren- 15.143 14.665 14.295 13.494 13.418 amtl. Betreuer (7,3%) (6,8%) (6,5%) (6,0%) (6,0%) Berufsbetreuer 39.539 43.585 47.427 49.977 50.206 (19,0%) (20,2%) (21,7%) (22,4%) (22,5%) Rechtsanw. als 6.847 7.301 8.094 8.485 9.844 Berufsbetreuer (3,3%) (3,4%) (3,7%) (3,8%) (4,4%) rückläufige Tendenz des Ehrenamtes ist ersichtlich Berufsmäßig geführte Betreuungen nehmen zu Das Bundesministerium der Justiz hat per 31.01.2007 eine statistische Sondererhebung zu Verfahren nach dem Betreuungsgesetz gemacht Sicherlich kennen Sie diese Erhebung Kontinuierliche Zunahme der Betreuungszahlen im Bundesgebiet Herr Deinert nennt 5 mögliche Hauptgründe für die Zunahme der Betreuungszahlen: 1. demografische Faktoren, Zunahme der Einzelpersonenhaushalte und eine Verlagerung der Alterspyramide, größerer Anteil älterer Menschen mit einem höheren Risiko von psychischen Erkrankungen, wie Demenz oder Alzheimererkrankung 2. sogenannter Nachholebedarf der neuen Bundesländer, da in der DDR nahezu keine Vormundschaften oder Gebrechlichkeitspflegschaften angeordnet waren 3. Herabsetzung der Hemmschwelle, da Betreuung nicht Entmündigung bedeutet zunehmend nicht mehr als Repressionsmaßnahme verstanden werden soll
7 4. zunehmende Verrechtlichung der Gesellschaft durch zusätzliche Gesetze 5. erhöhte Aufmerksamkeit in der Gesellschaft für die Wahrnehmung von bürgerlichen Freiheitsrechten, die durch Freiheitsbeschränkungen z. B. in Einrichtungen, die heute, soweit sie noch angewandt werden, einen Legitimationszwang erfordern (gesetzl. Vertreter ist erforderlich, wenn die natürliche Einwilligungsfähigkeit nicht vorhanden ist) Zunahme der rechtlichen Betreuungen Rückgang der ehrenamtlich geführten Betreuungen Stetiges Anwachsen der Ausgaben für Betreuungen bedeutet führt zu erheblichen Haushaltsbelastungen der Bundesländer Ehrenamtlicher Betreuer erhält im Jahr 323,00 Aufwandsentschädigung Berufsbetreuervergütung liegt um ein vielfaches höher Es liegt auf der Hand, den Ehrenamtler zu bevorzugen Nicht nachvollziehbar, wie ein Bundesland die Gewinnung und Begleitung von ehrenamtlichen Betreuern nicht mehr unterstützt Man könnte hier beachtlich sparen Landesrechnungshof Brandenburg hat in seinem Jahresbericht 2006 aufgrund der steigenden Kosten durch Betreuungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er erwartet, dass das Ministerium der Justiz verstärkt Maßnahmen zur Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer ergreift
8 4. Was tun wir als Betreuungsverein? Praxisbeispiele (Kay) - Anleitung und Begleitung von ca. 2.400 ehrenamtlichen Betreuern im Land Brandenburg - Wir stehen für: - Lebensqualität usw... Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden von den Mitarbeitern des Betreuungsvereins unterstützt durch: Einführungsgespräche intensive Einführung und Begleitung in der Anfangsphase der Betreuung Beratung in betreuungsrechtlichen, pädagogischen, psychologischen oder psychiatrischen Fragestellungen (evtl. Vermittlung an Fachstellen) Fortbildungsveranstaltungen Servicemappe und Checklisten Unterstützung bei der Rechnungslegung für das Vormundschaftsgericht Hilfe bei der Erstellung von Berichten Unterstützung bei Behördenkontakten Bei Bedarf kann auch ein gemeinsamer Besuch bei der betreuten Person Konkret - Flyer - Stammtisch - Einführung für neue Betreuer - Anleitung regelmäßig für e. B. unterschieden in Gruppen wie z. B. Eltern oder Kinder als Betreuer o. ä. - Erfahrungsaustausch - Sprechtage - Hausbesuche - Zeitung BetreV - Besichtungen von Einrichtungen wie Heimen oder Wohnstätten mit e. B.
9 5.Was ist notwendig, um das Ehrenamt zu stärken und Schlussbemerkungen (Rech) - aus meiner Sicht wichtige Aspekte einer ehrenamtlichen Betreuung: persönliche menschliche Kontakte ohne pauschaliertes Zeitlimit orientiert an Bedürfnissen, zu deren Herausfindung gerade bei behinderten Menschen unwahrscheinlich viel Zeit benötigt Herausfinden von Wünschen und Bedürfnissen, wenn die Sprache als Kommunikationsmittel nicht mehr funktioniert Alles dafür zu tun, dass menschliche Würde erhalten bleibt Respektvoller Umgang mit Menschen Für den Menschen, der eine ehrenamtliche Betreuung übernimmt könnte es folgendes bedeuten: Es könnte ein lebensbereichernde Herausforderung sein Kontakt zu anderen Menschen Gebraucht werden Sinnvolle Freizeitgestaltung Und es ist vor allen Dingen notwendig, dass im Land Brandenburg die Förderung der Betreuungsvereine wieder aufgenommen wird!!! Danke für die Aufmerksamkeit!!!