Zusatzthema zu Modul 2 Organe der EU Wahlen zum Europäischen Parlament und Sitzverteilung Die Wahlen Der EWG-Vertrag von 1957 bestimmte: Die Versammlung arbeitet Entwürfe für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten aus. Der Rat erlässt einstimmig die entsprechenden Bestimmungen und empfiehlt sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften. (Art. 138 Abs. 3 EWGV). Dieser Auftrag ist bis heute nicht erfüllt. Der erste vom Parlament vorgelegte Entwurf von 1960 scheiterte an Einwänden des Rates. Die Staats- und Regierungschefs entschieden sich dann 1974 in Paris für direkte Wahlen der Abgeordneten, 1976 einigten sie sich auf einen Termin. Der Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer europäischer Wahlen (ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten) wurde 1976 unterzeichnet und trat nach Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente am 1. Juli 1978 in Kraft. Die ersten Wahlen fanden am 7. und 10. Juni 1979 statt, allerdings noch nicht nach einheitlichem Verfahren, da der Rat auch gegen den neuen Entwurf des Parlaments von 1975 Einwände hatte. Bis 1999 wurde in jedem Staat nach den dort geltenden nationalen Verfahren gewählt (z. B. in Großbritannien nach Mehrheit, in Deutschland nach Verhältnis). Der Vertrag von Amsterdam verlangte dann für das Wahlverfahren nicht mehr Einheitlichkeit, sondern nur noch Einklang mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen. So konnte 2002 der Direktwahlakt von 1976 so geändert werden, dass für die Wahlen 2004 jeder Staat sein eigenes Wahlgesetz erlassen konnte und sich dabei lediglich an bestimmte Vorgaben zu halten hatte. Es gilt das Verhältniswahlsystem und die Wahl nach Listen. Große Staaten dürfen ihr Territorium in regionale Wahlbezirke einteilen. Nationale Besonderheiten im Wahlsystem (z. B. Prozentklauseln, Vergabe von Vorzugsstimmen, Wahl traditionell an Werktagen) können beibehalten werden. Nach bisher geltendem Recht mussten in Deutschland Parteien mindestens fünf Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten, um ins EP einziehen zu können (genau wie bei Wahlen zum Bundestag). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch am 9. 11. 2011 diese Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen für verfassungswidrig erklärt, sie wird also bei den nächsten Wahlen im Jahr 2014 nicht mehr gelten. Die Abgeordneten des EP werden in allen EU-Staaten in direkter, freier und geheimer Wahl gewählt, für die Dauer von 5 Jahren (Legislaturperiode). Die letzten Europawahlen fanden im Juni 2009 statt. Unionsbürgerinnen und -bürger können bei Europawahlen dort wählen oder
2 sich wählen lassen, wo sie ihren Wohnsitz haben, also Deutsche auch auf Mallorca oder Finnen in Griechenland. Anzahl der Abgeordneten Nach der Wahl Mitte 2009 hatte das Parlament 736 Abgeordnete, seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon sind es 754. Die 18 Nachzügler sind im Dezember 2011 ins Parlament eingezogen. Die Anzahl der Abgeordneten je Land beträgt mindestens 6 und höchstens 99. Ab der nächsten Legislaturperiode 2014 wird die Höchstzahl auf 96 und die Gesamtzahl auf 750 zuzüglich Parlamentspräsident verringert. Anzahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament Land 2004 2009 Nach der Wahl Nach Inkrafttreten Mitte 2009 des Lissabon-Vertrags Belgien 24 22 22 Bulgarien 18 17 18 Dänemark 14 13 13 Deutschland 99 99 99* Estland 6 6 6 Finnland 14 13 13 Frankreich 78 72 74 Griechenland 24 22 22 Großbritannien 78 72 73 Irland 13 12 12 Italien 78 72 73 Lettland 9 8 9 Litauen 13 12 12 Luxemburg 6 6 6 Malta 5 5 6 Niederlande 27 25 26 Österreich 18 17 19 Polen 54 50 51 Portugal 24 22 22 Rumänien 35 33 33 Schweden 14 18 20 Slowakei 14 13 13 Slowenien 7 7 8 Spanien 54 50 54
3 Tschech. Rep. 24 22 22 Ungarn 24 22 22 Zypern 6 6 6 gesamt EU27 785 736 754* Kroatien 2013 12** gesamt EU28 766* / 753** * vorübergehende Erhöhung der nach Art. 14 Abs. 2 EUV festgesetzten Höchstzahl; ab Beginn der 8. Legislaturperiode 2014 Reduzierung auf 96 bzw. 751 (Art. 14 Abs. 2 EUV). ** die kroatischen Abgeordneten werden entweder vor dem Beitritt gewählt oder vom Parlament Kroatiens benannt, falls der Beitritt weniger als ein halbes Jahr vor den nächsten Wahlen zum EP 2014 erfolgt. Die aktuelle Aufteilung der Abgeordneten nach Ländern und Fraktionen ist der Tabelle Zusammensetzung (unten) zu entnehmen. Die Fraktionen Die Abgeordneten schließen sich in jeder Legislaturperiode in Fraktionen zusammen. Im jetzigen Parlament (7. Legislaturperiode 2009 bis 2014) sind es 7 Fraktionen. Sie sind übernational: Die Abgeordneten sitzen nach ihrer Fraktionszughörigkeit vereint im Plenarsaal, nicht nach ihrem Herkunftsland. Die Faktionen des EP heißen: EVP:Europäische Volkspartei (Christdemokraten) S&D:Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten ALDE:Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa ECR:Europäische Konservative und Reformisten Grüne / EFA:Die Grünen / Europäische Freie Allianz VEL / NGL:Vereinte Europäische Linke / Nordische Grüne Linke EFD:Europa der Freiheit und der Demokratie
4 Zusammensetzung des Europäischen Parlaments (Stand Januar 2012) Fraktionen EVP S&D ALDE GRÜNE ECR VEL EFD FL GESAMT Belgien 5 5 5 4 1 0 0 2 22 Bulgarien 7 4 5 0 0 0 0 2 18 Dänemark 1 4 3 2 1 1 1 0 13 Deutschland 42 23 12 14 0 8 0 0 99 Estland 1 1 3 1 0 0 0 0 6 Finnland 4 2 4 2 0 0 1 0 13 Frankreich 30 14 6 15 0 5 1 3 74 Griechenland 7 8 1 1 0 3 2 0 22 Großbritannien 0 13 12 5 27 1 9 6 73 Irland 4 3 4 0 0 1 0 0 12 Italien 35 22 6 0 0 0 10 0 73 Lettland 4 1 1 1 1 1 0 0 9 Litauen 4 3 2 0 1 0 2 0 12 Luxemburg 3 1 1 1 0 0 0 0 6 Malta 2 4 0 0 0 0 0 0 6 Niederlande 5 3 6 3 1 2 1 5 26 Österreich 6 5 0 2 0 0 0 6 19
5 Polen 29 7 0 0 11 0 4 0 51 Portugal 10 7 0 1 0 4 0 0 22 Rumänien 14 11 5 0 0 0 0 3 33 Schweden 5 6 4 4 0 1 0 0 20 Slowakei 6 5 1 0 0 0 1 0 13 Slowenien 4 2 2 0 0 0 0 0 8 Spanien 25 23 2 2 0 1 0 1 54 Tschech.Rep. 2 7 0 0 9 4 0 9 22 Ungarn 14 4 0 0 1 0 0 3 22 Zypern 2 2 0 0 0 2 0 0 6 gesamt 271 190 85 58 53 34 33 30 754