Arbeitsplatz Geflügelstall hohe Belastung durch Bioaerosole Monika A. Rieger 1,2, Nicole Blomberg 1 1 Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Fakultät für Medizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten 2 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27, 72074 Tübingen Einleitung Zum Ende des Jahres 2008 liefen die Übergangsfristen zur Abschaffung der Käfighaltung in Deutschland endgültig aus. Damit sind nur noch verschiedene Varianten der Bodenhaltung und die Kleingruppenhaltung, eine modifizierte Form der Käfighaltung, zulässig. In explorativen Messungen in alternativen Legehennenhaltungssystemen wurde gezeigt, dass die Beschäftigten regelmäßig hohen Konzentrationen des Stall- Bioaerosols ausgesetzt sind (1). Dies kann zu erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Exponierten führen. Im Rahmen eines Verbundprojektes werden Qualität und Quantität der luftgetragenen biologischen Arbeitsstoffe zur Charakterisierung der verschiedenen artgerechten Haltungsformen mit Fokus auf den Arbeitsschutz herangezogen (BLE, Teilprojekt 05 HS 012/1). Ziel des Verbundprojektes ist es, den Umfang und die Höhe der wichtigsten luftbelastenden Stoffe zu ermitteln und Emissionsminderungsmaßnahmen zu identifizieren sowie persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen für die in der Legehennenhaltung Beschäftigten zu erarbeiten. Methoden: Folgende Haltungssysteme wurden für die Untersuchung ausgewählt: Freilandhaltung (Innenraum: Ganzrostboden über Kotgrube, eingestreuter Scharrbereich) - Bodenhaltung (Kotlagerung ganzjährig im Stall, Scharrbereich im Stall, Sitzstangen auf 3 Ebenen, kein Wintergarten) Voliere (Kotbänder, Scharrrbereich im Stall, kein Wintergarten) Kleingruppenhaltung (mit Scharrfläche). Alle Ställe hatten eine temperaturgesteuerte Zwangsbelüftung. Über zwei Aufstallungsperioden wurden Schimmelpilze (SP), Endotoxine und Glucane aus filtriertem Stallstaub (GSP-PGP- System, BGIA) gemäß BGIA-Merkblätter bestimmt (SP: indirektes kulturelles Verfahren; Endotoxine: COAMATIC Chromo-LAL K; Glucane bestimmt als Differenz der Endotoxinbestimmung mit und ohne Glucashield -Puffer) (Durchführung der mikrobiologischen Untersuchungen: Labor Dr. Balfanz Dr. Lohmeyer GbR, Münster). Die Messungen wurden alle drei Monate an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stationär (Grundbelastung im Stall) und personengetragen (Tätigkeiten der Beschäftigten) durchgeführt. 569
Ergebnisse: Zur Auswertung lagen die Messwerte aus dem Zeitraum 6/2007-12/2008 vor. Über alle Messzeitpunkte zusammengefasst wiesen bei der stationären Messung die Bodenhaltung und der Stall der Freilandhaltung die höchsten Endotoxinkonzentrationen (mit Glucashield -Puffer) auf (Median: 4.943 EU/m 3 bzw. 3.338 EU/m 3 ), gefolgt von der Voliere und der Kleingruppenhaltung (Median: 1.181 EU/m 3 bzw. 633 EU/m 3 ). Erhöhte Schimmelpilzkonzentrationen fanden sich nur in der Freilandhaltung (2.191 KBE/m 3 ). Die Endotoxinkonzentrationen schwankten z.t. erheblich (Abb. 1). Abb. 1: Endotoxine - Ergebnisse der stationären Messung, Nachweis mit Glucashield Diskussion: In den untersuchten Geflügelställen wurden die Beschäftigten hohen Konzentrationen luftgetragener biologischer Arbeitsstoffe ausgesetzt. Die Endotoxinkonzentrationen lagen in den beiden Bodenhaltungssystemen (Bodenhaltung und Stall der Freilandhaltung) höher als in der Voliere und der Kleingruppenhaltung. Nicht zuletzt da die Tiere auf Tätigkeiten der Beschäftigten in der Regel mit einer höheren Aktivität reagieren, ist für die Arbeit in allen Haltungssystemen gemäß TRBA 230 (2) die Verwendung von Atemschutz zu empfehlen (z.b. partikelfiltrierende Halbmasken). In einem Teilprojekt des Verbundes erfolgt eine entsprechende Intervention bei Beschäftigten in der Geflügelhaltung (Schulung, Anleitung zum Tragen von Masken, Erfassen der Effektivität von Atemschutz). Daneben müssen diejenigen baulich-technischen Faktoren identifiziert werden, die die Luftqualität im Stall beeinflussen. Dieser Ansatz wird in weiteren Teilprojekten des Verbundes verfolgt. 570
Danksagung Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE) (FKZ 05 HS 012/1). Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin Tübingen wird finanziell unterstützt durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.v. (Südwestmetall). Literatur (1) Blomberg, N., Rieger, M.A.: Luftqualität in alternativen Legehennenhaltungsbetrieben Orientierende Untersuchungen zu biologischen Arbeitsstoffen, Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft, 68 (9), 2008, 369-378 (2) TRBA 230 Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der Land- und Forstwirtschaft und vergleichbaren Tätigkeiten, Ausgabe November 2007, www.baua.de 571
Dokumentation Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. 49. Wissenschaftliche Jahrestagung 11. 14. März 2009 in Aachen In Zusammenarbeit mit: Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. Berufsverband Deutscher Arbeitsmediziner Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Hauptthemen: Krank und trotzdem arbeiten? - Der chronisch Kranke im Erwerbsleben Unfallprävention durch arbeitsmedizinische Vorsorge Herausgegeben von: Prof. Dr. med. Thomas Kraus Dr. med. Monika Gube Rosemarie Kohl 1
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung in andere Sprachen vorbehalten. Copyright 2009 by Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. Prof. Dr. med. Thomas Kraus Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen ISBN 978-3-9811784-2-5 ISSN 1861-6577 2