Antrag auf Erteilung einer vorsorglichen Ausnahmegenehmigung nach 31 Abs. 2 WHG

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Transkript:

Antrag auf Erteilung einer vorsorglichen Ausnahmegenehmigung nach 31 Abs. 2 WHG Im Rahmen des Ergänzungsverfahrens zum Planfeststellungsbescheid vom 11.10.2012 der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord des Landes Rheinland-Pfalz (Az. 312-87-141-2/2008) Bauherr u. Antragstellerin: Wasserkraft Bad Ems GmbH & Co. KG Sitz in Bad Ems Geschäftsadresse: Wasserkraft Bad Ems GmbH & Co. KG Dr. Ronald Steinhoff Weiler Weg 2 61276 Weilrod Tel.: 06083 / 95 83 49 Mobil: 0151 / 5 17 13 12 8 E-Mail: r.steinhoff@steinhoff-energie.de In Zusammenarbeit mit: Dr. Fabio Longo Rechtsanwalt Karpenstein Longo Nübel Rechtsanwälte in Bürogemeinschaft Hauptstraße 27a 35435 Wettenberg Tel: 0641. 98457187 Mobil: 0157. 30899151 FAX: 0641. 98457182 Mail: longo@kln-anwaelte.de Internet: www.kln-anwaelte.de Dezember 2015 Dezember 2015 Antrag auf Ausnahmegenehmigung Seite 1 von 8

Antrag auf Erteilung einer vorsorglichen Ausnahmegenehmigung nach 31 Abs. 2 WHG: Im Rahmen des Ergänzungsverfahrens zum Planfeststellungsbescheid vom 11.10.2012 der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord des Landes Rheinland-Pfalz (Az. 312-87-141-2/2008) wird zusätzlich beantragt, eine Ausnahme nach 31 Abs. 2 WHG vom Verschlechterungsverbot nach 27 WHG rein vorsorglich und überschießend zu erteilen. Diese Ausnahme vom Verschlechterungsverbot ist nach der begründeten Auffassung der Antragstellerin streng genommen nicht erforderlich und wird rein vorsorglich und überschießend wegen der erst kürzlich klargestellten Rechtslage und der teilweise nicht absehbaren Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2015 zum Verschlechterungsverbot (Rechtssache C-461/13) beantragt. Wegen der vorliegenden Erkenntnisse liegt selbst beim pessimistischsten Szenario kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vor; im Gegenteil: von Klassenabstiegen sind alle relevanten Qualitätskomponenten weit entfernt (siehe gleichzeitig eingereichten Ergänzungsantrag). Im Folgenden wird dargestellt, dass über das Nichtvorliegen des Verschlechterungsverbots hinaus zusätzlich die Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Bewirtschaftungsziel gegeben sind: 1. Neue nachhaltige Entwicklungstätigkeit des Menschen In der jüngsten Vergangenheit haben sich die Kenntnisse, die Methoden und die technischen Möglichkeiten des Fischschutzes und Fischabstieges vor Wasserkraftanlagen grundlegend geändert. Die Kenntnisse im Bereich des Fischschutzes und Fischabstieges vor Wasserkraftanlagen sind durch deutsche und viele internationale Studien bereichert worden, die zusammengefasst, bewertet und dargestellt wurden (vgl. u.a. Guntram Ebel, Fischschutz und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen). Als wesentliches methodisches Merkmal ist der schräg angeströmte Rechen insbesondere mit horizontalen Stäben (aber auch vertikal) mit durchgehender Leitfunktion und der Fischabstieg nach Gluch/Ebel zu nennen. Ebenso haben sich bei der Ausführung nichtrostende Materialien wie Edelstahl, hochstabile Kunststoffe, präzise Bearbeitungs- und Vergütungsmethoden im Stahlwasserbau etabliert und erhöhen die Haltbarkeit und Präzision von Rechen- und Rechenreinigungsanlagen erheblich. Diese positiven Innovationen und Entwicklungen wirken sich auch vorteilhaft auf die Anschaffungs- und Betriebskosten aus. Dies zeigen umfangreiche Erfahrungen an Wasserkraftanlagen bis 30 m³/s Schluckvermögen und darüber hinaus, die diese Entwicklungen als erstes aufgenommen und realisiert haben (vgl. Guntram Ebel, Fischschutz und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen S. 336-347). Zusätzlich ermöglicht die computergestützte Strömungssimulation bei der Entwicklung und Verbesserung von Rechenprofiltypen eine erhebliche Verlustminimierung. Viele der neu entwickelten Rechenstabprofiltypen haben in der jüngsten Vergangenheit hervorragende Ergebnisse in der Praxis erzielt (Oppermann-Profil, Profile der Fa. KWT Hydro, Fa. Fincos, Fa. KLAWA u.a.). Es sind insbesondere geringe Verluste und gute Reinigungseigenschaften aufgrund guter Strömungseigenschaften und hoher Oberflächengüte, die diese Profile auszeichnen. Hinzu kommt moderne Sensorik und computergestützte Automation der Rechenreinigung und der Schwemmgutweiterleitung. Dezember 2015 Antrag auf Ausnahmegenehmigung Seite 2 von 8

In ihrer Gesamtheit ermöglichten diese positiven Entwicklungen in den letzten Jahren den Einsatz von Feinrechen mit Stababständen teils erheblich unter 20 mm. Dies war bisher undenkbar, so dass bei Anlagen dieser Größe (Schluckvermögen von 30 m³/s) der Fischabstieg durch die Turbine in Kauf genommen werden musste. Jetzt können die abwanderwilligen Fische an diesen Kraftanlagen vorbeigeleitet werden und mit Hilfe eines hydraulischen abgestimmten Fischabstieges gefahrlos absteigen. Diese Entwicklung ersetzt damit den Abstieg durch die Turbine für nahezu alle Größenklassen von abwanderwilligen Fischen, für die zuvor eine Zwangspassage mit dem Risiko hoher Mortalitätsraten verbunden gewesen wäre. Seit der Erprobung und dem zweifelsfreien Nachweis der hohen Effizienz dieser Techniken ist eine neue und nachhaltige Entwicklung angestoßen worden, die sich vielerorts in Deutschland bei Neubauten und Modernisierungen von Wasserkraftanlagen durchsetzt, wie z.b. auch jüngst an der Oberen Lahn an der Wasserkraftanlage Dorlar mit 5 m³/s, an der Wasserkraftanlage Oberbiel mit über 32 m³/s Schluckvermögen und am Standort Auer Kotten in Solingen an der Wupper mit 14 m³/s (vgl. O. Engler & Dr. B. Adam, HDX Monitoring Wupper, Untersuchung der Wanderung von Fischen Mai 2014, Institut für angewandte Ökologie Kirtorf-Wahlen). 2. Praktikable Vorkehrungen zur Minderung negativer Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers Das WKA Bad Ems trifft nicht nur alle praktikablen Vorkehrungen zur Vermeidung negativer Auswirkungen, sondern trägt in Bezug auf einzelne Qualitätskomponenten sogar zur Optimierung bei. Das Vorhaben besitzt einen Leitbildcharakter für anstehende ökologische Modernisierungen der bestehenden neun Wasserkraftanlagen an der unteren Lahn. Dies trifft für den Fischschutz, Fischabstieg und auch den Fischaufstieg zu. Insbesondere der Fischschutz und das Fischabstiegssystem sind nach neusten Erkenntnissen der Wissenschaft und Forschung (vgl. Ebel Fischschutz und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen) geplant und dimensioniert worden. Der zweite Fischaufstieg am jeweils anderen Ufer bzw. an dem durch die Lockströmung bedingten Hauptwanderkorridor neben dem Kraftwerk trägt zur Verbesserung der Durchgängigkeit und damit wesentlich zum Erreichen der Entwicklungsmöglichkeiten eines irreversibel und stark veränderten Gewässerkörpers bei. Die Auswirkungen auf die einzelnen Qualitätskomponenten finden sich in der Ergänzung zum Wasserrechtlichen Antrag auf folgenden Seiten: Gewässerflora S. 47, Kap. 6.1.1 Fischfauna, diadrome Arten S. 67, Kap. 6.1.3.1.2 Fischfauna, potamodrome Arten S. 78, Kap. 6.1.3.1.4 Gewässerfauna, benthische wirbellose Fauna S. 84, Kap. 6.1.4 Wasserhaushalt S. 85, Kap. 6.2.1 Durchgängigkeit und Morphologie S. 88, Kap. 6.2.2 Physikalisch-chemische Qualitätskomponenten S. 89, Kap. 6.3 Dezember 2015 Antrag auf Ausnahmegenehmigung Seite 3 von 8

3. Darlegung der WKA Bad Ems im Bewirtschaftungsplan für die Untere Lahn Die WKA Bad Ems ist eine Maßnahme zur Wasserkraftnutzung an einer bestehenden Querverbauung und unter Nutzung von bestehenden Anlagenteilen. Sie stellt die letzte, nicht genutzte Querverbauung in der unteren Lahn dar. 35 Abs. 3 WHG verfolgt das Ziel, Wasserkraftanlagen vorrangig an bestehenden Querverbauungen zu errichten (so auch 40 Abs. 4 EEG 2014). Diese Zielsetzung des Bundesrechts nimmt das Land Rheinland-Pfalz auf. Eine Steigerung der Wasserkraftnutzung soll vor allem an den vorhandenen Standorten durch Reaktivierung stillgelegter Anlagen oder Steigerung der Effizienz der in Betrieb befindlichen Anlagen erfolgen (11. Energiebericht Rheinland-Pfalz 2015, S. 115). Aus der Broschüre des MWKEL Energiewende in Rheinland-Pfalz auf S. 13 lässt sich die Zielsetzung bzgl. der Entwicklung des Ausbaus der Wasserkraft in Rheinland-Pfalz von durchschnittlich 0,8 TWh Stand 2011 bis auf 1,1 TWh im Jahre 2030 also eine Steigerung um 28 % durch Modernisierung und Neubau entnehmen. Auch der LEP IV, Grundsatz G 167 (5.2.1 Erneuerbare Energien) fordert die Nutzung vorhandener Potenziale der Wasserkraft, insbesondere bei Kleinwasserkraftwerken, im Zusammenhang mit alten Wasserrechten. Auch in Bad Ems bestand bis 1958 bzw. 1996 ein Wasserrecht und bis 1946 eine Wasserkraftnutzung, die nun an der bestehenden Querverbauung reaktiviert werden kann. 4. Gründe für die WKA Bad Ems sind von übergeordnetem öffentlichen Interesse und der Nutzen der WKA Bad Ems für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen und die nachhaltige Entwicklung übertrifft die geringfügige Beeinträchtigung der relevanten Qualitätskomponenten der Lahn Das öffentliche Interesse an der Wasserkraftnutzung kommt neben dem allgemeinen Gesetzeszweck der Bewirtschaftung von Gewässern als nutzbares Gut zur Energieerzeugung ( 1 WHG) besonders durch 35 WHG und durch das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien vom 01.08.2014 (EEG 2014) zum Ausdruck. 35 Abs. 3 WHG verfolgt das Ziel, Wasserkraftanlagen vorrangig an bestehenden Querverbauungen zu errichten (so auch 40 Abs. 4 EEG 2014). Der vorgesehene Anlagenstandort in Bad Ems befindet sich an einer bestehenden Querverbauung; der letzten in der unteren Lahn, die bislang keine Wasserkraft nutzt. Der hervorgehobene öffentliche Gemeinwohlbelang der Nutzung erneuerbarer Energien wird nicht erst seit Fukushima in zahlreichen Bundesgesetzen hervorgehoben, z.b. im Bauplanungsrecht ( 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. f BauGB), im Naturschutzrecht ( 1 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG), im Raumordnungsrecht ( 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG) und in den Gesetzen zur Energiewende der Ausbau erneuerbarer Energien ( 1 EEG, 1 Abs. 1 EnWG, vgl. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1a AtG zum Atomausstieg). Konkret soll das Ziel des Ausbaus erneuerbarer Energien auch nach dem neuen EEG 2014 durch die Wasserkraft erreicht werden ( 1 Abs. 2, 5 Nr. 14 Buchst. a, 40 EEG 2014). Seit dem Stromeinspeisungsgesetz 1990, das eigens für die Kleinwasserkraft geschaffen wurde (vgl. 3 Abs. 1, 1 S. 2 Nr. 1 StrEinspG), über das EEG 2000 ( 4) bis zum neuen EEG Dezember 2015 Antrag auf Ausnahmegenehmigung Seite 4 von 8

2014 ist die Wasserkraft durchgängig ein öffentlicher Belang zur Umsetzung der Energiewende. Das Land Rheinland-Pfalz nimmt unter den Bundesländern eine Spitzenstellung bei den Zielen für den Ausbau aller erneuerbarer Energien ein. Das Landesentwicklungsprogramm (LEP IV) legt in Kapitel 5.2 das Leitbild für eine nachhaltige Energieversorgung fest. Danach hat sich das Land Rheinland-Pfalz beim Ausbau erneuerbarer Energien das Ziel gesetzt, seinen Stromverbrauch bilanziell schon bis zum Jahr 2030 zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien zu decken. Hierzu setzt die Landesregierung auch auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft, die im Jahr 2030 mit ca. fünf Prozent zur Deckung des Strombedarfs des Landes beitragen soll. Konkret bedeutet dies nach dem LEP IV, Grundsatz G 167 (5.2.1 Erneuerbare Energien), dass die vorhandenen Potenziale der Wasserkraft, insbesondere bei Kleinwasserkraftwerken, im Zusammenhang mit alten Wasserrechten, erschlossen werden sollen, soweit dies wasser- und fischereiwirtschaftlich und ökologisch vertretbar ist. Die WKA Bad Ems fügt sich optimal in die Erfüllung dieser Zielsetzung ein, da sie ein originäres Wasserkraftpotenzial an einer bestehenden Querverbauung unter Benutzung der bestehenden Anlagenteile reaktiviert, für die ein Wasserrecht bestand. Gesetzlich getragen werden die Ziele der Landesplanung durch 5 S. 1 Landesklimaschutzgesetz (LKSG), wonach dem Ausbau erneuerbarer Energien eine besondere Bedeutung bei der Umsetzung von Klimaschutzzielen zukommt. Das LKSG hat gerade für die dezentrale Energieerzeugung aus der Kleinwasserkraft eine Bedeutung, da es nach 5 S. 2 LKSG auch auf im Einzelfall geringe Beiträge zur Treibhausgasminderung ankommen soll. Die minimale Beeinträchtigung von Qualitätskomponenten der Lahn wird insbesondere durch den Nutzen für die menschliche Gesundheit und für die nachhaltige Entwicklung deutlich übertroffen. Das Einzugsgebiet der Lahn bei Bad Ems von ca. 5780 km² sorgt für ausreichendes Wasserdargebot. Der konservative Ausbaugrad der Anlage (nur 30 m³/s des Mittelwassers von 51 m³/s werden genutzt) trägt zusätzlich zur Verstetigung und damit zur Regelbarkeit bei. Regelenergie dieser Art ist damit besonders wertvoll, um die Energiewende voranzubringen und speziell die derzeitigen Engpässe mit der Verstetigung volatiler Quellen überbrücken zu helfen. Hinzu kommt, dass sich aufgrund der früheren industriellen Nutzung des Standortes der Netzknoten Bad Ems (Trafostation neben dem ehemaligen E-Werk in ca. 300 m Entfernung) in unmittelbarer Nähe befindet und der Strom in der Nähe verbraucht wird, was die jetzigen Transportverluste von weit entfernten thermischen Großkraftwerken stark reduziert. (1/3 des Stromverbrauches der Privathaushalte der Stadt und Verbandsgemeinde Bad Ems kann durch das Kraftwerk erzeugt werden.) Demzufolge ersetzt der Wasserkraftstrom direkt Strom aus den großen thermischen Anlagen (Kohle- oder Atomkraftwerke) und trägt damit unmittelbar zur Verringerung des Rohstoffverbrauches und Vermeidung von Abfällen und Emissionen bei. Um die jährliche Energiemenge der Wasserkraftanlage Bad Ems von rund 3 Mio. kwh mit dem derzeitigen deutschen Kohlekraftwerkspark zu erzeugen, sind ca. 965 t SKE (Steinkohleeinheiten, Petrolkoks) bzw. ca. 2.900 t Braunkohle erforderlich. Dabei sind die Energiever Dezember 2015 Antrag auf Ausnahmegenehmigung Seite 5 von 8

luste bzw. Aufwände für den Abbau, den Transport der Kohle und die Übertragungsverluste der Netzverteilung noch nicht berücksichtigt. Diese Menge Braunkohle entspricht einer Ressourcenschonung mit einem Volumen von ca. 4.500 m³ Braunkohle pro Jahr. Dieses von der Wasserkraftanlage Bad Ems jährlich vermiedene Braunkohleäquivalent entspricht bei einem fiktiven Braunkohletagebau auf der Fläche eines Fußballfeldes der Größe der Coface Arena in Mainz einer jährlichen Abbautiefe von ca. 70-90 cm und einer Grundwasserabsenkung um circa einen Meter pro Jahr. Zusätzlich zur beschriebenen Ressourcenschonung vermeidet die Wasserkraftanlage Abfall und Emissionen durch die klassische Stromerzeugung, welche mit Hilfe von fossilen/herkömmlichen Primärenergieträgern arbeitet. Die projektierte Wasserkraftanlage Bad Ems spart im Vergleich zu dem bundesdurchschnittlichen Strommix (Kraftwerksmix) jährlich ca. 1.721 t Kohlendioxid (Quelle: BMU 2012), 85 t Schwefeldioxid, 1730 t Flugasche und Schlacke, 2.595 kg schwermetallige Stäube, 24 Millionen Liter Grundwasser ein (Quelle 2.-5.: Hohmeyer, Soziale Kosten des Energieverbrauches, Fraunhofer Institut, Berlin 1990). Zusätzlich werden jährlich ca. 2,1 kg radioaktive Abfälle vermieden (Quelle: Lichtblick AG 2014). Die Emissionen und Abfälle durch fossile Kraftwerke erzeugen Eingriffe in unser Klima, unsere Gesundheit und letztlich auch in das Schutzgut Wasser. Ebenso ist die Lagerung radioaktiver Abfälle, sofern die erforderlichen Aufwände für eine sachgerechte Lagerung von zukünftigen Generationen getragen werden können, mit enormen Risiken für den Wasserhaushalt und Eingriffen insbesondere in das Schutzgut Wasser verbunden. Zusätzlich erzeugen thermische Großkraftwerke Wärmelast, die in die Umwelt und speziell in die Gewässer abgegeben wird. Sie wird größtenteils mit den 24 Mio. l Grund- und Oberflächenwasser wieder in die Gewässer abgegeben. Diese Wärmelast sorgt dort zusammen mit der Klimaerwärmung teils für erhebliche Eingriffe im Gewässer. Die durchschnittliche Temperaturerhöhung des Rheins von 3 C in den vergangenen 100 Jahren wird zu 2/3 auf die Wärmelast der Kraftwerke zurückgeführt. 1 C davon wird dem Klimawandel zugeschrieben (vgl. H. Schlapkohl, Wärmelast Rhein, BUND Studie 2009). Ebenso wie die Wärmelast den Flüssen zugeführt wird, wird auch die Biomasse der 24 Mio. Liter Grund- und Oberflächenwasser in den thermischen Großkraftwerken zunächst nahezu vollständig abgetötet und dann dem Gewässer wieder zugeführt. Diese Biomasse besteht zum großen Teil aus Fischfauna. Dieser Eingriff kann durch die Wasserkraftanlage Bad Ems vollständig vermieden werden. Der Einsatz der vorliegenden Techniken auch nur an einem Teil der bestehenden Anlagen würde zu einer erheblichen Verbesserung der ökologischen Situation des gesamten Gewässerkörpers Untere Lahn führen. Die Vorteile für die menschliche Gesundheit und die nachhaltige Entwicklung überwiegen die minimalen Beeinträchtigungen des Gewässers bei weitem. Dezember 2015 Antrag auf Ausnahmegenehmigung Seite 6 von 8

5. Verhältnismäßigkeit der Zielerreichung Die nutzbringenden Ziele können aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder aufgrund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden. Ausgangspunkt für diese Art der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist, dass die Energiewende-Ziele des Bundes und des Landes den Ausbau aller erneuerbarer Energieträger für erforderlich hält. Die Wasserkraft soll ihren Beitrag zur Energiewende vor allem durch die Nutzung bestehender Querverbauungen leisten. Damit wird der angestrebte Wasserkraftausbau bereits in technisch, wirtschaftlich und ökologisch optimierte Bahnen gelenkt: 35 Abs. 3 WHG verfolgt das Ziel, Wasserkraftanlagen vorrangig an bestehenden Querverbauungen zu errichten (so auch 40 Abs. 4 EEG 2014). Diese Zielsetzung des Bundesrechts nimmt das Land Rheinland-Pfalz auf. Eine Steigerung der Wasserkraftnutzung soll vor allem an den vorhandenen Standorten durch Reaktivierung stillgelegter Anlagen oder Steigerung der Effizienz der in Betrieb befindlichen Anlagen erfolgen (11. Energiebericht Rheinland- Pfalz 2015, S. 115). Der vorgesehene Anlagenstandort in Bad Ems befindet sich an einer bestehenden Querverbauung. Da der Wasserkraftausbau durch Bundes- und Landesrecht gewollt ist und in Bad Ems an der letzten verfügbaren bestehenden Querverbauung einer Bundeswasserstraße ausgeführt werden soll, ist die WKA Bad Ems zur nutzbringenden Zielerreichung erforderlich. Kostenseitig ist zudem positiv für die Wasserkraft zu berücksichtigen, dass sie sich durch ihre stetige Verfügbarkeit sehr gut in das Energiesystem integrieren lässt. Der Bedarf an Stromspeichern für den Ausgleich der fluktuierenden Erzeugung aus Solar- und Windkraftanlagen kann durch die verlässliche Wasserkraft verringert werden. Des Weiteren ist gegenüber der ebenso stetigen Biomasse hervorzuheben, dass bei der Wasserkraft keine Brennstoffkosten entstehen. Der ökologische Vorteil der Wasserkraft z.b. gegenüber der ebenso stetigen Biomasse liegt darin, dass Emissionen nicht vorkommen. Ebenso bestehen keine Entsorgungsprobleme für Filterstäube und Verbrennungsrückstände (11. Energiebericht Rheinland-Pfalz 2015, S. 114). Der Rückbau der Staustufe ist zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele 27 bis 31 auch langfristig nicht vorgesehen (vgl. 35 Abs. 3 WHG). Ein Rückbau der Staustufe ist aufgrund der Gegebenheiten (Standsicherheit überwiegend historischer Gebäude im Rückstaubereich, Hochwasserschutz, Schifffahrt) unmöglich. Die Staustufe in Bad Ems ist die einzige Staustufe einer Bundeswasserstraße in RLP ohne Wasserkraftnutzung. An allen anderen Staustufen an Lahn, Mosel und Saar wird die Wasserkraft genutzt. Wasserkraftnutzung ist nach den Standortgegebenheiten technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll. Derzeit wird die wertvolle natürliche Ressource verschwendet, ohne die Vorteile der regenerativen und lokalen Stromerzeugung durch Wasserkraft zu nutzen. Es ist daher nicht nur aus Gründen der Verwirklichung der Energiewende-Ziele sondern auch aus technischen und wirtschaftlichen Gründen geboten, die WKA Bad Ems umzusetzen. Weitere regional- und volkswirtschaftliche Vorteile können so erschlossen werden: Dezember 2015 Antrag auf Ausnahmegenehmigung Seite 7 von 8

Die Stadt Bad Ems ist mit 5% der Einspeisevergütung an den Erträgen der Wasserkraftanlage beteiligt. Diese Summe beläuft sich auf ca. 18.000,- pro Jahr, die im Haushalt der Stadt vorgesehen ist. Deutschland als ressourcenarme Nation ist gezwungen einen großen Teil der Energierohstoffe (Kohle, Öl, Gas und Uran) zu importieren. Diese Summe beläuft sich auf knapp 100 Mrd. (100.000.000.000,- ) jährlich. Regionale Wertschöpfung wird durch den Bau der Wasserkraftanlage erhöht. Sämtliche Gewerke wie Tiefbau, Wasserbau, Stahlbetonbau und Turbinenbau (HSI Hydro Trier) gehen auf regionale Unternehmen zurück. Damit tragen die Investitionen unmittelbar zur Erhöhung der regionalen Wertschöpfung bei. Bürgerbeteiligungsmodell: Bürger werden an der Finanzierung und am Ertrag beteiligt. 6. Fazit Eine vorsorgliche Ausnahme vom (hier nicht einschlägigen) Verschlechterungsverbot bezüglich der im Ergänzungsantrag behandelten Qualitätskomponenten kann vorsorglich auch nach 31 Abs. 2 WHG i.v.m. Art. 4 Abs. 7 WRRL erteilt werden, weil die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Es besteht eine objektive Ausnahmelage wegen der die WKA Bad Ems zu genehmigen ist. Dezember 2015 Antrag auf Ausnahmegenehmigung Seite 8 von 8