Petition: Diskriminierung durch Bekenntnisschulen in staatlicher und kommunaler Trägerschaft

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Transkript:

An den Landtag Nordrhein-Westfalen Petitionsausschuss Postfach 10 11 43 40002 Düsseldorf Petition: Diskriminierung durch Bekenntnisschulen in staatlicher und kommunaler Trägerschaft Bitte um Berichterstattung durch Frau Sigrid Beer Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Beer, überall liest man, dass die Ökumene wächst. Inzwischen konnten katholische und evangelische Christen bereits zwei Kirchentage gemeinsam feiern. Das ist in meinen Augen eine erfreuliche Entwicklung. In meinem Brief möchte ich von gelebter Ökumene im Schulleben berichten, leider aber auch von Schwierigkeiten, die ich als evangelische Lehrkraft im katholisch geprägten Westfalen erlebe. Ich unterrichte seit etwa 17 Jahren an Grundschulen des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit über vier Jahren bin ich an einer kleinen katholischen Grundschule im Kreis Höxter tätig. Dort fühle ich mich überaus wohl. Erstmalig erlebe ich, dass ich als evangelische Religionslehrerin in der örtlichen katholischen Kirchengemeinde voll integriert und akzeptiert werde. Mit dem katholischen Pfarrer pflege ich sehr gute Kontakte. Wir gestalten immer wieder gemeinsam Gottesdienste, haben zusammen Aktionen wie einen lebendigen Adventskalender oder eine Schul- und Gemeindefahrt zur Wartburg für Schulkinder und Senioren organisiert. Regelmäßig einstudierte christliche Musicals unserer Schulkinder sowie meine Mitarbeit im Kinderkirchenkreis bereichern das Gemeindeleben und sind seit Jahren ein fester Bestandteil unserer gelebten Ökumene (s. Anhang: Zeitungsberichte/Auszüge aus der Schulchronik). Damit erfüllt sich für mich ein lang ersehnter Wunsch. Kirchengemeinde und Schule ergänzen einander; arbeiten in vorbildlicher, ökumenischer Weise zum Wohl der Kinder und der Menschen am Ort zusammen. Der örtliche Pfarrer äußerte vor einiger Zeit, noch nie habe unsere katholische Grundschule so viel christlichen Geist an den Tag gelegt wie unter evangelischer Schulleitung. Damit ist der Übergang geschaffen zu den oben angedeuteten Schwierigkeiten. Seit über drei Jahren leite ich diese wunderschöne, kleine Dorfschule. Ich bin dort kommissarische Schulleiterin. Die Schulleitung wird nicht mehr fest besetzt. Man plant, unsere überwiegend einzügige Schule bald einem Schulverbund anzuschließen.

In der Zeit als kommissarische Schulleiterin habe ich festgestellt, dass es mir viel Freude bereitet, eine Schule zu führen. Gerne würde ich auch in Zukunft in leitender Funktion tätig sein. Damit zähle ich zu den wenigen Grundschullehrkräften in NRW, die noch Interesse an einer Schulleitung haben. Man geht in NRW derzeit von etwa 700 freien Schulleiter- und Konrektorenstellen in Grundschulen aus. Viele Stellen werden immer wieder ausgeschrieben. Es finden sich aber keine Bewerber. In erreichbarer Nähe zu meinem Wohnort befinden sich neun Grundschulen, acht davon sind katholische Bekenntnisschulen. Das Schulgesetz fordert für diese staatlich finanzierten katholischen Grundschulen Bekenntnishomogenität des Lehrerkollegiums ( 26 Schulgesetz). Seit geraumer Zeit ist das nicht mehr realisierbar, da das Bekenntnis bei der Einstellung in den staatlichen Schuldienst keine Rolle spielen darf. An der von mir geleiteten katholischen Grundschule gehört beispielsweise lediglich ein Drittel der Lehrkräfte der katholischen Kirche an. Für Leitungsfunktionen hält man jedoch beharrlich an dieser Bekenntnishomogenität fest. Die wenigen qualifizierten Bewerber auf Leitungsfunktionen scheitern häufig, da sie nicht katholisch sind. Das ist angesichts des Bewerbermangels ein unhaltbarer Zustand. Ältere Kollegen berichteten mir, dieses Problem sei seit Jahrzehnten bekannt. Immer wieder habe es in der Region willige Bewerber gegeben, die auf Grund ihres Bekenntnisses gescheitert seien.. Einige hätten sich in Nachbarbundesländern beworben, andere seien zum katholischen Glauben übergetreten, viele hätten auf das berufliche Vorankommen verzichtet. Vor einigen Monaten habe ich mich auf die Schulleiterstelle einer katholischen Bekenntnisschule beworben und erhielt von der Bezirksregierung in Detmold eine Absage (s. Anlage). Meine Examen habe ich mit guten Prüfungsergebnissen abgeschlossen. Um mein pädagogisches Handeln zu verbessern studierte ich neben meinem Beruf mehrere Jahre im Fachbereich Sozialpädagogik. Diese Ausbildung habe ich im Jahr 2006 mit der Diplomprüfung abgeschlossen. Zudem verfüge ich inzwischen über mehrjährige Erfahrungen im Bereich der Schulleitung. Meine Konfession führte jedoch zur sofortigen Ablehnung meiner o.g. Bewerbung. Ich fühle mich als evangelische Christin diskriminiert. Zudem ist die Forderung des Schulgesetzes nach Bekenntnishomogenität des Lehrerkollegiums nach meiner Meinung unvereinbar mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte; die Zulassung zu öffentlichen Ämtern muss zudem unabhängig von dem religiösen Bekenntnis erfolgen. Das Bekenntnis darf nach meiner Ansicht also nicht als Aspekt der Eignung definiert werden. Das Grundgesetz sieht eine Trennung von Kirche und Staat vor. Staatlich finanzierte Bekenntnisschulen erscheinen damit unvereinbar. Ich bitte darum die Landesregierung zu prüfen, ob die derzeitigen Schulgesetze verfassungskonform sind. Staatliche Bekenntnisschulen gibt es vereinzelt in Niedersachen, zahlreich jedoch nur noch in Nordrhein- Westfalen. In Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat man diese Schulform bereits vor über 40 Jahren abgeschafft. Man sah, dass nach 1945 eine starke Durchmischung der Bevölkerung stattgefunden hat und hielt diese Schulform für nicht mehr zeitgemäß. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich die Bevölkerungsstruktur weiter stark verändert. Der Zuzug von nichtkatholischen Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion sowie ein

Nachlassen religiöser Bindungen in der Bevölkerung führten in den letzten Jahren dazu, dass in vielen ehemals katholisch geprägten Orten Katholiken inzwischen die Minderheit bilden (z.b. Willebadessen). Besonders in katholisch geprägten Regionen Nordrhein-Westfalens gibt es aber weiterhin sehr viele Bekenntnisschulen und nur einzelne Gemeinschaftsschulen. Im Kreis Höxter sind 60 Prozent der Grundschulen katholische Bekenntnisschulen. Im Süden des Landkreises gibt es fast ausschließlich katholische Bekenntnisgrundschulen. Es wird für mich also schwer möglich sein, im Kreis Höxter eine Schulleitung zu übernehmen, da ich örtlich gebunden bin. Mir bleibt also nur ein Wechsel in ein anderes Bundesland oder der Übertritt zum katholischen Glauben, wenn ich im staatlichen Schulsystem aufsteigen möchte. Beide Schritte kommen für mich nicht in Frage. So werde ich nach vierjähriger kommissarischer Schulleitung ab 01.08.2011 wieder meinen Dienst als Lehrerin aufnehmen. Seit einiger Zeit spüre ich, dass die eingangs beschriebene ökumenische Zusammenarbeit auf Grund meines hier dargestellten Problems leidet. Von katholischer Seite bekundet man mir gegenüber häufig, man bedauere, dass die Schulleitung nach vier Jahren in andere Hände gegeben wird und man schäme sich dafür, wie man auf Grund meiner Konfession mit mir umgehe. Ich bin fest davon überzeugt, dass 1500 Jahre gemeinsame Geschichte, aber vor allem der feste Glaube an den einen gemeinsamen Gott katholische und evangelische Christen untrennbar verbindet. Dennoch fällt es mir auf Grund der beschriebenen Diskriminierungen momentan schwer, Seite an Seite mit katholischen Christen zu beten. Zudem zeigt sich meine katholische Umwelt beschämt auf Grund der unschönen Gesamtsituation. Das ist sehr unangenehm für mich. Ökumene kann so nur schwer gelebt werden. Erstmalig werde ich darum den katholischen Familiengottesdienst in der Adventszeit nicht musikalisch mitgestalten. Auslöser dieser gestörten ökumenischen Kontakte sind staatliche Schulgesetze. Es ist sehr bedauerlich, dass die Bindungen an christliche Kirchen in der Gesellschaft mehr und mehr verloren gehen. In dieser Situation ist es besonders wichtig, dass Christen aller Konfessionen zusammenhalten, dass Ökumene weiter wächst. Auch der Staat muss hierfür einen geeigneten Rahmen schaffen, indem er nicht mehr zeitgemäße Schulgesetze endlich anpasst. Für die Schulkinder und ihre Eltern ist diese Situation ebenfalls unerfreulich. Im ländlichen Bereich haben Eltern oft kaum eine Wahlmöglichkeit, da es in vielen kleinen Städten ausschließlich katholische Bekenntnisschulen gibt (z.b. Willebadessen und Borgentreich). Viele katholische Bekenntnisschulen bieten zudem lediglich katholischen Religionsunterricht an. Zuweilen lässt man die Eltern bei Schuleintritt eine Erklärung unterschreiben, dass man sich mit der Erziehung im katholischen Bekenntnis einverstanden erklärt. Viele Eltern wünschen, dass ihr Kind gemeinsam mit den Spielkameraden aus dem Kindergarten die örtliche Grundschule besucht und geben darum ihr Einverständnis zur Erziehung im katholischen Bekenntnis. Das ist für Kinder anderer Glaubensrichtungen eine unbefriedigende Situation und kann zu Identitätskrisen führen. Die Beschulung des Kindes in der nächstgelegenen Gemeinschaftsgrundschule kommt vielfach nicht in Frage, da man kleinen Kindern den langen Schulweg mit dem Bus ersparen und die Kontakte zu Gleichaltrigen am Ort pflegen möchte. Im Frühjahr 2010 besuchte ich eine Fortbildung für Schulleiter mit dem Titel Schulrecht an katholischen Bekenntnisschulen. Der Dozent wies die anwesenden Schulleiter scharf an, Kinder mit fremder Konfession abzuweisen, wenn sich die Eltern offensichtlich nicht zur katholischen Erziehung bekennen

würden. Müttern mit Kopftuch solle man besonders kritisch begegnen. Man könne beispielsweise fragen, ob das Kind in den vergangenen Jahren am Martinsfest teilgenommen habe oder nicht. Habe das Kind bislang nicht daran teilgenommen, könne man das Kind abweisen, da man offensichtlich nicht an einer katholischen Erziehung interessiert sei, sondern die Bekenntnisschule wähle, um dem Kind bessere Bildungschancen einzuräumen. Zudem wurden die Schulleiter aufgefordert, Einspruch beim Schulamt einzulegen, wenn nicht katholische Lehrkräfte zugewiesen würden. Die Radikalität des Dozenten wirkte auf mich beängstigend, fast fundamentalistisch. Die übergroße Anzahl katholischer Bekenntnisschulen entspricht schon lange nicht mehr der Bevölkerungsstruktur. Auch im ländlichen Raum geht der Anteil der Kirchenmitglieder deutlich zurück. An vielen katholischen Grundschulen sind weniger als die Hälfte der Schüler katholisch. Die Elternschaft unserer kleinen Dorfschule fragte mich in den letzten Monaten mehrfach, ob ich im neu entstehenden Schulverbund weiterhin in leitender Funktion tätig sein werde. Über diesen Vertrauensbeweis habe ich mich sehr gefreut, musste die Eltern jedoch auf 26 des Schulgesetzes mit der Forderung nach Bekenntnishomogenität des Lehrerkollegiums verweisen. Bei den meisten Eltern löste das großes Unverständnis, teilweise sogar erhebliche Verärgerung aus. Offen bekannten zahlreiche Eltern, man betrachte derartige Schulgesetze als nicht mehr zeitgemäß und diskriminierend. Für mich persönlich steht die Frage im Raum, ob ich mich auf die nun frei gewordene Konrektorenstelle des neuen Schulverbundes bewerben sollte. Bei meiner Bewerbung als Schulleiterin im letzten Jahr signalisierte man mir allerdings sehr deutlich, dass meine Bewerbung auf Grund meines Bekenntnisses nicht erwünscht sei. Eine erneute Absage möchte ich vermeiden. In den großen Städten Nordrhein-Westfalens ist die Situation für viele Eltern unerträglich geworden, seit die im Frühjahr abgelöste Landesregierung den Wegfall der Schuleinzugsbezirke beschloss (s. www.kurzebeinekurzewege.de). Seit einiger Zeit können Eltern ihre Kinder in einer Grundschule ihrer Wahl anmelden. Katholische Eltern wählen für ihre Kinder zuweilen katholische Grundschulen am anderen Ende der Stadt aus, Andersgläubige werden an den Bekenntnisschulen abgelehnt. Auf diese Weise begünstigen die Bekenntnisschulen eine verstärkte Spaltung der Gesellschaft und verhindern Integration. Katholische Kinder bleiben unter sich, Kinder mit Migrationshintergrund sammeln sich an Gemeinschaftsschulen, die oft weit von ihrer Wohnung entfernt liegen. Die Fernsehsendung Monitor, die Zeitschrift Der Spiegel sowie die Frankfurter Rundschau berichteten im Jahr 2009 zu diesem Thema (vgl. Spiegel online vom 31.08.2009; Frankfurter Rundschau online vom 14.09.2009, Monitor-WDR, 02.07.2009) Die dargestellte Kritik ist nicht neu. Bereits 1953 schrieb die Zeitschrift Der Spiegel : Bekenntnisschulen Geschichtlich sehr belastet (vgl. Der Spiegel, Nr. 21/1953). Im Jahr 1981 berichtete die Zeitschrift Der Spiegel wiederholt zu diesem Thema. Die Schlagzeile lautete damals: Glück auf In Nordrhein-Westfalen haben katholische Bekenntnisschulen Zulauf als `Fluchtburgen` vor Türkenkindern (vgl. Der Spiegel, Nr. 42/ 1981) Im März 2010 debattierten die Mitglieder des Düsseldorfer Landtags zum Thema Bekenntnisschulen. Die damals regierenden Parteien stellten die Bekenntnisschulen als wertvolles Gut dar, sie bereicherten das Schulsystem, schafften Pluralität in der Bildungslandschaft. Dieser Meinung kann ich mich auf Grund der o.g. Kritikpunkte nicht anschließen.

Stellt ein Schulträger ausschließlich oder fast ausschließlich Bekenntnisschulen bereit, so kann man nicht von Pluralität im Schulsystem sprechen. Für mich stellt dieses eher eine Ausgrenzung Andersgläubiger dar. Die gegenwärtige Gesetzeslage in NRW lässt die Befürchtung zu, dass es bald auch islamische Grundschulen im Land geben könnte. Schon jetzt gibt es an Bekenntnisschulen deutlich (ca. 10 Prozentpunkte) weniger Schüler mit Migrationshintergrund als an Gemeinschaftsschulen. Integration wird so verhindert, gefährliche soziale Spannungen begünstigt. Sollten sich islamische Grundschulen etablieren können, würde dieses die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund weiter deutlich erschweren. Dieses gilt es entschieden zu verhindern. Die beschriebenen Parallelstrukturen verursachen zudem hohe Kosten. Bekenntnisgrundschule und Gemeinschaftsgrundschule teilen sich in vielen Orten ein Schulgebäude oder liegen nahe beisammen. Es existieren jedoch getrennte Kollegien und Schulleitungen. Gleichzeitig zieht man den kleinen, einzügigen Dorfschulen, die vor Ort eine sehr gute Arbeit leisten, die eigenen Schulleitungen ab. Das ist nur schwer zu verstehen. Im Nachbarbundesland Hessen sucht man nach Unterrichtsmodellen, die einen Fortbestand der kleinen Schulen so lange wie möglich sichern. Schulen mit 40 und weniger Schulkindern sowie mit eigener Schulleitung sind hier keine Seltenheit. In NRW werden Schulen geschlossen, sobald der Einschulungsjahrgang unter 18 Schulanfängern liegt. Schulschließungen werden vielerorts geradezu vorangetrieben. Einzügige Grundschulen sollen seit einiger Zeit als Teilstandort geführt werden. Der Bestand kleiner Gemeinschaftsgrundschulen ist seither gefährdet, da sie nicht Teilstandort einer Bekenntnisschule sein dürfen. Bekenntnisschulen fördern so die vermehrte Schließung kleiner Schulstandorte. Es drängt sich die Frage auf: Werden kleine, gut arbeitende Landschulen aus Kostengründen geschlossen, damit man sich weiterhin eine sehr kostenintensive und überaus fragwürdige Parallelstruktur im Bereich der Grundschulen in NRW leisten kann? Grundsätzlich haben Eltern das Recht zwischen Bekenntnisschule und Gemeinschaftsschule zu wählen. Die Schulträger müssen für die entstehenden Fahrtkosten aufkommen. Diese Kosten belasten die ohnehin finanziell stark angeschlagenen Kommunen. Wie lange kann und will man sich diese kostenintensive Parallelstruktur in NRW noch leisten? Als Steuerzahler wüsste ich gerne, wie hoch die Kosten genau sind, die durch diese Parallelstruktur entstehen. Christliche Erziehung ist mir persönlich überaus wichtig. Allerdings kann ich nicht verstehen, warum man in NRW nicht wie in allen anderen Bundesländern (außer vereinzelt in Niedersachen) alle Kinder gemeinsam an Gemeinschaftsgrundschulen im christlichen Geist erzieht. Die beschriebene Situation ist für viele Kinder, Eltern und Lehrkräfte inzwischen unerträglich geworden. Vor einigen Monaten befasste sich die damalige Landesregierung mit einer Petition der Elterninitiative Kurze Beine-kurze Wege. Die Bonner Eltern forderten, dass es an Bekenntnisschulen keinen Vorrang für Bekenntniskinder geben dürfe. Das Schulministerium reagierte darauf, verwies auf die AO-GS und verfügte, dass bekenntnisfremde Kinder an Bekenntnisschulen nicht abgewiesen werden dürfen. Dieses war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Weitere gesetzliche Änderungen stehen jedoch dringend an.

Diskriminierungen, fehlende Bewerber auf Leitungsfunktionen, mangelnde Integration sowie unnötig hohe Kosten auf Grund der Parallelstruktur sind noch immer an der Tagesordnung. An staatlichen Schulen, die von den Steuergeldern aller Bürger finanziert werden, darf es für Kinder und Lehrkräfte keine Diskriminierungen auf Grund ihres Bekenntnisses geben. Ich persönlich bin nicht mehr länger bereit, Benachteiligungen auf Grund meines Glaubens, der mir persönlich überaus wichtig ist, länger hinzunehmen und würde mich freuen, wenn Sie sich für die dringend nötigen Veränderungen im Schulsystem Nordrhein-Westfalens einsetzen würden. Andere Bundesländer sind diesen Weg schon vor Jahrzehnten gegangen. Ich bitte darum, mein Anliegen in Form einer Petition zu behandeln. Mit freundlichen Grüßen Anlagen: Auszüge aus der Schulchronik Zeitungsberichte Bewerbungsschreiben Zeugniskopien Schreiben der Bezirksregierung Detmold