Deutsche Medizinische Wochenschrift

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Transkript:

Deutsche Medizinische Wochenschrift Schriftleitung: H. E. Blum, FreiburgJ. F. Riemann, Ludwigshafen W. Siegenthaler, Zürich E. Erdmann, KölnM. Rothmund, Marburg J. R. Siewert, München W. Hiddemann, MünchenP. C. Scriba, München Sonderdruck Leitlinien»Gerinnungsselbstmanagement«A.Bernardo.H.Völler für die Arbeitsgemeinschaft Selbstkontrolle der Antikoagulation (ASA) e.v. Dtsch. med. Wschr. 126 (2001) Georg Thieme Verlag Stuttgart New York Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages gestattet

«Fachgremien & Konsensuskonferenzen Leitlinien»Gerinnungsselbstmanagement A. Bernardo, H. Völler für die Arbeitsgemeinschaft Selbstkontrolle der Antikoagulation (ASA) e.v. Die orale Antikoagulation hat im Rahmen der Primär- und Sekundärprophylaxe von Thromboembolien einen festen Stellenwert. In Deutschland werden zur Zeit etwa 500000 Menschen aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen mit Antikoagulanzien therapiert. Dazu gehören Patienten mit mechanischem Herzklappenersatz, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, thromboembolischen Ereignissen (Schlaganfall, Lungenembolie bei Phlebothrombose) und Thrombophilien. Die Therapie mit oralen Antikoagulanzien erfordert eine sorgfältige und regelmäßige Überwachung der Blutgerinnung mittels der Thromboplastinzeit, um Komplikationen wie Blutungen und Thromboembolien zu vermeiden. Seit 1986 besteht für Patienten, die mit Antikoagulanzien behandelt werden die Möglichkeit, ihre gerinnungshemmende Therapie selbst zu kontrollieren und gegebenenfalls notwendige Dosiskorrekturen selbstständig vorzunehmen. Zahlreiche, überwiegend bei Patienten nach Kunstklappenersatz durchgeführte Studien zeigen, dass durch das Selbstmanagement im Vergleich zur konventionellen Therapieführung eine erhebliche Verbesserung der Therapie mit signifikanter Reduktion der Komplikationsraten erreicht werden kann (1,2,3,12,14,15,20,29,30). In einer prospektiven, kontrollierten und randomisierten Studie an 325 älteren Patienten (über 65 Jahre) mit unterschiedlichen Indikationen für eine Langzeit-Antikoagulation ließen sich in den ersten 6 Monaten schwere Blutungskomplikationen um 50% im Vergleich zur Betreuung durch Antikoagulationsambulanzen senken (6). Horstkotte (18) konnte zeigen, dass eine Therapieverbesserung durch häufigere Kontrollen möglich ist. Bei herkömmlicher Kontrolle der INR-Werte alle 2 (4) Wochen lagen lediglich 60% (59%) der Gerinnungswerte im therapeutischen Bereich. Eine Erhöhung der Gerinnungsmesswerte im therapeutischen Bereich bis auf 90% war durch Kontrolle alle 4 Tage zu erreichen. Die Selbstkontrollgruppe wies eine signifikant geringere Häufigkeit von Blutungskomplikationen (4,5%/Jahr gegenüber 10,9%/Jahr) und thromboembolischen Ereignissen (0,9%/Jahr gegenüber 3,6%/Jahr) als die konventionell geführte Gruppe auf (18). In einer nicht kontrollierten 10-Jahres-Nachbeobachtung an 387 Patienten mit Selbstmanagement lag die Komplikationsrate für mittlere und schwere Blutungskomplikationen bei l,5%/jahr und für thromboembolische Komplikationen bei 0,5%/Jahr (5). Bei der üblichen Therapieüberwachung liegt die Inzidenz - je nach Literatur - bei 5,7%/Jahr für schwere, bei 8,5%/Jahr für leichte Blutungskomplikationen und bei l,5%/jahr für thromboembolische Ereignisse (7,10,11,13,22) (Tab. l,2). Alle Studien, die sich mit dem Patienten-Selbstmanagement und der -Selbstkontrolle befassen, zeigen, dass sich durch die aktive Einbindung des Patienten und durch die Verwendung eines Gerinnungsmonitors eine gute, stabile Antikoagulation erreichen lässt. Aus den bisherigen Ergebnissen darf man folgern, dass sich die Komplikationsrate für Blutungen und für Thromboembolien um deutlich mehr als die Hälfte reduzieren lässt. Um die tatsächlichen Vorteile des Patienten-Selbstmanagements, mit Verbesserung der Therapie und Reduktion der Komplikationsrate zu belegen, bedarf es weiterer prospektiver, randomisierter Langzeitstudien. Zusätzlich ist durch das Patienten-Selbstmanagement ein Einsparpotenzial gegeben. Allerdings liegen die Kosten beim Selbstmanagement zunächst höher als beim Routinemanagement, was in erster Linie durch die Anschaffung des Gerinnungsmonitors und die Schulung des Patienten bedingt ist. Im ersten Jahr werden 600,00 DM für das Selbstmanagement und 300,00 DM für die herkömmliche Therapieüberwachung benötigt. Unter Berücksichtigung der Behandlungskosten zu erwartender thromboembolischer und hämorrhagischer Komplikationen beider Therapieformen ergibt sich aber schließlich ein eindeutiger Kostenvorteil für das Selbstmanagement. Der Kostenvorteil liegt bei 700,00 DM pro Patient und Jahr (28). Der tatsächliche Kostenvorteil dürfte allerdings weitaus höher liegen. Kosten, die z.b. durch Langzeitbehinderung, häusliche Krankenpflege, Arbeitsausfallzeiten oder Verlust der Erwerbsfähigkeit verursacht werden, wurden nicht berücksichtigt. Lafata befasste sich mit der Kalkulation der Kosteneffektivität anhand des 5-Jahres-Markov-Modells. Sie verglich die Kosteneffektivität zwischen herkömmlicher Überwachung, Antikoagulationsambulanz und Patienten-Selbstkontrolle. Die Modellergebnisse zeigen, dass über 5 Jahre mit 1,7 weniger thromboembolischen und 2,0 weniger hämorrhagischen Ereignissen pro 100 Patienten zu rechnen ist, wenn Patienten von einer Antikoagulationsambulanz anstelle niedergelassener Ärzte betreut werden. Weitere 4,0 thromboembolische und 0,8 hämorrhagische Ereignisse werden vermieden, wenn die Therapieüberwachung durch Selbstkontrolle erfolgt. Das bedeutet, dass 12 000 US-Dollar an medizinischen Kosten für ein verhindertes Komplikationsereignis und 80 000 US-Dollar an»quality-adjusted life years«(qaly) eingespart werden können. Dies sind ideelle Kosten für den Patienten und die Gesellschaft, die mit einer lebenswerteren und qualitativ gesünderen Lebenszeit dieses Patienten verbunden sind (21). Leider liegen keine Studien vor, in denen die tatsächlichen ambulanten und stationären Kosten ermittelt und miteinander verglichen worden sind. Dtsch. Med. Wschr. 2001; 126: 346-351 Georg Thieme Verlag Stuttgart New York

DMW 2001,126. Jg., Nr. 12 Bernardo u. Völler: Leitlinien»Gerinnungsselbstmanagement«Tab.2 Komplikationsrate unter arztgeleitetem Management und Antikoagulationsambulanzen. Veröffentlichung Landefeld 1989 (22) Cortelazzo1993(n) Cannegieter1995(10) Gitter 1995 (13) Palareti1996(25) Beyth 1998 (7) Horstkotte1998(18) Definitionen Patienten-Selbstmanagement Unter Patienten-Selbstmanagement (PSM) versteht man die aktive Einbindung des Patienten in eine Therapie. Hier übernimmt der Patient nach entsprechender Schulung sowohl die Überwachung der Intensität der gerinnungshemmenden Behandlung als auch die Dosisanpassung des Antikoagulans je nach Messwert (vorzugsweise 1NR). Dieses Verfahren hat sich in Deutschland durchgesetzt und wird derzeit von über 50 000 Patienten angewandt. Patienten-Selbsttestung Im Gegensatz zum PSM Findet man, überwiegend in englischsprachigen Ländern, die Patienten-Selbsttestung (PST). Hier führt der Patient lediglich die Selbsttestung bzw. die Bestimmung der INR durch, während der behandelnde bzw. spezialisierte Arzt die Dosis des Antikoagulans festlegt. Indikationen Zielgruppe für das PSM sind zurzeit in erster Linie dauerhaft antikoagulierte Patienten aller Indikationen, insbesondere nach Kunstklappenersatz, bei Vorhofflimmern, Thrombophilie, rezidivierenden Bein- und Beckenvenenthrombosen, Lungenembolien sowie mit deutlich eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion. Weitere Indikationen für ein Selbstmanagement sind schlechte Venenverhältnisse, stark schwankende Gerinnungswerte, besondere Blutungsrisiken und Schwangerschaft sowie eine intensivere gerinnungshemmende Therapie. Mit Ausnahme der Schwangerschaft wurden diese Indikationen, insbesondere bei kanadischen Kindern und Jugendlichen mit Chemotherapie, katheterbedingten Thromboembolien, schwerer Verletzung, kongenitalen Herzfehlern und Thrombophilie über 5 Jahre untersucht. Diese Situationen wären mit oralen Antikoagulanzien ohne Patienten-Selbstmonitoring kaum behandelbar gewesen (23). Über die Effektivität des Selbstmanagements bei Patienten, die nur vorübergehend auf ein Antikoagulans angewiesen sind, gibt es zurzeit noch keine wissenschaftlich fundierten Studien. Patientenauswahl Voraussetzung ist der interessierte und motivierte Patient, der über ausreichende manuelle Geschicklichkeit und Sehkraft sowie über die Fähigkeit verfügt, Verständnis für die Zu- Fachgremien & Konsensuskonferenzen DMW

Bernardo u. Völler: Leitlinien»Gerinnungsselbstmanagement«DMW 2001,126. Jg., Nr. 12 Tab.3 Inhalte des SPOG-Curriculums. (SPOG = Schulungs- und Behandlungsprogramm für Patienten mit oraler Gerinnungshemmung). l. Unterrichtseinheit II. Unterrichtseinheit III. Unterrichtseinheit Allgemeines über die Gerinnung Wie gerinnt das Blut? Wie kann die Gerinnbarkeit gemessen werden? WasistderINR-Wert? Warum eine Herabsetzung der Blutgerinnung? Es gibt unterschiedliche therapeutische INR-Zielbereiche! Warum kann eine zu hohe u. eine zu niedrige Gerinnung gefährlich werden? Durch eine gute Behandlung können Komplikationen vermieden werden! INR-Selbstmessung Prinzip der INR-Messung. Das Gerät. Selbstmessung des INR-Wertes und Parallelbestimmung im Unterricht. Der INR-und der Quick-Wert. Protokollieren der Messwerte. Wiederholung der l. Unterrichtseinheit Besprechen der protokollierten Messwerte. Überprüfung der Selbstmessung, Parallelbestimmung. Wirkung und Nebenwirkung der Antikoagulanzien. Verschiedene Antikoagulanzien. Der INR-Wert außerhalb des therapeutischen Bereiches. Zu hohe INR-Werte Warnzeichen einer Blutung. Was tun bei einer Blutung? Medikamente mit Einfluss auf den INR-Wert. Dosisreduktion, Fallbeispiele. Zu niedrige INR-Werte Warnzeichen einer Thrombose, Embolie. Was tun bei einer Thrombose? Heparin. Nahrungsmittel mit Einfluss auf den INR-Wert. Medikamente. Durchfall, Erbrechen. Dosiserhöhung, Fallbeispiele. Wiederholung der II. Unterrichtseinheit Besprechen der protokollierten Messwerte. Überprüfung der Selbstmessung, Parallelbestimmung. Wiederholung, Übung der Fallbeispiele. Das gewollte selbstständige Erhöhen und Senken des INR-Wertes. Krankheiten und Krankenhausaufenthalte. Alkohol, Sport und Arbeit. Urlaub und Reisen. sammenhänge der therapeutischen Antikoagulation zu erwerben. Entscheidend ist die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung (»Empowerment«). Das Erlernen des Patienten-Selbstmanagements ist prinzipiell an kein Lebensalter gebunden (6). Sollten Patienten nicht bzw. nicht mehr in der Lage sein, das PSM durchzuführen, so kann dies auch von Angehörigen übernommen werden. In der Kinderheilkunde ist es üblich, dass Eltern antikoagulierter Kinder in das PSM mit eingebunden werden und dieses mit den Kindern entsprechend durchführen (23). Trotz Schulung und PSM verbleibt der Patient weiter in der Betreuung des Arztes. Zwischen Patient und Arzt sollte weiterhin eine gute Kooperation bestehen bleiben. Patientenschulung Unabdingbar für das Selbstmanagement ist eine standardisierte und strukturierte patientengerechte Schulung mit theoretischen und praktischen Inhalten zur oralen Antikoagulation. Hierzu steht ein evaluiertes Schulungsprogramm (SPOG) zur Verfügung (Tab.3) (26). Die Schulungsinhalte sollten durch ein in der Patientenschulung erfahrenes Schulungszentrum vermittelt werden. Die Schulung wird unter Aufsicht eines Arztes durch qualifiziertes Personal durchgeführt. Regelmäßige Schulungen durch das Team sind notwendig, um genügend Erfahrung mit der patientengerechten Vermittlung der Schulungsinhalte und mit dem Gerinnungsmonitor zu gewährleisten. Die Schulung erfolgt an mindestens zwei getrennten Tagen. Der Schulungskurs besteht aus drei Unterrichtseinheiten von jeweils 90-120 Minuten Dauer. Die optimale Gruppengröße liegt bei 3-6 Patienten. Zentren, die die Schulung in der Gerinnungsselbstkontrolle aufnehmen wollen, sollten an einem Seminar für Train-the-Trainer teilgenommen haben. Inhalte der Patientenschulung - Grundsätzliches zur Gerinnungshemmung - Wirkungsdauer, Wirkungsweise und mögliche Nebenwirkungen der Antikoagulanzien - Interaktionen von Gerinnungshemmern und anderen Arzneimitteln - Unterschiedliche therapeutische Zielbereiche - Bestimmungshäufigkeit der INR (wöchentlich bei stabiler Antikoagulation) - Dokumentation der selbstbestimmten Gerinnungswerte - Prospektive Dosisfindung des oralen Antikoagulans anhand von Fallbeispielen - Erkennung von möglichen Fehlerquellen bei der Gerinnungsselbstkontrolle - Erkennen und Korrektur von Über- und Unterdosierung des oralen Antikoagulans - Erkennen von Komplikationen und richtiges Handeln bei Komplikationen - Ernährung, interkurrente Erkrankungen, Reisen, Injektionen, Endokarditisprophylaxe. Anforderungen an das Messgerät und an das Probenmaterial Bei dem Messgerät muss es sich um einen portablen, leichten Monitor handeln, der für den Patienten einfach zu bedienen ist. Eine verständliche Bedienungsanleitung sollte die Handhabung des Gerätes erleichtern. Die Messergebnisse sind in DMW Fachgremien & Konsensuskonferenzen

Bernardo u. Völler: Leitlinien»Gerinnungsselbstmanagement«DMW 2001,126. Jg., Nr. 12 Tab. 4 Gerinnungsmonitore. Messprinzip Magneto-optische Reflexionsphotometrie. Eisenoxidpartikel- Einbindung in das Fibrinnetz Gerinnungszeitpunkt durch Fluoreszenslicht-Messung Rekombinantes Thrombo- Thromboplastin Kaninchenhirn-Thromboplastin plastin Frische Kapillarblut, Citrat- Probenmaterial Frisches Kapillarblut oder blut, venöses Vollblut, venöses Vollblut Citratplasma Blutmenge Ca. "IOu.1 Ca. 15 uj Ergebniseinheit INR,% Quick INR,% Quick Messbereich INR 0,8-8,0 INRO.7-7,0 5-70% 8%-99% Speicherkapazität 60 Messwerte incl. Datum und Uhrzeit 64 Ergebnisse incl. Datum und Uhrzeit Kalibrierung Chargenspezifischer Code Chip Chargenspezifischer Code Qualitätskontrolle CoaguChek PT Controls Kontroll-Lösungen Heparinempfind- Heparinempfindlich Unempfindlich bis zur lichkeit (Messung vor der subkutanen Heparingabe) Heparinkonzentration von 2 lu/ml Spannungs- Batterie und Netzadapter Batterie und Netzadapter Versorgung Batteriespannung reicht für 60 Messungen Batteriespannung reicht für ca. 50 Messungen Preis der Teststreifen/12er Packung: 101,78DM 15 Stück: 127,20 DM Testträger 48er Packung: 332,97 DM 30 Stück: 208,20 DM Gerätepreis 1 779,00 DM incl. MWST 1392,00 DM incl. MWST (AVP, unverbindliche(avp, unverbindliche Preis- Preis- empfehlung) empfehlung) AVP = Apothekenverkaufspreis Manuelles Testverfahren (Häkelmethode) mit visueller Bestimmung des Endpunktes Rinderhirn-Thromboplastin Frisches Kapillarblut Ca.25ul INR,% Quick INR5.9-1.0 4-100% Registrierung der Lageveränderung der Stahlkugel durch Auslösen eines Impulses in einem magnetischen Sensor Prinzipiell jedes auf dem Markt befindliche Thromboplastin Frisches Kapillarblut oder venöses Vollblut Ca.20u1 INR,% Quick INRO.7-7,0 Chargenspezifische Chipkarte - novi quick Control Unempfindlich bei sub- In Abhängigkeit des eingekutaner Heparingabe setzten Thromboplastins Netzgerät 12er Packung: 96,00 DM 997,00 DM incl. MWST (AVP, unverbindliche Preisempfehlung) Netzadapter In Abhängigkeit des verwendeten Thromboplastins 2995.00DMincl.MWST (AVP, unverbindliche Preisempfehlung) ben der Lebensqualität vor allem auch die Prognose bei langzeit-antikoagulierten Patienten durch das Selbstmanagement deutlich verbessert wird. Konsensusbildung Diese Leitlinien sind von Mitgliedern der Arbeitsgruppe»Qualitätssicherung«der Arbeitsgemeinschaft Selbstkontrolle der oralen Antikoagulation (ASA) e.v. erarbeitet worden. Der Arbeitsgruppe»Qualitätssicherung«gehören an: A. Bernardo, S. Braun, G. Härtling-Sojka, H. Hillenbrand, H. Möller-Jung, C. Soppa und U. Taborski. Die Leitlinien wurden durch den Vorstand am 17. Februar 2000 verabschiedet. Grundlage der Leitlinien waren die Standards der»arbeitsgemeinschaft Selbstkontrolle der Antikoagulation«(ASA) e.v. und die Fachmitteilung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) (4,24). Diese Leitlinien beruhen auf dem gegenwärtigen Wissensstand und bedürfen gemäß der Weiterentwicklung regelmäßiger Aktualisierung, die für den Sommer 2002 geplant ist. Literatur 1 Anderson D, Harrison L, HirshJ. Evaluation ofa portable prothrombin time monitor for home use by patiens who require long-term oral anticoagulant therapy. Arch Intern Med 1993; 153: 1441-1447 2 Ansell JE, Fish L, Nozzolillo E, Ostrovsky D, Patel N, Peterson AM. Long-term patient self-management oforal anticoagulation. Arch Intern Med 1995; 155: 2185-2189 3 Ansell JE, Hughes R. Evolving modeis of warfarin management: anticoagulation clinics, patient self-monitoring, and patient self-management. Am HeartJ 1996;132:1096-1100 4 Arbeitsgemeinschaft Selbstkontrolle der Antikoagulation. Standards und Informationen. Bad Nauheim. 1SBN 3-88630-220-2, Hrsg. Bernardo A, Taborski U, Wittstamm F-J. 5 Bernardo A. Optimierung der Langzeit-Antikoagulation durch Patienten-Selbstmanagement? Zeitschrift für Kardiologie 1998; 87: 75-81(Suppl4) 6 Beyth R, Landefeld C. Prevention of major bleeding in older patients treated with warfarin: Results of a randomised trial. Washington, D.C.; May 1-3, Society of General Internal Medicine; 20 th Annual Meeting. 1997 7 Beyth R, Landefeld C, Quinn L. Prospective evaluation of an index for predicting the risk of major bleeding in outpatients treated with warfarin. AmJ Med 1998; 105: 91-99 8 Bekanntmachung des Hilfsmittelverzeichnisses, Jahrgang 48, Nummer 79a, ISSN 0720-6100, Bundesanzeiger, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz am 25. April 1996. DMW Fachgremien & Konsensuskonferenzen

DMW 2001,126. Jg., Nr. 12 Bernardo u. Völler: Leitlinien»Gerinnungsselbstmanagement«9 Caliezi C, Lämmle B, Pfiffner D, Saner H, Waber M, Wuillemin W. Patienten-Selbstkontrolle der oralen Antikoagulation mit Coagu- Chek. Schweiz Med Wschr 2000: 130: 916-923 10 Cannegieter SC, Briet E. Rosendaal FR, Wintzen AR, van den Meer FJM, Vandenbroucke JP. Optimal oral anticoagulation therapy in patients with mechanical heart valves. N Engi J Med 1995; 333: 11-17 11 Cortelazzo S, Finazzi G, Viero P et al. Thrombotic and hemorrhagic complications in patients with mechanical heart valve prosthesis attending an anticoagulation clinic. Thromb Haemostas 1993; 69: 316-320 12 Cromheecke M, Colly L, de Mol B et al. Oral anticoagulation seifmanagement and management by a specialist anticoagulation clinic: a randomised cross-over comparison. Lancet 2000; 356: 97-102 13 Gitter M, Gersh B.Jaeger T, Petterson T, Silverstein M. Bleeding and thromboembolism during anticoagulation therapy: A populationbased study in Rochester, Minnesota. Mayo Clin Proc 1995; 70: 725-733 14 HarenbergJ, Heene D, Kulina W. Self-monitoring of prothrombin time using a portable coagulation monitor. Hämostaseologie 1997;17:141-144 15 Hasenkam JM, Kimose HH, Knudsen L et al. Seif management of oral anticoagulant therapy after heart valve replacement. Eur J Cardio-thorac Surg 1997: 11: 935-942 16 Heidinger K, Bernardo A. Clinical outcome of seif management of oral anticoagulation in patients with atrial fibrillation or deep vein thrombosis. Thrombosis Research 2000; 98: 287-293 17 Hill J, Plesch W. Evaluation of CoaguChek INR results from venous whole blood versus capillary whole blood. Thromb Haemost 1997: 763(Suppl) 18 Horstkotte D, Piper C, Wiemer M. Optimal frequency of patient monitoring and intensity oforal anticoagulation therapy in valvular heart disease.j Thromb Thrombolysis 1998; 5: 19-24(Suppl l) 19 Kaatz SS, Becker DM, Hill J, Humphries JE, Mascha E, White RH. Accuracy of laboratory and portable monitor international normalized ratio determinations. Arch Intern Med 1995; 155: 1861-1867 20 Körfer R, Körtke H. ESCAT - Early self-controlled anticoagulation trial. Darmstadt: Steinkopff Verlag, In: KrianA, MatloffJM, Nicoloff DM, eds. Advancing the technology of bileaflet mechanical heart valves. 1998: 12-22. 21 LafataJ, Kaatz S, Martin S, Ward R. Anticoagulation Clinics and Patient-Selftesting for Patients on Chronic Warfarin Therapy: A Cost- Effectiveness Analysis. J Thromb Thrombolysis 2000; 9: 13-19(Suppll) 22 Landefeld GS, Goldman L. Major bleeding in outpatients treated with warfarin: Incidence and prediction by factors known at the Start of outpatient therapy. Am J Med 1989; 87: 144-152 23 Massicotte P, Adams M, Andrew M, Marzinotto V, Vegh P. Home monitoring of warfarin therapy in children with a whole blood prothrombin time monitor.j Pediatr 1995; 127: 389-394 24 Müller-Beißenhirtz W, Deickert F, Lang H et al. Selbstkontrolle der oralen Antikoagulation: Standortbestimmung. J Lab Med 1997:21: 558-562 25 Palareti G, Berrettini M, Ciararella N et al. Bleeding complications oforal anticoagulation treatment: an inception-cohort, prospective collaborative study (ISCOAT). Italian study on complications of oral anticoagulant therapy. Lancet 1996; 348: 423-428 26 Sawicki PT. A structured teaching and self-management program for patients receiving oral anticoagulation. A randomised controlled trial.jama 1999; 281: 145-150 27 Taborski U, Heidinger K, Müller-Berghaus G. Imprecision of INR self-testing compared to laboratory testing. Ann Hematol 1998; 76:A100-A100(SupplI) 28 Taborski U, Bernardo A, Wittstamm F-J. Cost-effectiveness of selfmanaged anticoagulant therapy in Germany. Sem Thromb Hemostasl999;25: 103-108 29 Watzke H, Forberg EJimenez-Boj E, Krinniger B, Svolba G. A prospective controlled trial comparing weekly self-testing and self-dosing with the Standard management of patients on stable oral anticoagulation. Thromb Haemost 2000; 83: 661-665 30 White R, McCurdy A, von Marensdorff H et al. Home prothrombin time monitoring after the initiation of warfarin therapy; a randomised prospective study. Ann Intern Med 1993; 153: 1441-1447 Korrespondenz Dr. med. Angelika Bernardo Klinik für kardiale und psychosomatische Rehabilitation CH-9056 Gais Tel.: 0041/7l/79l 6621 Fax: 0041/71/7916132 E-Mail: angelika.bernardo@bluewin.ch Fachgremien & Konsensuslwnferenzen DMW