Von der software-ergonomischen Evaluation zur Gestaltung von Benutzerschnittstellen



Ähnliche Dokumente
Auswahl alter Klausuraufgaben aus einer ähnlichen Vorlesung Maßgeblich für die Prüfung sind die Vorlesungsinhalte!

Das System sollte den Benutzer immer auf dem Laufenden halten, indem es angemessenes Feedback in einer angemessenen Zeit liefert.

User Interface Guidelines

Prozessbewertung und -verbesserung nach ITIL im Kontext des betrieblichen Informationsmanagements. von Stephanie Wilke am

E-Cinema Central. VPN-Client Installation

Informationssystemanalyse Problemstellung 2 1. Trotz aller Methoden, Techniken usw. zeigen Untersuchungen sehr negative Ergebnisse:

Agile Vorgehensmodelle in der Softwareentwicklung: Scrum

Wann ist eine Software in Medizinprodukte- Aufbereitungsabteilungen ein Medizinprodukt?

Es sollte die MS-DOS Eingabeaufforderung starten. Geben Sie nun den Befehl javac ein.

C++11 C++14 Kapitel Doppelseite Übungen Musterlösungen Anhang

Die Makler System Club FlowFact Edition

Zulassung nach MID (Measurement Instruments Directive)

GEVITAS Farben-Reaktionstest

etermin Einbindung in Outlook

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Die Zertifizierungsstelle der TÜV Informationstechnik GmbH bescheinigt hiermit dem Unternehmen

Anti-Botnet-Beratungszentrum. Windows XP in fünf Schritten absichern

Content Management System mit INTREXX 2002.

Die Zertifizierungsstelle der TÜV Informationstechnik GmbH bescheinigt hiermit dem Unternehmen

.. für Ihre Business-Lösung

Anwendung der DIN EN ISO 9241 bei der Erstellung und Bewertung von Software

4. Die Grundsätze der Dialoggestaltung aus DIN EN ISO

Informationssystemanalyse Lebenszyklusmodelle 3 1. Lebenszyklusmodelle sollen hauptsächlich drei Aufgaben erfüllen:

StuPro-Seminar Dokumentation in der Software-Wartung. StuPro-Seminar Probleme und Schwierigkeiten in der Software-Wartung.

Lizenzen auschecken. Was ist zu tun?

SMART Newsletter Education Solutions April 2015

Fragebogen ISONORM 9241/110-S

Anlegen eines SendAs/RecieveAs Benutzer unter Exchange 2003, 2007 und 2010

Berechtigungen im Kalender Anleitung für die Rechtevergabe im Outlook Kalender FHNW, Services, ICT

DER SELBST-CHECK FÜR IHR PROJEKT

Das Pflichtenheft. Dipl.- Ing. Dipl.-Informatiker Dieter Klapproth Ains A-Systemhaus GmbH Berlin

Leitfaden zur ersten Nutzung der R FOM Portable-Version für Windows (Version 1.0)

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Software-Validierung im Testsystem

Konsolidierung und Neuimplementierung von VIT. Aufgabenbeschreibung für das Software Engineering Praktikum an der TU Darmstadt

Die Zertifizierungsstelle der TÜV Informationstechnik GmbH bescheinigt hiermit dem Unternehmen

Herzlich Willkommen beim Webinar: Was verkaufen wir eigentlich?

Theorie qualitativen Denkens

my.ohm Content Services Autorenansicht Rechte

Urlaubsregel in David

Ugra Proof Certification Tool

Software Engineering. Sommersemester 2012, Dr. Andreas Metzger

Anleitung zum Computercheck Windows Firewall aktivieren oder eine kostenlose Firewall installieren

Einen Wiederherstellungspunktes erstellen & Rechner mit Hilfe eines Wiederherstellungspunktes zu einem früheren Zeitpunkt wieder herstellen

SharePoint Demonstration

Überprüfung der Bildungsstandards in den Naturwissenschaften. Chemie Marcus Mössner

Mobile Lösungen im Handel Wie findet man ein einfaches und passendes Kassensystem? UseTree Berliner Kompetenzzentrum für Usability Maßnahmen

Tess TeSign nutzen mit App's"! iphone und Bria Informationen zur Nutzung

«PERFEKTION IST NICHT DANN ERREICHT, WENN ES NICHTS MEHR HINZUZUFÜGEN GIBT, SONDERN DANN, WENN MAN NICHTS MEHR WEGLASSEN KANN.»

Multicheck Schülerumfrage 2013

1 Mathematische Grundlagen

TTS - TinyTimeSystem. Unterrichtsprojekt BIBI

Windows-Sicherheit in 5 Schritten. Version 1.1 Weitere Texte finden Sie unter

Wie optimiert man die Werbungserkennung von Ad- Detective?

Beschreibung des MAP-Tools

OUTSOURCING ADVISOR. Analyse von SW-Anwendungen und IT-Dienstleistungen auf ihre Global Sourcing Eignung. Bewertung von Dienstleistern und Standorten

ARCO Software - Anleitung zur Umstellung der MWSt

trivum Multiroom System Konfigurations- Anleitung Erstellen eines RS232 Protokolls am Bespiel eines Marantz SR7005

Erfolgreiche Realisierung von grossen Softwareprojekten

Grundfunktionen und Bedienung

Anleitung BFV-Widget-Generator

! APS Advisor for Automic

MO 27. Aug. 2007, 17:00 UHR JAVA FRAMEWORKS TIPPS VON PROFI-GÄRTNERN GEGEN WILDWUCHS

teischl.com Software Design & Services e.u. office@teischl.com

Projektmanagement in der Spieleentwicklung

Fallbeispiel. Auswahl und Evaluierung eines Software- Lokalisierungstools. Tekom Herbsttagung 2004 Angelika Zerfaß

pm k.i.s.s. Einleitung 1. Kapitel pm k.i.s.s. Einleitung pm k.i.s.s. Seite 9

Fachtag Gesundheit und Pflege 2011 an der Evangelischen Hochschule Nürnberg

26. November Dipl.- Inf. Holger Röder stuhgart.de

Idimager ein Bildverwaltungsprogramm-DAM Software

Leitfaden #1a. "zanox Publisher-Statistik" (next generation)

Fachbericht zum Thema: Anforderungen an ein Datenbanksystem

Microsoft Dynamics NAV 2013 R/2 Installationsanleitung. Inhalt: Begleitmaterial des ERP Übungsbuchs:

Studieren- Erklärungen und Tipps

Mit suchmaschinenoptimierten Übersetzungen erfolgreich mit fremdsprachigen Webseiten

Pflichtenheft Version 1.0. Mäxchen/Meiern iphone App

(1) Mit dem Administrator Modul werden die Datenbank, Gruppen, Benutzer, Projekte und sonstige Aufgaben verwaltet.

Kurzbeschreibung GVB-Marktstudie. Top-Anbieter von Telematiksystemen in der Transportlogistik

Installation und Inbetriebnahme von SolidWorks

Systemen im Wandel. Autor: Dr. Gerd Frenzen Coromell GmbH Seite 1 von 5

Research Note zum Thema: Laufzeit von Support-Leistungen für Server OS

Dokumentation für die software für zahnärzte der procedia GmbH Onlinedokumentation

Vermeiden Sie es sich bei einer deutlich erfahreneren Person "dranzuhängen", Sie sind persönlich verantwortlich für Ihren Lernerfolg.

Was ist neu in Sage CRM 6.1

Wie lizenziert man die Virtualisierung von Windows Desktop Betriebssystemen?

2. ERSTELLEN VON APPS MIT DEM ADT PLUGIN VON ECLIPSE

Seite 1 von 14. Cookie-Einstellungen verschiedener Browser

IGT-Richtlinie 01: Anforderungen an Smarthome-Systeme

Erstellen einer PostScript-Datei unter Windows XP

Social Supply Chain Management

E-Commerce Recht Organisatorisches

Fachdidaktik der Informatik Jörg Depner, Kathrin Gaißer

LabView7Express Gerätesteuerung über LAN in einer Client-Serverkonfiguration. 1. Steuerung eines VI über LAN

Einbindung einer ACT!12-16 Datenbank als Datenquelle für den Bulkmailer 2012

Anleitung zum DKM-Computercheck Windows Defender aktivieren

Wichtige Information zur Verwendung von CS-TING Version 9 für Microsoft Word 2000 (und höher)

SSI WHITE PAPER Design einer mobilen App in wenigen Stunden

Updatehinweise für die Version forma 5.5.5

Einfache und effiziente Zusammenarbeit in der Cloud. EASY-PM Office Add-Ins Handbuch

Transkript:

Von der software-ergonomischen Evaluation zur Gestaltung von Benutzerschnittstellen Vortrag auf dem Workshop "Benutzergerechte und aufgabenangemessene Gestaltung der Mensch-Rechner-Schnittstelle'' Kurzfassung Dr. Harald Reiterer Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD)

1 Von der software-ergonomischen Evaluation zur Gestaltung von Benutzerschnittstellen Dr. Harald Reiterer Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD), Institut für Angewandte Informationstechnik:, Forschungsgruppe: Mensch-Maschine Kommunikation, Postfach 13 16, 5205 St. Augustin 1, Tel. (02241) 14-2729, Fax. (02241 ) 14-2618, Email reiterer@gmdzi.gmd.de 1. Wieso gewinnen Methoden und Werkzeuge zur software-ergonomischen Gestaltung und Evaluation immer mehr an Bedeutung? Ein wichtiger Grund für die zunehmende Bedeutung von software-ergonomischen Evaluationsverfahren sowie von Entwicklungswerkzeuge für Benutzerschnittstelle, ist der sich schrittweise etablierende Gemeinsame Europäische Markt (bestehend aus EG und EFf A). Um in diesen übernationalen Wirtschaftsraum einheitliche Arbeitsbedingungen für Benutzer von Bildschirmgeräten zu schaffen, wurde von der EG-Kommission eine "Richtlinie über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten" verabschiedet (EWG, 1990). Bis zum 31. Dezember 1992 haben die nationalen Regierungen der einzelnen EG Mitgliedsstaaten Zeit, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In diesen Umsetzungsprozeß spielt die internationale und europäische Normung eine wichtige Rolle. Insbesondere die ISO-Norm 9241 "Ergonomie requirements for office work with visual display terminals" ist hier von großer Bedeutung. In ihre werden eine Vielzahl von hard- und software-ergonomischen Forderungen festgeschrieben, die zukünftig von EDV-Systemen im Bürobereich zu erfüllen sind. Diese ISO-Norm soll gleichzeitig auch als europäische Norm (CEN 29241) verabschiedet werden. Parallel zu den Nonnen haben zahlreiche Hersteller Style Guides für graphische und nicht-graphische Benutzeroberflächen entwickelt, wie beispielsweise OSF/Motif Style Guide (OSF, 1990), Open Look GUI Application Style Guidelines (SUN, 1990), CUA Style Guide (IBM, 1989), Apple Human Interface Guidelines (Apple, 1987) usw. Diese Normen und Style Guides werden ihren Niederschlag in Software-Spezifikationen und Pflichtenhefte finden. Dies bedeutet für die Entwickler von Software, daß sie in der Lage sein müssen die Gestaltungsforderungen dieser Norm und Style Guides zu erfüllen sowie deren Einhaltung im Rahmen der Qualitätssicherung zu kontrollieren. Im ersten Fall benötigen sie leistungsfähige Entwicklungswerkzeuge (z.b. User Interface Management Systems), die sie im Entwurfsprozeß unterstützen und sie bei der Einhaltung der ergonomischen Anforderungen anleiten (z.b. mit Hilfe von Expertensystemen). Im zweiten Fall benötigen sie praktisch einsetzbare Evaluationsverfahren (z.b. Prüflisten, Evaluationssoftware). Für die Käufer von Software bedeuten die Normen und Style Guides, daß sie in der Lage sein müssen deren Einhaltung zu überprüfen. Dazu benötigen auch sie einfach einzusetzende Evaluationsverfahren als Prüfinstrumente. Dieser Sachverhalt erklärt das stark steigende Interesse an praktisch einsetzbaren Entwicklungswer~.zeugen für die ergonomische Gestaltung von Benutzerschnittstellen und an Evaluationsverfahren zur Oberprüfung deren ergonomischer Qualität. 2 Welche Faktoren sind bei einer software-ergonomischen Gestaltung und Evaluation zu berücksichtigen? Generell geht man heute im Bereich der Software-Ergonomie davon aus, daß bei der Gestaltung und Bewertung von EDV-Systemen die Faktoren: Benutzer, Aufgaben, Computer CHa:d- und Software) und Organisation zu berücksichtigen sind. Diese Einsicht setzt sich auch im Bereich des Soft~are Engineerings immer mehr durch. Vergehensweisen der Softwareentwicklung und. -Bewertun~ d.te all diese Faktoren berücksichtigen werden vielfach als ganzheitlich bezeichnet. Aus dteser ganzhettltchen Betrachtungsweise folgt auch eine spezifische Richtung bei der Gestaltung un~ Bewertung.. Zuerst ist der organisatorische Bereich zu gestalten bzw. zu bewerten. Dazu ltefe.rt- ~~m ergonomischen Standpunkt- die ISO 9241 Teil 2 eine Reihe von Anregungen, indem sie wunschenswertc Charakteristika von Aufgaben beschreibt. Dem ist im Entwicklungs- und Bewertungsprozeß durch

2 den Einsatz von entsprechenden Aufgabenanalyseinstrumenten Rechnung zu tragen, die eine Umsetzung dieser Charakteristika unterstützen bzw. kontrollieren. In einem nächsten Schritt ist die eigentliche Software zu gestalten bzw. zu bewerten. Vorn ergonomischen Standpunkt kommt dabei der Benutzerschnittstelle eine hervorgehobene Rolle zu, da sie das "Fenster" des Benutzers zur eigentlichen Anwendung darstellt. In der ISO 9241 Teil 10 finden sich eine Reihe von Designprinzipien, deren Umsetzung eine benutzerfreundliche Mensch-Rechner Interaktion ermöglichen soll. Darüber hinaus finden sich in den Tdlen 12 bis 17 der ISO 9241 eine Vielzahl von Forderungen, die sich auf die Präsentation der Information, die Unterstützung der Benutzerführung und die gängigen Dialogtechniken beziehen. Für den Entwicklungsprozeß bedeutet deren Umsetzung den Einsatz von leistungsfähigen Entwicklungswerkzeugen. Für den Evaluationsprozeß muß ein geeignetes Prüfinstrument zur Verfügung stehen. Den letzte Schritt sollte die Auswahl geeigneter hardwaretechnischer Systeme darstellen. Damit sollte vermieden werden, daß hardwaretechnische Gegebenheiten zum Vorwand ftir einen technikzentrierten Entwicklungsprozeß herangezogen werden. Die Teile 3 bis 9 der ISO 9241 enthalten eine Reihe von hardware-ergonomischen Forderungen, die im Auswahl- und Evaluationsprozeß zu berücksichtigen sind. 3. Welche Entwicklungswerkzeuge und Evaluationsverfahren sind heute verfügbar? Entwicklungswerkzeuge und Evaluationsverfahren ftir Benutzerschnittstellen stehen in einem gewissen komplementären Verhältnis zueinander. Gute Entwicklungswerkzeuge sollten einerseits eine möglichst rasche und einfache Umsetzung von im Zuge eines Evaluationsprozesses festgestellten ergonomischen Mängel ermöglichen und sie sollten andererseits den Evaluationsvorgang in seiner Bedeutung reduzieren, da sie schon ein weitgehend ergonomisches Design ermöglichen. Sinnvollerweise sind der Einsatz von Entwicklungswerkzeugen und Evaluationsverfahren in eine evolutionäre Vergehensweise einzubeten, die einen Zyklus: Design, Evaluation und Redesign zuläßt (Koch, Reitererund Tjoa, 1991). Nur so kann gewährleistet werden, daß aufgedeckte Fehler und Probleme im Entwicklungsprozeß auch ihre Berücksichtigung finden können. 3.1 Entwicklungswerkzeuge für Benutzerschnittstellen Technische Weiterentwicklungen im Bereich der Hard- und Software, in Kombination mit dem rapiden Preisverfall der Hardware, haben ~r starken Verbreitung von Bildschirmgeräten mit graphischen und direkt-manipulativen Benutzeroberflächen geführt. Dies bedeutet für die Entwickler einen steigenden Entwicklungsaufwand ftir die Benutzerschnittstelle, etwa im Vergleich mit alphanumerischen Benutzerschnittstellen. Laut einer neuen Untersuchung von (Myers und Rossen, 1992) beträgt der durchschnittliche Anteil des Codes für die Benutzerschnittstelle arn Gesamtcode ca. 48 %. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer geeigneten werkzeugmäßigen Unterstützung der Entwickler für diesen Bereich der Softwareentwicklung. Mittlerweile kann man auch im Bereich der graphischen Benutzerschnittstellen auf mehrere Generation von Entwicklungswerkzeugen zurückblicken. Ausgehend von User Interface Tool Kits und Window Mangement Systems wurden Interface Builder und User Interface Management System (UIMS) entwickelt Diese Entwicklung spiegelt auch eine Zunahme an Funk:tionalität innerhalb der Werkzeuge wieder, d.h. sie bieten dem Entwickler nicht nur eine Sammlung von Libary Functions für die Schnittstellengestaltung, sondern übernehmen auch das Window Management und ermöglichen eine graphische interaktive Gestaltung der Präsentationskomponente sowie, mittels einer eigenen Script Sprache, die des Dialogablaufes. Zusätzlich bieten neuere Werkzeuge auch einen Simulationsmodus an, der eine schnelle Evaluation der Designergebnisse ermöglicht und somit ein rapid prototyping auf Ebene der Benutzerschnittstelle unterstützen. Wichtig ist die mit fortschreiten der Werkzeuge einhergehende stärke Trennung des Benutzerschnittstellencodes vom eigentlichen Applikationscode. Dies ennöglicht nicht nur eine besser A.rbeitsteilung im Softwareentwicklungsprozeß- etwa dahingehend daß ein Entwickler mit umfassenden graphischen und ergonomischen Kenntnissen die Benutzerschnittstelle entwirft, die eigentliche Applikation der Applikationsprogrammierer mit umfassenden Progr~mierkennmissen - sondern erlaubt auch eine bessere Wartung der Software insgesamt. Anderungen die sich auf die Benutzerschnittstelle beziehen, Jassen sich leichter lokalisieren und bewirken keinen Eingriff in den App Jikationscode

3 3.2 Evaluationsmethoden für Benutzerschnittstellen Heute gibt es eine Vielzahl von Evaluationsmethoden, die sich in ihrer praktischen Einsetzbarkeit sehr stark voneinander unterscheiden. Anhand der folgenden Klassifizierung sollen einige typische Methoden und deren praktische Einsetzbarkeil aufgezeigt werden. Subjektive Evaluationsmethoden Subjektive Evaluationsmethoden sind in der Regel schnell und einfach durchzuführen. Allerdings unterliegen sie stark den subjektiven Einflüssen der Benutzer. Praktisch einsetzbare Beispiele für schriftliche subjektive Evaluationsmethoden sind der.. Questionnaire for User Interaction Sarisfaction (QUIS 5.0)" von (Norrnan und Shneiderrnan, 1989) oder die,.evaluation Checklist" von (Ravden und Johnson, 1989). Objektive Evaluationsmethoden Objektive Evaluationsmethoden sind in der Regel aufwendig druchzuführen und sind daher vielfach auf den Einsatz in Untersuchungslabors beschränkt. Ein Beispiel für einen umfassenden objektiven Evaluationsansatz ist der im MUSiC Projekt verfolgte (MUSiC, 1992). Leitfadenorientiene Evaluationsmethoden.. Praktische Beispiele für leitfadenorientierte Evaluationsmethoden sind das Prüfverfahren des TUV Bayerns (Lang und Peters, 1988) oder die umfangreiche Sammlung von Fragebögen zur Bewertung des Einsatzes neuer Technologien im Unternehmen in (Clegg u.a., 1988). Viele leitfadenorientierte Evaluationsverfahren überlassen es dem Evaluator, wie er mit dem zu prüfenden System umgeht, um Antworten auf die Prüffragen zu bekommen. Einige Verfahren bieten neben den eigentlichen Prüffragen auch eine Durchführungsvorschrift. Hierzu gehört z.b. das im Kapitel 4 näher beschriebene EVADIS li-verfahren. Experimentelle Evaluationsmethoden Bei den experimentellen Verfahren spielt der "Benchmark-Test" eine prominente Rolle. Bei Benchmark-Tests werden Systeme anhand von standardisierten Aufgaben im Vergleich untersucht. Der vergleichende Charakter der Benchmark-Tests gilt nicht unbedingt für andere Experimente, in denen z.b. Theorien getestet werden. Prominente Beispiele sind Untersuchungen, die das GOMS Modell (Card, Moran und Newell, 1983) testen. Experimentelle Evaluationsmethoden bleiben primär auf den Forschungsbereich beschränkt da sie in der Regel nur in Untersuchungslabors durchgeführt werden können. 4. Ein Beispiel für ein praktisch einsetzbares Evaluationsverfahren: EVADIS II Die GMD hat in Kooperation mit der Universität Wien einen Evaluationsleitfaden zur Beschreibung und Bewertung software-ergonomischer Eigenschaften von Benutzerschnittstellen entwickelt. EVADIS II versteht sich als Instrumentarium zur Analyse und Bewertung von Mensch-Computer Schnittstellen unter Berücksichtigung deren Einbettung in den organisatorischen Bereich und der vorhandenen hardware-technischen Restriktionen. Das Verfahren besteht aus einem Handbuch (Oppermann, Murchner, Reiterer, Koch, 1992), das die einzelnen Verfahrensschritte im Detail beschreibt und aus einer Evaluationssoftware (GMD-Transferpaket), die den Evaluator bei der Durchführung unterstützt. Nicht berücksichtigt wird die Ergonomie der Hardware und des Arbeitsplatzes, da es hierzu eine Reihe von gut entwickelten Leitfaden und Checklisten gibt (beispielsweise Köchling, 1990). EVADIS II gehört zu den leitfadenorientiertes Evaluationsverfahren und besteht aus 5 Evaluationsschritten, die in einer vorgegebenen Reihenfolge durchzuführen sind (Durchführungsvorschrift). Dabei bedient sich der Evaluator einer Reihe von Verfahrenskomponenten, die ihm bei der Qurchführung des jeweiligen Evaluationsschrittes anleiten. Die folgende Abbildung gibt einen Oberblick bzgl. aller Evaluationsschritte und der dabei zu verwendenden Verfahrenskomponenten. Die ersten drei Verfahrensschritte können weitgehend parallel durchgeführt werden. Sie liefern als Resultate einerseits eine Prüfaufgabe mit Prüffragen, die eine Art "Drehbuch" darstellt und andererseits eine Gewichtung der ergonomischen Kriterien. Diese Gewichtung spiegelt die Bedeutung der

4 einzelnen Kriterien für die Benutzergruppe der zu evaluierenden Benutzerschnittstelle wieder. Sie wird bei der Bewertung und der Piiifberichterstellung beiiicksichtigt. Der Verfahrensschritt 4 ist der zentrale Schritt der Durchführungsvorschrift In ihm werden alle Prüffragen im Zuge der Durchführung der Prüfaufgabe beantwortet. Als Ergebnis erhält man ein Prüfprotokoll. das gleichzeitig die Basis ftir die Erstellung des Piiifberichtes im Schritt 5 darstellt. C Software Aufgaben G::) Fragebogen zur Leitfaden zur Erfassung von,.. Erstellung der Benutzereigen 1, Prüfaufgaben schaften../ I 2 3 Exploration und Evaluation der r.. Aufgaben Liste typischer ~ Funktionalität Installation und Auswahl von Bürosoftware Exploration der Exhloration der ( I geeigneter Ben utzerei gen Prüffragen So tware Prüffragen schaften sammlung Erstellung der Prüfaufgabe(n) A Beispiel- Prüfaufgaben I Anpassung der Prüfaufgabe(n) ' ~~/ Prüfaufgabe(n) /_ 4 t... Evaluation der Software anhand der Prüfaufgabe(n) -.. ;: ro '~/ ergonomaschen Kriterien Leitfaden zur Erstellung des Prüfberichtes I Prüfprotokoll 5 I Prüfbericht '... J ' I Interpretation d er Ergebnisse - ' I c::> Faktoren D Evaluationsschritte 0 Ergebnisse C) Verfahrenskomponenten Typische Anwender des EVADIS II- Verfahrens Anwender des Evaluationsverfahrens EVADIS II können Piiifstellen verschiedener Art sein (TÜV. RAL etc.). aber auch Software-Häuser. Unternehmensberater oder DV-Abteilungen von größeren Anwendern. Als eine weitere wichtige Anwendergruppe des bisherigen EVADIS-Verfahrens haben

5 sich facheinschlägige Ausbildungsstätten (Universitäten, Fachhochschulen, Schulen) herausgestellt. Diese setzen den Evaluationsleitfaden als Instrument der Lehre ein, um die Studenten mit den grundlegenden Konzepten der software-ergonomischen Evaluation vertraut zu machen. 5. Eine Projektidee zur Integration von ergonomischen Gestaltungswissen in ein Benutzerschni ttstellen-entwicklungswerkzeug: ERGO-UIMS Qie folgenden Ausführungen beschreiben eine Projektidee der GMD und spiegeln daher nur erste Uberlegungen wieder. Das geplante Projekt befmdet sich noch in einer Vorlaufphase, die primär der Ideenfmdung und Machbarkeitsüberlegungen dient. 5.1 Ziele des Projektes Ziel ist die Einbindung von software-ergonomischem Gestaltungswissen in den Entwicklungsprozeß von Benutzerschnittstellen mittels dessen Integration in ein fortschrittliches Entwicklungswerkzeug (z.b. UIMS). Dies soll dazu beitragen, daß ein Entwickler ohne software-ergonomische Vorkenntnisse diese während des Entwicklungsprozesses gleichzeitig mit der Handhabung des Entwicklungswerkzeuges vermittelt bekommt (Wissensvermittlung), der Entwickler damit die Möglichkeit erhält, im Zuge des Entwicklungsprozeß ergonomisches Wissens zu erwerben (Wissenserwerb), und daß der Entwickler durch sein Werkzeug auch die Möglichkeit geboten bekommt, die ergonomische Qualität der von ihm entworfenen Benutzerschnittstellen, schon im Entwicklungsprozeß, kritisch zu beurteilen (Qualitätskontrolle). 5.2. Angestrebte Ergebnisse des Projektes Designanforderungen an die Benutzerschnittstelle (Daten, Funktionen, usw.) Bibliothek von Modellvorlagen Entwicklungstool für die Benutzerschnittstelle (z.b. UIMS) Expertensystem Kritikkomponente Benutzerschili n.s teile

6 Erstes Projektergebnis soll ein Bibliothek von Modellvorlagen sein, die direkt im UIMS zur Verfügung gestellt werden. Diese Modellvorlagen sollen den Gestaltungsforderungen der Nonnen und Style Guides entsprechen und somit dem Entwickler als Baukasten für die Erstellung komplexer graphischer Benutzerschnittstellen dienen. Diese Modellvorlagen sollten nicht nur einfache und komplexere Dialogobjekte (z.b. Pushbutton, List Box, Tabellen, Dialogfenster) enthalten sondern auch typische Dialogabläufe in Form von Scripts (z.b. typische Metadialoge der Interaktion, wie Hilfedialoge, Fehlerdialoge, Auswahl- und Speicherungsdialoge). Das zweite Projektergebnis soll die Kombination eines exemplarischen UIMS mit einem Expertensystem sein, das dem Entwickler ergonomische Beratungs- und Kritikleistungen während des Entwurfsprozesses der Benutzerschnittstelle zur Verfügung stellt. Damit soll dem Software Entwickler fehlendes ergonomisches Experten wissen, zusätzlich zu dem mittels Modellvorlagen in das Entwicklungswerkzeug integrierte, zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig soll ihm die Möglichkeit eröffnet werden, sich ergonomisches Wissen im Zuge des Desginprozesses anzueignen, das ihm einen W issenstransfer auf zukünftige Aufgabenstellungen und Entwicklungsprojekte ermöglicht 5.3 Stand der Forschung Ein Untersuchung des aktuellen Forschungsstandes zeigte, daß die hier verfolgten Projektziele bereits Gegenstand intensiver Forschungsaktivitäten waren und sind. Dabei wurde aber auch deutlich, daß deren Umsetzung eine Reihe offener Forschungsfragen aufwarf und daher noch ein entsprechender Forschungsbedarf besteht. Dies gilt vor allem für die Realisierung der geplanten Kritik- und Beratungskomponente, die Art der Wissenspräsentation sowie für die Art und den Umfang der zu vermittelnden Wissensinhalte. Grundsätzlich ist festzustellen, daß Forschungsbemühungen im gegenständlichen Bereich noch in einem relativ frühen Stadium sind. da leistungsfähige UIMS erst kurz auf dem Markt verfügbar sind. 6. Zusammenfassung Gestaltungs- und Evaluationsaktivitäten bei der Entwicklung von Benutzerschnittstellen sind sehr eng miteinander verknüpft. Beide werden von den gleichen Faktoren - dem Benutzer, den Aufgaben, dem Computer und der Organisation - beeinflußt und müssen auf die daraus resultierenden Anforderungen Rücksicht nehmen. Gleichzeitig stehen sie aber auch in einem komplementären Verhältnis, da die Möglichkeiten eines guten Design die Bedeutung der Evaluation tendenziell reduzieren. Erstrebenswert ist die unmittelbare und direkte Integration beider Aktivitäten in ein Werkzeug, z.b. in ein UIMS, sodaß der Entwickler unmittelbares Feedback über seine Designergebnisse erhält. Erreichbar ist dieses Ziel beispielsweise für Fragestellungen der benutzergerechten Gestaltung der Mensch-Rechner Interaktion durch Integration von ergonomischen Gestaltungswissen in das Entwick.lungswerkzeug. Das Werkzeug soll den Entwickler sowohl beim eigentlichen Gestaltungsprozeß durch Hinweise und Beispiele eines ergonomisch guten Designs unterstützen als auch mittels einer Kritikkomponente Verstösse gegen ergonomische Forderungen unmittelbar aufzeigen. Literaturver zeich nis APPLE (1987): Human Computer Interface Guidelines: The Apple Desktop Interface, Addison Wesley. CARD, S., MORAN T. und NEWELL A. (1983): The Psychology of Human-Computer lnteraction, Lawrence Erlbaum Associates Publishers, Hillsdale/London. CLEGG, C.W., W ARR, P.. GREEN. T., MONK, A., KEMP, N., ALLISON, G. und LANSDALE, M. (1988): People and Computers - How ro Evaluate Your Companys New Technology, Ellis Horwood, Chichester. DIN 66234 Teil 8: Bildschirmarbeitspltttze. Grundsatze der Dialoggestaltung, Februar 1988. EWG (1990), Richtlinie des Rates vom 29. Mai 1990 über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesuruiheilsschurzes bei der Arbeit an Bildschirmgeraten (Fünfte Einzelrichtlinie im Sinne von Artickel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG). IDM (1989): Systems Application Architecture, Common User Access, BasicInterface Design Guide. IBM (1989a): Systems Application Architecture, Common User Access. Advanced Interjace Design Guide.

ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 1, General Introduction, International Standard, November 1991. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 2, Guidance on Task Requirements, International Standard, November 1989. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 3, Visual Display Requirements, International Standard, 1990. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 4, Keyboard Requirements, Draft International Standard, 1992. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 5, Workplace Requirements, Committee Draft, 1991. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 6, Environmental Requirements, Comminee Draft, 1990 ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 7, Display Requirements with Rejlections, Committee Draft, 1991. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 8, Requirements for Displayed Colours, Committee Draft, 1990. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 9, Non-Keyboard Input Devices, Warking Draft, 1990. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 10, Dialogue Principles, Comminee Draft, September 1991. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 11, Usability (Principles), Comminee Draft, January 1992. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 12, Principles for Presentation of Information, Warking Draft, 1992. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 13, User Guidance, Warking Draft, August 1991. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 14, Menu Dialogues, Draft International Standard, 1991. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 15, Command Dialogues, Warking Draft, July 1991. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 16, Direct Manipulation Dialogues, Warking Paper, February 1991. ISO 9241 Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals. Part 17, Form filling dialogues (still in development). KOCH, M., REITERER, H. und TJOA, A. (1991), Software-Ergonomie, Gestaltung von EDV-Systemen - Kriterien, Methoden und Werkzeuge Springer-Verlag, Wien. KÖCHLING, A. (1990) Gestaltungswerkzeug Checkliste Bildschirmergonomie. Forkel-Verlag, Wiesbaden. LANG, J. und PETERS, H. (1988), Erhebung ergonomischer Anforderungen an Software, die aberprajbar und arbeitswissenschaftlich abgesichen sind, Institut für Software-Ergonomie, TÜV Bayern. MITRE (1991), Dynamic Rulesfor User Interface Design (DRUID. Version 2.0). MITRE Corporation, Bedford. MUSiC (1992), Metries for Usability Standards in Computing (ESPRIT II Project 5429), Productinfonnation. National Physical Laboratory, UK. NORMAN, K. und SHNEIDERMAN, B. (1989), Questionnaire for User Interaction Sarisf action (QUIS 5.0), University of Maryland: HCI-Lab, College Park. OPPERMANN, R., MURCHNER, B., REITERER. H. und KOCH, M. 1992, Software-ergonomische Evaluation, Der Leitfaden EVADIS //. Walter de Gruyter-Verlag, Berlin. OSF/MOTIF (1990): Open Software Foundation: OSFIMOTIF Style Guide Revision 1.0, Prentice-Hall, London. RA VDEN, S. und JOHNSON, G. (1989), Evaluating usability of human-computer interfaces, a practical method, Ellis Horwood, John Wiley, New York. SIEMENS/NIXDORF (1990): Styleguide Richtlinien zur Gestaltung von Benutzeroberjlttchen, München. SUN MICROSYSTEMS (1989): Open Look Style Guide. 7