Kindesabnahme rechtliche Grundlagen und gerichtliches Verfahren Kinderschutzfachtagung 2013 Mag. Martina Löbel Gefährdung des Kindeswohls 1 Entziehung der Obsorge ist geboten, wenn der das Kind betreuende Elternteil seine Erziehungspflichten vernachlässigt, seine Erziehungsgewalt missbraucht oder den Erziehungsaufgaben nicht gewachsen ist Verschulden ist nicht erforderlich! 1
Gefährdung des Kindeswohls 2 Beispiele Verletzung des Gewaltverbots Mangelnde Erziehungsfähigkeit Alkoholmissbrauch Grundsatz der Familienautonomie die Obsorge soll den Familienmitgliedern solange gewahrt bleiben, als sich dies mit dem Kindeswohl verträgt Gefährdung des Kindeswohls 3 Herausnahme des Kindes aus der bisherigen Umgebung ist nur im äußersten Notfall als letzte Maßnahme zulässig (Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens) Die Änderung der Obsorge muss eine erhebliche Verbesserung für die Situation des Kindes bringen! Die Übertragung an den Kinder- und Jugendhilfeträger ist immer subsidiär vor Entziehung sind alle möglichen Alternativen zu prüfen! 2
Möglichkeiten des Kinder-und Jugendhilfeträgers bei Kindeswohlgefährdung: Sofortige Kindesabnahme als Gefahr-im Verzug-Maßnahme Antragstellung bei Gericht binnen8 Tagen Antragstellung bei Gericht auf Übertragung der Obsorge ( 211 Abs 1 Satz 2 ABGB, Obsorgebetrauungim Rahmen der Maßnahme) 211 Abs 1 Satz 1 ABGB Antrag des Kinder- und Jugendhilfeträgers Inhaltserfordernisse 1 Der Antrag des KJHT gem 211 ABGB sollte folgenden Inhalt aufweisen: Chronologie Bisheriger Verlauf, allenfalls Situation der Geschwister bisher vom KJHT angebotene Unterstützungsleistungen (FIB, Hort, Therapien..) Unterlagen zb Krankengeschichten (NPKJ, ELKI ) Betreuungsberichte (Kinderdorf, WG ) Polizeiprotokolle (Wegweisung, Gewalt ) 3
Antrag des Kinder- und Jugendhilfeträgers Inhaltserfordernisse 2 Prüfung von Alternativen Mögliche andere Obsorgeberechtigte (zb anderer Elternteil, Stiefeltern, Großeltern, volljährige Geschwister ) im Hinblick auf die Subsidiarität des KJHT! konkreter Antrag / konkrete Anträge Gesetzte Maßnahme zur Kenntnis nehmen Obsorgeübertragung an KJHT zur Gänze / in Teilbereichen (Pflege und Erziehung - gesetzliche Vertretung - Vermögensverwaltung) vorläufig / endgültig Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers Hinweis Zur Akteneinsicht bei Gericht sind berechtigt: Eltern Großeltern, Pflegeeltern, wenn sie obsorgeberechtigt sind oder einen Obsorgeantrag stellen Kind ab dem 14. Lebensjahr Berechtigung der Parteien, in allevom KJHT dem Gericht übermittelten Unterlagen Einsicht zu nehmen! 4
Gerichtliches Verfahren Überblick Zustellung des Antrages, Verhandlung, Rechtliches Gehör Befragung des Kindes Sonstige Verfahrensbeteiligte Befugnisse des Gerichts Entscheidung Rechtsmittel Allf. Rückführung -Exkurs - Rechtliches Gehör Zustellung des Obsorgeantrages an die Parteien Eltern (-teil) Großeltern, Pflegeeltern Mündliche Verhandlung, Vernehmung Parteien allenfalls Kind allenfalls Vertreter des KJHT 5
Befragung des Kindes Die Befragung erfolgt durch Richter/in (jedenfalls ab 14) Familiengerichtshilfe Sachverständige nicht durch den KJHT, da dieser Antragsteller ist!! Sonstige mögliche Teilnehmer am Verfahren Sachverständige (Befragung des Kindes, Erstattung von Befund und Gutachten) Familiengerichtshilfe (Clearing, spezifische Erhebungen, fachliche Stellungnahme) Kinderbeistand ( Sprachrohr des Kindes gegenüber dem Gericht) 6
Anordnung von Maßnahmen Zur Sicherung des Kindeswohls kann das Gericht bestimmte Maßnahmen anordnen, zb. Erstgespräch über Mediation Anti-Gewalt - Training Erziehungsberatung Verbot der Ausreise mit dem Kind Abnahme des Reisepasses des Kindes Gerichtliche Entscheidung Abweisung des Antrages des KJHT Stattgebung Obsorgeübertragung an KJHT zur Gänze oder in Teilbereichen Vorläufige Maßnahme ( umfangreiches Verfahren folgt) Endgültig (allenfalls 44 AußStrG) 7
Rechtsmittel Legitimiert zur Erhebung eines Rechtsmittels sind die Parteien des Verfahrens (KJHT, Eltern, GE, PE) Rekurs Frist 14 Tage Rekursbeantwortung Entscheidung Landesgericht Revisionsrekurs Frist 14 Tage Revisionsrekursbeantwortung Entscheidung OGH Durchsetzung der Entscheidung Geldstrafe Kindesabnahme, hierbei Unterstützung des Gerichtes durch Gerichtsvollzieher (Polizei) FamGH KJHT 8
Rückführung des Kindes? Voraussetzung: Wegfall der Gefährdung Abwägung Kindeswohl Kontinuität der Betreuung allfälliger Pflegeplatzwechsel Exkurs Gerichtliche Überprüfung der vom KJHT gesetzten Maßnahmen 107a AußStrG 9
107a AußStrG Ausgangslage: Abnahme des Kindes durch KJHT als Gefahr-im-Verzug Maßnahme Zweck: rasche gerichtliche Überprüfbarkeit der Maßnahme im Hinblick auf den Eingriff des KJHT in die Familienautonomie Möglichkeit der bisherigen Obsorgeberechtigten, einen Antrag bei Gericht zu stellen 107a AußStrG Das Gericht hat auszusprechen, ob die vom KJHT gesetzt Maßnahme unzulässig oder vorläufig zulässig ist Berechtigung zur Antragstellung: Jene Person, in deren Obsorge eingegriffen wurde (Eltern/teil, allf. Großeltern, Pflegeeltern) Kind (jedenfalls ab 14. Lj, darunter ist die Frage der Vertretung zu klären) Nicht der KJHT, da dieser die Maßnahme gesetzt hat 10
107a AußStrG Antragsfrist: vier Wochen nach Beginn der Maßnahme (Belehrung durch JWT) Entscheidung des Gerichts hat unverzüglich, tunlichst binnen vier Wochen zu erfolgen (rechtliches Gehör für alle Parteien, allenfalls mündliche Verhandlung) Erkenntnisstand zum Entscheidungszeitpunkt, nur parate Bescheinigungsmittel, kein Gutachten! 107a AußStrG Entscheidung des Gerichts: Vorläufige Zulässigerklärung Verfahren wird bis zur endgültigen Entscheidung weitergeführt Unzulässigerklärung: Maßnahme ist aufzuheben Rechtsmittel: vorläufige Zulässigerklärung: kein Rechtsmittel möglich Unzulässigerklärung Rekursfrist drei Tage Gericht kann dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuerkennen Maßnahme bleibt aufrecht ansonsten Maßnahme ist sofort aufzuheben 11