Wie schnell bewegst du dich, wenn du still sitzt?

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Transkript:

Wie schnell bewegst du dich, wenn du still sitzt? Von Andrew Fraknoi (Foothill College & the Astronomical Society of the Pacific) Ins Deutsche übertragen von Thomas Lebzelter (Universität Wien) mit freundlicher Genehmigung der Astronomical Society of the Pacific. Wenn du den ganzen Tag herumgelaufen bist, freust du dich wohl schon, es dir in deinem Lieblingssessel ganz gemütlich zu machen und still zu sitzen. Aber hast du jemals überlegt, wie schnell du dich eigentlich bewegst, während du still dasitzt und glaubst, dich gar nicht zu bewegen? Tägliche Bewegung Wenn wir in einem sanft dahinrollenden Zug sitzen, können wir manchmal den Eindruck haben, der Zug stehe still und der Bahnsteig, die Häuser und Bäume bewegten sich an uns vorbei. Auf die selbe Weise, weil wir mit der sich drehenden Erde mitfahren, scheint es uns, als würden die Sonne und die Sterne im Lauf des Tages und der Nacht an uns vorbeiziehen. In Wirklichkeit aber ist es unser Planet, der sich einmal in knapp 24 Stunden um seine Achse dreht und alle Lebewesen auf der Erde drehen sich mit. Aber wie schnell bewegen wir uns da eigentlich? Ein Punkt am Äquator muss sich, damit er in 24 Stunden eine ganze Runde schafft, mit fast 1600 km/h bewegen. Weiter weg vom Äquator ist die Geschwindigkeit etwas geringer, aber in Mitteleuropa ist es noch immer ganz schön viel. Da Die Erde gesehen von der Mannschaft von Apollo 17 auf dem Weg zum Mond Bildquelle: NASA uns die Gravitation fest auf der Erde hält, bewegen wir uns mit der Erde mit ohne es im Alltag zu merken. Die großen Strömungen in den Ozeanen und in der Erdatmosphäre geben ein dramatisches Zeugnis von der Drehung der Erde. Da sich die Erde am Äquator mit einer größeren Geschwindigkeit als an den Polen bewegt, kommt es zu großen, kreisenden Wasser- und Luftströmen auf der Nord- und Südhalbkugel. Ein bekanntes Beispiel dieser großen Wasserzirkulation ist der Golfstrom im Nordatlantik, der warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko nach Großbritannien transportiert und den Engländern ein wärmeres und feuchteres Wetter beschert, als es sonst dort gäbe. Der ganze Kreislauf, dem der Golfstrom angehört, umfasst eine größere Wassermenge als in allen Flüssen der Erde zusammen vorhanden ist. Die Energie, die diese Strömung speist, ist die Drehung der Erde. Jährliche Bewegung Neben der Drehung um die eigene Achse zieht unsere Erde auch ihre Bahn um die Sonne. Wir befinden uns etwa 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Bei dieser Entfernung brauchen wir ein Jahr, also 365 Tage, für einen Umlauf um die Sonne. Die gesamte Bahnlänge beträgt Die Sonne aufgenommen vom SOHO Satelliten im ultravioletten Licht. Bildquelle: SOHO

ungefähr 970 Millionen Kilometer. Um diese Strecke in einem Jahr zu bewältigen, muss sich die Erde mit fast 107 000 km/h bewegen! Bei dieser Geschwindigkeit würde man von San Francisco nach Washington DC nur 3 Minuten benötigen. Die Bewegung der Sonne Unsere Sonne ist nur ein Stern unter etwa 200 Milliarden anderen, die zusammen die Milchstraße bilden. Die Milchstraße, unsere Sterneninsel in den Weiten des Universums, und jeder Stern in ihr, bewegt sich auf seiner eigenen Bahn darin. Jeder Planet, der um einen Stern kreist, bewegt sich mit diesem seinem Stern durch die Milchstraße. Dabei können wir zwei Bewegungen unterscheiden: zum einen wandern Sterne regellos in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft herum, zum anderen bewegen sie sich auf einer großen Bahn rund um das Zentrum unserer Galaxis. Wenn wir die Bewegung unserer Sonne relativ zu den anderen Sternen beschreiben wollen, haben wir ein Problem. Normalerweise benötigen wir etwas, das sich in Ruhe Die Sonne bewegt sich mit Milliarden anderen Sternen in der Milchstraße, die wohl so aussieht wie die Andromeda Galaxie hier im Bild. Bildquelle: NASA Marshall Space Flight Center (NASA-MSFC) befindet, um im Vergleich dazu die Bewegung zu messen. Ein Auto bewegt sich zum Beispiel mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h relativ zu einem Haus oder einem Verkehrsschild. Aber wenn sich alle Sterne in der Galaxis bewegen, wo können wir dann unseren Anhaltspunkt, unser Verkehrsschild finden? Astronomen haben dafür einen Lokalen Ruhestandard in unserem Bereich der Milchstraße definiert, indem sie die mittlere Geschwindigkeit aller Sterne in der Sonnenumgebung bildeten (Beachte, dass Begriffe wie lokal und Umgebung etwas andere Ausmaße hier annehmen, als wir es im Alltag gewohnt sind. Selbst der nächste Stern ist 40000 Milliarden Kilometer entfernt! Im Vergleich zu der ungeheuren Ausdehnung der Milchstraße befinden sich die Sterne, die wir für die mittlere Geschwindigkeit verwenden, tatsächlich in der unmittelbaren Nachbarschaft.). Relativ zu diesem Lokalen Ruhestandard bewegt sich unsere Sonne gemeinsam mit der Erde mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 000 km/h, ungefähr in die Richtung des Sterns Vega im Sternbild der Leier. Das ist durchaus keine ungewöhnliche Geschwindigkeit für einen Stern in der Sonnenumgebung. Umkreisung unserer Milchstraße Zusätzlich zu dieser Bewegung dreht sich die ganze Galaxis wie ein riesiges Wagenrad. Die Geschwindigkeit der einzelnen Sterne hängt von der Entfernung zum Zentrum der Galaxis ab. Hier wollen wir uns nur auf die Bewegung in der Entfernung unserer Sonne konzentrieren. Für einen Umlauf um das Zentrum unserer Milchstraße benötigt die Sonne ungefähr 225 Millionen Jahre. Diese Zeitspanne nennt man auch Galaktisches Jahr. Seit die Sonne und die Erde entstanden, sind etwa 20 Galaktische Jahre vergangen; wir haben also die Galaxis 20mal umrundet. Andererseits, während der gesamten Zeitspanne, seit der es menschliche Aufzeichnungen gibt, haben wir uns auf dieser Bahn kaum bewegt. Wie schnell sind wir nun auf unserer Reise um die Galaxis unterwegs? Es ist eine gigantische Bahn, und daher muss sich die Sonne mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit von 792 000 km/h bewegen! Die Erde, an der Sonne durch die Gravitation fest verankert, reist mit der

gleichen Geschwindigkeit. (Nebenbei: diese Geschwindigkeit ist noch immer klein im Vergleich zu der Geschwindigkeit, mit der das Licht unterwegs ist 1.09 Milliarden km/h!) Künstlerische Darstellung der Milchstrasse Bildquelle: NASA / CXC / M. Weiss Bewegung durch das Universum In unserer Diskussion der Geschwindigkeiten mussten wir uns immer fragen: Im Vergleich wozu messen wir die Geschwindigkeit. In deinem bequemen Sessel ist deine Geschwindigkeit verglichen mit den umgebenden Zimmerwänden gleich Null. Im Vergleich zum Mond oder der Sonne ist deine Geschwindigkeit sehr groß. Und die Geschwindigkeit für den Umlauf um unsere Milchstraße haben wir relativ zum Zentrum unserer Milchstraße gemessen. Nun möchten wir unsere Überlegungen mit einem Blick auf die Bewegung der gesamten Milchstraße durch das Universum beschließen. Aber zu welchem Punkt können wir nun die Geschwindigkeit messen? Lange Zeit waren sich die Astronomen nicht sicher, was der richtige Referenzpunkt dafür sein kann. Eine Messung im Vergleich zu unseren Nachbargalaxien bringt nichts, da auch diese sich bewegen, jede in eine eigene Richtung und mit einer eigenen Geschwindigkeit. Aber dann, 1968, eröffnete sich plötzlich eine neue Sichtweise auf die Bewegung unserer Milchstraße. Das Hubble Deep Field zeigt einige der am weitesten entfernten Galaxien unseres Universums. Bildquelle: Robert Williams and the Hubble Deep Field Team (STScI) and NASA Der Blitz des Urknalls Um diese neue Entwicklung nachvollziehen zu können, müssen wir ein wenig über den Urknall sprechen, jener gigantischen Explosion, die den Anfang des Raumes, der Zeit und des ganzen Universums darstellte. Unmittelbar nach dem Urknall war das Universum voller Energie und sehr, sehr heiß. In den ersten paar Minuten war das ganze Universum heißer als das Zentrum unserer Sonne. Es war ein unvorstellbarer Mahlstrom von Energie und

subatomaren Teilchen, der langsam abkühlte und so zu dem Universum wurde, welches wir heute kennen. Damals, in dieser Frühzeit des Universums, trat die Energie vor allem in Gammastrahlung auf, Energiewellen ähnlich zu unserem sichtbaren Licht, aber mit viel kürzerer Wellenlänge und höherer Energie. Auf der Erde wäre heute eine Atombombenexplosion erforderlich, um größerere Mengen von Gammastrahlung zu erzeugen. Aber damals war das ganze Universum damit ausgefüllt. Du kannst dir diese Gammastrahlen wie den Lichtblitz des Urknalls vorstellen der Urknall erzeugte, so wie ein Feuerwerk oder eine Atombombenexplosion einen Lichtblitz, einen Gammastrahlenblitz. Aber diese Gammastrahlen waren dann überall im Universum. Sie füllten den Raum aus, und als das Universum sich ausdehnte, dehnten sich die Gammastrahlen mit ihm aus. Im ersten Moment denkt man bei der Expansion des Universums vielleicht an andere Expansionen, von denen man eine Vorstellung hat. Wie sich etwa die Europäische Union erweitert; oder wie eine Explosion Material in alle Richtungen schleudert. In diesen Situationen gab es aber den Raum schon, in den sich eine Gemeinschaft erweiterte oder in die Explosionssplitter flogen. Aber die Ausdehnung des Universums ist davon grundverschieden. Wenn das Universum expandiert, so ist es der Raum selbst, der sich ausdehnt. Die Galaxien bewegen sich voneinander weg, weil sich der Raum ausdehnt und so mehr Platz zwischen ihnen schafft. Was heißt diese Ausdehnung aber jetzt für unsere Gammastrahlen? Die Gammastrahlen sind Energiewellen, die durch den Raum wandern. Wenn sich dieser Raum nun ausdehnt, so müssen sich diese Wellen mit dem Raum auch ausdehnen. Wenn die Wellenlänge von ursprünglichen Gammastrahlen größer wird, nennt man sie Röntgenstrahlen, die eine geringere Energie darstellen und damit eine kühlere Strahlung. Als sich das Universum weiter ausdehnte, wurden dieselben Wellen zu ultraviolettem Licht, später sichtbares Licht, auch wenn es damals natürlich keine Augen gab, die es sehen hätten können. Wir können es uns auch so vorstellen: Wenn wir den Deckel von einem Topf mit kochendem Wasser nehmen, so dehnt sich der Wasserdampf im Raum aus und kühlt ab. So können wir uns auch die Ausdehnung und Abkühlung des Universums vorstellen. WMAP Bild der kosmischen Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich Bildquelle: NASA/WMAP Science Team Heute, etwa 12 bis 15 Milliarden Jahre nach dem Urknall, hat sich das Universum bereits sehr stark ausgedehnt. Und der Blitz des Urknalls hat sich auch zu viel größeren Wellenlängen mit viel niedrigerer Energie ausgedehnt Mikrowellen und andere Radiowellen. Aber, weil diese Wellen am Anfang des Universums den ganzen Raum ausfüllten, füllen sie ihn auch heute noch vollständig aus. Astronomen nennen die Gesamtheit dieser langgestreckten Wellen die Kosmische Hintergrundstrahlung. Ende der 1940er Jahre sagten Physiker so einen Strahlungshintergrund voraus, da ihn damals aber niemand messen konnte, geriet es wieder in Vergessenheit. Dann, Mitte der 1960er Jahre, entdeckten zwei Wissenschaftler der Bell Laboratories, Arno Penzias und Robert Wilson, zufällig diese Hintergrundstrahlung, als sie versuchten die Kommunikation mit Satelliten für die Telefongesellschaft zu verbessern. Nachdem Astronomen mit anderen Teleskopen und Raketenexperimenten bestätigen konnten,

dass diese Strahlung tatsächlich aus jeder Richtung des Weltraums kommt, erhielten Penzias und Wilson für den überzeugendsten Beweis des Urknalls den Nobelpreis für Physik. Wandern durch die Kosmische Hintergrundstrahlung Was, wirst du jetzt vielleicht fragen, hat das alles mit der Frage zu tun, wie schnell wir uns bewegen? Nun, jetzt können die Astronomen messen, wie schnell sich die Erde verglichen mit dieser den ganzen Raum ausfüllenden Strahlung bewegt. (Technisch gesprochen erzeugt die Bewegung eine Dopplerverschiebung in der Strahlung, auf die wir uns zu- oder von der wir uns wegbewegen. Anders gesagt, die Kosmische Hintergrundstrahlung stellt einen Anhaltspunkt auf der ganz großen Skala dar, relativ zu dem wir unsere Bewegung messen können. Die Messung der Gesamtgeschwindigkeit der Erde relativ zu dem Strahlungshintergrund müssen wir noch um die Bewegung der Erde um die Sonne und die der Sonne in der Milchstraße korrigieren. Die Bewegung, die überbleibt, muss die Bewegung der Milchstraße durch das Universum sein! Und wie schnell bewegt sich jetzt die Milchstraße? Es stellt sich heraus, dass die Geschwindigkeit unvorstellbare 2.1 Millionen km/h beträgt! Wir bewegen uns ungefähr in jene Richtung am Himmel, in der man die Sternbilder des Löwen und der Jungfrau sieht. Es wird angenommen, dass es eine große Massenkonzentration in Richtung der Sternbilder Löwe und Jungfrau gibt, da sich die Galaxien in der Nähe der Milchstrasse dorthin bewegen. Ein Teil dieses Himmelsabschnitts ist hier dargestellt. Bildquelle: ESO Obwohl die Gründe für diese Bewegung noch nicht vollständig verstanden sind, glauben Astronomen, dass sich in dieser Richtung eine sehr große Massenkonzentration befindet. Diese wird auch manchmal Große Attraktor genannt, obgleich wir annehmen, dass die Anziehungskraft nicht von einer einzelnen Gruppe von Galaxien ausgeht, sondern von etlichen. Das nächstemal also, wenn jemand von deiner Familie oder deinen Freunden sagt, dass du nur faul in deinem Sessel hockst, kannst du höflich darauf hinweisen, dass du dich gerade mit hoher Geschwindigkeit um die Erde, um die Sonne, um die Milchstrasse und durch das Universum bewegst. Für so viel Bewegung braucht man doch viel Kraft! Ich gebe zu, dass ich mit dieser Ausrede niemals für längere Zeit die Pflichten im Haushalt aufschieben konnte, aber vielleicht hast du mehr Glück damit. Little Girl in Blue Armchair von Mary Cassatt, National Gallery of Art, Sammlung von Mr. & Mrs. Paul Mellon Über den Autor: Andrew Franknoi ist Leiter des Astronomie-Departments des Foothill College und Bildungsberater der Astronomical Society of the Pacific. Bevor er 1992 nach Foothill kam, arbeitete er 14 Jahre als Direktor dieser Gesellschaft und war der Herausgeber des populären

Astronomie-Magazins Mercury, sowie Begründer des Newsletters für Lehrer The Universe in the Classroom (dem dieser Beitrag entnommen ist). Franknoi ist Autor und Mitautor von 14 Büchern über Astronomie und Astronomie im Unterricht, Herausgeber von Universe at Your Fingertips, einer Radiosendung in den USA, Mitglied des Kuratoriums für das SETI-Institut und Mitglied des Committee for the Scientific Investigation Claims of the Paranormal (CSICOP). Gemeinsam mit Sidney Wolff gibt er auch Astronomy Education Review heraus, eine Online-Zeitschrift für Lehrer im Bereich Astronomie. Über den Übersetzer: Thomas Lebzelter ist Astrophysiker am Institut für Astronomie der Universität Wien. Lernaktivität 1: Bei dieser Übung lernen die SchülerInnen die verschiedenen Skalen des Universums und unseren Platz darin näher kennen, indem sie einen Brief an einen Freund in einer fernen Galaxie adressieren. Neben Hausnummer, Straße, Stadt und Land kommt noch der Platz im Sonnensystem und in der Galaxis hinzu. Unterlagen auf Englisch können unter diesem Link abgerufen werden. An einer deutschsprachigen Variante wird gearbeitet. Diese Lernaktivität wurde von Lawrence Hall of Science, University of California, Berkeley für Planetarium Activities for Student Success (PASS; http://lhs.berkeley.edu/pass) entwickelt. Copyright 1993 by the Regents of the University of California. Eine Anzahl von Astronomie-Aktivitäten kann kostenlos von der PASS Webseite heruntergeladen werden. Lernaktivität 2: Kosmologie die Untersuchung des Anfangs und der Entwicklung des Universums kann wegen der großen Zeiträume, die darin vorkommen, für Schüler oftmals sehr verwirrend wirken. Diese Übung versucht den Zeitraum vom Anfang des Universums bis heute anschaulich zu überbrücken. In der Übungsaufgabe Kosmischer Kalender (Material in Englisch, an einer deutschsprachigen Variante wird gearbeitet) legen die SchülerInnen die Zeit vom Urknall bis heute auf den Zeitraum eines Jahres um, wobei der Urknall am 1. Jänner einzutragen ist. Es soll abgeschätzt werden, wo gewisse Ereignisse wie die Entstehung des Sonnensystems oder das Auftauchen des Menschen einzuordnen sind. Je nach Alter der SchülerInnen können auch Berechnungen zur Einordnung durchgeführt werden. Diese Lernaktivität erschien in Universe at Your Fingertips und wurde von Therese Puyau Blanchard und den Mitarbeitern des Project ASTRO geschrieben. Copyright 1995, Astronomical Society of the Pacific, 390 Ashton Ave., San Francisco, CA 94112. Weiterführende Links: Über die Coriolis Kraft: http://books.nap.edu/html/oneuniverse/motion_32-33.html Original: How fast are you moving when you are sitting still? ; The Universe in the Classroom; 2007, Astronomical Society of the Pacific, San Francisco Link: http://www.astrosociety.org/education/publications/tnl/71/howfast.html Copyright der deutschsprachigen Übersetzung: Thomas Lebzelter