In einem zu Beginn der Edition GOETHES AMTLICHE SCHRIFTEN im Verlag

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Transkript:

Weimar Jena : Die große Stadt 5/4 (2012) S. 308 314 Verlag Vopelius http://www.verlagvopelius.eu Goethes Amtliche Schriften die Ausgabe des Staatsarchivs Weimar Volker Wahl In einem zu Beginn der Edition GOETHES AMTLICHE SCHRIFTEN im Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger in Weimar erschienenen Verlagsprospekt von 1951 ist als Zweck des Unternehmens zu lesen: Die Bedeutung der amtlichen Tätigkeit Goethes für die Beurteilung seiner Gesamtpersönlichkeit und seines Werkes ist bisher kaum ganz erfaßt worden, und daher ist die erschöpfende Bearbeitung dieses Themas bisher unterblieben, ja noch nicht einmal in Angriff genommen worden. Die Unzulänglichkeit aller bisherigen Arbeiten über Goethes amtliches Wirken hat ihren Grund vor allem in dem Fehlen einer umfassenden wissenschaftlichen Publikation von Goethes amtlichen Schriften. Es war daher eine Notwendigkeit ersten Ranges, diese Quellenveröffentlichung zu schaffen, den schriftlichen Niederschlag von Goethes amtlicher Tätigkeit, soweit er erhalten ist, vollständig zu erfassen, um so seine Anschauungen und seine Haltung auf den verschiedensten Gebieten des staatlichen und öffentlichen Lebens in jedem Einzelfalle wie in der Gesamtheit festzustellen und die Frage aufzuwerfen und zu klären, ob und wie der Staatsmann und Beamte Goethe auf den Dichter und der Dichter auf den Staatsmann und Beamten gewirkt hat. Mit diesem Werke wird eine neue, bisher unbekannte Seite von Goethes Leben und Wirken erschlossen, die ihn namentlich in seinen Beziehungen zum tatsächlichen Leben und damit seine Haltung und seine Entscheidungen in politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen zeigt. Eine Quellenpublikation zu Goethes amtlicher Tätigkeit war ein seit langem bestehender Wunsch der Goetheforschung, nachdem Schriften des Dichters, die aus seinen dienstlichen Verpflichtungen für den sachsen-weimarischen Staat stammten, seit seinem Tod 1832 in gelegentlichen Aktenpublikationen und in geringfügiger Auswahl auch in den Werkausgaben zumeist unter den Briefen veröffentlicht worden waren. Die breitere Erschließung und Edition der archivalischen Quellen aus Goethes Amtstätigkeit blieben jedoch Archivaren und Historikern der neueren Zeit vorbehalten und wurden erst nach 1945 in Angriff genommen. Ein Beschluss des Thüringer Landtags vom 30.Januar 1947 zur Vorbereitung auf das Goethejahr 1949 in Thüringen hat vor einem Menschenalter als Motor für den Beginn der Editionsarbeiten zu Goethes amtlicher Tätigkeit gedient. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Staatsarchivdirektor Willy Flach (1903 1958) trat vor dem 200.Geburtstag Goethes das Weimarer Staatsarchiv das heutige Thüringische Hauptstaatsarchiv mit der Zielstellung einer historisch-kritischen Edition der amtlichen Schriften Goethes auf den Plan, die eine neue Abteilung der Weima- DOI10.2371/DgS5/4/2012/125

Volker Wahl Goethes Amtliche Schriften die Ausgabe des Staatsarchivs Weimar 309 Abb. 1. Reihentitelseite der Edition Goethes Amtliche Schriften aus dem ersten Band von 1950. rer Ausgabe von Goethes Werken bilden sollte. Sie war in der Konsequenz fortgeschrittener Forschungen über das Leben und Werk des Dichters und Staatsmannes konzipiert worden, in der die Beschäftigung mit seiner Amtstätigkeit in der Landesadministration des Herzogtums und späteren Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach beachtlich angewachsen war. Daraus entstanden ist die 1950 im Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger in Weimar als VERÖFFENT- LICHUNG DES STAATSAR- CHIVS WEIMAR begonnene Edition GOETHES AMTLICHE SCHRIFTEN. Der Editionsplan war auf Vollständigkeit ausgerichtet und sah Goethe-Texte aus allen Amtsbereichen vor. Die bandmäßige Gliederung der Ausgabe sollte den Behörden und Einrichtungen des Herzogtums/Großherzogtums folgen, in denen Goethe amtliche Aufgaben erfüllt hatte und ein schriftlicher Niederschlag dieser Tätigkeit vorhanden war. Die Anordnung der Teile des Gesamteditionsunternehmens richtete sich nach der Reihenfolge des Eintritts in diese Institutionen. Das Quellenmaterial sollte in seinem vollen Umfange zusammengetragen werden, um es dann in einer breit angelegten Edition in mehreren Bänden als Corpus von Goethes Amtsschriften der Forschung zu erschließen. Die Begründung der Veröffentlichung von Goethes Amtsschriften in Ergänzung zu den bisher edierten Werken, naturwissenschaftlichen Schriften, Tagebüchern und Briefen in der 1887 bis 1919 im Verlag Hermann Böhlau erschienenen Weimarer Ausgabe von Goethes Werken hat Willy Flach im Goethe-Jahrbuch 1950 (tatsächlich erschienen 1951) geliefert. Als Herausgeber der Edition GOETHES AMTLICHE SCHRIFTEN hat er in der Einleitung zum ersten Band erstmals tiefgreifende Darlegungen über alle Bereiche von Goethes amtlicher Wirksamkeit und

310 EDITIONSGESCHICHTEN Abb. 2. Editorengespräch im Goethe- und Schiller-Archiv am 1. Juli 1955. V. l. Prof. Dr. Ernst Grumach für die Akademie-Ausgabe der Werke Goethes, Prof. Dr. Karl Lothar Wolf für die Leopoldina-Ausgabe der Naturwissenschaftlichen Schriften Goethes, Prof. Dr. Willy Flach für die Ausgabe der Amtlichen Schriften Goethes. (Sammlung Dorothea Kuhn, Weimar) den besonderen Charakter seiner dabei entstandenen Schriften publiziert. Sie bildeten das Ergebnis der seit 1947 im Staatsarchiv vorgenommenen eingehenden Untersuchungen über die Tätigkeit des Geheimen Consiliums im Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach nach dem Antritt der Regentschaft von Herzog Carl August 1775 und Goethes Mitwirkung darin in dessen erstem Weimarer Jahrzehnt. In erweiterter Form mit beispielhaften Abbildungen und Texten aus Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium sowie einem umfassenden Literaturverzeichnis zu Goethes amtlicher Tätigkeit hat Willy Flach diese Forschungsergebnisse 1952 unter dem Titel Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte in der von ihm begründeten Reihe Thüringische Archivstudien veröffentlicht. Willy Flach hatte seinerzeit bei Beginn der Editionsarbeiten die Notwendigkeit erkannt, das Quellenmaterial in seinem vollen Umfang zusammenzutragen, bei der Auswahl für die Edition allerdings strenge Maßstäbe anzulegen: Es kann sich bei der jetzt in Angriff genommenen Aufgabe also nur darum handeln, die Schriftstücke, die Goethe in seiner amtlichen Stellung und in unmittelbaren amtlichen Auftrag verfaßte und schrieb oder diktierte, festzustellen und zu veröffentlichen. Privatschreiben amtlichen Inhalts werden dabei nur soweit Berücksichtigung finden, als sie in Ausführung amtlicher Geschäfte nach einem Brauch der damaligen

Volker Wahl Goethes Amtliche Schriften die Ausgabe des Staatsarchivs Weimar 311 Behördenpraxis in bestimmten per privatas zu erledigenden Fällen als unmittelbare amtliche Schreiben zu betrachten sind. Nicht das alleinige, aber ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Amtlichkeit eines goetheschen Schreibens ist dabei die äußere Tatsache, daß die amtlichen Schriftsätze Bestandteile der archivmäßig überlieferten Akten derjenigen Behörden geworden sind, in denen Goethe als Beamter gewirkt hat. Nach dieser Konzeption sollten die Schriften aus der Tätigkeit im Geheimen Consilium zwei Bände des Gesamtwerks beanspruchen. Im ersten Textband sollten alle von Goethe eigenhändig geschriebenen, verfaßten oder korrigierten Schreiben im vollen Wortlaut ediert werden, während im zweiten Regestenband alle die Schriftstücke in Regesten aufgenommen werden sollten, an deren Zustandekommen Goethe durch Beratung in den Sessionen und Signieren der Konzepte mitgewirkt hatte. Willy Flach konnte bis zu seinem Weggang aus Weimar im Januar 1958 nur den ersten Band edieren, der nach heutigen Ansprüchen auch deswegen als unvollendet gelten muss, weil er ohne Erläuterungsapparat veröffentlicht wurde. Und auch der zweite geplante Band mit den Regesten zur Mitarbeit Goethes im Geheimen Consilium 1776 bis 1786 war noch nicht tatsächlich begonnen worden, obwohl durch die vorgenommene Rekonstruktion der Registratur der Geheimen Kanzlei alle in diesem Zeitraum im Conseil abgehaltenen Sessionen mit den dort behandelten Geschäftsvorfällen bereits erfasst waren. Die zurückgebliebene Bearbeiterin Helma Dahl änderte nach Flachs Ausscheiden dessen Konzeption, was sie erstmals 1960 auf einem Goethe-Kolloquium der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar begründete. Sie konstatierte, dass mit der Veröffentlichung der amtlichen Schriften Goethes innerhalb des Geheimen Consiliums von 1776 bis 1786 Goethes Amtstätigkeit als Geheimer Rat noch nicht abschließend erfasst sei. Die Durchsicht des Aktenmaterials seit 1786 bis zur Aufhebung dieser Kollegialbehörde im Jahr 1815 ergab auch für den Zeitraum, in dem Goethe zwar noch nominell dem Geheimen Consilium angehörte, aber nicht mehr an den Ratssitzungen teilnahm, Niederschläge amtlicher Betätigungen Goethes. Wesentlich für die neue Aufgabenstellung war aber die Abwendung von Flachs eng gefasster Konzeption, als amtliche Schriften Goethes letztlich nur schriftliche Zeugnisse gelten zu lassen, die direkt aus seinem dienstlichen Handeln und Wirken als amtliche Verlautbarungen hervorgegangen waren und in einem institutionellen Überlieferungszusammenhang stehen, also in den betreffenden Akten aus der Behördenregistratur überliefert sind. Der 1968 und 1970 von Helma Dahl in zwei Halbbänden vorgelegte zweite Band von GOETHES AMTLICHE SCHRIFTEN enthielt nunmehr, bezogen auf Angelegenheiten des Geheimen Consiliums, mit denen Goethe direkt oder indirekt befasst war, die Schriften der Jahre 1788 bis 1819. Damit ging der neue Band zugleich über die Zeit der Umwandlung des Geheimen Rats in das neue Staatsministerium (1815) hinweg und folgte der archivalischen Überlieferung bis in das Todesjahr des Vorsitzenden des Staatsministeriums, Christian Gottlob Voigt. Da die Bearbeiterin autorisierte Goethetexte aus dem Geschäftsbereich des Geheimen Consiliums (und des Staatsministeriums) kaum noch oder überhaupt nicht mehr fand, weil sich Goethes Haupttätigkeit im Amt nach der Italienreise außerhalb der

312 EDITIONSGESCHICHTEN Geheimen Ratsstube vollzog, dehnte sie ihre Untersuchung auf die Korrespondenzen des Herzogs mit seinen Geheimen Räten, ihren Schriftwechsel untereinander sowie den Briefwechsel Goethes überhaupt aus. Dabei kam dem Schriftwechsel Goethes mit seinem Ministerkollegen Voigt als einem typischen Beispiel vertraulicher amtlicher Ministerkorrespondenz besondere Bedeutung zu. Als inneramtliche Verlautbarungen wies sie diesen zumeist privaten und vertraulichen Korrespondenzen im Zusammenhang mit den offiziellen Akten der Geheimen Kanzlei einen besonderen Quellenwert zu. Insofern wurden im zweiten Band der vom Staatsarchiv Weimar verantworteten Edition nunmehr ausgehende Schreiben und inneramtlicher Schriftverkehr Goethes als amtliche Schriften aus dem Geheimen Consilium von 1788 bis 1819 ediert. Nach den Vorstellungen der Bearbeiterin aus dem Beginn der 1960er Jahre sollten später zwei Ergänzungsbände zu den Haupttextbänden publiziert werden. Der ursprünglich noch von Flach konzipierte Regestenband, der allerdings nur die Regesten zu den von Goethe mitberatenen Angelegenheiten bringen sollte, wurde nunmehr als Kalendarium zu den Sessionen des Geheimen Consiliums für die Jahre 1776 bis 1786 erweitert, während der zweite Ergänzungsband das Kalendarium zur amtlichen Tätigkeit Goethes im Geheimen Consilium nach 1788 aufnehmen sollte. Demnach sollte der erste Ergänzungsband in Anlehnung an den von Flach entworfenen Gesamtplan in der Hauptsache Regesten über die Vorgänge in den Sessionen des Geheimen Consiliums enthalten, an denen Goethe signierend teilnahm, ohne dass schriftliche Niederschläge von ihm selbst vorlagen. Der Aufbau des Bandes sollte nunmehr in Form eines Kalendariums nach den Sitzungsdaten des Geheimen Ratskollegiums mit Untergliederung des Stoffes nach dem rekonstruierten Geschäftsverteilungsplan dieser Behörde erfolgen, wie das in dem 1957 veröffentlichten Muster Goethe im Februar 1779 der Goetheforschung vorgestellt worden war. Dagegen sollte der zweite Ergänzungsband als Kalendarium für die Jahre 1788 bis 1819 in chronologischer Folge Auskunft über die amtlichen Handlungen Goethes, Beratungen oder verlorenes Schriftgut, die aus zeitgenössischen Quellen erschlossen werden konnten, geben und zu den einzelnen Vorgängen den Sachbetreff, das Datum, die Art der Tätigkeit und Angaben zu den Quellen umfassen. Dieses Vorhaben ist in dieser Form jedoch nicht mehr zur Ausführung gekommen. Die Edition wurde 1987 durch das Staatsarchiv Weimar als beendet erklärt. Bis dahin waren im Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger in Weimar vier Bände erschienen: 1. Band (1950) Die Schriften der Jahre 1776 1786 Teil I [Text] 2. Band (1968/70) Die Schriften der Jahre 1788 1819 I. Halbband 1788 1797 [Text] II. Halbband 1798 1819 [Text] 3. Band (1972) Die Schriften der Jahre 1788 1819 Erläuterungen 4. Band (1987) Register [zu den bisher erschienenen Bänden]

Volker Wahl Goethes Amtliche Schriften die Ausgabe des Staatsarchivs Weimar 313 Der mit dem 1987 publizierten Registerband verkündete Abschluss dieser Edition reizte den Rezensenten Hans Tümmler zu der denkwürdigen Feststellung: Wir haben es mit einem, wenngleich eindrucksvollen, ja in seiner Art bewundernswerten Torso zu tun. Das bezog sich 1988 vor allem auf die Tatsache, dass damit die einst in Willy Flachs konzipiertem Aufbau des Gesamtwerks enthaltenen weiteren Abteilungen Goethes Mitarbeit im Geheimen Consilium wurde lediglich als erste Abteilung begriffen mit den Schriften aus den nicht unmittelbar dem Geheimen Consilium und den übrigen Oberbehörden (Regierung, Kammer, Konsistorium) oder dem Hofmarschallamt zuzurechnenden Immediatkommissionen sowie der Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst in Weimar und Jena nicht mehr erscheinen würden. Der Rezensent wies mit Recht darauf hin, dass im schriftlichen Niederschlag aus diesen Aufgabengebieten Goethes dienstliche Eigenwirkung weitaus stärker zum Ausdruck kommen würde. Was bisher an amtlichen Schriften Goethes ediert worden war, berücksichtige zudem nur die Zeit bis 1819, als Goethes engster Mitarbeiter Christian Gottlob Voigt verstarb. Die aus der veränderten Konzeption Helma Dahls hervorgegangene Neuausrichtung der Edition hat nicht nur an dieser Stelle Kritik erfahren. Für die Zeit nach 1788 waren von ihr in größerem Umfang auch Schriftstücke einbezogen worden, die im engeren Sinne nicht als amtliche Schriften gelten konnten. Es waren nur im weiteren Sinne Zeugnisse amtlicher Tätigkeit, die sich allenfalls aus den Aufgaben und Geschäftsverfahren des Geheimen Consiliums als beratendes Organ des Landesherrn und zentraler Verwaltungsbehörde (bis zur Einsetzung des Staatsministeriums 1815) herleiten ließen oder darunter subsumiert wurden. Es muss selbstkritisch eingestanden werden, dass sich durch diese Abkehr von Willy Flachs Prinzipien, nur Schriftstücke zu edieren, die Goethe als eigenständigen Verfasser oder durch seine direkte Mitwirkung ausweisen, der Charakter der Edition nicht unwesentlich gewandelt hatte. Seine ursprünglichen Überlegungen für die Erfassung von Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium im ersten Weimarer Jahrzehnt, als dieser noch an den Sessionen unmittelbar teilnahm, soll indessen im nächsten Jahr in einer neu konzipierten Regestausgabe zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums 1776 bis 1786 fortgesetzt werden, wobei nunmehr alle in diesem Zeitraum abgehaltenen Sessionen zwischen Goethes Amtseinführung am 25. Juni 1776 und der letzten Sitzung vor der Abreise nach Karlsbad bzw. Italien am 18. Juli 1786 dokumentiert werden. Das durch den Verzicht auf die anderen Aufgabenbereiche angesprochene Desiderat auf dem Gebiet der Goethe-Edition ist zudem heute nicht mehr im gleichen Maße spürbar. Unter veränderten Ausgangsbedingungen ist 1998 und 1999 in der Frankfurter Goethe-Werkausgabe des Deutschen Klassiker Verlages eine zweibändige Edition Johann Wolfgang Goethe Amtliche Schriften vorgelegt worden, die im Teil I Geheimes Consilium und andere bis zur Italienreise übernommene Aufgabengebiete (Herausgeber Reinhard Kluge) und im Teil II Aufgabengebiete seit der Rückkehr aus Italien (Herausgeber Irmtraut und Gerhard Schmid) erfasst hat und damit Goethes Gesamttätigkeit im Dienste des weimarischen Staates zwischen 1776 und 1832 in beachtlichem Umfang dokumentiert. Dazu sind 2011 in wün-

314 EDITIONSGESCHICHTEN schenswerter Vollständigkeit Nachträge, Kommentare und Register in Form einer digitalen Ausgabe auf CD-ROM erschienen, so dass für die Goetheforschung nunmehr weitaus mehr historische Quellen über dessen amtliche Tätigkeit wissenschaftlich aufbereitet zur Verfügung stehen. Die von Willy Flach begründete Edition Goethes Amtliche Schriften im Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger endete vor 25 Jahren unter den obwaltenden Umständen im staatlichen Archivwesen der DDR. Sie hat da kann man dem Rezensenten Hans Tümmler durchaus zustimmen einen Torso hinterlassen, aber auf die ihr zugrunde liegende Kärrnerarbeit der Archivare des Weimarer Staatsarchivs die rekonstruierte Geschäftsregistrande des Geheimen Consiliums für die Jahre 1776 1786 in Karteiform als Vorstufe für den nunmehr erscheinenden Regestenband zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums wird man indessen auch künftig aufbauen können. Literaturauswahl Willy Flach, Goethes amtliche Schriften. Zur Begründung ihrer Veröffentlichung. In: Goethe. NF des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft 12 (1951), S. 126 143. Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte. Goethe im Geheimen Consilium 1776-1786. [Thüringische Archivstudien, Bd. 3] Weimar 1952. Willy Flach, Goethes amtliche Tätigkeit und seine amtlichen Schriften. In: Wissenschaftliche Annalen (Berlin) 4 (1955), S. 449 465. Helma Dahl, Zur Edition von Goethes Amtlichen Schriften 2. Band. In: Weimarer Beiträge. Sonderheft. Weimar 196, S. 1168 1175. Volker Wahl, Wir haben es mit einem, wenngleich eindrucksvollen, ja in seiner Art bewundernswerten Torso zu tun. Zur Editionsgeschichte von Goethes Amtlichen Schriften. In: Leben und Wahrheit in der Geschichte. Festgabe zum 90. Geburtstag von Hans Tümmler. Herausgegeben von Herbert Hömig (= Sonderschriften der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Band 28). Dortmund 1996, S. 99 118. Volker Wahl, Goethes amtliche Schriften als Editionsaufgabe des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar. In: Goethe-Philologie im Jubiläumsjahr Bilanz und Perspektiven. Kolloquium der Stiftung Weimarer Klassik und der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition 26. bis 27. August 1999. Herausgegeben von Jochen Golz (Beiheft zu editio 16). Tübingen 2001, S. 175 194. Kontakt: Prof. Dr. Volker Wahl Paul-Schneider-Straße 33A 99425 Weimar E-Mail: volker.wahl@gmail.com