RWGV-Politiknewsletter Kurzinformationen für politische Entscheidungsträger 2. Quartal 2012 Themen der Quartalsausgabe 2/2012: 1. Pläne für eine Finanzmarkttransaktionssteuer belasten Kleinanleger! 2. Licht bei Basel III? Besteht Hoffnung für kleine und mittlere Banken durch Bundesratsbeschluss? 3. Basel III: NSFR erschwert und verteuert langfristige Kredite für die mittelständische Realwirtschaft. 4. Schattenbanken: Licht ins Dunkel bringen! 5. Energiewende genossenschaftlich voranbringen: Bürgerenergie braucht Berechenbarkeit und Planbarkeit. 1. Pläne für eine Finanzmarkttransaktionssteuer belasten Kleinanleger! Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sucht nach Alternativen. Einerseits ist der Widerstand gegen eine Finanzmarkttransaktionssteuer in vielen europäischen Ländern zu groß, um eine realistische Chance für eine Einführung in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten oder auch nur in der Euro-Zone zu haben. Andererseits haben in Deutschland die SPD und die Grünen angekündigt, ihre Zustimmung zum Fiskalpakt an die Einführung der Finanzmarkttransaktionssteuer zu binden - eine Börsenumsatzsteuer sei unzureichend. Als erstes Land hat Frankreich beschlossen, ab August im Alleingang eine Börsensteuer einzuführen. Ein absolutes Veto kommt aus Großbritannien. Wie sich Bundesfinanzminister Schäuble aus dieser Zwickmühle befreien wird, bleibt spannend. Die Einführung einer - wie auch immer ausgestalteten - Steuer auf Finanztransaktionen in Europa wird offensichtlich kaum noch aufzuhalten sein. Zu groß ist der politische Wille sowohl auf europäischer Ebene als auch innerhalb der Regierungen wichtiger EU- 1
Mitgliedsstaaten, den Finanzsektor als vermeintlichen Verursacher an den Kosten der Krise zu beteiligen. Mit der Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer oder einer Börsenumsatzsteuer erhofft man sich eine Stabilisierungswirkung auf Finanzmärkte. Bisherige Erfahrungen bestätigen dies nicht. So hat Schweden in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit der Börsenumsatzsteuer gemacht und diese wieder abgeschafft. Bei der geplanten Steuer auf Finanztransaktionen muss bereits in der Entstehungsphase darauf geachtet werden, dass nicht die Klein- und Riester-Sparer geschädigt werden, die in einen Renten- oder einen Aktienfonds einzahlen. Ein vermeintlich vernachlässigbarer Steuersatz von 0,1% summiert sich durch notwendiges aktives Management innerhalb dieses Anlagefonds extrem nach oben. So wird ein Kleinsparer, der 100,-- Euro monatlich über 40 Jahre zurücklegt, insgesamt mit 14.000,-- Euro belastet (Berechnung der Union Investment, vgl. FAZ vom 31.01.2012 Transaktionssteuer trifft Kleinsparer ). Dies darf nicht das Ergebnis der Finanzmarkttransaktionssteuer sein. Hier ist dringend ein Weg zu finden, der Klein- und Riester-Sparer von dieser Steuer ausnimmt. Hingegen ist seitens der Bundesregierung frühzeitig darauf zu achten, dass insbesondere der computergesteuerte Hochgeschwindigkeitshandel, der in der Finanzkrise negativ und verstärkend gewirkt hat, wirksam von der Finanzmarkttransaktionssteuer erfasst wird. Eine derartige Lenkungswirkung wird vom RWGV unterstützt. Wichtig ist insbesondere, dass Derivate mit erfasst werden, da riskante Derivatewetten seit 2008 als mit verantwortlich für die Finanzkrise gelten und deren Volumen seither sogar noch bedenklich angestiegen ist. Insbesondere muss bei der Einführung einer Finanzsteuer darauf geachtet werden, dass internationalen Bankkonzernen kein Ausweichen auf andere Märkte und Produkte ermöglicht wird - sonst würden im Ergebnis nur die regionalen Genossenschaftsbanken und Sparkassen und deren Kunden die Zeche bezahlen. Der RWGV fordert: Die Finanzmarktransaktionssteuer muss so ausgestaltet werden, dass nicht die Kleinanleger und Riestersparer benachteiligt werden. 2
2. Licht bei Basel III? Besteht Hoffnung für kleine und mittlere Banken durch Bundesratsbeschluss? Der Beschluss des Bundesrates vom 10.02.2012 (892. Sitzung; Drucksache 733/11), die Bundesregierung aufzufordern, in Sachen Basel III neu zu verhandeln, bringt aus Sicht des RWGV neue Chancen für die mittelständischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Durch den Bundesratsbeschluss eröffnet sich vielleicht die Möglichkeit, zu einer adäquaten und systemgerechten Regulierung zu kommen. Der RWGV fordert - wie u. a. auch der Bundesrat mit Beschluss vom 10.02.2012 - die Bundesregierung auf, dringend neu zu verhandeln, um Spielräume für eine sachgerechte nationale Umsetzung zu bekommen. Dabei soll durchgesetzt werden, dass der Anwendungsbereich der Verordnung punktgenau auf die von der EBA identifizierten systemrelevanten Banken beschränkt wird. Sollte dies nicht erreichbar sein, soll auf differenzierte Regelungen für kleine und mittlere Banken hingewirkt werden. Wir fordern auch, dass für kleine regionale Banken - als Finanzierer und Dienstleister der Realwirtschaft und des Mittelstandes - Ausnahmen gelten sollen. Diese Auffassung teilen mittlerweile namhafte und prominente Politiker aller Couleur. Auch der Generalsekretär des Baseler Ausschusses betonte, dass Basel III nur für international tätige Banken gedacht ist! Dort sollte die Basel III-Umsetzung dann auch zielgenau ansetzen. Dies ist im Übrigen auch die Vorgehensweise der USA. Es dient nicht der Systemstabilisierung, wenn die EU-Kommission den deutschen Mittelstand benachteiligen darf, während eine entsprechende Belastung in den USA kein Thema ist. Die Schlechterstellung der kleinen und mittleren Banken - die als Hausbanken der mittelständischen Unternehmen die Realwirtschaft maßgeblich unterstützen - ist von deutscher Seite nicht hinnehmbar. Hier soll auch das Instrument der Subsidiaritätsrüge geprüft werden. Nur unter Beachtung und Beibehaltung nationaler Stärken und mit stärkeren Rechten für die nationalen Parlamente kann ein starkes und vitales Europa der Regionen - wie es auch das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes einfordert - entstehen. Wenn es so ist, dass in Deutschlands Ländern und zunehmend auch in der Koalitionsregierung unsere Forderungen geteilt und unterstützt werden, muss es für 3
Deutschland einen Weg geben, dies gegenüber der EU-Kommission durchzusetzen. Nicht umsonst gilt das Wort der Kanzlerin in ganz Europa. Der RWGV erhofft sich deswegen eine entsprechende Unterstützung. Der RWGV fordert: - Dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist zu folgen und eine grundsätzliche Beteiligung nationaler Gesetzgeber und nationaler Regulierer ist einzufordern. - Basel III soll ausschließlich und punktgenau für systemrelevante internationale Großbanken wie in den USA ansetzen. 3. Basel III: NSFR erschwert und verteuert langfristige Kredite für die mittelständische Realwirtschaft. Der RWGV begrüßt die prominente Unterstützung durch den Bundesrat und fordert vor allem die Streichung der langfristigen Liquiditätskennzahl (NSFR) bzw. die Ausnahme der kleinen und mittleren Banken von dieser Kennzahl. Die NSFR greift erheblich eine existentielle Aufgabe regionaler, kleiner und mittlerer Banken an - die Fristentransformation. Dies ist eine volkswirtschaftlich wichtige Funktion der Banken im Sinne der mittelständischen Realwirtschaft: Regionale Banken verleihen langfristige Kredite zu festen Zinssätzen und nehmen zu deren Finanzierung (Kunden-)Einlagen mit kurzen Laufzeiten an. Damit wird den Kundenbedürfnissen nach Verfügbarkeit und Sicherheit der eingelegten Mittel bei gleichzeitiger langfristiger Finanzierung Rechnung getragen. Im Gegensatz zu großen, systemrelevanten und kapitalmarktorientierten Banken, die ihre Finanzmittel im Wesentlichen eben am Kapitalmarkt generieren, refinanzieren sich die Volksbanken und Raiffeisenbanken im bodenständigen regionalen Kundengeschäft. Regionales, stabiles Kundengeschäft generiert Sicherheit. Der RWGV fordert deshalb mit dem Bundesrat, die langfristige Liquiditätskennziffer (NSFR) abzulehnen bzw. punktgenau nur auf große Kapitalmarktbanken anzuwenden. 4
Der RWGV fordert: Die Volksbanken und Raiffeisenbanken besitzen eine jahrzehntelange erfolgreiche Erfahrung im Aussteuern der Fristentransformation. Der langfristige Festzinskredit bedient unmittelbar einen wichtigen Wunsch und Bedarf der Realwirtschaft und darf deshalb nicht durch eine Liquiditätsregel angegriffen werden. 4. Schattenbanken: Licht ins Dunkel bringen! Regulierung kostet Geld. Eigenkapitalunterlegung, Meldepflichten, mitteleuropäische Steuersätze all dies können internationale Groß- und Investmentbanken vermeiden, indem sie Kapital und Mitarbeiter ins Schattenbankensystem verschieben. Als Schattenbanken werden üblicherweise Hedge-Fonds, außerbilanzielle Verbriefungsgesellschaften, Private Equity-Fonds u. ä. Player definiert. Auf 60 Billionen US-Dollar und damit auf ca. 25 bis 30 % des globalen Finanzsystems wird das Volumen der Schattenbanken inzwischen von Experten geschätzt. Damit hat sich das Volumen in diesem Sektor in den letzten zehn Jahren verdoppelt! Auch Jürgen Stark, Ex-Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank kritisiert: Dieses Schattenbankensystem ist sehr schwer zu greifen und schwer zu definieren. Dazu gehören unter anderem Hedge-Fonds und insbesondere Finanzinstitute, die häufig auf kleinen Inseln mit minimaler Finanzaufsicht und -regulierung residieren. Werden diese systemrelevanten Investoren der nächste Brandbeschleuniger der Finanzkrise? Und was macht die EU-Kommission? Michael Barnier hat im März ein Konsultationspapier vorgelegt, indem wenig Konkretes formuliert ist. Derzeit wird an ersten Vorschlägen gearbeitet, die frühestens 2013 in Vorschläge für ein Gesetz einfließen. Ein Kernproblem der Regulierung der Schattenbanken wird immer die mögliche Verlagerung in Steuer- und Regulierungsparadiese bleiben, wie z. B. den Kaimaninseln. Deren Hauptstadt George Town gilt inzwischen als fünftgrößter Finanzplatz der Welt. Mit 40 % aller Hedge-Fonds ist George Town weltgrößter Hedge- Fonds-Standort. Um dort etwas zu erreichen, muss z. B. über eine Begrenzung der Geschäftsbeziehungen mit diesen Inseln nachgedacht werden, wie namhafte Vertreter der Bankenbranche mittlerweile fordern. 5
Diesmal müssen wir sicherstellen, dass wir radikal genug sind, so der Chef der Financial Service Authority (die britische Finanzaufsichtsbehörde), Adair Turner zur Gefahr, dass Schattenbanken das Weltfinanzsystem aus dem Gleichgewicht bringen. Verbündete genug jetzt müssen Taten folgen! Der RWGV fordert: Zur Sicherung der Systemstabilität sollte bei der Regulierung die bisherige Priorisierung überdacht und der Fokus auf Schattenbanken gelegt werden. 5. Energiewende genossenschaftlich voranbringen: Bürgerenergie braucht Berechenbarkeit und Planbarkeit. Das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) hat festgestellt, dass die deutsche Wind- und Solarenergie in den ersten beiden Monaten des Jahres 2012 mehr Strom erzeugt hat, als die acht abgeschalteten Atommeiler theoretisch hätten produzieren können. Bürgerenergie kann - nach dem Muster der Kreditwirtschaft - langfristig neben den Großkonzernen sowie neben und mit den Stadtwerken zu einer dritten Säule der Energiewirtschaft werden. Das hier liegende, schnell zu weckende Investitions- und Erzeugungspotential muss im Sinne des energiewirtschaftlichen Umbaus genutzt werden. Die Energiegenossenschaften des RWGV sind bereit, einen Beitrag zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien zu leisten und damit zum Gelingen der Energiewende beizutragen. Dies sind derzeit über 70 Genossenschaften mit über 10.000 Mitgliedern. Unsere Genossenschaften leisten einen wichtigen Beitrag, um neue Wertschöpfung für ihre jeweilige Region - mit heimischen Ingenieuren, Handwerkern, Finanzierern und nach Möglichkeit heimischen Solar-Modulen - zu erschließen und zu sichern. Die Energiegenossenschaften des RWGV zeichnen sich durch ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement aus: Statt Gewinnmaximierung, wie bei großen Projektfinanzierern und institutionellen Fonds, stehen Mitgliederförderung und Klimaschutz im Vordergrund. Diese Aktivitäten werden aber vor dem Hintergrund von damit verbundenen Investitionen dauerhaft nur aufrechterhalten und weiter ausgebaut werden können, 6
wenn hinsichtlich der politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen Planungssicherheit besteht. Andernfalls müssten bereits geplante Investitionsvorhaben gestoppt werden und weitere - zum Gelingen der Energiewende notwendige - Neugründungen von Bürger-Energiegenossenschaften würden verhindert. Genossenschaften basieren traditionell auf den Werten der Selbsthilfe und Selbstverantwortung. Daher haben wir an moderaten Kürzungen und damit einem Zurückfahren der staatlichen Förderung nichts auszusetzen. Auch unsere Genossenschaften möchten keine Gewinnmaximierung von anonymen Fondsgesellschaften auf Kosten der Bürger unterstützen. Wichtig sind jedoch eine klare Orientierung und eine langfristige Sicherheit. Der RWGV fordert: Für eine erfolgreiche Energiewende mit genossenschaftlicher Bürgerenergie sind verlässliche politische und rechtliche Rahmenbedingungen unabdingbar. Wussten Sie eigentlich, dass die Genossenschaftsbanken in Rheinland und Westfalen ihr regionales Kreditengagement im letzten Jahr erheblich ausweiten konnten. Bei stagnierendem Gesamtmarkt ergibt sich eine Steigerungsrate des Kreditvolumens von 4% auf 104 Milliarden Euro. Daran hatten Unternehmen und Selbständige einen Anteil von 60,2 Milliarden Euro (plus 3,2%) und Private einen Anteil von 40,2 Milliarden Euro (plus 5,4%). auch die Kundeneinlagen in erfreulichem Umfang gesteigert werden konnten. Einschließlich Sonderinstituten ergab sich eine Steigerung von 2,6 Milliarden Euro auf 125,6 Milliarden Euro (plus 2,3%). dass die Commerzbank 1 Milliarde Euro Kernkapital allein dadurch gewinnen wird, dass sie in ihrem eigenen internen Ratingmodell geringere Ausfallrisiken für ihre Kredite ansetzt! Dies funktioniert formal korrekt ohne frisches Eigenkapital von außen oder Schrumpfung der Bilanzsumme. 7
Verantwortlich: Christoph Feil Telefon: (0251) 71 86-1005 Bereich Unternehmenssteuerung Telefax: (0251) 71 86-1089 Rheinisch-Westfälischer E-Mail: christoph.feil@rwgv.de Genossenschaftsverband e.v. Internet: www.rwgv.de Mecklenbecker Str. 235-239 48163 Münster 8