KUNST UND WISSENSCHAFT IM ZEICHEN DER MODERNE

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Transkript:

NORBERT SCHMITZ KUNST UND WISSENSCHAFT IM ZEICHEN DER MODERNE Exemplarische Studien zum Verhältnis von klassischer Avantgarde und zeitgenössischer Kunstgeschichte in Deutschland Hölzel Wölfflin Kandinsky Dvorák VDG 1993

Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme Schmitz, Norbert: Kunst und Wissenschaft im Zeichen der Moderne : exemplarische Studien zum Verhältnis von klassischer Avantgarde und zeitgenössischer Kunstgeschichte in Deutschland ; Hölzel, Wölfflin, Kandinsky, Dvorák / Norbert Schmitz. Alfter : VDG, Verl. und Datenbank für Geisteswiss., 1993 Zugl.: Wuppertal, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-9803234-7-1 Arbeit wurde als Dissertation vom Fachbereich 5 der Universität- Gesamthochschule Wuppertal angenommen. 1. Gutachter: Prof. Dr. Rainer Wick 2. Gutachter: Prof. Dr. Donat de Chapeaurouge 1993 VDG Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Alfter Satz: Claus Pias, Bonn Alle Rechte, sowohl der Übersetzung, des Nachdrucks und auszugsweisen Abdrucks sowie der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten ISBN 3-9803234-7-1

Inhalt Danksagung 5 Redaktionelle Vorbemerkung 7 Zur Validität unpublizierter Vorlesungstyposkripte Dvoráks und Wölfflins 11 I. Kapitel: Kunstgeschichte und Gegenstandslosigkeit 13 II. Kapitel: Zur exemplarischen Auswahl der Untersuchung Wölfflin/Hölzel/Dvorák/Kandinsky 29 III. Kapitel: Die Moderne als Dichotomie. Traditionen von Rationalismus und Irrationalismus 51 IV. Kapitel: Der Visuelle Rationalismus 79 Heinrich Wölfflin Die Wissenschaft als Formproblem 83 Adolf Hölzel Gesetz und Freiheit 149 Hölzel und Wölfflin Die Frage nach der Kunstgeschichte 217 V. Kapitel: Die Neue Transzendenz 249 Max Dvorák Das Spirituelle in der Kunstgeschichte 255 Wassily Kandinsky Das Kunstwerk der Kunstgeschichte 325 Dvorák und Kandinsky Die Spiritualität der Moderne 403 VI. Kapitel: Kunst und Kunstgeschichte als Sinnstiftung der Moderne 419 Ausgewählte Literatur 437 Abbildungen 449

Für Dominique, Sabine und Andreas Danksagung Mein besonderer Dank gilt allen voran Frau Monika Boll, die in zahlreichen Gesprächen diese Arbeit über drei Jahre auf die Höhe der Erkenntnis brachte. Auch Kay Kirchmann und Christoph Asendorf waren wertvolle Gegenleser, deren profunde Kenntnisse der Moderne vielfache Anregung boten. Mein Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Rainer Wick, der mir über drei Jahre für mein Projekt das Vertrauen schenkte und in allen praktischen Dingen mit Rat und Tat zur Seite stand. Nicht weniger Herrn Prof. Dr. Donat de Chapeaurouge, dessen Lehre mein Studium über die Semester prägte. Für vielerlei inhaltliche, archivalische und organisatorische Hilfestellung sei weiter gedankt: Herrn Prof. Dr. Achim Preiß/Kunsthistorisches Institut der Universität-Gesamthochschule Wuppertal Herrn Prof. Dr. Carsten-Peter Warncke/Kunsthistorisches Institut der Universität Braunschweig Herrn Prof. Dr. Artur Rosenauer/Kunsthistorisches Institut der Universität Wien Herrn Dr. Hans Aurenhammer/Kunsthistorisches Institut der Universität Wien Herrn Dr. Edwin Lachnit/Albertina Wien Frau Dr. Magdalena Droste/Bauhaus-Archiv Wien Frau Hildegard Kress/Boston/Mass. Frau Ilse Holzinger/Gabriele Münter und Johannes Eichner-Stiftung/München Frau Prof. Dr. Irene Markowitz/Stadtmuseum Düsseldorf Herrn Prof. Dr. Wolfgang Beilenhoff, Ruhruniversität Bochum

6 Herrn Prof. Dr. Eike Durin, Institut für Soziologie an der Freien Universität Berlin Für die finanzielle Unterstützung meiner Arbeit der Kommission Graduiertenförderung der Universität-Gesamthochschule Wuppertal

Redaktionelle Vorbemerkung Der Titel Kunst und Wissenschaft im Zeichen der Moderne mag vielleicht zuerst befremdlich klingen, denn, wie der Untertitel der bereits deutlich macht, ist zunächst mit Wissenschaft nur die institutionalisierte Kunstgeschichte gemeint. Trotzdem schien eine solche Überschrift geeignet, den Kern meiner Argumentation zu verdeutlichen, geht es hier doch weniger um die Überprüfung historischer Theoriemodelle etwa zur Erklärung der mittelalterlichen Kunst, als um die Frage nach der Kunstgeschichte als einem Stück Wissenschaftsgeschichte, die als solche nicht weniger als die Avantgarde selbst unter den Bedingungen der Moderne ihren Wissenschaftsbegriff ändern muß. So werden hier denn häufig auch die Begriffe Kunstgeschichte und Kunstwissenschaft relativ synonym gebraucht, ein Verfahren, das nicht unproblematisch ist. Gerade zu Beginn unseres Jahrhunderts versuchten verschiedene Theoretiker den Begriff der Kunstwissenschaft als eine eigenständige Brücke zwischen der Konkretheit der eigentlichen Kunstgeschichte und der Ästhetik zu etablieren. 1 Hier dagegen wird die Disziplin der Kunstgeschichte auf ihren Charakter als rational-kritische Wissenschaft, eben Kunstwissenschaft, hin befragt. Erst in dieser Hinsicht wird sich nämlich die Frage nach ihrer charakteristischen Modernität wirklich beantworten lassen. Eine solche Terminologie darf sich immerhin auf Kandinsky berufen. Ähnlich konnte angesichts der verwirrenden Terminologie auch in den hier zugrundeliegenden Quellentexten keine einheitliche Benutzung der Begriffe Abstrakt, Gegenstandslos und Konkret ange- 1 Vgl.: Henckmann, Wolfgang: Probleme der allgemeinen Kunstwissenschaft, in: Kategorien und Methoden der deutschen Kunstgeschichte 1900-1930, hrsg. von Lorenz Dittmann, Stuttgart 1985, S. 273ff.

8 strebt werden. Kandinskys eigene Äußerungen beispielsweise der späteren Jahre können mit denen seiner Geniezeit kaum verglichen werden. 2 Eine strenge Definition der historisch in ihrer Bedeutung so changierenden Termini würde der Begriffsgeschichte nicht gerecht. Wie in jeder vergleichbaren Arbeit wird der Autor sein Bedauern über die notwendigen Auslassungen anmelden. In diesem Falle geht es dabei vorwiegend um die scheinbare Theorielastigkeit der Arbeit, die gelegentlich den vielleicht wünschenswerten Schritt zur konkreten Bildinterpretation vermissen läßt. Befremdlich könnte dann doch der relative Umfang des Textes erscheinen, insbesondere das ausführliche Zitieren mittlerweile klassischer Texte Kandinskys und Wölfflins, die als allgemein bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Zunächst ist da die einfache Frage nach der Proportionalität der Abhandlung, ist doch vor allem Dvorák 3 hinsichtlich seiner methodischen Relevanz nur sehr bedingt in die Selbstreflexion seiner Wissenschaft eingegangen. Um das Gleichgewicht der Darstellung zu bewahren, sollte ein Autor wie Wölfflin nicht weniger zu Wort kommen. Wichtiger erschien aber die Präsentation bestimmter Sprach- und Argumentationsformen der theoretischen Texte selbst als Kunstwerke, sollen die Texte doch im Sinne der Thesen dieser Arbeit neu gelesen werden. Das ist der Ort der konkreten Interpretation dieser Arbeit. Es ging mir also nicht um eine heute wohl kaum mehr ganz angemessene Lesart, die versucht, etwa die Wölfflinschen Grundbegriffe noch einmal hinsichtlich ihrer methodischen Praktikabilität zu untersuchen, sondern sie selbst als dichterische Strukturen zu begreifen. Darin sind sie symptomatisch für eine Kunstwissenschaft der Moderne, deren Bewunderung als Sprachform sich auch der heutige Leser kaum entziehen kann. Im Rahmen meiner Fragestellung geht es dabei um die konkreten Kunstwerke bzw. kunsthistorischen Interpretationen ja nur, insoweit sie bedeutsam werden für das sich unter den Bedingungen der Moderne wandelnde Verhältnis von Kunst und Wissenschaft. Entgegen dem noch heute verbreiteten populären Vorbehalt gegen den theoretisierenden Künstler wird dabei vielleicht deutlich, welche prominente und notwendige Funktion die Theoriebildung im Oeuvre Hölzels und Kandinskys, aber auch insgesamt für die neuere Kunstgeschichte, hat. Vielleicht ist dies ihre originellste und für die Gegenwart bestimmendste Leistung. 2 Kandinsky, Wassily: Z.B.: abstrakt oder konkret, 1938, in: ders.: Essays über Kunst und Künstler, hrsg. von Max Bill, 2. Aufl., Bern 1963, S. 223ff. 3 Zur Schreibweise vgl. den letzten Absatz dieses Kapitels.

Aus drucktechnischen Gründen konnte der Name Dvorák hier nur unvollständig wiedergegeben werden. Über das r ist ein tschechischer Hatschek zu denken. Ähnliches gilt bei der Anführung des Literaturwissenschaftlers Viktor Zmegac über Z bzw. c. 9