Ländl. Soziologie, Andrea Knierim "Family farming" - ein Zukunftsmodell in Deutschland? Vater, Mutter, Kind, Kuh wie passt das denn? privat Studium Generale, 21.11.2013, Hohenheim privat
Was macht einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb aus? In einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb besteht eine enge Verflechtung Zwischen der Familie und dem Bauernhof Zwischen dem sozialen System und dem wirtschaftlichen System Unpräzise Zahlen In Deutschland gab es 2007 ca 350.000 und 2010 ca. 275.000 Einzelbetriebe (Familienbetriebe) Davon 45% im Haupterwerb mit Ø 56ha und 55% im Nebenerwerb Dabei ist das wirtschaftliche System auch abhängig vom natürlichen System
Die Familie ist eine wirkungsvolle soziale Einheit Unserer Herkunftsfamilie prägt uns für unsere sozialen Beziehungen im weiteren Leben die elterlichen und die geschwisterlichen Beziehungen legen die Basis dafür, wie wir mit anderen Menschen in Kontakt kommen Liebe Ärger Trauer Freude Wut Nähe und Intimität schafft die Grundlagen für unser emotionales Erleben
Der landwirtschaftliche Betrieb / der Bauernhof Der landwirtschaftliche Betrieb oder der Hof bildet die materielle Grundlage für das Wirtschaftsunternehmen Bauernhof Hierbei handelt es sich um natürliche Grundlagen, insbesondere den Boden (Äcker und Grünlandstandorte), um Gebäude und Infrastruktur sowie alle Arten technischer Ausstattung und ggf. um Vieh Diese materielle Ausstattung eröffnet wirtschaftliche Möglichkeiten: - Was wird produziert? - Wie wird produziert - In welchem Rahmen? - Mit welchen Mitteln?
Die Wechselwirkungen zwischen Familie und Betrieb ergeben sich aus Den Zielen, die die unterschiedlichen Familienmitglieder mit dem Hof verbinden Den Erfahrungen, Ideen und Kapazitäten, die die Familienmitglieder in den Betrieb einbringen (wollen) Den Arbeitsanforderungen, die die Betriebsorientierung und die Betriebsausstattung (insbesondere das Vieh) stellen Den Investitionen, die zum Betriebserhalt erforderlich sind privat privat
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist kein Zukunftsmodell, denn Das bäuerliche Wertesystem hat die Wandlungen der modernen und postmodernen Gesellschaft (noch) nicht oder nur teilweise nachvollzogen Die vorindustrielle und religiös verankerte Bauernfamilie orientierte sich in ihrem Handeln und Verhalten an vier (idealen) Wertsystemen Zweckrational sich die Erde untertan machen Wertrational die Schöpfung bewahren Traditional risikominierend, auf das Bewährte setzend Affektuell - gebunden an Haus, Hof und Boden Hannes Schlee
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist kein Zukunftsmodell, denn der Wertewandel berücksichtigt immer nur die Anforderungen eines Teilsystems Traditional: - Denken vom Hof her - Individuelle Interessen werden dem Hof nachgeordnet - Generationenübergreifendes Gemeinschaftsleben - Sozialisation des Erben auf Hofübernahme ist zentrales Anliegen der Familie - Integration der Großfamilie widerspricht dem modernen Rollenverständnis und dem individuellen Streben nach Selbstverwirklichung - Hoher sozialer Druck, wenig zukunftsfähig aufgrund geringer Flexilibilität
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist kein Zukunftsmodell, denn der Wertewandel berücksichtigt immer nur die Anforderungen eines Teilsystems zweckrational: unternehmerisch profitorientiert, individualistisches Handeln, Familienwerte bleiben außen vor Mit der Strategie der Einkommensmaximierung werden Produktionsentscheidungen am Markt orientiert und die Familie verliert an Bedeutung Frau und Kinder können selbst über die Mitarbeit im Betrieb entscheiden, es besteht die Möglichkeit, Fremdarbeitskräfte anzustellen Die Familie spielt für den Betrieb keine Rolle
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist ein eingeschränktes Zukunftsmodell, denn der Wertewandel berücksichtigt immer nur die Anforderungen eines Teilsystems Ethisch-moralische Orientierungen über das Zusammenleben von Menschen und das Verhältnis von Arbeit und Einkommen Wertrational: integrativ geschlossener Betriebskreislauf; Familie wird stark beteiligt in mehreren Generationen Nachhaltigkeit und Kreislaufgedanken prägen die Beziehung zu Natur, Pflanzen und Tieren Ist (bedingt) zukunftsfähig und kompatibel mit der ökologischen Landwirtschaft
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist kein Zukunftsmodell, denn der Wertewandel berücksichtigt immer nur die Anforderungen eines Teilsystems affektuell: Die Liebe geht vor dem Betrieb Der Bestand des Betriebs in der nächsten Generation ist nicht gesichert Emotionale Bedürfnisse und moderne Vorstellungen von der romantischen Liebe bestimmen die Partnerwahl und Familienbildung Kann intergenerationelle Konflikte schüren und Wirtschaftlich vernünftige Entscheidungen schwächen
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist kein Zukunftsmodell, denn. Noch gibt es wenig Anzeichen, dass sich in Familienbetrieben die Beziehung zwischen Mann und Frau von einem patriarchalischen Rollenverständnis zu einer partnerschaftlichen Paarbeziehung wandelt privat 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Anteil m/w. Betriebsleitung pro Rechtsform HE NE PG JP Frauen Männer
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist kein Zukunftsmodell, denn Frauen auf dem Sprung Frauen. Noch gibt es wenig Anzeichen, dass sich in Familienbetrieben die Beziehung zwischen Mann und Frau von einem patriarchalischen Rollenverständnis zu einer partnerschaftlichen Paarbeziehung wandelt privat wollen Berufstätigkeit und Familie Im Zweifelfall verschieben sie den Kinderwunsch zugunsten der beruflichen Entwicklung und der finanziellen Unabhängigkeit (Brigitte/WZB/ infas 2013) Auch Männer wünschen inzwischen deutlich klarer eine partnerschaftliche Beziehung (NRW 2010), aber trifft das auch auf Bauern zu??
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist kein einfaches Zukunftsmodell, denn Intime soziale Beziehungen und Arbeitsbeziehungen überlagern sich und bilden widersprüchliche Realitäten Kann über alles gesprochen werden (Familie)? oder entscheidet jede/r in seinem Bereich? Was ist der Entscheidungsrahmen für den (potenziellen) Hofnachfolger: die Familie (die Eltern??) oder der Betrieb? Wie passen Autonomiestreben (persönliche Individuation) und Hofnachfolge privat (wirtschaftliche Überlegungen) zusammen?
Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist kaum ein Zukunftsmodell, denn die moderne Familie ist immer auch eine sich selbst auflösende Gruppe (Bohler 2012:70);. Aber die Familie auf dem eigenen Betrieb kann die nachfolgende Generation nicht einfach gehen lassen
Aber, wenn sich das Familienbild ändert.. Charlotte Schreiber und Sabina McGrew
Wenn sich das Familienbild ändert, kann der Familienbetrieb Zukunft haben.. Bäuerinnenpaar Milchschafhof Pimpinelle
Wenn sich das Familienbild ändert, kann der Familienbetrieb Zukunft haben.. Hofgemeinschaft mit mehreren Familien privat
Leitbild und Selbstverständnis moderner Familienbetriebe haben sich verändert; zukunftsfähig sind neue soziale Konzepte, die die Stärken des traditionellen Familienbetriebs aufgreifen: Das Leben und Arbeiten mit mehreren Generationen Eine ausgeglichene Work-Life-Balance für den/die Einzelne/n Suffizienz und Regionalität in der privat Ressourcennutzung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Quellen Literatur Bohler, Karl Friedrich: Bauernfamilien in der Moderne. In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie. Heft 2/2012:58-74 Internet Brigitte / WZB / infas: Frauen auf dem Sprung. Update 2013 http://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/studiefrauen-auf-dem-sprung-das-update-2013 NRW (2010) Die Rolle annehmen? In der Rolle bleiben? Neue Rollen leben? http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/pub likationen,did=161530.html