INFORMATIONSSTELLE BÜRGERBEGEHREN

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INFORMATIONSSTELLE BÜRGERBEGEHREN www.buergerbegehren.de Dr. Andreas Paust Zwickauer Str. 5 44139 Dortmund 0231/93110313 (d) info@buergerbegehren.de 11. Januar 2013 Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für Bürgerbeteiligung und vereinfachte Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Schleswig-Holsteins Gemeinden und Kreisen (Gesetz zur Stärkung der kommunalen Bürgerbeteiligung) 1. Vorbemerkung Das mit dem Gesetzentwurf angestrebte Ziel, kommunale Bürgerbeteiligung in Schleswig- Holstein zu stärken, ist begrüßenswert. Wenn Einwohnerinnen und Einwohner so frühzeitig und so intensiv wie möglich in Beratungs- und Entscheidungsprozesse einzubezogen werden, bringt das nicht nur einen demokratischen Mehrwert. Die Berücksichtigung des sich im Rahmen der Bürgerbeteiligung artikulierenden Sachverstandes führt darüber hinaus tendentiell zu verbesserten, weil auf einer breiteren bürgerschaftliche Informationsgrundlage beruhenden Entscheidungen. 2. Unterrichtung der Einwohnerinnen und Einwohner ( 16 a) 16 a verlangt von der Gemeinde, die Einwohnerinnen und Einwohner über allgemein bedeutsame Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu unterrichten. Dies soll bei wichtigen Planungen möglichst frühzeitig geschehen. Den Einwohner/innen soll Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dafür ein besonderes Bedürfnis besteht. Die drei in Anführungszeichen gesetzen Relativierungen wichtig, möglichst, sofern ein besonderes Bedürfnis besteht sind geeignet, die Regelung ins Leere laufen zu lassen. Im Zweifelsfall kann eine Gemeinde eine Unterrichtung unterlassen, weil es sich ihrer Ansicht nach a) nicht um eine wichtige Planung handelt, b) eine frühzeitige Unterrichtung aus diversen Gründen nicht möglich oder sinnvoll ist, c) ein besonderes Bedürfnis nach Äußerung seitens der Bürgerschaft nicht besteht. Es ist stets in das Ermessen der Gemeinde gestellt, ob sie eine Unterrichtung vornimmt. Um dieses Problem zu vermeiden, sollte ein Verstoß gegen den 16 a mit einer Sanktionsmöglichkeit versehen werden. Diese kann in der Unwirksamkeit einer Entscheidung bestehen, die von einem Gericht auf Antrag eines Einwohners festgestellt werden kann, wenn es der Gemeinde nicht gelingt nachzuweisen, dass die Bedingungen a), b) oder c) eingetreten sind. Es wird vorgeschlagen, folgenden Satz zu ergänzen: Ein Verstoß gegen die Absätze 1 und 2 berührt die Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Darüber hinaus sollte die Regelung ergänzt werden um einen Passus, der den Einwohnern erlaubt, selbst eine Unterrichtung zu erzwingen. Dies könnte mit Hilfe eines Verfahrens ermöglicht werden, das sich an die Regelungen zum Einwohnerantrag ( 16 f siehe dazu auch die Anmerkungen weiter unten) anlehnt.

Es wird vorgeschlagen, folgenden Satz zu ergänzen: Eine Unterrichtung findet statt, wenn dies mindestens 3% der Einwohnerinnen und Einwohner, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, verlangen. Schließlich sollte der Paragraph um eine Regelung ergänzt werden, die nicht nur eine Unterrichtung, sondern eine darüber hinaus gehende echte Beteiligung verlangt. Dabei soll der Gemeinde nicht vorgeschrieben werden, welche Beteiligungsform sie zu wählen hat. Diese ist stets abhängig von dem zu behandelnden Thema und den örtlichen Gegebenheiten. Das Spektrum reicht von einfachen Verfahren, wie einer kurzen Einwohnerversammlung, bis hin zu langfristig angelegten und auf größtmögliche Beteiligung angelegten Verfahren, wie einem internetgestützten Bürgerforum. Allerdings sollte eine klare Aufforderung an die Gemeinde ergehen, sich in jeden konkreten Einzelfall über die angemessene Art und Weise der Bürgerbeteiligung Gedanken zu machen. Hier bietet der Gesetzentwurf mit dem 47 f Satz 2 einen konkreten Formulierungsvorschlag. Es wird vorgeschlagen, den Absatz 1 wie folgt neu zu fassen: Die Gemeinde muss die Einwohnerinnen und Einwohner über allgemein bedeutsame Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft unterrichten und sie daran beteiligen. Hierzu muss die Gemeinde geeignete Verfahren entwickeln. Wenn dieser Vorschlag umgesetzt wird, kann die Leerformel Die Gemeinde fördert das Interesse an der Selbstverwaltung. entfallen. 3. Einwohnerantrag ( 16 f) 16 f regelt, wie Einwohnerinnen und Einwohner ein Thema kollektiv auf die kommunalpolitische Agenda setzen können. In der Praxis wird vom Einwohnerantrag kaum Gebrauch gemacht. Dies hängt damit zusammen, dass er zwar detaillierten Vorgaben genügen und formalen Hürden überspringen muss, seine Wirkung aber nur äußert begrenzt ist, da er wie es auch in der Gesetzesbegründung heißt lediglich die Beratung eines Gegenstandes in der Gemeindevertretung verfolgt. Es gibt für Einwohnerinnen und Einwohner, die ein konkretes Anliegen in den Gremien der Gemeinde thematisieren wollen, keinerlei Anreiz, das komplexe Verfahren eines Einwohnerantrags zu durchlaufen, wenn der gleiche Effekt nämlich ein simpler Behandlungszwang mit einer einfachen Anregung/Beschwerde nach 16 e erzielt werden kann. Dies hängt zum einen mit der Höhe des Unterschriftenquorums zusammen. Das in Absatz (3) abgesenkte Quorum ist entgegen der Gesetzesbegründung nicht geeignet, das Ungleichgewicht im Verhältnis zur Einleitung eines Bürgerbegehrens zu beseitigen. Denn ein Quorum von 4% der Einwohnerinnen und Einwohner über 14 Jahren ist immer noch höher als ein Quorum von 4% der Bürgerinnen und Bürger, die für ein Bürgerbegehren in Gemeinden mit mehr als 150.000 Einwohnern notwendig sind. (Das heißt: in Kiel und Lübeck müssen auch nach der vorgeschlagenen Neuregelung mehr Unterschriften für einen Einwohnerantrag gesammelt werden als für ein Bürgerbegehren.) Das Quorum für einen Einwohnerantrag ist auf höchstens 3% der Einwohnerinnen und Einwohner über 14 Jahre festzusetzen. Der Einwohnerantrag ist auch deshalb unattraktiv, weil er mit einer bürokratischen Zulässigkeitsprüfung durch die Kommunalaufsichtsbehörde verbunden ist. Es gibt jedoch keinen Grund, nicht die Gemeindevertretung selbst über die Zulässigkeit eines Einwohnerantrags entscheiden zu lassen. (Siehe hierzu auch die Anmerkungen unten zu 16 g, Abs. 5.)

Nicht die Kommunalaufsichtsbehörde, sondern die Gemeindevertretung sollte über die Zulässigkeit eines Einwohnerantrags entscheiden. 4. Bürgerbegehren, Bürgerentscheid ( 16 g) Die in 16 g vorgeschlagenen Änderungen sind grundsätzlich geeignet, die Nutzung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu erleichtern und damit die lokale Demokratie zu fördern. Absatz (1) regelt die Bedingungen der Herbeiführung eines sogenannten Ratsbürgerentscheids. Die Absenkung des Quorums von einer Zwei-Drittel-Mehrheit zu einer einfachen Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreter ermöglicht, dass zukünftig Gemeindevertretungen öfter zu diesem Instrument greifen, um strittige Entscheidungen einer Beschlussfassung durch die Bürgerschaft zu unterwerfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um Entscheidungen handelt, bei denen die Positionen quer zu den Fraktionslinien verlaufen, und sich die politischen Kräfte innerhalb der Gemeindevertretung über einen längeren Zeitraum selbst blockieren. Die frühere Zwei-Drittel-Regelung war in diesen Fällen regelmäßig nicht geeignet, solche Blockaden zu lösen, die es einer kleiner Veto-Gruppe ermöglicht wurde, den Ratsbürgerentscheid zu verhindern. Die entfallende Beschränkung auf wichtige Selbstverwaltungsaufgaben schafft Rechtssicherheit, weil nun der zwischen Gemeinde und Bürgern ausgetragene Streit entfällt, ob eine angefochtene Entscheidung eine wichtige Selbstverwaltungsaufgabe ist oder nicht. Absatz (2) enthält den sogenannten Negativkatalog, der diejenigen Themen auflistet, die einem Bürgerentscheid (und damit auch einem Bürgerbegehren) nicht zugänglich sind. Dieser Katalog ist teilweise immer noch zu restriktiv. Punkt 3 schließt eine Beschlussfassung über die Haushaltssatzung aus. Diese Einschränkung, die sich auch in anderen Gemeindeordnungen findet, wird regelmäßig damit begründet, dass das Budgetrecht das höchste Recht der Gemeindevertretung sei, das man dieser nicht entziehen dürfe. Auch wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Materie zu komplex sei, als dass die Bevölkerung darüber sachkundig abstimmen könne. Beide Argumente überzeugen nicht. Das Budgetrecht gebührt dem Parlament; genau darum handelt es sich bei einer Gemeindevertretung aber nicht. Diese ist vielmehr Teil der Verwaltung; eine parlamentarische Gesetzgebungskompetenz, wie sie dem Landtag oder dem Bundestag zukommt, hat sie nicht. In vielen Kommunen wird mittlerweile der Bevölkerung die Möglichkeit eingeräumt, im Rahmen eines Bürgerhaushalts über einzelne Etatposten mit zu entscheiden. Dabei werden nicht nur Vorschläge zur Verwendung der Haushaltsmittel gesammelt, sondern es wird auch Wissen über die Zusammenhänge innerhalb eines kommunalen Haushalts vermittelt. Einen Bürgerentscheid über die Haushaltssatzung zu ermöglichen, ist daher nur folgerichtig. Es ist im übrigen davon auszugehen, dass es nur selten Bürgerentscheide über den Haushalt geben wird. Da die Entscheidung in Form einer Ja/Nein-Abstimmung immer nur über den Gesamtetat erfolgen kann, und dessen Ablehnung eine haushaltslose Zeit mit den Restriktionen einer vorläufigen Haushaltsführung schaffen würde, wird es nur in seltenen Ausnahmefällen zu einer Ablehnung des städtischen Etats durch die Bevölkerung kommen. Der Ausschluss der Haushaltssatzung vom Bürgerentscheid sollte entfallen. Punkt 5 schließt die Hauptsatzung vom Bürgerentscheid aus. Diese ist jedoch eine wichtige Satzung der Gemeinde, da sie das Gerüst der kommunalpolitischen Arbeit vorgibt. Sie regelt z.b. die ständigen Ausschüsse, die Anzahl Ortsbeiräte, die Durchführung von Einwohnerversammlungen. Alles dies kann für die Bürgerinnen und Bürger von so gro-

ßem Interesse sein, dass sie darüber abstimmen möchten. Es ist deshalb keinen Grund ersichtlich, warum die Hauptsatzung nicht Gegenstand eines Bürgerentscheids sein sollte. In der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens beispielsweise ist die Hauptsatzung mittlerweile nicht mehr im Ausschlußkatalog enthalten. Der Ausschluss der Hauptsatzung vom Bürgerentscheid sollte entfallen. Absatz (3) benennt die formalen Bestimmungen für ein Bürgerbegehren (Schriftlichkeit, Fragestellung, Begründung, Vertretungsberechtigte). Zu begrüßen ist, dass nicht mehr die Bürgerinnen und Bürger verpflichtet werden, einen Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme zu formulieren, sondern nunmehr die zuständige Verwaltung eine Übersicht über die erwartenden Kosten der verlangten Maßnahmen erarbeiten muss. Hier ist allerdings ein Konflikt zwischen den Initiatoren des Begehrens und der Verwaltung vorprogrammiert. Es ist zu erwarten, dass Vorwürfe laut werden, die Verwaltung würde Kosten zu hoch ansetzen, um die Erfolgsaussichten des Begehrens zu schmälern. Deshalb ist es durchaus hilfreich wie im Gesetzentwurf vorgesehen, die Kommunalaufsicht als weitere Beratungsinstanz zu benennen. Dennoch ist zu erwarten, dass es hierüber immer wieder zu Auseinandersetzungen kommen wird. Deshalb sollte die Pflicht zu Nennung einer Kostenschätzung wie auch in der bayerischen Gemeindeordnung komplett entfallen. Es bleibt der Gemeinde immer noch die Möglichkeit, im Rahmen des Abstimmungskampfes ihre Sicht der Dinge und damit auch die aus ihrer Sicht zu erwartenden Kosten darzulegen. Absatz (5) enthält auch zukünftig die schleswig-holsteinische Besonderheit, dass nicht die Gemeindevertretung, sondern die Kommunalaufsichtsbehörde über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens entscheidet. Dies ist ein unnötiger Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, den es in keinem anderen Bundesland gibt. Mit der Regelung wird die Fiktion einer unabhängigen Kontrollinstanz erweckt, die faktisch jedoch nicht existiert. So wie eine Gemeindevertretung, kann auch eine Kommunalaufsichtsbehörde irrtümlicherweise die Zulässigkeit oder die Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens feststellen. Selbstverständlich unterliegen ihre Entscheidungen, wie auch die Gemeinderatsentscheidungen in anderen Bundesländern, der richterlichen Überprüfung. Dennoch erwecken Zulässigkeitsentscheidungen der Kommunalaufsicht in unzutreffender Weise den Eindruck einer größeren Objektivität. In den anderen Bundesländern hat sich bewährt, dass die Gemeinderäte die Zulässigkeitsentscheidung treffen. Interessenkonflikte lassen sich dabei nicht feststellen. Die Zulässigkeitsentscheidung sollte durch die Gemeindevertretung erfolgen. Absatz (7) legt ein gestaffeltes Zustimmungsquorum für den Erfolg eines Bürgerentscheids fest. Dies ist ein großer Fortschritt gegenüber dem bisherigen starren Quorum von 20%. Allerdings ist die Festlegung eines Zustimmungsquorums grundsätzlich umstritten. Es verleitet die Gegner eines Bürgerbegehrens dazu, sich mit dem Begehren nicht inhaltlich auseinander zu setzen, sondern zu versuchen, es mit Hilfe von Boykottstrategien am Quorum scheitern zu lassen. Darüber hinaus ist häufig das unbefriedigende Ergebnis zu beobachten, dass zwar eine große Mehrheit für das Begehren gestimmt hat, dieses aber das notwendige Quorum nicht erreicht hat. Die grundsätzlich von einem Bürgerentscheid ausgehende Befriedungsfunktion in einem kommunale Konflikt läuft dann ins Leere. Im übrigen ist es der Bevölkerung in Zeiten einer stetig zurück gehenden Wahlbeteiligung nicht zu vermitteln, warum es zwar bei einem Bürgerentscheid ein Quorum gibt, nicht aber bei einer Wahl. Das Quorum sollte ersatzlos gestrichen werden.

Absatz (9) ermöglicht die Durchführung einer konsultativen Bürgerbefragung in einem Ortsteil. Da eine solche unverbindliche Befragung nicht die gleiche Wirkung hat wie ein Bürgerentscheid, gehört diese Regelung sachlogisch nicht in in den 16 g. Gegebenenfalls ist dazu ein eigener Paragraph zu formulieren. Unabhängig davon ist allerdings nicht nachvollziehbar, warum es auf Ortsteilebene keine dem Bürgerbegehren/-entscheid entsprechenden Instrumente geben soll. Es ist durchaus angebracht, den Bürgerinnen und Bürgern auch bei ortsteilbezogenen Themen direktdemokratische Rechte einzuräumen. Es wird empfohlen, in Anlehnung an eine entsprechende Bestimmung der nordrheinwestfälischen Gemeindeordnung; alternativ folgende Regelung aufzunehmen: In einem Ortsteil i.s. 47 a können Bürgerbegehren und Bürgerentscheid durchgeführt werden, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, für welche der Ortsbeirat zuständig ist. Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass 1. das Bürgerbegehren von im Ortsteil wohnenden Bürgern unterzeichnet sein muss, 2. bei einem Bürgerentscheid nur die im Ortsteil wohnenden Bürger stimmberechtigt sind, 3. der Ortsbeirat mit Ausnahme der Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 an die Stelle der Gemeindevertretung tritt. 5. Schlussbemerkung Die im vorliegende Gesetzentwurf formulierten Änderungen sind geeignet, das Wissen und die Kenntnisse der örtlichen Bevölkerung im Rahmen von Beratungs- und Entscheidungsprozessen besser zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber könnte aber noch darüber hinaus gehen und neue Standards bei der kommunalen Bürgerbeteiligung setzen. Die nach langjähriger Praxis in allen Bundesländern deutlich gewordenen Restriktionen bei der Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden werden bei den vorgeschlagenen Neuregelungen nur teilweise berücksichtigt. Im Einzelfall fallen die Bestimmungen hinter gute und bewährte Regelungen in anderen Bundesländern zurück.