Herausforderung Klimawandel Mögliche Anpassungsreaktionen der Landwirtschaft in Baden- Württemberg Konsequenzen für den Pflanzenschutz Außenstelle Stuttgart
Everybody talks about the weather but nobody does anything about it. Aus: Mark Twain & Charles Dudley Warner: The Gilded Age
Klimawandel und Pflanzenschutz Klima / Wetter Pflanzenschäden / Verluste Einfluss des Klimawandels auf Schadursachen abiotisch Krankheiten Schädlinge Unkräuter Einfluss des Klimawandels auf Pflanzenschutzmaßnahmen Fazit
Was ist Klima? Klima = das durchschnittliche Wetter an einem bestimmten Erdort in einem bestimmten längeren Zeitraum Witterung = allgemeiner Ablauf der Wettererscheinungen über einen relativ kurzen Zeitraum Wetter schwankt mit mehr oder minder großen Ausschlägen um Durchschnittswerte => Klimawandel ist ein schleichender Prozess Einfluss der Witterung überlagert Einfluss des Klimas auf den Pflanzenschutz
Wetterschwankungen und Pflanzenschutz trockener Sommer 2006 Rapsglanzkäfer-Invasion Krautfäule bedeutungslos starkes Auftreten nicht-parasitärer Blattflecken warmer Winter 2006 / trockenes Frühjahr 2007 massiver Rost und Mehltaubefall nasser Sommer 2007 Krautfäule-Epidemie Rapsglanzkäfer bedeutungslos Braunrost an Weizen
Wie ändert sich das Klima in Baden-Württemberg bis 2050? Meteorologische Größe Veränderungen Analyse Prognose 1951 2000 2001 2050 Jahresmitteltemperatur + 1,5 C + 1,2 C Jahresniederschlag + 90 mm -9 mm Anzahl Frosttage / Jahr - 30-40 Anzahl Sommertage / Jahr + 20 + 25 [Daten aus KLARA, 2005 (Klimawandel Auswirkungen, Risiken, Anpassung)]
Wie ändert sich das Klima in Baden-Württemberg bis 2050? Temperaturanstieg um 0,6 bis 1,6 C im Jahresdurchschnitt Temperaturzunahme vor allem im Winterhalbjahr um bis zu 2 C Abnahme der Frosttage von bis zu 40 geringere Temperaturzunahme im Sommerhalbjahr (Zunahme der Sommertage) Verlängerung der Vegetationsperiode Änderung der Jahresniederschlagsmenge weniger als 10 % Zunahme der Winterniederschläge Abnahme der Sommerniederschläge => regenreiche Winter, Sommer mit Trockenperioden häufigere Wetterextreme Starkregen Hagel Sturm Zunahme von CO 2, Ozon, UV-Strahlung [Quelle: KLIWA und KLARA]
Wodurch können Pflanzen Schäden erleiden? Schadursachen genetisch abiotisch biotisch Krankheitserreger Schädlinge Unkräuter -Mutation - Klima / Witterung - Bodenbedingungen - Luftverunreinigungen - Viren / Viroide -Bakterien - Phytoplasmen - Pilze - Nematoden - Schnecken - Milben - Insekten - Wirbeltiere - parasitische Samenpflanzen - Samenpflanzen
Potentieller Ertrag und Art der Ernteverluste [BAYER AG, 2006]
Einfluss des Klimawandels auf genetische Schadursachen Zerstörung der Ozonschicht Zunahme der UV-Strahlung am Boden Zunahme von Mutationen (Pflanze und Schaderreger) Mutation an Ahorn
Abiotische Schadursachen Gesundheit und normale Entwicklung der Pflanzen sind nur gewährleistet, wenn Umweltbedingungen den Ansprüchen der Pflanze entsprechen Überschreitung der Belastbarkeit durch ungünstige Faktoren führt zu Schäden Schädigungen durch abiotische Faktoren schaffen häufig Voraussetzung (Prädisposition) für Schaderregerbefall
Einfluss des Klimawandels auf abiotische Schadursachen stärkere Schäden durch intensivere Sonneneinstrahlung mehr Schäden durch Sommertrockenheit mehr Schäden durch Spätfröste mehr Schäden durch Stürme, Starkniederschläge, Hagel Sonnenbrand an Apfel [Fotos: LTZ] Hagelschaden an Apfel => Zunahme nicht-parasitärer Schäden
Schadursachen Licht (UV-Strahlung) Nicht-parasitäre Blattflecken an Wintergerste [Foto: Pfister]
Schadursachen Licht (UV-Strahlung) Einfluss von Sorte und Fungiziden auf nichtparasitäre Blattflecken bei Gerste [Quelle: Burke et al.]
Einfluss des Klimawandels auf Krankheitserreger Krankheitserreger Virulenz, Häufigkeit etc. Umfang der Erkrankung (Ertragsverlust) Umwelt Boden, Witterung Anfälligkeit, Entwicklungsstadium etc. Wirtspflanze
Einfluss des Klimawandels auf Krankheitserreger Viren wärmeres Winterhalbjahr warmer Herbst warmer Winter Auftreten von Virusvektoren (Blattläuse / Zikaden) in Winterungen im Herbst geringe Auswinterungsverluste virusbefallener Pflanzen anholozyklische Überwinterung große Vektorpopulationen im Frühjahr Infektion empfindlicher Jugendstadien (BYDV / WDV) hohes Virusinokulum im Frühjahr für Winterund Sommerkulturen starke Virusausbreitung in Winter- und Sommerkulturen Ernteverluste (Totalausfall)
Einfluss des Klimawandels auf Krankheitserreger Viren [Foto: Liebig] Barley yellow dwarf virus an Wintergerste => Virus-Erkrankungen durch höhere Vektoraktivität in wärmeren Winterhalbjahren eher begünstigt
Einfluss des Klimawandels auf Krankheitserreger Pilze auf Niederschlag und Feuchtigkeit angewiesene Pilze (z. B. Septoria, Rhynchosporium, Phoma, Phytophthora) - im Winter eher zunehmend - im Sommer eher abnehmend Phoma an Raps [Foto: LTZ]
Einfluss des Klimawandels auf Krankheitserreger Pilze Wärme liebende Pilze eher zunehmend (z. B. Getreide-Roste, Cercospora-Blattflecken bei Rübe, Alternaria an Kartoffel, Krebs der Esskastanie, Schwarzfäule der Rebe) Braunrost an Weizen
Einfluss des Klimawandels auf Krankheitserreger Pilze tendentiell Abnahme pilzlicher Erkrankungen Verschiebungen im Artenspektrum Auftreten neuer Schadpilze (z. B. Cryphonectria parasitica, Monilia fructicola)
Einfluss des Klimawandels auf Schädlinge Verschiebung der Verbreitungsgrenze nach Norden und in Höhenlagen Maiszünsler, Baumwollkapselwurm, Mittelmeernelkenwickler Entwicklung zusätzlicher Generationen im Jahreszyklus Maiszünsler, Kartoffelkäfer, Getreidehähnchen steigende Überlebensraten in milden Wintern Blattläuse, Nacktschnecken Besiedlung des Freilands vom Gewächshaus aus Thripse (Frankliniella occidentalis), Wurzelgallenälchen leichtere Besiedelung durch Witterung vorgeschädigter Pflanzen Borkenkäfer < Kartoffelkäffer [Fotos: LTZ] Mittelmeernelkenwickler >
Einfluss des Klimawandels auf Schädlinge Blattläuse (Virus-Vektoren) im Herbst länger und im Frühjahr früher aktiv anholozyklische Überwinterung Maiszünsler Entwicklung einer kompletten zweiten Generation möglich Gegenspieler Trichogramma brassicae leidet unter hohen Temperaturen Schnecken trockene, warme Sommer reduzieren Nacktschneckenpopulationen feuchte, milde Winter gleichen Verluste aus Schwarze Bohnenblattlaus > [Fotos: LTZ] < Maiszünsler
Einfluss des Klimawandels auf Schädlinge tendentiell Zunahme tierischer Schaderreger Verschiebungen im Artenspektrum Auftreten neuer Schadtiere (z. B. Westlicher Maiswurzelbohrer, Baumwollkapselwurm, Eichenprozessionsspinner)
Einfluss des Klimawandels auf Unkräuter milde Winter - begünstigen Herbstkeimer (z. B. Acker-Fuchsschwanz, Klettenlabkraut, Taubnessel) - erhöhen Durchwuchsproblematik (z. B. Kartoffel, Mais) längere Trockenperioden in Frühjahr und Sommer - begünstigen Pflanzen mit unterirdischen Speicher- und Überdauerungsorganen (z. B. Distel, Quecke, Winden) längere Trockenperioden in Frühjahr und Sommer in Kombination mit Starkregenereignissen erschweren Herbizideinsatz - schwer bekämpfbare Unkräuter zunehmend (z. B. Distel, Quecke, Ampfer, Trespen, Rispengräser) warme Sommer - begünstigen Wärme liebende Arten (z. B. Hirse, Melde, Gänsefuß, Franzosenkraut, Wolfsmilch) - begünstigen parasitische Samenpflanzen (Orobanche, Striga)
Einfluss des Klimawandels auf Unkräuter Ehrenpreis Taubnessel Verunkrautung in Wintergerste mit Herbstkeimern
Einfluss des Klimawandels auf Unkräuter Verschiebungen im Artenspektrum Auftreten neuer Arten (z. B. Beifüßige Ambrosie, Samtpappel) tendenziell Zunahme des Unkrautdrucks < Beifüßige Ambrosie [Foto: Schrameyer]
Einfluss des Klimawandels auf Pflanzenschutzmaßnahmen Warmes Winterhalbjahr keine Vegetationsruhe und Weiterentwicklung von Schaderregern verlängerte Vegetationsperiode (verlängerte vegetative Entwicklung) verstärkter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Trockenheit, hohe Temperaturen, starke Einstrahlung führen zu Wirkungsminderungen von Pflanzenschutzmitteln bei Bodenherbiziden wegen verminderter Wirkstoffaufnahme durch Wurzel bei Blattherbiziden wegen verminderter Wirkstoffaufnahme durch stärkere Wachsschichten auf Epidermis durch Abdampfen und schnelleren Abbau (Hitze, UV-Licht) Starkregen mit Wassererosion Abtrag von Pflanzenschutzmitteln von Behandlungsfläche (Wirkungsminderung bei Bodenherbiziden) Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässer
Klimawandel und Pflanzenschutz Forschungs- und Entwicklungsbedarf Monitoring zum Auftreten neuer Schaderreger zunehmende Wetterextreme erfordern neue, schnelle und sichere Diagnoseverfahren Klärung von Epidemiologie / Populationsdynamik (neuer) Schaderreger Weiterentwicklung von Prognosemodellen / Expertensystemen Weiterentwicklung von Integrierten Bekämpfungsverfahren Pflanzenzüchtung gegen parasitäre und nicht-parasitäre Schäden
Fazit Klimawandel und Pflanzenschutz Verschiebungen bei den Schadursachen starke Zunahme nicht-parasitärer Schäden (Trockenheit, Strahlung, Hitze) Pilzkrankheiten verlieren tendenziell an Bedeutung Zunahme von Viren, Bakterien, tierischen Schaderregern, Unkräutern Schadursachen genetisch abiotisch biotisch Krankheitserreger Schädlinge Unkräuter Mutation Witterung/Klima Bodenbedingung Luftverunreinigung Viren / Viroide Bakterien Phytoplasmen Pilze Nematoden Schnecken Milben Insekten Wirbeltiere Samenpflanzen
Fazit Klimawandel und Pflanzenschutz keine absolute Zunahme / Abnahme von Schaderregern zunehmender Einsatz von Herbiziden, Insektiziden (und Fungiziden) vor Winter Wirkung von Pflanzenschutzmitteln unsicherer jährliche Schwankungen der Pflanzenschäden zunehmend Schaderreger folgen ihren Wirtspflanzen Überwachung des Auftretens neuer Schaderreger Herausforderung Klimawandel Chance oder Risiko für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg? Aus Sicht des Pflanzenschutz ist das Risiko handhabbar!