Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention Deutscher Sportärztebund e. V. Möglichkeiten und Nutzen hormoneller Kontrazeption für Sportlerinnen Erarbeitet von der Ständigen Kommission Frauensport Federführend: Dr. Susanne Koene und Prof. Dr. Ulrike Korsten-Reck (Vorsitzende) DGSP Januar 2015
Von 18 Millionen deutschen Frauen im gebärfähigen Alter (zwischen 15 und 49 Jahren) wünschen sich 75 % eine sichere Kontrazeption. Insgesamt 48 %, also knapp 9 Mio deutscher Frauen, wenden dabei hormonelle Methoden an. Unter den Anwenderinnen finden sich Sportlerinnen im selben Prozentsatz. Zur Verhütung stehen die kombinierten oralen Kontrazeptiva, der Vaginalring, Hormonpflaster, die östrogenfreie Minipille, Gestagen beladene Spiralen und Depotgestagene zur Auswahl. Sportlerinnen haben auf Grund der von ihnen betriebenen Sportart und Leistungsintensität neben dem Wunsch nach Verhütung vielfältige Bedürfnisse, denen mit der richtigen Kontrazeptionsmethode Rechnung getragen werden kann. Eine genaue Kenntnis der Kontrazeptiva und ihrer Wirkung ermöglicht eine differenzierte Beratung und Behandlung der Sport treibenden Frau und kann ihre Zufriedenheit sichern. Kombinierte orale Kontrazeptiva (Mikropillen) enthalten eine Östrogen- und eine Gestagenkomponente, die in der Dosierung und Phasenlänge variiert werden können. Von ihnen werden die Einphasenpräparate, bei denen das Östrogen und das Gestagen in derselben Dosis über die gesamte Einnahmedauer appliziert werden, am häufigsten angewendet. Dabei wird die Östrogenkomponente am häufigsten durch Ethinylöstradiol gebildet. Die Gestagenkomponente stellen 19-Nortestosteron- oder 17-OH-Progesteron-Derivate. Während der Östrogenanteil in kombinierten oralen Kontrazeptiva die Suppression der Follikelreifung sowie die Endometriumproliferation und -stabilisierung bedingt, bewirkt der Gestagen-Anteil die Ovulationshemmung, die Endometriumtransformation sowie die periphere Wirkung auf die Motilität der Tuben und die Zervixfaktoren. In der Praxis ist die Einteilung der Gestagene nach ihrem Wirk-
spektrum relevant, obwohl sie nach ihrer zeitlichen Entwicklung in Gestagene der 1., 2. und 3. Generation unterschieden werden. Sportlerinnen benötigen eine Pille, die ihnen in der Trainingsund besonders in der Wettkampfsituation Leistungsstabilität und -kontinuität gewährleistet. Dabei ist gerade für junge Frauen zur Identifikation mit ihrer Weiblichkeit ein verlässliches Zyklusintervall wichtig. Obwohl durch die Möglichkeit, Tampons zu verwenden, Sport auch während der Menses für viele Frauen kein Hindernis darstellt, wirken Dys- und Hypermenorrhoe einschränkend. Das prämenstruelle Syndrom liefert vielen Sportlerinnen bereits vor Einsetzen der Regelblutung einen Leistungsknick. Diese Begleitprobleme des Zyklusgeschehens werden durch kombinierte hormonelle Kontrazeptiva gemindert. Für Einphasenpräparate stehen unterschiedliche Einnahmeschemata zur Verfügung. Das Schema 21-7 soll den natürlichen Zyklus imitieren, in dem 21 wirkstoffhaltige Pillen eingenommen werden. In der 7-tägigen Pause setzt die Regelblutung als Hormonentzugsblutung ein. Beim 24-4 Schema ist das einnahmefreie Intervall auf 4 Tage verkürzt, wodurch Nebenwirkungen in der einnahmefreien Zeit reduziert werden und die antiandrogenen Effekte einiger Präparate erhalten bleiben. In der Langzyklus-Anwendung wird nach Einnahme der Pillen von drei oder vier Blistern eine 7-tägige Pause gemacht, während bei der Langzeiteinnahme über einen sehr langen Zeitraum, z.b. ein Jahr, gar keine Pause gemacht wird. Medizinisch gibt es zur mehrere Monate umfassenden Langzyklus- oder Langzeitanwendung keine Kontraindikationen, und sie ist mit allen Einphasenpräparaten durchführbar (stellt allerdings mit herkömmlichen Kontrazeptiva eine
Offlabel -Anwendung dar). Sportlerinnen profitieren von der Dauereinnahme, da Beschwerden, die hormonmangelbedingt im einnahmefreien Intervall aufteten können, wegfallen. Gleichzeitig entsteht eine höhere kontrazeptive Sicherheit bei Vergessen einzelner Tabletten oder bei Zeitverschiebungen auf Reisen an Wettkampforte anderer Länder. Es resultiert eine optimale ovarielle Suppression und damit das Ausbleiben von Cystenbildungen mit Schmerzen und Zwischenblutungen. Es kommt zu einem insgesamt geringeren Blut- und Eisenverlust mit konsekutiver Abnahme von Anämien. Prämenstruelle Salzund Flüssigkeitsretentionen sowie Gefäßdilatationen werden reduziert. Durch den Gestagenanteil lassen sich die Neigung zu unreiner Haut und vermehrter Körperbehaarung sowie zu gesteigerter Ödembildung mindern: Es werden antiandrogene und antimineralcorticoide Eigenschaften beschrieben. Gerade für Sportarten, bei denen das Gewicht der Athlethin eine wichtige Rolle spielt, ist die reduzierte Neigung zur Wassereinlagerung von vorrangiger Bedeutung. Der Verhütungsring entspricht in seiner Wirkweise der Einphasenpille. Die stabile Wirkstoffkombination wird aus Ethinylestradiol und Etonogestrel gebildet. Der Ring liegt 3 Wochen in der Scheide und sorgt über die Scheidenhaut für eine kontinuierliche Hormonfreisetzung direkt in die Blutbahn. Die Vorteile des Rings gegenüber der Pille bestehen in der Stabilität der Wirkspiegel/24 Stunden und in der Tatsache, dass tägliche Einnahmenotwendigkeiten wegfallen. Das kommt besonders Sportlerinnen zugute, die viel reisen und mit Zeitverschiebungen konfrontiert sind. Darüber hinaus ist auch für den Ring eine Langszeitanwendung möglich, wenn der Austausch im 3 Wochenrhythmus ohne Pause erfolgt. Hormonpflaster stellen die Verhütung über einen transder-
malen Applikationsweg sicher. Hierbei wird das Pflaster, das täglich 20 µg Ethinyloestradiol und 150 µg Norelgestromin abgibt, wöchentlich gewechselt. Auf 3 Pflasterwochen folgt eine pflasterfreie Woche, in der die Abbruchblutung stattfindet. Die Sicherheit des Präparats ist vergleichbar mit der eines kombinierten oralen Kontrazeptivums, die Vorteile entsprechen denen des Verhütungrings. Die gute Haftfähigkeit des Pflasters an Armen und Gesäß ermöglicht die Einsetzbarkeit in der Sauna und bei sportlicher Aktivität. Die Gestagenpille, als östrogenfreies Präparat auch als Minipille bezeichnet, wird kontinuierlich eingenommen. Sie beinhaltet Levonorgestrel oder Desogestrel. Da Levonorgestrel nur über die peripheren Gestagenwirkungen agiert, d.h. nur auf Tubenmobilität, Endometrium (Transformation) und Zervixfaktoren Einfluss nimmt, wird die levonorgestrelhaltige Minipille von vielen Sportlerinnen als sehr natürliches Kontrazeptivum empfunden, muss allerdings sehr konsequent im 24- Std.-Intervall eingenommen werden. Desogestrel verhindert zusätzlich die Ovulation und bietet damit eine größere Sicherheit und Zyklusstabilität als Levonorgestrel. Die antiandrogene Wirkung der Gestagenpillen ist vernachlässigbar. Die gestagenhaltigen Spiralen, die Levonorgestrel freisetzen, können 3 (Jaydess ) oder 5 Jahre (Mirena ) in utero verbleiben. Sie geben durchschnittlich 6-14 µg Hormon/24 Std. frei und wirken auf 3 Arten: der Schleimpfropf im Gebärmutterhals wird verdickt, die Aktivität der Spermien in der Gebärmutter wird gehemmt und der Aufbau der Schleimhaut wird verringert, so dass sich bei z.t. erhaltenem Eisprung kein Ei einnisten kann. Anwendungsfehler durch Vergessen oder Zeitverschiebung sind nicht möglich.
Eine Spirale kommt auch für Frauen, die noch nicht geboren haben, in Frage, wenn die Einlage durch einen erfahrenen Arzt vorgenommen wird. Sie kann jederzeit entfernt werden. Das Verhütungsstäbchen Implanon ist ein Depot Präparat mit Etonogestrel, das für 3 Jahre subcutan (Oberarm) eingelegt wird und über die Ovulationshemmung wirkt. Nachteilig für Sportlerinnen sind Blutungsstörungen, die gehäuft auftreten (in über 17 % der Fälle in den ersten 2 Jahren) sowie eine erschwerte Explantation, die mit einem kleinen Hautschnitt verbunden ist. Von allen Gestagen-Depotpräparaten ist das Verhütungsstäbchen das Teuerste. Depotgestagene, die Medroxyprogesteronacetat beinhalten, werden alle 3 Monate subcutan oder intramuskulär appliziert. Über die Suppression der Hypothalamus-Hypophysen- Ovar-Achse führen Sie zu einer ovariellen Funktionsruhe, die den Kontrazeptionswunsch häufig über Monate überdauert. Diese schlechte Steuerbarkeit sowie eine Abnahme der Knochendichte unter einer 3-jährigen Anwendungsdauer um bis zu 5 % macht Depotgestagene zu primär nicht empfohlenen hormonellen Kontrazeptiva für Sportlerinnen. Kontraindikationen zur Verordnung hormonaler Kontrazeptiva für Sportlerinnen sind identisch mit denen der Normalbevölkerung. Da es sich bei Sportlerinnen im Allgemeinen um ein gesundes Klientel handelt, spielen Adipositas, Hyperlipidämien oder kardiovaskuläre Vorerkrankungen eine untergeordnete Rolle. In Bezug auf genetisch bedingte Erhöhungen der Thromboseneigung (z.b. Faktor-V-Leiden-Mutationen) muss das Risiko individuell besprochen werden. Während das allgemeine Thromboserisiko in der Allgemeinbevölkerung mit 2/10.000 Frauen angegeben wird, ergibt sich unter kombinierten hormonellen Kontrazeptiva eine Risikoerhöhung auf bis zu 12 Ereignisse/10.000 Frauen.
Vor größeren Operationen oder bei Verletzungen, die Bettruhe erfordern, müssen kombinierte hormonelle Kontrazeptiva abgesetzt werden. Das Malignomrisiko erfährt unter kombinierten hormonellen Kontrazeptiva eine Reduktion der Inzidenz von Ovarial- oder Endometriumkarzinomen sowie von Colonkarzinomen. Der Schutz überdauert die Einnahmezeit um Jahre. Zum Bronchialkarzinomrisiko fehlt eine gesicherte Datenlage. Das Cervixkarzinomrisiko scheint durch das leichtere Anheften der Papilloma-Viren an die Portioepithelien leicht erhöht. Ein Zusammenhang zwischen Pilleneinnahme und einer Erhöhung des Mammakarzinomrikos wird immer wieder diskutiert, konnte wissenschaftlich aber nicht eindeutig belegt werden. Therapeutischen Nutzen finden kombinierte hormonelle Kontrazeptiva bei amenorrhoischen Sportlerinnen, die aufgrund eines niedrigen Körpergewichts bei Übertraining oder Essstörung einem erhöhten Osteoporoserisiko ausgesetzt sind (Athlets Triad). Der bestehende Hormonmangel kann durch Mikropille, Ring oder Pflaster suffizient ausgeglichen werden. Sämtliche Präparate zur hormonellen Kontrazeption fallen nicht unter die Anti-Dopingbestimmungen. Nach Absetzen kombinierter hormoneller Kontrazeptiva besteht über einen Vergleichszeitraum von 6-12 Monaten keine eingeschränkte Konzeptionschance gegenüber Nichtanwenderinnen. Das Abortrisiko einer nach Kontrazeptivaeinnahme einsetzenden Schwangerschaft ist nicht erhöht. Die individuelle Beratung der Sportlerin durch eine erfahrene Frauenärztin (Arzt) macht es der Sportlerin möglich, bei bestehenden Leistungsansprüchen die für sie passende Kontrazeptionsmethode zu finden.
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