Entwicklung und Förderung von Kindern mit Down-Syndrom



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Entwicklung und Förderung von Kindern mit Down-Syndrom 1. 2. 3. 4. Entwicklungsmerkmale und Verhaltensweisen Informationen zu Frühen Hilfen Spielen und Lernen im Kindergarten Schulisches Lernen 1. Entwicklungsmerkmale und Verhaltensweisen Die geistige und körperliche Entwicklung von Kindern mit Down-Syndrom ist gegenüber nichtbehinderten Kindern insgesamt verlangsamt. Das erklärt sich durch den Teilungsfehler der Keimzellen vor der Zeugung. Die Fehlentwicklung ist also bereits zum Zeitpunkt der Befruchtung festgelegt und wird durch den Verlauf der Schwangerschaft nicht mehr beeinflusst. Die körperliche und geistige Beeinträchtigung, die durch die Trisomie entsteht, ist nicht rückgängig zu machen, wohl aber durch eine gute (Früh-) Förderung und andere Hilfen bis ins Erwachsenenalter hinein positiv zu beeinflussen. Die individuellen Unterschiede zwischen Menschen mit Down-Syndrom in den einzelnen Entwicklungsbereichen (z.b. Laufen, Sprechen) können sehr groß sein, sogar größer als bei nichtbehinderten. Kinder mit Down-Syndrom werden sich also ganz unterschiedlich entwickeln. Neuere Untersuchungen widerlegen die bisherige Annahme, dass die Entwicklung der Kinder mit Down-Syndrom mit zwischenzeitlichen Stillständen verläuft. Sie ist zwar deutlich verlangsamt, aber stetig, und bleibt auch nicht, wie früher angenommen, auf einer bestimmten Altersstufe stehen. Das Kleinkind ist bereits kleiner als gleichaltrige andere Kinder; der spätere pubertäre Wachstumsschub fällt geringer aus, dementsprechend ist die durchschnittliche Körpergröße erwachsener Menschen mit Down-Syndrom um ca. 15 bis 20 cm kleiner als bei anderen. Einen sehr anschaulichen Überblick über die Entwicklung von Menschen mit Down-Syndrom bietet der ausgezeichnete Video-Film "So wie Du bist, der genauso wie der Fotoband "Albin Jonathan - unser Bruder mit Down-Syndrom zu beziehen ist über die: Selbsthilfegruppe für Menschen mit Down-Syndrom und ihre Freunde e.v. (Röntgenstr. 24, 91058 Erlangen) Die Berliner Wissenschaftlerin Hellgard Rauh untersuchte mit ihren Mitarbeitern/-innen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Entwicklungsmerkmalen und Verhaltensweisen von Kleinkindern mit Down-Syndrom und nichtbehinderten Kindern. Zu den wichtigen Ergebnissen ihrer Untersuchung gehören u.a. folgende Erkenntnisse: 1. In den ersten fünf Lebensjahren verläuft die Entwicklung von Kindern mit Seite 1

2. 3. 4. Down-Syndrom ähnlich der von nichtbehinderten Kindern, allerdings etwa im halben Tempo. Die geistige Entwicklung (z.b. Wachheit) geht bei den meisten Kindern mit Down-Syndrom während der ersten drei Lebensjahre schneller voran als ihre motorische (z.b. Laufen). Nach dieser Zeit holen sie im motorischen Bereich auf. Auch hier gilt es zu betonen, dass die Unterschiede zwischen den Entwicklungsverläufen der einzelnen Kinder sehr groß sind. Kinder mit Down-Syndrom brauchen mehr Zeit als nichtbehinderte, bevor sie auf angebotene Reize reagieren können. Es ist zu vermuten, dass Erwachsene häufig ihre Erwartungen auf eine Reaktion des Kindes zu früh aufgeben. Das kann zu einem Verlust an Lern- und Übungssituationen und positiven Erfahrungen, aber auch zu einer bequemen und eher resignativen Einstellung des Kindes führen. Kinder mit Down-Syndrom reagieren bereits auf geringfügige Überforderung sehr empfindlich. Während die Kleinkinder häufig ihre Aufmerksamkeit vorzeitig abbrechen, reagieren größere darauf eher mit ausweichendem Verhalten. Es bedarf also eines großen Einfühlungsvermögens von seiten der Erwachsenen, Kindern mit Down-Syndrom zu begegnen: Ausreichend Zeit, viel Geduld und Aufmerksamkeit, um dem Kind seinen Fähigkeiten entsprechend Anregungen zu bieten - das sind wichtige Voraussetzungen, um ein befriedigendes Zusammenleben für beide Seiten zu ermöglichen. 2. Informationen zu Frühen Hilfen In den ersten Lebensjahren lernt der Mensch am meisten. Daher stellen die ersten Jahre für jedes Kind eine große Chance dar. Um diese Entwicklungschancen gerade für Kinder mit Behinderung zu nutzen, wurde vor allem auf Betreiben der Lebenshilfe nahezu flächendeckend ein differenziertes System der Frühen Hilfen aufgebaut. Dazu gehören medizinische und pädagogische Einrichtungen und Dienste zur Diagnostik, Förderung und Behandlung von behinderten und von Behinderung bedrohten Kindern. Frühförderung Eine ganz wichtige Bedeutung kommt hierbei der Arbeit der Frühförderung zu. Die Frühförderung verfügt meist über ein mobiles und ambulantes Hilfeangebot, das von verschiedenen pädagogischen und therapeutischen Berufsgruppen durchgeführt wird. "Mobil heißt, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Frühförderstellen in die Familie gehen, um pädagogisch bzw. therapeutisch mit dem Kind zu arbeiten, die Eltern zu beraten und bei wichtigen Entscheidungen zu begleiten. "Ambulant meint, dass Kinder und Eltern in die Frühförderstellen kommen, um Hilfe zu erhalten. Nähere Informationen zu Aufgaben und Zielen der Frühförderung finden sich in einer Empfehlung der Bundesvereinigung Lebenshilfe "Frühförderung aus Sicht der Seite 2

Lebenshilfe. In dieser Broschüre werden Aussagen gemacht, wie Frühförderstellen die Entwicklung von Kindern mit geistiger Behinderung in ihren Familien unterstützen können. Es wird beschrieben, welche Aufgaben Pädagogen, Psychologen, Therapeuten und Mediziner bei der Diagnostik und Förderung in den Bereichen der Bewegungsentwicklung, der geistigen (kognitiven) Entwicklung, der Sprachentwicklung und der Entwicklung des Sozialverhaltens übernehmen sollen. Betont wird dabei die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die ganzheitliche Orientierung der Arbeit an den Bedürfnissen der betroffenen Familien. Die Kosten für die Frühförderung übernehmen im allgemeinen der örtliche Sozialhilfeträger (Sozialamt) und die Krankenkassen; den Eltern entstehen keine Kosten. Die Adressen der nächstgelegenen Frühförderstelle erfahren Sie u.a. bei der örtlichen Lebenshilfevereinigung. Die krankengymnastische Therapie nach Bobath und Vojta Ansätze zur Unterstützung der Bewegungsentwicklung Die Beweglichkeit bei Kindern mit Down-Syndrom ist aufgrund ihrer Muskelschlaffheit eingeschränkt. Krankengymnastik hat das Ziel, die motorische Entwicklung der Kinder zu verbessern und ihnen Erfahrungen mit ihrer Umwelt zu erleichtern. Die beiden bekanntesten krankengymnastischen Behandlungsmethoden sind nach ihren Begründern, dem Ehepaar Dr. Karel und Berta Bobath sowie Dr. Vaclav Vojta, benannt. Beide Therapieansätze gehen davon aus, dass eine frühestmögliche Behandlung das bewegungsgestörte Kind in seiner körperlichen Entwicklung am besten fördert. Ausgangspunkt beim Konzept nach Bobath ist die normale Entwicklung eines Kindes. Die Therapie zielt darauf ab, gestörte Bewegungsmuster abzubauen, indem systematisch normale Bewegungsabläufe angebahnt werden. So wird beim wenige Monate alten Kind beispielsweise das Drehen dadurch angeregt, daß man seine Arme nach vorne nimmt und es zu kleinen Drehbewegungen vom Schultergürtel aus veranlasst. Ein wichtiger Grundsatz der Bobath-Therapie ist es, die Übungen in den Alltag des Kindes einzubauen und Stresssituationen zu vermeiden. Bei der Vojta-Methode werden in bestimmten Ausgangsstellungen bestimmte Körperzonen des Kindes stimuliert, die Reflexbewegungen des Kriechens und Drehens auslösen. Von einigen Kindern können die Übungen als schmerzhaft empfunden werden. Jedoch ist gerade bei schlaffen Lähmungen eine Verbesserung der Bewegungsabläufe beim Kind möglich. Es ist allerdings zu bedenken, dass bei Kindern mit Down-Syndrom keine wirkliche Bewegungsstörung vorliegt. Ziel ist hier eine allgemeine Entwicklungsförderung. Deshalb sollte die Therapieauswahl sich immer an der aktuellen Situation des Kindes und der Familie orientieren und in ein Gesamtkonzept der Förderung eingebettet sein. Insgesamt ist kritisch zu prüfen, ob ein Kind mit Down-Syndrom Seite 3

krankengymnastische Unterstützung überhaupt benötigt. Die orofaziale Regulationstherapie und die Gaumenplatte Etta Wilken Fragt man Eltern von jüngeren Kindern mit Down-Syndrom, so zeigt sich, dass es zunehmend die Regel geworden ist, den Kindern eine Gaumenplatte zu verordnen. Bei Eltern aus den neuen Bundesländern wird oftmals der Eindruck erweckt, etwas therapeutisch Entscheidendes zu verpassen, wenn ihr Kind keine Gaumenplatte getragen hat. So ist es verständlich, dass auch hier viele Eltern mindestens einen Versuch damit wünschen, selbst wenn die Kinder schon vier oder fünf Jahre oder noch älter sind. Die Erfahrungen von Eltern, deren Kinder eine Gaumenplatte trugen, sind jedoch längst nicht so durchgängig positiv, wie die zunehmende Verbreitung der Gaumenplatte vermuten lässt: Es gibt Kinder, die den Mund nach Einsetzen der Platte noch weiter öffnen; einige nehmen selber die Platte sofort wieder heraus; bei anderen bewirkt die ständig erforderliche Neuanpassung, dass die Platte öfter "unterwegs ist als das Kind sie tragen kann. In etlichen Fällen ist keine Wirkung - weder positiv noch negativ - feststellbar. Die vorliegenden Veröffentlichungen betonen fast ausschließlich die positiven Entwicklungsverläufe durch die Verordnung einer Gaumenplatte. Oft werden die normalisierenden Auswirkungen auf Mund- und Zungenbewegungen bereits unmittelbar nach dem ersten Einsetzen der Platte beschrieben (vgl. Zschiesche, S. 63; Rudzki-Janson, S. 207), und die Darstellungen vermitteln den Eindruck einer allgemeinen Wirksamkeit. "Obwohl nach Castillo Morales der sinnvollste Behandlungsbeginn in den ersten drei Lebensjahren liegt, habe ich doch die überwiesenen Kinder a l l e r Altersstufen in Behandlung genommen und kann feststellen, dass jedes Kind auf das Einsetzen des Oberkieferplättchens günstig, d.h. aktiv reagiert (Zschiesche, S. 62). Die Notwendigkeit einer begleitenden orofazialen, d.h. Mund und Gesicht betreffenden Therapie wird selten oder doch nicht hinreichend deutlich gemacht. Auch die Berichte der Eltern zeigen, dass eine begleitende Therapie zumeist nicht durchgeführt wurde. Die Gaumenplatte ist jedoch Teil eines umfassenden Behandlungskonzepts im Rahmen der orofazialen Regulationstherapie von Castillo Morales. Ihre Anwendung kann nicht als isolierte Maßnahme, sondern nur im Zusammenhang mit dem Gesamtkonzept verstanden werden. Die Gaumenplatte ist also kein Instrument zur generellen Behebung der Mundproblematik bei Kindern mit Down-Syndrom. Nicht alle Kinder benötigen eine Platte, und bei einigen bestehen Kontraindikationen. Eine individuelle differenzierte Diagnostik durch einen kompetenten Kieferorthopäden ist deshalb unabdingbare Seite 4

Voraussetzung für eine Verordnung. Doch auch dann darf auf eine begleitende orofaziale Therapie nicht verzichtet werden. Unter diesen Bedingungen kann im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur Behandlung der spezifischen orofazialen Problematik beim Down-Syndrom das Einsetzen einer Gaumenplatte eine sehr hilfreiche ergänzende Maßnahme sein. Dringend erforderlich sind gezielte Fortbildungsangebote für Kieferorthopäden und Logopäden, um den Einsatz der Gaumenplatte zu effektivieren. Pädagogische Förderprogramme Vielen Kindern mit Down-Syndrom ist gemeinsam, dass sie Anforderungen aus dem Weg gehen; sie neigen dazu, auf Versagen empfindlich zu reagieren und sich frustriert zurückzuziehen. Deshalb sollte Lernen immer so gestaltet sein, dass ein Erfolg möglich ist. Eine Möglichkeit, die jeweiligen Entwicklungsschritte in den verschiedenen Entwicklungsbereichen differenziert zu erfassen, ist durch Förderprogramme gegeben. Aufbauend auf dem ermittelten Entwicklungsstand werden entsprechende Aufgaben für das Kind ausgewählt. Solche Programme sind z.b.: Hellbrügge, Th.: Münchener Funktionelle Entwicklungsdiagnostik München 1978 Kiphard, E.: Wie weit ist ein Kind entwickelt. Dortmund 1975 Straßmeier, W.: Frühförderung konkret. München 1981. In jüngster Zeit wurde von Eltern und Fachleuten vor allem das aus Australien stammende "Macquarie-Programm, ein Lese-, Schreib- und Rechenprogramm, verstärkt nachgefragt. (Die deutsche Übersetzung des Macquarie-Programms ist über Dr. med. Barbara Oberwalleney, Burgweg 43, 58638 Iserlohn erhältlich). Diese pädagogischen Förderprogramme beziehen sich auf alle Bereiche, die für die Entwicklung von Kindern bedeutsam sind: Grobmotorik (z.b. sitzen, laufen, krabbeln), Feinmotorik (z.b. greifen, malen, bauen), soziales Verhalten und Hilfe zur Selbständigkeit (z.b. mit anderen spielen, sich anpassen, essen, sich anziehen), Sprachverständnis (als Voraussetzung von Sprechenlernen) und sprachliche Ausdrucksfähigkeit. Die Programme gehen im Grunde davon aus, dass jede Aufgabe, die für entwicklungsrelevant gehalten wird, leichter zu erlernen ist, wenn sie in viele kleine Teilschritte zerlegt wird, als dies in einem großen Lernschritt der Fall wäre. Die Eltern sind bei diesen Programmen die wichtigsten Helfer und "Lehrer für das Kind. Die damit verbundenen Aufgaben können für Eltern aber auch eine Überforderung und einen Rollenkonflikt mit sich bringen. Es wird von ihnen als Seite 5

Eltern therapeutisches Verhalten gegenüber ihrem Kind erwartet. Diese Rolle kann als sehr schwierig und belastend empfunden werden. Sprachförderung Ein wesentliches Merkmal von Kindern mit Down-Syndrom ist die deutliche Sprachentwicklungsverzögerung gegenüber nichtbehinderten, aber auch Kindern mit anderen Formen der geistigen Behinderung. Die größten Schwierigkeiten sind dabei die Lautbildung, Störungen des Redeflusses (abgehacktes und überhastetes Sprechen) und Stottern. Diese Probleme hängen mit den Fehlbildungen der Sprechorgane (Lippen, Zunge, Mundschluss, Kiefer, Gaumen, Fehlstellungen der Zähne) sowie mit Umweltfaktoren zusammen. Kinder mit Down-Syndrom haben als Säuglinge Probleme beim Saugen und Schlucken. Sie sind zudem meist still, weinen selten und schlafen viel. Sie beginnen später zu lächeln, sie fangen später an zu lallen als andere Kinder. Das Sprachverständnis geht dem Sprechvermögen voraus, denn Worte kann man erst dann richtig benutzen, wenn man ihre Bedeutung verstanden hat. Sprachverständnis beginnt mit der Kontaktaufnahme des Kindes zu seiner Umwelt, meistens der Mutter. Wichtigstes Ziel ist es, die Aufmerksamkeit und das Interesse des Kindes an seiner Umwelt aufzugreifen und zu fördern. So kann es die Handlungen, die ihm gezeigt werden, nachahmen und später vielleicht sprachlich ausdrücken. Kleine Spiele, Lieder, Sprechspiele u.ä. in den Alltag eingebaut, können helfen, dieses Ziel zu erreichen (z.b. "Backe, backe, Kuchen..., "Hoppe, hoppe, Reiter..., "Das ist der Daumen..., Körperteile anfassen und benennen, gemeinsam Bilderbücher ansehen und Szenen herausgreifen). Die Sprachförderung kann darin bestehen, dass Eltern (oder andere Bezugspersonen) wieder und wieder das Kind zum Sprechen anregen, ihm Wörter und später Sätze anbieten, sich aber nicht mit Gesten und Lauten zufriedengeben. Allerdings sollte man darauf achten, das Kind nicht mit Worten und Sätzen zu überschütten. Den Wortschatz begrenzen, dafür um so mehr wiederholen, deutlich und langsam sprechen, das Kind ansehen und seine eigenen Wortschöpfungen ernstnehmen und verstärken - das sind wichtige Grundsätze, durch die Eltern den Spracherwerb ihres Kindes unterstützen und fördern können. Wichtig ist auch zu bedenken, dass die Unterschiede in der Entwicklung der Kinder mit Down-Syndrom sich ebenso im Bereich der Sprache niederschlagen. Die Zeitspanne, innerhalb derer sie zu sprechen beginnen, liegt zwischen anderthalb und fünf Jahren. 3. Spielen und Lernen im Kindergarten Die wichtigste Aufgabe des Kindergartens ist es, Kleinkindern einen sozialen Raum zu bieten, in dem sie mit anderen Kindern zusammen spielen und ihre Umwelt schrittweise erobern können. Dies ist auch für Kinder mit Down-Syndrom Seite 6

von großer Bedeutung, nur benötigen sie mehr als andere Kinder überschaubare Gruppengrößen und kontinuierliche Förderangebote. Eine wichtige Frage für viele Eltern von Kindern mit Down-Syndrom ist, welche Form des Kindergartens für ihr Kind die richtige ist. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe hat sich in ihrem Grundsatzprogramm für möglichst viel Gemeinsamkeit von behinderten und nichtbehinderten Kindern bei der Kindergartenerziehung ausgesprochen und setzt sich für die Schaffung von integrativen Angeboten ein. In den einzelnen Bundesländern haben sich sehr unterschiedliche Organisationsformen im Kindergartenbereich entwickelt, die Angebote für Kinder mit Down-Syndrom machen. Zu unterscheiden sind: Aufnahme und angemessene Förderung von (einzelnen) Kindern mit einer Behinderung im örtlichen Regelkindergarten; Bildung integrativer Gruppen in Regelkindergärten, d.h., mehrere Kinder mit Behinderungen aus einem größeren regionalen Einzugsbereich werden in einem Regelkindergarten mit nichtbehinderten Kindern zusammengeführt; Bildung integrativer Gruppen in Sonderkindergärten, d.h., der Sonderkindergarten öffnet sich für nichtbehinderte Kinder; Einrichtung integrativer Kindergärten, d.h., ein Kindergarten wird durchgängig für die gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung geschaffen; Sonder- und Regelkindergarten arbeiten als zwei Institutionen "unter einem Dach mit entsprechenden Begegnungsformen im Gruppenalltag; Kooperation zwischen Gruppen aus Sonder- und Regelkindergarten, d.h. zeitweise gemeinsames Tun unter Beibehaltung unterschiedlicher Institutionen. Vor einer Entscheidung über den passenden Kindergartenplatz für ihr Kind empfiehlt es sich für die Eltern, sich einen Überblick über das Kindergartenangebot in ihrer Umgebung zu verschaffen. Hilfreich hierfür sind sicherlich Gespräche mit den Mitarbeitern/-innen der Frühförderstelle sowie der Erfahrungsaustausch mit anderen Eltern von Kindern mit Down-Syndrom oder auch Besuche in Kindergärten am Ort. 4. Schulisches Lernen Das zusätzliche Chromosom 21 bewirkt, wie bereits erwähnt, eine große individuelle Streubreite in der Entwicklung der Kinder mit Down-Syndrom. Zudem sind ihre gesundheitlichen Probleme unterschiedlich ausgeprägt. Daraus folgt, dass die Voraussetzungen jedes einzelnen Kindes mit Down-Syndrom geprüft werden müssen, um die Frage beantworten zu können, welcher speziellen schulischen Förderung es bedarf und wo es sie erhält. Die intellektuellen Leistungen von Kindern mit Down-Syndrom liegen im Bereich Seite 7

der Lernbehinderung bis hin zur geistigen Behinderung. Die meisten dieser Kinder besuchen derzeit die Sonderschule für geistig Behinderte. Sie sind aber auch in anderen Schulen vertreten: in Schulen für Lernbehinderte, Sprachbehinderte, Schwerhörige, Körperbehinderte. In den sogenannten Integrationsklassen an Regelschulen, in denen behinderte und nichtbehinderte Schüler gemeinsam unterrichtet werden, stellen sie den Hauptanteil der Kinder mit geistiger Behinderung. Eine behinderungsspezifische Gemeinsamkeit fast aller Kinder mit Down-Syndrom besteht darin, dass sie weitaus mehr verstehen als sie sagen können. Ebenso hat sich gezeigt, dass sie besser lernen, wenn sie sehen und gleichzeitig hören; Gesehenes wird durch ihr gutes Gedächtnis besser erinnert. Allerdings ist es schwer, ihre Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum zu erhalten. Die Kinder können sich oft nur für kurze Zeit konzentrieren und lernen erst allmählich, Anweisungen zu folgen und Aufgaben auszuführen. Um so wichtiger ist es, die (Lern-) Angebote in der Schule (aber auch zu Hause) so zu gestalten, dass sie für das Kind interessant sind. Es muss die Möglichkeit erhalten, durch eigene Erfahrungen zu lernen, und es muss darauf geachtet werden, ihm Lerninhalte möglichst anschaulich (visuell) und sinnlich erfahrbar zu machen und weniger durch Worte bzw. Sprache zu vermitteln. Das Schreiben bereitet den Kindern häufig Probleme, die auf ihre Schwierigkeiten bei den Bewegungsabläufen zurückzuführen sind. Allerdings muss auch hier auf die enormen Unterschiede in ihren Möglichkeiten hingewiesen werden: Einige von ihnen haben ein klares Schriftbild, andere entwickeln zumindest ein Verhältnis zum Schreiben. Das Rechnen fällt Kindern mit Down-Syndrom wegen der bestehenden Probleme im abstrakten Denken besonders schwer. Sie sind aber sehr wohl in der Lage, ein Verständnis für Zahlen und Mengen zu entwickeln, das sie im Alltag einsetzen können. Die Fähigkeit, Informationen optisch schnell zu erfassen und im Gedächtnis zu behalten sind bei Kindern mit Down-Syndrom besonders gut ausgeprägt. Das scheint auch ihre Vorliebe für Computer zu erklären, bei denen die Informationen über den Bildschirm zu sehen sind. Weitere Vorteile des Einsatzes von Computern bestehen darin, dass der Schüler selbst sein eigenes Lerntempo vorgibt und der Computer nie ungeduldig wird. Seite 8