Das Fachkräftegebot für den Bereich der stationären Kinder- und Jugendhilfe ergibt sich aus 72 SGB VIII (Sozialgesetzbuch VIII).

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Transkript:

Seite 1 von 5 1.1 Das Fachkräftegebot gemäß 72 SGB VIII Das Fachkräftegebot für den Bereich der stationären Kinder- und Jugendhilfe ergibt sich aus 72 SGB VIII (Sozialgesetzbuch VIII). Darin heißt es: " 72 Mitarbeiter, Fortbildung (1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen bei den Jugendämtern und Landesjugendämtern hauptberuflich nur Personen beschäftigen, die sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben (Fachkräfte) oder aufgrund besonderer Erfahrungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen. Soweit die jeweilige Aufgabe dies erfordert, sind mit ihrer Wahrnehmung nur Fachkräfte oder Fachkräfte mit entsprechender Zusatzausbildung zu betrauen. Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen sollen zusammenwirken, soweit die jeweilige Aufgabe dies erfordert. (2) Leitende Funktionen des Jugendamts oder des Landesjugendamts sollen in der Regel nur Fachkräften übertragen werden. (3) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben Fortbildung und Praxisberatung der Mitarbeiter des Jugendamts und des Landesjugendamts sicherzustellen." 1 Das Fachkräftegebot nach 72 SGB VIII gilt unmittelbar und abschließend für die öffentlichen Träger der Jugendhilfe und fordert, dass im Jugendamt entsprechend der jeweiligen Aufgabenstellung in erster Linie Fachkräfte arbeiten sollen. Nach 74 Abs. 1 Ziff. 1 SGB VIII gilt die Norm auch für freie Träger - somit sind die Anforderungen an öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe identisch 2. "Grundlage hierfür ist ein `Transformationsakt im Einzelfall 3, mit dem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe den Inhalt der Norm mit unmittelbarer Wirkung gegenüber einem freien Träger zur Wirkung bringt und auf ihn überträgt, den freien Träger also an das allgemeine oder das besondere Fachkräftegebot bindet" (Mäßen 2009: 12f 4 ). Eine Ausgestaltung des Bundesgesetztes durch Landesrecht ist nicht vorgesehen. Gleichwohl bedarf die Vorschrift der Interpretation im Hinblick auf die Fragen der Praxis, die sich im täglichen Vollzug ergeben (vgl. Mäßen 2009: 7, 12f; BAG LJÄ 2005: 7). Das Fachkräftegebot gilt ausschließlich für hauptberufliche Kräfte, die einer geregelten, auch zeitlich befristeten Beschäftigung nachgehen, unabhängig von ihrer zeitlichen Beschäftigungsdauer und ihrem Beschäftigungsumfang. Für Honorarkräfte gilt diese Regelung nicht (vgl. Münder u.a. 2006: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 5. Auflage, 72 Rz. 1. In: Mäßen 2009: 5; BAG LJÄ 2005: 7). 1 dejure.org/gesetze/sgb_viii/72.html; 25.04.2011, 13:54 Uhr 2 Es wäre zu prüfen, ob diese Transformation auch für 72 Abs. 3 SGB VIII gilt. 3 Durch die Festlegung der Leistungsmerkmale einer Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarung; im Rahmen der Erteilung der Betriebserlaubnis; über die Anerkennung und Förderung als freier Träger der Jugendhilfe; über die Definition von Nebenbestimmungen in Form von Auflagen zum Förderungs- und Anerkennungsbescheid (vgl. Mäßen 2009: 13). 4 www.institut-johnson.de

Seite 2 von 5 Nach 45 SGB VIII ist für eine Einrichtung, "in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten", d.h. auch für teil- und vollstationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die Erteilung einer Betriebserlaubnis erforderlich. Ausnahmen sind ebenfalls in dieser Norm geregelt. Als eine Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis fordert 45 SGB VIII den Einsatz geeigneter Kräfte für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in diesen Einrichtungen. Ebenso hat bei der Förderung freier Träger der Jugendhilfe der öffentliche Träger darauf zu achten, dass fachliche Voraussetzungen für die geplanten Maßnahmen erfüllt sind. Nichteinhaltung des Fachkräftegebots kann zu einem Widerruf der Betriebserlaubnis nach 47 SGB X oder der Kündigung der Förder-, Leistungs- oder Kostenübernahmevereinbarung 5 nach 61 SGB X führen 6 (vgl. Mäßen 2009: 16; BAG LJÄ 2005: 7). Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAG LJÄ) 7 hat im Februar 2005 eine Handreichung herausgegeben, die die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe bei der Behandlung dieser Thematik unterstützen und leiten soll. Die BAG LJÄ beschreibt mit ihrer Arbeitshilfe, die lediglich eine Hilfe im Entscheidungsprozess sein soll, standardisierte Anforderungen aus fachlicher Sicht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Die konkrete Umsetzung von Gesetz und Arbeitshilfe liegt im Verantwortungsbereich der öffentlichen Träger der Jugendhilfe (vgl. BAG LJÄ 2005: 5f). 72 Abs. 1 SGB VIII stellt allgemeine Qualitätsstandards in Bezug auf die personelle Ausstattung mit hauptberuflich tätigen Personen in der Jugendhilfe auf und fordert neben einer persönlichen Eignung auch eine fachliche Qualifikation - beide Kriterien müssen der jeweiligen Aufgabe entsprechend ausgebildet sein (vgl. Mäßen 2009: 2; BAG LJÄ 2005: 7). 1.1.1 Persönliche Eignung Grundsätzlich müssen in der Jugendhilfe Tätige über eine "persönliche Eignung" zur Erfüllung von Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe, eine sogenannte "extrafunktionale Qualifikation", verfügen. Als unbestimmter Rechtsbegriff ist dieses Kriterium nicht verbindlich definiert und lässt damit Beurteilungspielraum, "der 5 vgl. 78b ff SGB VIII 6 Betriebserlaubnis gem. 45 SGB VIII sowie Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarungen gem. 78b ff SGB VIII zwischen dem freien Träger der Jugendhilfe (Einrichtung, Leistungserbringer) und dem örtlich zuständigen öffentlichen Träger der Jugendhilfe (Kommune, Leistungsträger). 7 www.bagljae.de

Seite 3 von 5 gerichtlichen Überprüfung nur in engen Grenzen zugänglich ist, der allerdings durch objektive Kriterien ausgefüllt werden muss" (Mäßen 2009: 5). Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "persönliche Eignung" kann nur unter Berücksichtigung der speziellen Aufgabenstellung, des Maßes der damit verbundenen Verantwortung sowie der dafür erforderlichen persönlichen Voraussetzungen des Mitarbeiters auf der jeweiligen Hierarchiestufe erfolgen. Aus diesem Grund verzichtet die BAG LJÄ auf die "Erstellung eines pauschalen Kriterienrasters zur persönlichen Eignung... " (BAG LJÄ 2005: 7). Im Einzelfall kann es jedoch notwendig sein, die Kriterien für "persönliche Eignung" im Aufgabenzusammenhang zu definieren, um die Einschätzung transparent und nachvollziehbar zu machen (vgl. BAG LJÄ 2005: 7f). Uneingeschränkt erforderlich ist jedoch die Erfüllung der Kriterien nach 72a SGB VIII i.v.m. 30a Abs. 1 Nr. 2a BZRG. Das heißt, dass u.a. Personen eindeutig ausgeschlossen sind, die aufgrund strafrechtlicher Verurteilung nicht zur Übernahme von Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe geeigenet sind. Diese Einschätzung muss jedoch jeweils im Einzelfall transparent, nachvollziehbar und nachprüfbar begründet werden (vgl. Mäßen 2009: 2ff). 1.1.2 Fachliche Qualifikation Per Gesetzt werden ausschließlich die Personen als Fachkraft ("klassische Fachkraft") verstanden, die ihre Qualifikation über eine entsprechende formale und abgeschlossene Ausbildung mit staatlicher Prüfung und staatlicher Anerkennung erworben haben. Die vom SGB VIII akzeptierten formalen und anerkannten Berufsausbildungen sind im Gesetzt selbst nicht aufgeführt. In einem Regierungsentwurf zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) in der Bundestagsdrucksache 11/5948 vom 01.12.1989 8, Seite 97 werden unter Bezug nahme auf die grundsätzliche Forderung nach Fachkräften der Jugendhilfe konkret, aber nicht abschließend Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Erzieher, Psychologen, Diplompädagogen, Heilpädagogen, Sonderschulpädagogen, Psychagogen, Jugendpsychiater, Psychotherapeuten und Pädiater benannt. Unstrittig sind heute die Verwendung von Diplom-SozialpädagogInnen und -arbeiterinnen sowie ErzieherInnen und Diplom-PädagogInnen. "Fachorganisationen wie der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge 9 und Kommentare zum SGB VIII gehen überwiegend von einem weiten Spektrum sozialer Berufe aus, deren 8 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz - KJHG) (Bundestagsdrucksache 11/5948 vom 01.12.1989, Seite 97). 9 www.deutscher-verein.de

Seite 4 von 5 jeweilige fachliche Eignungskriterien sich aus dem Aufgabenzusammenhang ergeben müssen" (BAG LJÄ 2005: 8). Demzufolge können je nach Aufgabe auch andere Berufsgruppen als Fachkräfte verstanden werden, nämlich wenn die Aufgabe z.b. spezielle Kompetenzen eines Logopäden, Musiktherapeuten o.ä. erfordert; dies ist dann im Einzelfall zu begründen. Personen, die nicht über diese formale Qualfikation verfügen, neben der o.g. "persönlichen Eignung" jedoch besondere Erfahrungen in der Sozialen Arbeit und notwendige theoretische Kenntnisse erworben haben, gelten nicht als Fachkraft, können sich ihre Qualifikation jedoch als gleichwertiges Äquivalent anerkennen lassen, hierüber die Fachausbildung substituieren und damit die Bedingungen des allgemeinen Fachkräftegebotes nach 72 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfüllen (vgl. Mäßen 2009: 2, 6; BAG LJÄ 2005: 8; Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VIII, 1999: 549). Dies kann allerdings nur als "begründigungspflichtige Ausnahme vom Grundsatz der ausschließlichen Beschäftigung von ausgebildeten hauptamtlichen Fachkräften" (Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VIII, 1999: 549) verstanden werden. Sinnvoll kann hier sein, in Abstimmung mit den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe und nach Anpassung der Konzeption über die Einsetzung geeigneter und in anerkannten jugendhilfebezogenen Fortund Weiterbildungen qualifizierter alternativer Fachkräfte zu verhandeln (vgl. Mäßen 2009: 2ff, 9ff). Nach 72 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII können öffentliche Träger der Jugendhilfe im Einzelfall und mit fundierter Begründung für bestimmte Einrichtungsformen ein besonderes Fachkräftegebot fordern, welches nur klassische Fachkräfte, also Fachkräfte mit einer formal erworbenen, staatlich anerkannten Qualifikation, ggf. sogar mit Zusatzausbildung, akzeptiert. Dies wäre dann erforderlich, wenn die Aufgaben nur von Fachkräften oder sogar von Fachkräften mit entsprechender Zusatzausbildung wahrgenommen werden könnten. Eine Konkretisierung dieses Aufgabensprektrums sowie der erforderlichen Zusatzausbildung ergibt sich aus dem Gesetz nicht und ist von den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe nach fundierter Begründung unter Beachtung der "qualitativ gesteigerten Anforderungen der jeweiligen Aufgabe" (ebd.) zu bestimmen. Diese besondere Erfordernis würde sich aus der Qualitäts-, Entgelt- und Leistungsvereinbarung oder durch Nebenbestimmungen in der Betriebserlaubnis ergeben. Eine Nichteinhaltung des besonderen Fachkräftegebotes oder der Einsatz nicht geeigneter Kräfte kann zu einem Widerruf der Betriebserlaubnis oder zu einer Kündigung der Förder-, Leistungs- oder Kostenübernahmevereinbarung führen (vgl. Mäßen 2009: 2ff, 9ff). Die Landesjugendämter Rheinland und Westfalen haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Überprüfung des Fachkräftegebotes nach 72 SGB VIII Personalbögen entwickelt, die die Qualifikationen der BewerberInnen sowie die angestrebte Funktion in der jeweiligen Einrichtung erfassen. Zu diesem Zweck sind verschiedene

Seite 5 von 5 Funktionen und Qualifikationen codiert und werden über die Personalbögen den Landesjugendämtern durch die Einrichtungen vor Arbeitsaufnahme der Beschäftigten übermittelt (vgl. Abbildung 9: Schlüsselverzeichnis zu den Personal- und Jahresmeldungen für Heime und sonstige Einrichtungen, S. 121f). Im Rahmen des Einstellungsverfahrens obliegt es den Landesjugendämtern im Rahmen des 72 SGB VIII, die Passung von Qualifikation und Funktion zu überprüfen. Die Vorschrift ist als (programmatische) Soll-Vorschrift konzipiert und sieht für den Regelfall eine Bindung an diese Norm vor. Aus wichtigem Grund oder in atypischen Fällen kann "nach pflichtgemäßem Ermessen" von den für den Normalfall vorgesehenen Vorgaben abgewichen werden (vgl. Mäßen 2009: 4). 1.1.3 Sachliche und örtliche Zuständigkeit im Rahmen des 72 SGB VIII Zum grundsätzlichen Verständnis der Frage von sachlicher und örtlicher Zuständigkeit ist von Bedeutung, dass die Kommunen mit eigenem Jugendamt die öffentlichen Träger der Jugendhilfe sind, die die Aufgaben nach dem SGB VIII im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung als Aufgaben des eigenen Wirkungskreises in eigener sachlicher und örtlicher Zuständigkeit weisungsfrei und selbstverantwortlich ausführen 10. Die öffentlichen Träger der Jugendhilfe haben "für die Aufgaben der Jugendhilfe sowohl quantitativ wie qualitativ ausreichend Personal und entsprechende Mittel zur Förderung freier Träger der Jugendhilfe bereitzustellen" (BAG LJÄ 2005: 5). Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung entscheiden die Kommunen als Inhaber der Personalhoheit selbständig über die Besetzung ihrer Personalstellen mit dem entsprechenden Personal. Die Landesjugendämter sind als überörtliche Träger der Jugendhilfe nach 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zuständig für die Beratung der örtlichen Träger und für "die Entwicklung von Empfehlungen zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch" (BAG LJÄ 2005: 5). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus den 86ff SGB VIII. Quelle: Scheller, Martin (2011): Fachkräftemangel in der stationären Jugendhilfe. Eine Expertenbefragung im Bereich des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). München: 27-31. 10 recht.nrw.de/lmi/owa/pl_text_anzeigen?v_id=2320021205103438063#det236104; 25.04.2011, 14:36 Uhr