VOM WARENGELD ZUM KREDITGELD



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Transkript:

JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ ALTENBERGER STR. 69 A-4040 LINZ-AUHOF DIPLOMARBEIT ZUR ERLANGUNG DES GRADES MAG. RER. SOC. OEC. VOM WARENGELD ZUM KREDITGELD DER BEITRAG DES FERNHANDELS ZUR ENTWICKLUNG DES GELDES LINZ, MÄRZ 2003 EINGEREICHT VON: EVA CHRISTINA WEIGL 9650863 HANDELSWISSENSCHAFT 160 BETREUER: A.UNIV.PROF. DR. WALTER ÖTSCH INSTITUT FÜR VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE SOZIAL- UND WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT EVA WEIGL 2003. NICHT OHNE GENEHMIGUNG ZITIEREN, EWEIGL@YAHOO.COM

I Ich erkläre an Eides Statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und alle den Quellen wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Datum Unterschrift

II INHALTSVERZEICHNIS 1 Einleitung... 1 2 Eine Welt ohne Geld der Tauschhandel... 2 3 Die Funktionen des Geldes... 5 3.1 Das Tauschmittel...5 3.2 Das Zahlungsmittel...6 3.3 Der Wertspeicher...6 3.4 Die Recheneinheit...7 4 Die Geldformen... 8 4.1 Das Warengeld...9 4.1.1 Frühe Formen...9 4.1.2 Die Metalle...11 4.2 Kreditgeld...13 4.2.1 Ungedecktes Münzgeld...13 4.2.2 Schuldgeld...15 4.2.2.1 Wechsel...15 4.2.2.2 Scheck...19 4.2.2.3 Banknoten...21 5 Handel im hohen Mittelalter...24 5.1 Arten des Handels...24 5.1.1 Regionaler Handel...24 5.1.2 Überregionaler Handel...25 5.2 Gründe für den Handel...26 5.2.1 Innovationen...26 5.2.2 Entstehung der Städte...28 5.2.3 Steigender Bedarf an Luxusartikel...30 5.3 Risiken und Probleme des reisenden Kaufmanns...30 5.3.1 Straßen-, Wasser- und Seewege...31 5.3.2 Piraten und Räuber...33 5.3.3 Karawanen und Konvois...34 5.3.4 Zölle und Rechte der Territorialgewalten...35

III 6 Hauptakteure des hochmittelalterlichen Handels...37 6.1 Südeuropa...40 6.1.1 Wichtigste Städte Norditaliens...41 6.1.1.1 Venedig...42 6.1.1.2 Genua...45 6.1.1.3 Florenz...46 6.1.1.4 Pisa...46 6.1.1.5 Mailand...47 6.1.1.6 Weitere Städte...47 6.1.2 Gemeinsames Auftreten der norditalienischen Städte...48 6.2 Nordeuropa...49 6.2.1 Die norddeutsche Kaufmannshanse...50 6.2.1.1 Begriff...51 6.2.1.2 Entstehung und Entwicklung...52 6.2.1.3 Kontore und Waren der Hanse...56 6.2.2 Die Städtehanse...57 6.2.2.1 Von der Kaufmanns- zur Städtehanse...58 6.2.2.2 Organisation der Städtehanse...60 7 Handelsmessen (-plätze) im Hochmittelalter...64 7.1 Italienische Messen...66 7.2 Messen der Champagne...69 7.3 Frankfurter Messen und andere...75 7.4 Entwicklung der Messen...77 8 Entstehung von Schuldgeld...78 8.1 Voraussetzungen und Gründe...78 8.1.1 Lateinische Schrift und arabische Ziffern aus Indien...78 8.1.1.1 Die Schrift und die Buchführung...79 8.1.1.2 Die Zahlen und die Null...82 8.1.2 Die Notwendigkeit...88 8.2 Der Ausgangspunkt und die Erfinder...90 8.2.1 Die norditalienischen Städte...90 8.2.2 Die Hanse...91 8.3 Die Formen des frühen Schuldgelds...92

IV 8.3.1 Wechsel...93 8.3.2 Schuldschein...99 9 Die Verbreitung des Schuldgeldes durch die Fernkaufleute...102 9.1 Finanzmessen...102 9.2 Brügge und das restliche Europa...105 10 Schlussbetrachtungen...109 Literaturverzeichnis...112 Internetquellen...115 CD-Rom Quellen...115 Andere Quellen...115

V ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 4-1: Einteilung der Geldformen...8 Abbildung 4-2: Kaurimuschel...10 Abbildung 4-3: Vorder- und Rück- seite der 2-Euro-Münze (Österreich)...14 Abbildung 4-4: Personen des gezogenen Wechsels...17 Abbildung 4-5: Indossament...18 Abbildung 4-6: Moderner Finanzwechsel...18 Abbildung 4-7: Vorder- und Rückseite eines Schecks...21 Abbildung 4-8: Rück- und Vorderseite einer 100-Euro-Banknote...23 Abbildung 6-1: Transportwege auf dem Land...37 Abbildung 6-2: Transportwege zu See...39 Abbildung 6-3: Handelsrouten der Hanse...51 Abbildung 7-1: Messen und Jahrmarktsysteme des 12. und 13. Jahrhunderts...64 Abbildung 7-2: Oberitalienischer Messzyklus und die italienischen Besucher der Champagne-Messen im 13. Jahrhundert...68 Abbildung 7-3: Messezyklus der Champagne-Messen...70 Abbildung 7-4: Neue Seewege...74 Abbildung 8-1: Rechenoperation auf einem Abakus...85 Abbildung 8-2: Wechsel des Kaufmanns Francesco di Marco Datini (1335 1410)...95 Abbildung 8-3: Wechsel aus dem Jahr 1399...96 Abbildung 8-4: Scontierung von Wechsel...97 Abbildung 8-5: Einsatz des Inhaber-Schuldscheines...100 Abbildung 9-1: Wechesl eines hansischen Kaufmannns...107 Abbildung 9-2: Wechsel einer Hanse-Stadt...107

Einleitung 1 1 Einleitung Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welchen Beitrag die Fernhandelskaufleute des hohen Mittelalters zur Entwicklung des Kreditgeldes geleistet haben. Dabei wird zu Beginn ein Überblick über die Möglichkeiten in einer Welt ohne Geld, die Funktionen des Geldes und eine Übersicht der für diese Arbeit relevanten Geldformen gegeben. Im Anschluss daran wird ein Einblick in die Welt des hochmittelalterlichen Fernhandels, dessen Entstehung und Probleme sowie über das Kaufmannswesen jener Zeit gewährt. Des Weiteren werden die wichtigsten Knotenpunkte des damaligen Fernhandels dargestellt. Die darauf folgenden Kapitel widmen sich der Entstehung des Schuldgeldes, d.h. welche Voraussetzungen zu dessen Entwicklung notwendig waren, aus welchen Gründen es erfunden wurde, wer an dieser Erfindung beteiligt war und wie es in Europa verbreitet wurde. In der Schlussbetrachtung findet sich ein Überblick über die vorliegende Arbeit, die einen Nachweis darüber erbringt, dass die Entwicklung des Schuldgeldes (wie z.b. der Wechsel oder der Schuldschein) ein Verdienst des hochmittelalterlichen Fernhandels und dessen Händler war, die somit wesentlich zur Entwicklung des Geldes beitrugen.

Eine Welt ohne Geld der Tauschhandel 2 2 Eine Welt ohne Geld der Tauschhandel Wenn wir 1 heute Waren oder Dienstleistungen haben wollen, die wir eigenständig nicht herstellen können, dann ist es für uns selbstverständlich diese zu kaufen. D.h. wir tauschen bei jemandem, der über die gewünschten Waren verfügt oder die für uns wichtigen Dienstleistungen erbringen kann, Geld gegen das von uns begehrte Gut. Da wir heute in einer Gesellschaft leben, in der die einzelnen Wirtschaftssubjekte nicht autark sind, ist jeder von uns darauf angewiesen, dass wir Dinge, die wir nicht selbst erzeugen können, von anderen beziehen können. Der Tausch dieser Dinge gegen Geld ist für uns ein alltäglicher Vorgang und kaum jemandem ist bewusst, dass dieser Vorgang noch gar nicht so lange in der Menschheit gebräuchlich ist. Die Urmenschen in Ostasien und Afrika 2 kannten bereits das Feuer und konnten Feuersteine nach ihren Vorstellungen bearbeiten. Obwohl sie diese Fähigkeit schon wesentlich von den Tieren unterschied und sie damit in der Entwicklung des Menschen einen Schritt vorwärts gemacht hatten, sahen sie noch keinen Anlass ihre bearbeiteten Feuersteine gegen andere Güter zu tauschen. Zum Einen lebten sie in geschlossenen Gruppen und kannten daher keine fremden Güter. Zum Anderen war die Entfernung zwischen Ostasien und Afrika zu groß, um mit damaligen Mitteln einen Tauschhandel zu entwickeln. Auch noch in den Anfangszeiten der Menschheit war ein solcher Tauschhandel nicht notwendig. Man jagte gemeinsam in Gruppen und die Aufteilung der Nahrungsmittel wurde von den Oberhäuptern der patriarchalisch geführten Gemeinschaft bestimmt. 3 Die ersten Tauschversuche fanden erst später in der Geschichte der Menschheit, als der Ackerbau entstand, statt. Unter diesen ersten Tauschvorgängen ist zu verstehen, dass ein Stamm einen anderen beraubte. Sobald die beraubte Sippe wiederum die 1 mit wir sind im Folgenden Menschen in den Industriestaaten gemeint 2 Nach heutigem Wissensstand entwickelten sich die Urmenschen in diesen beiden Gebieten. 3 Vgl. Sedillot (1992), S. 9

Eine Welt ohne Geld der Tauschhandel 3 Räuber beraubte, wurde der ursprüngliche Raub kompensiert. Dieses Vorgehen des gegenseitigen Beraubens kann als eine Art Tausch bezeichnet werden. 4 In weiterer Folge entwickelte sich das gegenseitige Bestehlen zu Ritualen und Tauschzeremonien. Oft waren die dabei ausgetauschten Waren weniger wichtig, als dadurch den anderen Stamm zu übertrumpfen. Gaben mussten mit Gegengaben ausgeglichen bzw. übertroffen werden, oder man bewies der Gegenseite die eigene Überlegenheit durch Verschwendung oder Zerstörung von Stammeseigentum. 5 Mit der Zeit entwickelte sich ein gegenseitiges zeitversetztes Beschenken. 6 Die teilnehmenden Parteien vermieden dabei den direkten Kontakt zueinander, indem ihre Mitglieder auf einem offenen Platz Güter, die der Stamm übertragen wollte, aus legten und sich entfernten. Anschließend näherten sich Mitglieder aus einem anderen Stamm und stellten ihr Gegengeschenk auf, um sich anschließend ebenfalls zurückzuziehen. Dann war wieder der erste Stamm am Zug um das Gegengeschenk zu beurteilen. Befand er es als ausreichend, nahmen er es an. War es zu geringwertig, nahm er von den eigenen Waren einige zurück und der zweite Stamm hatte die Möglichkeit, das neue Angebot zu betrachten. Dieser Vorgang dauerte an, bis eine Einigung erzielt wurde. 7 Die Verkürzung der Zeitspanne zwischen den Schenkvorgängen und die Kommunikation zwischen den beiden Parteien führte schlussendlich zum gleichzeitigen Austausch. Um bei diesem vor Überfällen geschützt zu sein, wurde ein übersichtlicher Ort gewählt, welcher sich im weiteren Verlauf zum Markt entwickelte. Das Zusammentreffen auf diesem Markt fand zu Beginn jedoch nur gelegentlich statt. Dieser direkte Tausch entwickelte sich während der Jungsteinzeit (5000 bis 1800 v. Chr.) 8, und die bereits in dieser Ära getauschten Muscheln oder Pelze sollten später als Zahlungsmittel dienen. 9 4 Vgl. Sedillot (1992), S.10 5 Vgl. Sedillot (1992), S. 11f 6 Vgl. Sedillot (1992), S. 13 7 Vgl. Morgan (1965), S. 9f 8 Vgl. Meyers Lexikon 9 Vgl. Sedillot (1992), S. 13f

Eine Welt ohne Geld der Tauschhandel 4 Während der Bronze- (1800 bis 700 vor Chr.) 10 und Eisenzeit (700 bis zum Ende der zweiten Hälfte des vorchristlichen Jahrtausends) 11 nahmen die Menschen, um das Material für ihre Waffen zu erhalten, große Strapazen, Risiken und weite Wege auf sich. Aus den Wegen die sie zurücklegten, entwickelten sich im Laufe der Zeit die Handelsstraßen. Bereits damals wurde Kupfer, Zinn und Bronze über weite Entfernungen transportiert. Bernstein, der z.b. zu Schmuck verarbeitet wurde, oder das lebensnotwendige Salz gaben den Handelsstrassen, an deren wichtigsten Punkten Siedlungen entstanden, ihren Namen. Rom ist ein namhaftes Beispiel für eine dieser Siedlungen. Die Stadt entstand an jener Stelle, an der das Salz nicht mehr auf dem Wasserweg, sondern nur mehr auf dem Landweg weitertransportiert werden konnte. 12 Obwohl damals schon weite Strecken zurückgelegt wurden, waren die Möglichkeiten für einen großangelegten Tauschhandel, aufgrund der einfachen Transportmittel und der vielfältigen natürlichen Hindernisse, eher beschränkt. Ein Tauschmittel, welches den Wert der getauschten Waren bemessen konnte, war daher noch nicht notwendig. Noch immer wurden Waren gegen andere Waren oder Dienstleistungen getauscht. 13 10 Vgl. Meyers Lexikon 11 Vgl. Meyers Lexikon 12 Vgl. Sedillot (1992), S. 17f 13 Vgl. Sedillot (1992), S. 19

Die Funktionen des Geldes 5 3 Die Funktionen des Geldes Nachdem der Tausch von Waren und Dienstleistungen immer mehr wurde, war es notwendig, ein Tauschmittel, welches den Wert der einzelnen Dinge bemessen konnte, zu finden. Unter diesem Tauschmittel verstehen wir heute Geld. Doch was ist Geld? Welchen Zweck, außer der Möglichkeit Güter und Dienstleistungen dafür zu erhalten, erfüllt es noch? Im Folgenden werden die Eigenschaften bzw. der Zweck von Geld betrachtet. 3.1 Das Tauschmittel Wie oben erwähnt, hat Geld die Funktion eines Tauschmittels. Es kann gegen beliebige Güter sofern diese zum Verkauf stehen eingetauscht werden, was für uns heute einen alltäglichen Vorgang darstellt. Die Verwendung von Geld als Tauschmittel bietet einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem direkten Tausch. Wird eine Ware (Apfel) gegen Geld (Euro-Münze) eingetauscht, so kann der Empfänger des Geldes (Apfelverkäufer) damit rechnen, dass er es zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft gegen Waren seiner Wahl (Birne) wieder eintauschen kann. Hätte er hingegen Ware (Apfel) gegen Ware (Orange) getauscht, wäre er davon abhängig, die Waren seiner zukünftigen Tauschpartner im Gegenzug für die vorher erhaltene Ware zu akzeptieren. Sollten die Waren seiner zukünftigen Tauschpartner nicht seinen Wünschen entsprechen, müsste er sie bis zum Erhalt des von ihm begehrten Gutes weiter eintauschen. Bei der Verwendung von Geld als allgemein akzeptiertes Tauschmittel, entfallen unnötige weitere Zwischentransaktionen und die Bedürfnisse nach Waren müssen sich nicht gegenseitig ergänzen, wie dies für das Zustandekommen von neutralen Tauschbeziehungen notwendig ist. 14

Die Funktionen des Geldes 6 Der Nachteil des mittelbaren Tausches (=Ware_1 gegen Geld... Geld gegen Ware_2) ist jedoch, dass jeder Tauschpartner zwei Transaktionen durchführen muss, auch wenn ein begehrtes Gut in einer naturalen Tauschwirtschaft direkt durch einen einzigen Tausch erhältlich gewesen wäre. 15 3.2 Das Zahlungsmittel Die oben beschriebene Funktion des Geldes als Tauschmittel ist ein Teilaspekt der Zahlungsmittelfunktion. Unter dieser versteht man den Übertrag von Vermögenswerten ohne Tauschvorgang. Dies ist z.b. beim Zahlen von Steuern oder Tilgen von Schulden der Fall. Die Zahlungsmittelfunktion des Geldes ist somit umfassender als die Funktion als Tauschmittel. 16 3.3 Der Wertspeicher Durch die Funktion als Tauschmittel macht es Geld möglich, den Verkauf und den Erwerb von Gütern zeitlich zu versetzten. Diese zeitliche Verzögerung kann jedoch nur realisiert werden, wenn das als Geld akzeptierte Gut/Ding in der Zwischenzeit nicht an Wert verliert 17. Geld kommt demgemäss eine Wertspeicherfunktion (=die Möglichkeit, Geld über einen längeren Zeitraum ohne Wertverlust aufzubewahren) zu. 18 14 Vgl. Bechler (1978), S.12 15 Vgl. Bechler (1978), S. 12 16 Vgl. Bechler (1978), S. 12 17 Hier ist nicht der inflationsbedingte Wertverlust des Geldes, sondern der Wertverlust durch z.b. Verderben gemeint. 18 Vgl. Bechler (1978), S. 15

Die Funktionen des Geldes 7 3.4 Die Recheneinheit Die Funktion des Geldes als Recheneinheit ermöglicht den Vergleich von realen ökonomisch unterschiedlichen Größen. So lassen sich beispielsweise sowohl der Wert eines Hauses, als auch der eines Autos in Geld einem Generalnenner ausdrücken. Dies ist die wesentliche Voraussetzung für Rechnungssysteme wie z.b. die Buchhaltung. Des Weiteren wird durch die Recheneinheit Geld der Informationsstand für die einzelnen Wirtschaftssubjekte gebessert, da sich bei einer gegebenen Zahl von Gütern die Preise drastisch reduzieren lassen. 19 Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen. Ein Haus kostet zehn Autos oder 200 Fahrräder. Ein Auto kostet 20 Fahrräder oder 1/10 Haus. Ein Fahrrad kostet 1/100 Haus oder 1/20 Auto. Um die drei Güter Haus, Auto und Fahrrad vergleichen zu können sind folglich sechs Preise notwendig. Wird hingegen Geld als Recheneinheit verwendet, sind nur drei Preise zum Vergleich der drei Güter notwendig: der Wert des jeweiligen Guts, ausgedrückt in Geldeinheiten. Ohne dem Generalnenner Geld, der Recheneinheit, würden alleine beim Vorhandensein von nur zehn unterschiedlichen Gütern die Möglichkeiten des Ausdrucks der Preise bei 3 628 800 (!) liegen. 19 Vgl. Bechler (1978), S. 16

Die Geldformen 8 4 Die Geldformen Bevor Geld nun als Zahlungsmittel, Wertspeicher, Recheneinheit und Tauschmittel fungieren konnte, musste zuerst ein geeignetes Medium gefunden werden, welches all diese Funktionen erfüllen konnte. Zu Beginn des Einsatzes von Geld wurden bestimmte Waren als Zahlungsmittel verwendet. Daher stammt auch der Ausdruck Warengeld. In weiterer Folge ging man zur Verwendung von Edelmetallen über. Erst vor nicht allzu langer Zeit wurde eine abstraktere Form von Geld in Europa gebräuchlich: ungedecktes Münzgeld und Schuldgeld. (Materielles Geld) / Warengeld (Immaterielles Geld) / Kreditgeld frühes Warengeld Metalle ungedecktes Münzgeld Schuldgeld Muscheln Elektron Münzen mit geringerem Feingehalt Felle Gold schlechtere Legierungen Wechsel Scheck Steine Silber Banknoten Tabak Kupfer Schuldschein Tee Abbildung 4-1: Einteilung der Geldformen 20 20 Quelle: eigene Darstellung; die Einteilung erfolgte in Anlehnung an die zitierten Autoren. [Das Buchgeld ist in dieser Tabelle nicht angeführt, da es für die weitere Arbeit nicht von Bedeutung ist.]

Die Geldformen 9 Zur Benennung und Einteilung der Geldformen: Unter dem Begriff Warengeld versteht Bechler Güter unterschiedlichster Art, die als Zahlungsmittel Verwendung gefunden haben. 21 Keynes versteht unter Warengeld im Wesentlichen eine besondere Warengattung aus realen Einheiten, welche frei verfügbar und nicht monopolisiert ist. Das Angebot dieser Warengattung richtet sich nach den vorhandenen Mengen und Produktionskosten. 22 Kreditgeld ist u. a. darunter gekennzeichnet, dass sein Wert als Zahlungsmittel (Nennwert) größer ist als sein stofflicher Gegenwert. 23 Geld, dessen Materialwert von seinem Nennwert losgelöst ist, bezeichnet Keynes hingegen als Willkür-Geld. 24 4.1 Das Warengeld Wenn das Medium, welches als Geld Verwendung findet, über den gleichen Eigenwert den es repräsentiert verfügt, handelt es sich um Warengeld. Der nominelle Wert muss dem stofflichen Wert des Geldes entsprechen. Diese Eigenschaft weisen sowohl die frühen Formen des Warengeldes, als auch die Metalle auf. 4.1.1 Frühe Formen Die Anfänge des Warengeldes sind um 25 000 vor Chr. zu finden. In Westeuropa benutzten die Höhlenmenschen kleine Beilchen aus Nephrit (einem grünen durchscheinenden, aus wirr durcheinander geflochtenen Mineralfasern zusammengesetzten Stein 25 ) als erste Tauschgegenstände. Andere prähistorische Unter Buchgeld unter sind Sichteinlagen, also jederzeit fällige Guthaben, von Nicht-Banken im Bankensystem, über die z.b. durch Überweisung oder Lastschriftverfügt werden kann, zu verstehen. (Vgl. Schreiber (2000), S. 95 21 Vgl. Bechler (1978), S. 18 22 Vgl. Keynes (1955), S. 6 23 Bechler (1978), S.18 24 Vgl. Keynes (1955), S. 6 25 Vgl. DUDEN Das Fremdwörterbuch

Die Geldformen 10 Völker verwendeten Nahrungsmittel (wie z.b. Getreide 26 ), Sklaven und Vieh zum Tauschen. 27 Seit der Urgeschichte der Menschheit wurden seltene Waren als Tauschmittel verwendet. Dabei unterschieden sich diese je nach Region. In Asien kamen beispielsweise zu Ziegeln gepresster Tee, Tabak, Kakaobohnen und Steinsalz zum Einsatz. 28 Das am besten bekannte und am weitesten verbreitete Warengeld ist wohl die Kaurimuschel. 29 Bereits 4000 vor Chr. soll sie in China verwendet worden sein. 30 Es handelt sich dabei um eine weiße oder hellgelbe Muschel, die Porzellan ähnelt. Ihr Verbreitungsgebiet dehnte sich schnell über ihr natürliches Vorkommen im Pazifik bis zum Atlantik hin aus. Durch arabische Händler, welche sie als Zahlungsmittel aus ihrem Ursprungsgebiet übernahmen und exportierten, gelangte sie von Asien bis zur afrikanischen Ostküste. Von dort aus fand sie bis ins Innere Afrikas Verbreitung und wurde später durch die Portugiesen und Holländer sogar bis nach Europa gebracht. Zu ihrer Blütezeit war sie über eine Distanz von 20.000 Kilometern dem halben Erdumfang verbreitet. 31 An den Küsten von Siam und Bengalen wurde die Kaurimuschel als Vermögen gehortet, 32 da sie im Gegensatz zu den vorher genannten Formen des Warengelds (ausgenommen Nephrit) einen Vorteil hatte: sie verdarb nicht. Somit konnte sie nicht nur als Zahlungsmittel und Recheneinheit, sondern auch als Wertspeicher verwendet werden. Abbildung 4-2: Kaurimuschel 33 26 Vgl. Morgan (1965), S. 11 27 Vgl. Weimer (1992), S. 25 28 Vgl. Fessel-Pohl/Raab (1993), S. 13 29 Vgl. Morgan (1965), S. 12 30 Vgl. Weimer (1992), S. 25 31 Vgl. Sedillot (1992), S. 41f 32 Vgl. Sedillot (1992), S. 41 33 Quelle: eigenes Foto

Die Geldformen 11 Eine weitere Ware, welche die Wertaufbewahrungsfunktion erfüllen kann, ist Haschisch. Von arabischen Assassinen wurden die Drogen bereits aus diesem Grund gehortet. 34 Als weitere Arten von Warengeld gelten Whiskey, Steine, Tabak 35, Salz 36, Perlen, Zähne, Federn 37, Felle 38, etc. Ferner fanden Ringe Einsatz als Medium für Geld: das sogenannte Ringgeld. Gold und Bronze wurden zu Ringen für Finger, Arme oder Füsse, die wahlweise als Schmuck oder Geld Verwendung fanden, verarbeitet. 39 Im Laufe der Zeit wurden die vielen verschiedenen Arten des Warengeldes reduziert und hauptsächlich Metalle für Zahlungs- und Tauschvorgänge verwendet. Diese haben gegenüber den vorher verwendeten Medien den Vorteil der längeren Haltbarkeit, der Einheitlichkeit und der leichteren Teilbarkeit. 40 4.1.2 Die Metalle Metalle sind leichter zu transportieren als viele andere Arten des Warengeldes und Bronze, Zinn und Eisen waren seit langer Zeit begehrte Handelsartikel, da sie zur Waffenherstellung eingesetzt wurden. 41 Es lag daher nahe, diese begehrten Güter als Geld zu verwenden. Vor 4000 Jahren wurden dann bereits Silber, Kupfer und Gold zum Tauschen verwendet. 42 Die Metalle wurden in Barren, deren Gewicht im vorderen Orient bereits seit langem standardisiert war, aufbewahrt. Ein wesentlicher Schritt in der 34 Vgl. Weimer (1992), S. 67 35 Vgl. Galbraith (1976), S. 17 36 Vgl. Bechler (1978), S. 18 37 Vgl. Raab/Fessel-Pohl (1993), S. 14 38 Vgl. Sedillot (1992), S. 14 39 Vgl. Weimer (1992), S. o.a.; Sedillot (1992), S. 59f 40 Vgl. Bechler (1978), S. 18 41 Vgl. Merkelbach (1992), S. 16 42 Vgl. Galbraith (1975), S.17

Die Geldformen 12 Entwicklung des Geldes war der Übergang von den Metallbarren zu kleineren Einheiten den Münzen, die ebenfalls genormt waren. 43 Die ersten Münzen aus Edelmetallen sollen die Könige der Lyder zwischen 800 und 700 vor Chr. geprägt haben. 44 Sie verwendeten dazu eine Legierung aus Gold und Silber, auch bekannt unter dem Namen Elektron, 45 welches damals der Fluss Paktolos in dem Gebiet der heutigen Türkei als natürliches Vorkommen mitgeführt hatte. 46 Bald lernten auch die Griechen durch den Handel mit den Lydern verbunden das Prägen von Münzen von den Bewohnern Lydiens. 47 Barren aus Edelmetallen, in unpraktischen Formen von Stiften, Stäben, kleinen Beilen oder Nägeln, wichen nun der neuen Form der Metalle, den Münzen. Diese hatten (und haben) den Vorteil, dass sie sich durch ihre flache Scheibenform aufeinanderlegen und somit stapeln ließen, was den Zählvorgang erheblich erleichterte und beschleunigte. Durch die Prägung auf beiden Seiten waren sie leicht als Zahlungsmittel identifizierbar. 48 Zu Beginn der Ära der Münzen war Elektron das bevorzugte Material bei der Geldherstellung. Aufgrund der unterschiedlichen Anteile von Silber und Gold dieser natürlichen Legierung und des unterschiedlichen Wertes der beiden Edelmetalle schwankte auch der Wert der Münzen. Man suchte daher bald nach einem wertstabileren Material und ging auf den Gebrauch von reinem Gold oder Silber über. 49 Bereits im sechsten Jahrhundert vor Chr. prägte der Lydische König Kroisos die erste Münze aus Gold. 50 In Griechenland musste man sich aufgrund der 43 Vgl. Merkelbach (1992), S. 16 44 Vgl. Morgan (1965), S. 13; Sedillot (1992), S. 61f, Merkelbach (1992), S.15 [Während Merkelbach Midas als ersten König, der Münzen prägen ließ, nennt (Vgl. Merkelbach (1992), S. 17), schreibt Sedillot diese Erfindung Gyges zu (Vgl. Sedillot (1992), S. 63) Weimer nennt hingegenden Herrscher Alyattes als Schöpfer der Münzen. (Vgl. Weimer (1992), S. 27). Als sicher gilt jedoch, dass für diese Münzen Elektron verwendet wurde, da es alle Autoren in diesem Zusammenhang anführen.] 45 Vgl. Morgan (1965), S. 13 46 Vgl. Merkelbach (1992), S. 16 47 Vgl. Merkelbach (1992), S. 18 48 Vgl. Sedillot (1992), S. 62f 49 Vgl. Sedillot (1992), S. 69f 50 Vgl. Morgan (1965), S. 13; Sedillot (1992), S.70

Die Geldformen 13 natürlichen Vorkommen lange Zeit mit Münzen aus Silber (bekannt wurde die Silberdrachme) 51 begnügen. 52 In der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts vor Chr. führten auch die Römer offiziell die Münzprägung ein. 53 Da in Italien keine Edelmetalle vorkamen mussten sie für ihr Geld hauptsächlich Kupfer und dessen Legierung mit Zinn Bronze verwenden. 54 Entsprach dabei der nominelle Wert der Münzen dem stofflichen, so zählten sie zum Warengeld. War dies nicht der Fall, handelte es sich bei dem Geld aus der künstlichen Legierung um ungedecktes Münzgeld. 4.2 Kreditgeld Zum Kreditgeld zählen all jene Formen, deren stofflicher Eigenwert geringer ist als der Wert, den sie repräsentieren. Doch wie konnten die abstrakte Formen des Geldes, deren stofflicher Wert weit unter dem nominellen Wert liegt überhaupt entstehen? Unter welchen Voraussetzungen konnte es erfunden werden? Aus welchen Gründen war es überhaupt notwendig? Dies wird in den anschließenden Kapiteln über die Entstehung des Schuldgeldes erläutert. Vorerst soll jedoch ein Überblick über die heute gebräuchlichsten Formen des Kreditgeldes gegeben werden. Darunter fallen Münzen aus künstlichen Legierungen, deren nomineller Wert höher als der Wert des Metalls ist, der Scheck, Banknoten und der Wechsel. 4.2.1 Ungedecktes Münzgeld Die Diskrepanz des nominellen und des stofflichen Wertes bei Münzen ist erstmals bei den Römern zu finden. Sie erfanden die Wertminderung von Silbermünzen durch 51 Vgl. Sedillot (1992), S. 58 52 Vgl. Sedillot (1992), S. 71f 53 Vgl. Morgan (1965), S. 16; Merkelbach (1992), S. 45 54 Vgl. Sedillot (1992), S. 79; Merkelbach (1992), S. 45

Die Geldformen 14 die Zugabe von Kupfer und Zinn. 55 Während der punischen Kriege scheuten sie auch nicht davor zurück, das Gewicht ihrer Bronzemünzen zu reduzieren, um den finanziellen Bedürfnissen des Staates entgegenzukommen. 56 Diese Art der Wertminderung kam im Laufe der folgenden Jahrhunderte vielen Herrschern in finanziellen Schwierigkeiten entgegen. Es war für sie ein Leichtes, in der Hoffnung dass es nicht auffallen würde, das Gewicht der Münzen aus reinen Edelmetallen einfach etwas zu verringern oder die Anteile in den Legierungen zu verändern. So konnte mit der gleichen Menge Gold oder Silber mehr Geld erzeugen und damit mehr Waren erworben werden. 57 Bei ungedecktem Geld handelt es sich also um Geld, das seinen (nominellen) Wert per Regierungserlass erhält. 58 Heute ist uns eine ähnliche Form dieser Münzen durchaus geläufig und wir akzeptieren sie ohne Bedenken als vollwertiges Tauschmittel. Eine 2-Euro-Münze besteht beispielsweise aus den Metallen Kupfer, Nickel und Messing. 59 Ihr nomineller Wert beträgt zwei Euro (d.h. man kann mit einer Euro-Münze Waren, deren Wert sich auf den Betrag von zwei Euro belaufen, kaufen). Der stoffliche Wert dieser Münze beläuft sich jedoch lediglich auf 2,5 Cent 60. Der nominelle Wert ist folglich 80 mal höher als der reine Materialwert einer zwei Euro-Münze. Abbildung 4-3: Vorder- und Rückseite der 2-Euro-Münze (Österreich) 61 55 Vgl. Lindgren (1999), S. 66f [Dieser Schritt ist bei den geringen Silbervorkommen in Italien kaum verwunderlich.] 56 Vgl. Morgan (1965), S. 16f 57 Vgl. Galbraith (1976), S. 18 58 Vgl. Lindgren (1999), S. 69 59 Vgl. Spranz/Meyer (2001), S. 25 (die genaue Zusammensetzung ist wie folgt: Außenteil: Kupfer- Nickel Cu75Ni25; Innenteil: dreischichtig Nickel-Messing/Nickel/Nickel-Messing Cu75Zn20N15/Ni12/Cu75Zn20Ni5) 60 Vgl. Liane Rupprecht (2002), persönliches e-mail 61 Quelle: URL: http://www.austrian-mint.at/website/euromuenz.html [09.01 2003] (die Rückseite der österreichischen 2-Euro-Münze zeigt ein Portrait von Bertha von Suttner)

Die Geldformen 15 4.2.2 Schuldgeld Eine frühe Art des Schuldgeldes wurde bereits von den Ägyptern erfunden. Verfügte jemand bei einem staatlichen Getreidespeicher über ein Guthaben, so konnte er Schecks über die Höhe dieses Guthabens ausstellen, an andere Personen übertragen und bei jedem staatlichen Getreidespeicher einlösen. Auch bei den Griechen und Römern sind bereits Formen des Schuldgeldes zu finden. Sie gingen allerdings mit dem Niedergang des Handels im frühen Mittelalter unter und erst die Kaufleute im frühen Mittelalter haben das Schuldgeld neu erfunden bzw. wiederentdeckt. 62 4.2.2.1 Wechsel Heute ist der Wechsel eine Zahlungsanweisung und an gesetzliche Formvorschriften gebunden. Er stellt nach wie vor (wie zu Zeiten seiner Entstehung) eine Erklärung einer Person dar, welche sich zur Zahlung in einer bestimmten Währung an eine andere Person, an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet. Diese Erklärung kann entweder einem gewährten Darlehen oder dem Erhalt von Waren zugrunde liegen. Es sind uns heute drei verschiedene Formen (dabei handelt es sich um gezogene Wechsel 63 ) geläufig: der Waren-, der Finanz- und der Depotwechsel. Ersterwähnter basiert auf einem Warengeschäft und wurde bis zur Errichtung der Europäischen Währungsunion als kurzfristiges Kreditmittel zur Finanzierung von Güterumsätzen eingesetzt. Zweiterwähnter stellt einen Kredit ohne zugrunde liegende Güterbewegungen dar und Letztgenannter dient zur Besicherung von Krediten 64 im Bankenwesen. 62 Vgl. Lindgren (1999), S. 68 63 Unter gezogenem Wechsel ist ein Wechsel zu verstehen, bei dem Aussteller und Bezogener nicht identisch sind. Dies ist eine spätere Entwicklung, denn in den Anfängen des Wechsels handelte es sich beim Aussteller und beim Bezogenen um ein und dieselbe Person (Vgl. Sprenger (1991), S. 96). Näheres dazu in 8.3.1 64 Vgl. Schreiber (2000), S. 497f

Die Geldformen 16 Der Warenwechsel (auch Handelswechsel) wird meist vom Verkäufer auf den Käufer gezogen. Nach dem Weiterverkauf der gegen den Warenwechsel erhaltenen Güter ist der Käufer in der Lage den Handelswechsel am Fälligkeitstag zu bezahlen. 65 Der Warenwechsel kann bei Bedarf vor Fälligwerden vom Verkäufer an ein Kreditinstitut weiterverkauft werden. (Damit wird er zum Finanzwechsel, da diesem Geschäft keine Güterbewegung zugrunde liegt.) Die Bank zieht vom Betrag Zinsen ab und hatte bis vor Kurzem ihrerseits wiederum die Möglichkeit, den Handelswechsel an die Zentralbanken weiterzuverkaufen. Die europäischen Zentralbank bietet diesen Ankauf von Warenwechseln nun nicht mehr an, womit der Wechsel zur Finanzierung von Güterumsätzen an Bedeutung verloren hat. Er findet daher nur mehr als Zahlungsmittel oder zur Besicherung von Krediten Verwendung. 66 Ist letzteres der Fall, handelt es sich um einen sogenannten Depotwechsel. Er wird vom Kreditnehmer (dem Bezogenen) akzeptiert, beim Kreditgeber (Aussteller) hinterlegt und darf erst bei Fälligwerden der Forderung 67 weitergegeben werden. 68 Die nachfolgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen dem Aussteller, dem Bezogenen und dem Remittenten den an einem Wechsel beteiligten Personen. 65 Vgl. Schreiber (2000), S. 214 [Bis dahin hat er ja sein Geld erhalten.] 66 Vgl. Schreiber (2000), S. 498 67 Das heißt im Normalfall, wenn der Kreditnehmer nicht mehr in der Lage ist, die Raten des Darlehens zurückzuzahlen. 68 Vgl. Schreiber (2000), S. 113

Die Geldformen 17 Abbildung 4-4: Personen des gezogenen Wechsels 69 Der Wechsel kann entweder an einem bestimmten Termin (Tagwechsel) oder bei Vorlage (Sichtwechsel) fällig werden. Die Bezahlung durch den Bezogenen kann jedoch durch Prolongation hinausgeschoben werden, wenn der Wechselnehmer bereit ist eine neue Laufzeit zu akzeptieren. 70 Im Normalfall wird bei einer Prolongation an den Wechsel eine Allonge, mit der Vereinbarung über eine längere Zahlungsfrist, geheftet. Möchte der Wechselnehmer jedoch schon vor dem Fälligkeitsdatum über den Betrag des Wechsels verfügen, so hat er die in der Graphik dargestellten Möglichkeiten des Indossaments. 69 Quelle: eigene Darstellung; vgl. Schreiber (2000), S. 498 70 Vgl. Schreiber (2000), S. 498

Die Geldformen 18 Abbildung 4-5: Indossament 71 Durch das Indossament erhält der Wechselnehmer kein bares Geld, jedoch kann er durch die Übertragung der Rechte auf eine andere Person den Wechsel als Zahlungsmittel verwenden. So kann z.b. der Wechsel anstatt von Münzen gegen Waren getauscht werden. Diese Möglichkeit besteht jedoch nicht, wenn der Wechsel mit einer Rektaklausel versehen ist. Der Übertrag auf eine andere Person ist dann nur durch Einigung und Abtretung des in ihm verbrieften Anspruchs möglich. 72 Die folgende Abbildung zeigt einen heute gebräuchlichen Finanzwechsel, der zur Besicherung von Krediten im Bankenbereich verwendet wird. Die Klausel nicht an (deren) Order definiert ihn als Rektawechsel. Abbildung 4-6: Moderner Finanzwechsel 73 71 Quelle: eigene Darstellung; vgl. Schreiber (2000), S. 225 72 Vgl. Schreiber (2000), S. 386 73 Quelle: zur Verfügung gestellt von Oberbank 3 Banken Gruppe / Frankenmarkt

Die Geldformen 19 Die Verwendung des Wechsels als Zahlungsmittel ist in Europa seit dem hohen Mittelalter 74 üblich. Wieso die Händler des hohen Mittelalters den Wechsel und andere bargeldlose Zahlungsmittel einführten, und was die Voraussetzungen für deren Entstehung waren, wird in den folgenden Kapiteln genauer erläutert. Auf die geschichtliche Entstehung des Wechsels durch die Fernkaufleute Italiens im hohen Mittelalter wird genauer in Kapitel 8.3 eingegangen. 4.2.2.2 Scheck Erste Anfänge des Schecks sind bereits im hohen Mittelalter zu finden. Schon während des 12. Jahrhunderts war es üblich, Zahlungen durch Überweisungen von einem Konto auf ein anderes zu tätigen. Um auf diese Weise zu zahlen, musste nun der Schuldner seine Bank mündlich zur Überweisung eines bestimmten Betrages anweisen und der Gläubiger seine Zustimmung zu dieser Zahlungsart geben. Beides musste unter der Anwesenheit von Zeugen geschehen. Da dieses System sehr schwerfällig war, wurde es während des 13. und 14. Jahrhunderts durch eine vom Schuldner unterschriebene schriftliche Anordnung/Anweisung ersetzt, die als der Vorläufer des heutigen Schecks gilt 75 und ihren Ursprung in Italien hat. 76 Schecks, welche auf ein bestimmtes Konto bezogen sind, finden jedoch erst in England um die Mitte des 18. Jahrhunderts Verbreitung. 77 Sein Unterschied zum Wechsel besteht darin, dass der Scheck ein Wertpapier für nur kurzfristig einlösbare Forderungen darstellt. Er kann daher nicht als Kreditmittel wie der Wechsel, sondern nur als Zahlungsmittel verwendet werden. 78 74 Diese Arbeit lehnt sich an die Einteilung des Mittelalters des Meyers Lexikon an. Demnach umfasst das Frühmittelalter den Zeitraum vom 6. Jahrhundert bis 1000. Das Hochmittelalter beginnt mit dem Jahr 1000 und endet mit dem Ende des 13. Jahrhunderts und das späte Mittelalter dauert vom 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. 75 Vgl. Morgan (1965), S. 22 76 Vgl. Sprenger (1991), S. 95 77 Vgl. Braudel (1985), S. 520 78 Vgl. Sedillot (1992), S. 405

Die Geldformen 20 Unter einem Scheck versteht man heute eine unbedingte Anweisung an den Bezogenen (=ein Kreditinstitut) zu Lasten des Ausstellers den betreffenden Betrag zu zahlen. Zwischen dem Aussteller und dem bezogenen Kreditinstitut besteht ein Vertrag, demzufolge es bei Sicht zur Auszahlung verpflichtet ist. Voraussetzung hierfür ist die entsprechende Deckung des Kontos des Ausstellers. 79 Um jedoch überhaupt als Scheck zu gelten, muss das Wertpapier folgende sechs Bestandteile aufweisen: 80 1. Bezeichnung Scheck im Text des Wertpapiers 2. unbedingte Anweisung auf einen bestimmten Geldbetrag 3. Name des Bezogenen 4. Zahlungsort 5. Tag und Ort der Ausstellung 6. Unterschrift des Ausstellers. Handelt es sich um einen Order-Scheck, so kann der Scheck mittels Indossament (dieses funktioniert wie bei Wechsel, Beschreibung im vorherigen Kapitel Abbildung 4-5: Indossament) auf andere Personen übertragen werden. Ist diese Übertragung nicht möglich, d.h. der Scheck richtet sich an einen bestimmten Empfänger und der Betrag wird nur an diese Person ausgezahlt, so handelt es sich um einen Rekta- Scheck. Wird der auf den Scheck ausgewiesene Betrag an den Inhaber des Schecks ausgezahlt, so handelt es sich um einen Inhaber-Scheck. 81 In diesem Fall können die Rechte aus dem Scheck durch einfache Einigung und Übergabe an eine andere Person übertragen werden. 82 Eine Auszahlung erfolgt also an denjenigen, der gerade Inhaber des Schecks ist. 79 Vgl. Schreiber (2000), S. 399 80 Vgl. Schreiber (2000), S. 399 81 Vgl. Schreiber (2000), S. 399 82 Vgl. Schreiber (2000), S. 227

Die Geldformen 21 Diese Auszahlung erfolgt in bar, wenn es sich um einen Bar-Scheck handelt. Bei einem Verrechnungs-Scheck hingegen erfolgt die Auszahlung nur durch die Gutschrift des Betrags auf dem Konto des Berechtigten. 83 Der Scheck fand in jüngster Zeit vor allem im privaten Bereich Verwendung. Er diente als bargeldloses Zahlungsmittel für Konsumenten. Durch die Einführung der Bankomatkarte und deren Zahlungsfunktion in den Geschäften wurde er in seiner Verwendung verdrängt, bis er schließlich im privaten Bereich seit der Einführung des Euros in den Ländern der Europäischen Währungsunion keine Verwendung mehr findet. Abbildung 4-7: Vorder- und Rückseite eines Schecks 84 4.2.2.3 Banknoten Banknoten sind in China seit dem 9. Jahrhundert n. Chr. im Umlauf. 85 Von seiner Chinareise wusste Marco Polo 1280 folgendes über die Erzeugung und Verwendung von Banknoten zu berichten:,vom Khan könnte man sagen, daß er das Geheimnis des Alchimisten besitzt, da er die Kunst versteht, Geld auf folgende Weise zu fertigen: er läßt von der Rinde der Maulbeerbäume den inneren Teil zu Brei zerreiben und daraus wird dann Papier gemacht, das ganz dunkel ist. Dieses wird in Stücke von verschiedener Größe geschnitten. Beamte, die dazu eigens angestellt sind, 83 Vgl. Schreiber (2000), S. 399 84 Quelle: eigene

Die Geldformen 22 schreiben darauf ihren Namen und drücken einen Siegel darauf. Der oberste Münzmeister Sr. Majestät stempelt es dann mit einem Siegel in Zinnober. Auf diese Weise wird es zur gültigen Münze. All dieses Geld wird mit großen Gepränge und Aufsehen gemacht, als wenn es lauter lötig Silber oder reines Gold wäre. 86 87 Durch die bewundernde Beschreibung Marco Polos wird klar, dass die Verwendung von Banknoten zu jener Zeit in Europa noch nicht bedeutend war, obwohl die Kaufleute Europas schon andere Formen des Schuldgeldes kannten. Den Ursprung der europäischen Banknoten findet man bei Goldschmieden. Bei ihnen konnte man ursprünglich Schmuck und später auch Geld unverzinslich hinterlegen und erhielt dafür einen Depositenschein, der Goldsmith Note oder Banker Note genannt wurde. Die hinterlegte Ware erhielt man gegen Vorlage dieses Lagerscheines wieder zurück. 88 Dieser Schein war wie moderne Banknoten übertragbar und somit im Umlauf. 89 Obwohl die schwedische Regierung bereits im Jahre 1161 den Auftrag zur Notenherstellung erteilte, 90 fanden sie doch erst nach über 400 Jahren allgemeine Verbreitung. 91 Der Wechsel, der ja ein bargeldloses Zahlungsversprechen darstellt, bot einen Ansatz für die spätere Weiterentwicklung des Papiergeldes in der heutigen Form. 92 85 Vgl. Braudel (1985), S.515 86 Vgl. Weimer (1992), S. 74 87 Die älteste uns erhalten Banknote stammt ebenfalls aus China. Sie wurde während der Ming- Dynastie zur Zeit des großen Krieges zwischen 1368 bis 1398 gedruckt (Vgl. Raab/Fessel-Pohl (1993), S. 26) 88 Vgl. Fessel-Pohl/Raab (1992), S. 30 89 Vgl. Clough (1968), S. 113 90 Vgl. Fessel-Pohl/Raab (1992), S. 30 91 Vgl. Braudel (1985), S. 516 92 Vgl. Sedillot (1992), S. 165

Die Geldformen 23 Heutzutage sind Banknoten ein unbeschränkt gesetzliches Zahlungsmittel und somit annahmepflichtig. Sie werden in der Regel von der Zentralnotenbank ausgegeben. 93 In der Abbildung ist eine 100-Euro-Banknote der Europäischen Währungsunion als Beispiel einer modernen Note zu sehen. Abbildung 4-8: Rück- und Vorderseite einer 100-Euro-Banknote 94 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird das Augenmerk auf die beiden im hohen Mittelalter erfundenen Formen des Schuldgelds, den Wechsel und den Schuldschein gelegt. Es soll nun genauer betrachtet werden, wieso ihre Entwicklung überhaupt möglich war. D.h. welche Voraussetzungen für dessen Entstehung notwendig waren. 93 Vgl. Schreiber (2000), S. 58 94 Quelle: entnommen aus: URL http://www.oenb.at/content/der!20!euro!20!-!20!unser!20!geld-- 300/Abbildungen!20!Euro-Banknoten--110.html.frame [09.01.2003]

Handel im hohen Mittelalter 24 5 Handel im hohen Mittelalter Obwohl ein Großteil der Bevölkerung des hohen Mittelalters in Dörfern lebte, ist die Rolle der Kaufleute in den Städten nicht zu unterschätzen. Sie hatten vor allem den Bedarf der Herrscher und Kirchenfürsten an Waren, die nicht an Ort und Stelle hergestellt werden konnten, zu decken. 95 Im Folgenden soll darauf näher eingegangen werden, in welchen Formen der Handel auftrat, welche Gründe für das Entstehen des Handels ausschlaggebend waren und von welchen Problemen und Gefahren die Händler betroffen waren. 5.1 Arten des Handels Grundsätzlich muss man zwischen zwei Formen des hochmittelalterlichen Handels unterscheiden. Dies sind der regionale und der überregionale Handel. 5.1.1 Regionaler Handel Wenn Bauern ihre Produkte auf dem nächstgelegenen Markt verkauften, 96 handelte es sich um den regionalem Handel. Die Güter wurden nur eine kurze Strecke transportiert und deckten den Bedarf der umliegenden Bevölkerung. Dieser Handel wickelte sich demgemäss vorwiegend zwischen dem Produzenten und dem Endverbraucher ab. Anders ist dies beim überregionalen Handel. Bei ihm sind die Teilnehmer der Transaktion vorwiegend mit Handelsgeschäften betraut, und verbrauchen die gehandelten Waren nicht selbst, sondern verkaufen sie an Dritte weiter. 95 Vgl. Gurjewitsch (1996), S. 265f 96 Vgl. Pirenne (1994), S. 81f

Handel im hohen Mittelalter 25 5.1.2 Überregionaler Handel Der überregionale (Fern-)Handel hatte für Europa besondere Bedeutung als Versorger der feudalen und der entstehenden städtischen Oberschicht mit Luxusgütern. Die ländliche Bevölkerung und ein Großteil der Bewohner der Städte hatte ein zu niedriges Einkommen, als dass sie sich die Waren aus weiter Ferne hätte leisten können. Neben dem Geschäft mit Luxuswaren organisierte der Fernhandel den Absatz der gewerblichen Produkte in Europa und darüber hinaus. Die in den größeren Städten lebenden Menschen konnten nämlich nur bis etwa zur Hälfte mit den Erzeugnissen aus der direkten Umgebung versorgt werden. 97 So kam dem überregionalen Handel eine wesentliche Bedeutung als Verteiler der in Europa produzierten gewerblichen Produkte zu. Bereits in der Antike herrschte ein reger Fernhandel, der jedoch durch die instabilen Verhältnisse in Europa, durch den Zerfall des römischen Reichs und die Völkerwanderung erheblich eingeschränkt wurde. Zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert wurde der überregionale Handel von europäischen Kaufleuten wieder aufgenommen, 98 nachdem er davor, in der Karolingerzeit, 99 hauptsächlich von bestimmten Gruppen wie den Juden, Syrern, Friesen und Flamen getragen wurde. 100 Im 11. Jahrhundert fand dann bereits in vielen Regionen Europas überregionaler Handel statt, welcher von Norditalien und den Niederlanden bestimmt wurde. 101 So wurden beispielsweise im 11. Jahrhundert Waren von Deutschland über den Brenner nach Norditalien exportiert und Waren aus dem Osten, welche über Venedig nach Europa gelangten, importiert. 102 97 Vgl. Henning (1985), S. 89 98 Vgl. Brennig (1993), S. 14f 99 Die Karolinger waren ein fränkisches Herrschergeschlecht aus dem Mosel-Maas-Raum, welches nach Karl dem Großen benannt wurde. Sie gingen aus einer Verbindung zwischen Arnulfingern und Pippiniden hervor. Ihre lothringer Linie erlosch 869, die italienische 875, die ostfränkische 911 und die westfränkische 1012. (Vgl. Meyers Lexikon) Sie beeinflussten also die Zeit vor der Wende zum zweiten Jahrtausend. 100 Vgl. Hammel-Kiesow (2000), S. 25 101 Vgl. Clough (1968), S. 82 102 Vgl. Clough (1968), S. 79

Handel im hohen Mittelalter 26 Seit 1314 sandten Genua und Venedig jährlich Flotten durch die Straße von Gibraltar nach Brügge. 103 Die im östlichen Mittelmeer erworbenen Luxusgüter gelangten seitdem auf diesem Weg in das nördliche Europa. 5.2 Gründe für den Handel Als Gründe für den gesteigerten Handel sind nicht nur der Bedarf an fremden Gütern, sondern auch die Innovationen des Mittelalters und die Entstehung der Städte zu nennen. 5.2.1 Innovationen Die Klöster waren die Hauptinitiatoren der technischen Verbesserungen. Zu ihren Innovationen, die in der Landwirtschaft Anwendung fanden, zählen z.b. eine weiterentwickelte Pflugtechnik; die Nutzung der Pferdekraft, die durch die Verwendung von effektiveren Zuggeschirren und des Hufeisens möglich wurde; der Gebrauch der Sense, des Dreschflegels und des verbesserten Ackerwagens sowie der Einsatz von Wasser- und Windmühlen. 104 In der Übergangsphase vom Früh- zum Hochmittelalter wurden die hakenförmigen Pfluggeräte, die den Boden nur aufrissen und ihn für die Einsaat somit unzulänglich vorbereiteten, immer mehr vom neuentwickelten Beetpflug, der tiefer in den Boden eindringen konnte und ihn wendete, verdrängt. Dieser neue, bis zum 10. Jahrhundert im Abendland selten verwendete Pflug, setzte sich 11. Jahrhundert in vielen Ländern Europas immer stärker durch. 105 Zusätzlich wurde seit dem 12. und 13. Jahrhundersts das Pferd verstärkt als Spannvieh für die schweren Pflüge vor allem 103 Vgl. Clough (1968), S. 84 104 Vgl. Brennig (1993), S. 36f 105 Vgl. Rösener (1986), S. 21f

Handel im hohen Mittelalter 27 im nordeuropäischen Raum eingesetzt. 106 Dies war durch die Erfindung des auf den Schultern aufliegenden Zuggeschirres in der kombinierten Verwendung mit dem Hufeisen, was die Zugleistung der Pferde gegenüber der Antike von 500 auf ca. 2500 kg erhöhte, möglich. 107 Ab dem Ende des 13. Jahrhunderts fand die Sense, die vorher nur für die Heumahd verwendet wurde, bei der Getreideernte Gebrauch. 108 Im 11. Jahrhundert gewannen die Mühlen für die Getreideverarbeitung an Bedeutung. So kamen im Jahr 1086 in England beispielsweise schon auf 46 Bauernhaushalte eine Mühle und ihre Zahl stieg zu Beginn des 12. Jahrhunderts rapide an. 109 Diese Neuerungen trugen mit Unterstützung der Dreifelderwirtschaft wesentlich zur Produktionssteigerung bei, 110 und erleichterten sie die schwere Arbeit der Bauern. Technische Fortschritte im Transportbereich begünstigten den überregionalen Handel. Auf dem Wasserweg unterstützen ab dem 12. Jahrhundert astronomische Tafeln die Positionsbestimmung. Eine primitive Form des Kompasses, wahrscheinlich aus China, half seit dem 13. Jahrhundert den Weg auf den Meeren besser zu finden. Ferner fanden im selben Jahrhundert astronomische Mess- und Beobachtungsgeräte, welche die Bestimmung des Breitengrades ermöglichten, Einsatz. Des Weiteren wurde in jener Zeit mit einer Kartographie, welche tatsächlichen Beobachtungen und nicht der Fantasie zugrunde lagen, begonnen. 111 Die herausragendste Innovation des 13. Jahrhunderts mag jedoch die Entwicklung des Achterstevensteuers 112 gewesen sein. Es war viel besser zur Kontrolle und 106 Vgl. Rösener (1982), S. 123 107 Vgl. Hundsbichler (1986), S. 189 108 Vgl. Pleticha (1985), S. 115 109 Vgl. Duby (1984), S. 244f 110 Vgl. Brennig (1993), S. 36f 111 Vgl. Clough (1968), S. 85 112 Vgl. Favier (1992), S. 43[Dabei handelt es sich um ein Ruder auf einem Zapfen, welches sich am Heck des Schiffes um seine Achse dreht. (Vgl. Favier (1992), S. 43) Man verwendete zu diesem Zweck einfach ein Ruder, welches schräg nach hinten an der Steuerbordseite des Schiffs (=rechts) angebracht wurde. Est durch die Fixierung des Ruders in der Mitte auf zwei Lagern, wurde eine bessere Ruderwirkung erzielt.]

Handel im hohen Mittelalter 28 Lenkung eines Schiffs geeignet als das herkömmliche Seitensteuer 113, das bald völlig verschwand. Das neue Ruder ermöglichte ein Segeln härter am Wind und den Bau von größeren Schiffen mit mehr Laderaum. Da diese großen Boote nun nicht mehr am Ufer entlang gezogen werden konnten und einen tieferen und sichereren Hafen als ihre Vorgänger benötigten, führten sie zu einer Konzentration auf wenige Häfen für den Transport auf dem Wasserweg. Diese Zentralisierung erforderte eine Verbesserung der Ladekräne, Docks und Lagerhäuser, was den Seetransport erneut optimierte 114. Auch für den Transport auf dem Landweg gab es Verbesserungen. Zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert wurden das Pferdegeschirr und das Hufeisen, die den verbesserten Einsatz des Pferdes als Transportmittel (und als landwirtschaftliches Nutztier) ermöglichten, entwickelt. Dies wurde von der Erfindung des niedrigen Schubkarrens begleitet. 115 5.2.2 Entstehung der Städte Ab der Mitte des 10. Jahrhunderts stieg die Geburtenrate in Westeuropa erheblich an. Gründe dafür waren das Ende der Raubzüge der Sarazenen, Normannen und Ungarn. Die grundherrschaftliche Wirtschaftsordnung bot für diese vielen Menschen jedoch keinen Platz mehr. Eine große Menschenmenge wurde gezwungen den väterlichen Hof zu verlassen, und sich um andere Verdienstmöglichkeiten umzusehen. Ein Großteil der Landbevölkerung, die aufgrund des Bevölkerungswachstums immer mehr anstieg, wanderte in der Folge in die Städte ab, in denen sich zu dieser Zeit der neue Stand der Kaufleute und Handwerker bildete. Im 12. Jahrhundert verstärkte sich diese Entwicklung und dauerte bis zum Ende des 13. Jahrhundert an. 116 Die Bevölkerungszahl hat sich in dieser Zeit mit 113 Vgl. Favier (1992), S. 43 114 Vgl. Clough (1968), S. 86 115 Vgl. Clough (1968), S. 86 116 Vgl. Pirenne (1994), S. 69f

Handel im hohen Mittelalter 29 Sicherheit um die Hälfte erhöht. 117 Vom regnum Teutonicum wissen wir, dass die Bevölkerung sogar von 3,5 Millionen im Jahr 1000 auf 14,5 Millionen im Jahr 1300 anwuchs. 118 Die nun gestiegene Bevölkerungszahl in den Städten saugte die Produkte des Ackerbaus auf. Es wurden somit Absatzmärkte geschaffen, deren Fehlen in der Grundherrschaft die Produktion auf den Eigenbedarf beschränkte. Bauern, die bisher nur für den Eigenbedarf und die Herrschaft geackert und geerntet hatten, begannen einen Überschuss für den Bedarf in den Städten herauszuwirtschaften. Dies geschah proportional zur steigenden Zahl der Städte und deren Bedeutung. 119 Die positive Entwicklung der Produktionssteigerung der Landwirtschaft wurde durch die Klimaveränderung vom Ende des 10. bis zum 13. Jahrhundert weiter begünstigt. Bremsten die Seuchen und Missernten vor dem 10. Jahrhundert den landwirtschaftlichen Ertrag, so führten die um 1 C wärmeren Sommer und milderen Winter zu günstigen Wachstumsbedingungen und ließen die Ernte der Felder steigen. 120 Der vermehrte Anbau von Hülsenfrüchten, der die Eiweißversorgung der Menschen drastisch verbesserte, trug ebenfalls Wesentliches zum Bevölkerungswachstum bei. 121 Um die landwirtschaftlichen Produkte nun in die Städte zu liefern gab es zwei Möglichkeiten. Eine belief sich darin, dass der Bauer sein Getreide selbst in die Stadt bringt oder auf dem nächstgelegenen Markt verkauft. Eine andere war die Übernahme der Erzeugnisse an Ort und Stelle durch einen Händler. 122 Die sich neu entwickelnden Städte sogen die Überschussproduktion der Landwirtschaft auf und der Kaufmann, der sie absetzte, etablierte sich allmählich. 123 117 Vgl. Clough (1968), S. 64 118 Vgl. Hammel/Kiesow (2000), S. 23 119 Vgl. Pirenne (1994), S. 81 120 Vgl. Brennig (1993), S. 36 121 Vgl. Hammel/Kiesow (2000), S. 23 122 Vgl. Pirenne (1994), S. 81f 123 Vgl. Brennig (1993), S. 37