Sinn und Zweck der Geltendmachung von Fiskalansprüchen nach dem 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz

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Transkript:

Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Agrarausschuss 28.2.2008 Auftrag an LU in der Sitzung des Agrarausschusses am 28.02.2008 Weitergehende Informationen zum Thema: Gesetzlichen Vertreterbestellung im Land Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen der Umsetzung des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz (Art. 233 H bis 16 EGBGB) Der Bundesgerichtshof hat mit seiner jüngsten Entscheidung vom 07.12.2007 (Az. V ZR 65/07) zu einem Fall im Land Brandenburg erneut das Thema Bodenreformland auf die politische Tagesordnung gerufen. Dies gab Minister Dr. Till Backhaus Anlass, am 28.2.2008 im Agrarausschuss kurz zu den Hintergründen des Urteils zu berichten sowie die derzeit erkennbaren Konsequenzen für Mecklenburg-Vorpommern aufzeigen. Im Folgenden werden die dortigen Ausführungen nochmals schriftlich dargestellt und weiter mit zusätzlichen Informationen vertieft: Sinn und Zweck der Geltendmachung von Fiskalansprüchen nach dem 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz Mit den Vorschriften des zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes (Art. 233 11 bis 16 EGBGB) wollte der Bundesgesetzgeber den Unsicherheiten Rechnung tragen, die sich in der Nachwendezeit ergeben haben. Im Rahmen der in den fünfziger Jahren stattgefundenen sog. Zwangskollektivierung" der Bauern mussten die Bodenreformeigentümer auch das Nutzungsrecht an die LPG abgeben, so dass der Einfluss auf die Entscheidungen über ihr nur formal fortbestehendes Eigentum völlig auf Null reduziert wurde. Diese Rechtspraxis führte dazu, dass zum einen die Grundbuchlage über Jahrzehnte vernachlässigt wurde und zum anderen auch die Umsetzung des Besitzwechselrechtes durch die DDR-Behörden nicht einheitlich erfolgte. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung lag in vielen Fällen eine unklare Rechtssituation an Bodenreformland vor. Es fehlte insbesondere an einer Klärung, wem das Bodenreformland zustehen sollte, wenn es zu einem Auseinanderfallen der Grundbuch- und Erbrechtslage mit demjenigen Rechtszustand kam, der bei ordnungsgemäßer Abwicklung des damaligen Besitzwechselrechtes eingetreten war oder hätte eintreten müssen. Danach konnten nach der Wende die besser berechtigten" Erben (= am Stichtag 15.03.1990 Mitglied der LPG) die Auflassung dieser Grundstücke von der Erbengemeinschaft verlangen und der Landesfiskus die Grundstücke, die in pauschalierter Nachzeichnung des damaligem Besitzwechselrechts der DDR in den Bodenfonds zurückzuführen gewesen wären (ca. 7.800 in Mecklenburg- Vorpommern). Die konsequente Umsetzung dieser Vorschriften diente aber nicht nur den Fiskalinteressen des Landes. Die pauschalierte Nachzeichnung des Besitzwechselrechtes der DDR stand auch im Interesse einer Gleichbehandlung aller Erben; d Klä ff V ö f i lä dli h R

der Herstellung der Bewirtschaftungssicherheit landwirtschaftlicher Betriebe und der Verkehrsfähigkeit der Bodenreformgrundstücke. Die Recht- und Zweckmäßigkeit der Bestimmungen war Gegenstand vieler Urteile, des Bundesgerichtshofes, des Bundesverfassungsgerichts und auch des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR). Sie steht heute nicht mehr in Frage. Bestellung des gesetzlichen Vertreters im Land Brandenburg Auch das nunmehr zu behandelnde BGH-Urteil hinterfragt nicht die materielle Rechtslage, also das Bestehen des fiskalischen Anspruchs gegen die nicht in der Landwirtschaft tätigen Erben. Der BGH wendet sich allein gegen die Art und Weise, wie das Land Brandenburg diese Ansprüche im Rahmen der Auflassung durch gesetzliche Vertreter durchgesetzt hat. Mit der Bestellung des Landes zum gesetzlichen Vertreter war es dem Land - ersten Presseberichten zufolge in ca. 9.000 Fällen - möglich, die Grundstücke an sich selbst aufzulassen ( Insichgeschäft"). In dem vom BGH entschiedenen konkreten Fall - lebt die Familie des Neubauern seit 47 Jahren auf der Bodenreformstelle. - Der Neubauer war im Oktober 1989 verstorben - also 4 1 /4 Monate vor dem maßgeblichen Stichtag, dem 15.03.1990. - Das örtliche Kreisgericht hatte einen Erbschein bereits 1991 erteilt. - die Ehefrau des verstorbenen Neubauererben lebte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften zur Abwicklung der Bodenreform. - Das Grundstück war an einen Landwirt verpachtet. Offensichtlich waren von den vom Land Brandenburg beauftragten Stellen in dem konkreten Fall keinerlei Recherchen vorgenommen worden, um die Erben zu ermitteln. Darauf deutet auch hin, dass der Regierungserklärung vom 27.02.2008 zufolge 654 Grundstücke wegen nachgewiesener Zuteilungsansprüche zurückgegeben werden mussten, nachdem ca. 1.000 Ansprüche kurz nach dem 02.10.2000 angemeldet worden waren. Auszug aus der Regierungserklärung von Ministerpräsident Platzeck vom 27.02.2008 im Landtag von Brandenburg: Nach dem Stichtag 2. Oktober 2000 haben sich in rund 1.000 Fällen Erben gemeldet, die bis dahin dem Land unbekannt waren. Im Fall ihrer dann besseren Berechtigung, nämlich 654 mal, hat das Land die Grundstücke an die betroffenen Erben zurückgeführt"." 2

Feststellungen des BGH Der Kern des Vorwurfs gegenüber dem Land Brandenburg liegt in der Kritik, dass sich das Land in die Vertreterauflassung geflüchtet" habe, ohne die Erben selbst ermittelt oder entsprechende Veranlassungen getätigt zu haben. Der Bundesgerichtshof hat in den Entscheidungsgründen (Rdnr. 15) folgendes festgestellt: Die Bestellung eines Dritten zum Vertreter der Eigentümer der Grundstücke konnte nicht zur Auflassung der Grundstücke führen, weil ein Dritter als Voraussetzung seiner Mitwirkung den Nachweis eines Anspruchs des Beklagten verlangen musste und würde. Eine Unterbrechung der Verjährung des Auflassungsanspruches des Beklagten durch Erhebung einer Klage kam nicht in Betracht, weil es hierzu der Darstellung des geltend gemachten Anspruchs bedurfte, zu der der Beklagte ohne Kenntnis der Erben des Neubauern und deren Zuteilungsfähigkeit nicht in der Lage war." Diese Feststellungen des BGH betreffen nur den konkreten Fall in Brandenburg. Sie können nicht pauschal auf Auflassungen durch gesetzliche Vertreter in Mecklenburg- Vorpommern übertragen werden. Zur Frage, warum im vorliegenden Fall der Darlegungslast zum gestellten Anspruch nicht nachgekommen wurde, führt der BGH nämlich folgendes aus: Hierzu erklärte der Beklagte als Vertreter der Eigentümer die Auflassung der Grundstücke an sich selbst sowie im eigenen Namen und im Namen der Vertretenen zur Urkunde des Notars zum Schuldgrund: "Das Land B. hat nach Art. 233 12 Abs. 2 i.v.m. 11 Abs. 3 EGBGB Anspruch auf unentgeltliche Auflassung des Grundbesitzes." Dies erfolgte ins Blaue hinein und war inhaltlich falsch. Der Beklagte wusste nicht, ob er die Auflassung der Grundstücke verlangen konnte. Diese Frage hatte der Beklagte weder geprüft noch - im Hinblick auf seine Unkenntnis der Erbfolge nach R. N. - prüfen können. Die Grundstücke sollten durch die Auflassung und die Eintragung des Beklagten in das Grundbuch vielmehr unabhängig von dem Bestehen eines Erwerbsanspruchs ihrem Eigentümer entzogen werden. Die unzutreffende Angabe des Schuldgrunds war allenfalls geeignet, einen Dritten wie etwa den Landkreis bei der Entscheidung über die zur Wirksamkeit der Auflassung nach Art. 233 3 Abs. 2 EGBGB. S 16 Abs. 4 VwVfG. SS 1915. 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB notwendige Genehmigung der Auflassung zu täuschen." Nach Auffassung des BGH war das Land Brandenburg mit der Bestellung zum gesetzlichen Vertreter zwecks Auflassung der Bodenreformgrundstücke an sich selbst im Wege des Insichgeschäftes nicht davon entbunden zu prüfen, ob der Anspruch tatsächlich besteht. Im Gegenteil: Als gesetzlicher Vertreter oblag ihm bei der Durchführung des Insichgeschäftes eine besondere Überprüfungsverantwortung. Da in dem konkreten Fall offensichtlich überhaupt keine Prüfung stattgefunden hatte oder veranlasst worden war, gelangte der BGH zu der Auffassung, dass die Auflassungen nicht nur rechtswidrig, sondern wegen Sittenwidrigkeit sogar nichtig sind. Seine Vorwürfe gipfelten in der Bewertung, es handele sich um ein Verhalten, das eines Rechtstaates unwürdig sei und nachhaltig an die Praxis der Verwalterbestellung in der DDR erinnere. Konsequenzen in Brandenburg Das Finanzministerium des Landes Brandenburg hat unterschiedliche Maßnahmen angekündigt, um den Vorwürfen des BGH Rechnung zutragen. Dazu gehört insbesondere, Grundstücke an Neubauernerben unabhängig von der Zuteilungsfähigkeit zurück zu übertragen, wenn gesetzliche Vertreter die Übertragung an den Fiskus vorgenommen hatten. 3

Situation in Mecklenburg-Vorpommern Nach Bekanntwerden des Urteils hat das LU geprüft, ob und in welchem Umfang derartige Vorwürfe auch gegenüber der Praxis in Mecklenburg-Vorpommern erhoben werden können. Danach ist im Vergleich zu Brandenburg feststellbar, dass von einer grundsätzlichen Sittenwidrigkeit der Auflassungen gesetzlicher Vertreter in Mecklenburg-Vorpommern nicht gesprochen werden kann. Dies beruht auf folgenden Gründen: - In Mecklenburg-Vorpommern hat die mit der Durchführung beauftragte Landgesellschaft die Landkreise zwar tatkräftig bei der Abwicklung der Bestellung gesetzlicher Vertreter unterstützt. Zum Beispiel: Nennung der Rechercheergebnisse der Landgesellschaft und deren Verwendung durch die Bestellungsbehörden; Benennung ehemaliger Mitarbeiter und anderer Personen als Vertreter durch die Landgesellschaft als Vorschlag zur Bestellung als gesetzliche Vertreter; Haftungsfreistellungsklausel in Auflassungserklärung - Das Land wurde aber in keinem Fall zum gesetzlichen Vertreter bestellt und hat demnach auch kein Bodenreformgrundstück an sich selbst aufgelassen - Die Bestellung der gesetzlichen Vertreter wurde erst infolge und im Ergebnis aufwendiger Recherchen nach den Neubauernerben und nach Anhaltspunkten für deren Besserberechtigung" vorgenommen, die die Landgesellschaft bereits seit dem Jahr 1992 betrieb, während hiermit in Brandenburg erst im Jahre 1996 begonnen wurde. - Der Anteil der ermittelten Abkömmlinge des Erblassers aber auch die Erkenntnisse über die fehlende und die bestehende Zuteilungsberechtigung der (potentiellen) Erben war entsprechend höher. Die Quote der Vertreterbestellungen gemessen an der Zahl recherchierter Neubauerngrundstücke betrug in Mecklenburg-Vorpommern nur 6% (3.000 von 50.000). ca. 50.000 recherchierte Neubauerngrundstücke in Mecklenburg-Vorpommern ca. 7.800 fiskalische Ansprüche 9% n von fiskalischem Anspruch inbelastet _ Auflassungen gesetzlicher Vertreter D Auflassungen der Neubauernerben D nicht verfolgte potentielle Ansprüche _ Auflassungen der Neubauernerben _ Auflassungen gesetzlicher Vertreter _ nicht verfolgte potentielle Ansprüche - Fälle, in denen aufgrund der unzureichenden Rechercheergebnisse eine zeitgerechte Auflassung nicht mehr möglich war (ca. 500), wurden gar nicht weiterverfolgt. 4

Nähere Beschreibung des Verfahrens in Mecklenburg-Vorpommern Als die Landgesellschaft und die Ämter für Landwirtschaft im Jahre 1992 mit der Durchführung der Vorschriften des 2. Vermögensrechtänderungsgesetz begannen, geschah dies in erster Linie auf der Grundlage der Meldungen der Grundbuchämter über Grundbuchverfügungen (Art. 233 13 EGBGB). Es wurde schnell deutlich, dass diese Vorgehensweise allein nicht dazu führen würde, dass eine flächendeckende Umsetzung des Gesetzes stattfinden kann. Vielmehr war die Kenntnis des Fiskus über Bodenreformgrundstücke eher zufallsbedingt davon abhängig, ob eintragungsbedürftige Verfügungen vorgenommen wurden. Das Land entschloss sich daher zu einer umfassenden Grundbuchrecherche durch die Landgesellschaft. Diese führte darüberhinaus, soweit erforderlich, Abfragen durch bei _ den Einwohnermeldeämtern und den Nachlassgerichten, _ den Bewirtschaftern der Grundstücke, _ den Bürgermeistern, und den alteingesessenen Bürgern, _ den LPGen und deren Rechtsnachfolgern, die zu DDR-Zeiten das Nutzungsrecht an den Grundstücken hatten, und bei _ dem Kreismeldearchiv und dem Kreisarchiv. Bei Hinweisen auf eine Ausreise in die alten Bundesländer wurden das Lastenausgleichsamt Lübeck, und das Bundesverwaltungsamt Gießen sowie weitere vom Bundesverwaltungsamt benannte Ämter befragt und hiernach weiterführende Informationsersuchen an die so ermittelten örtlichen Einwohnermeldeämter gestellt. Das Verfahren 3.000 Eintritt der Verjährung, 02.10.2000, 24.00 Uhr 2.500 _ Auflassungen gesetzlicher Vertreter 2.000 _ Auflassungen der Neubauernerben in Person 1.500 1.000 nicht zuordnungs fähig Genehmigung der Auflassung (Landkreis) Eintritt der Verjährung, 02.10.2000, 24.00 Uhr 5

Ergab sich im Rahmen dieser Ermittlungen, dass der eingetragene Eigentümer den Stichtag erlebt hatte oder die potentiellen Erben des vor dem 15.03.1990 verstorbenen aber noch im Grundbuch eingetragenen Eigentümers zu diesem Zeitpunkt Mitglied in der LPG waren konnte bereits ein fiskalischer Anspruch ausgeschlossen werden. Anderenfalls hat die Landgesellschaft die (potentiellen) Erben angeschrieben und um weitere Auskünfte gebeten. Sie wurden um den Nachweis ihrer Zuteilungsfähigkeit gebeten, bzw. auch zur Beibringung eines Erbscheins aufgefordert. Nach Abschluss der Prüfung wurden alle über das Ergebnis informiert. Bei fehlender Besserberechtigung" hat die Landgesellschaft sie zur Auflassung aufgefordert. Erst wenn alle genannten Recherchen erfolglos blieben, also die Erben oder deren Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte und auch keine Anhaltspunkte für deren Besserberechtigung" ermittelt werden konnten, wurde bei der nach Art. 233 2 Abs. 3 EGBGB zuständigen Stelle die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters beantragt. Der gesetzliche Vertreter konnte daraufhin die Auflassung zugunsten des Landes erklären. Das Vorliegen der Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruches war bereits durch die Landgesellschaft geprüft und dokumentiert. Wegen des Umfangs der Ermittlungen der Landgesellschaft aber auch der Anfangsschwierigkeiten der Landkreise im Umgang mit der Bestellung der gesetzlichen Vertreter häuften sich die Verträge im Jahr 2000. Dort wurden 90 % der Auflassungen durch die gesetzlichen Vertreter bewilligt. Statistik Die vom Land Brandenburg angekündigten Rückübertragungen sind in Mecklenburg- Vorpommern nicht geeignet, zu mehr Gerechtigkeit im ländlichen Raum beizutragen. Dies sollen einige Zahlen verdeutlichen: Von den ca. 130.000 Grundstücken, die infolge der Bodenreform an sog. Neusiedler oder Neubauern vergeben worden waren, sind ca. 80.000 (2/3) bereits zu DDR-Zeit im Vollzug der Besitzwechseldurchführungsverordnungen in den Bodenfonds zurückgeführt worden. ca. 130.000 Bodenreformgrundstücke _ in den Bodenfonds zurückgeführt _ Auflassungen der Neubauernerben _ nicht verfolgte potentielle Ansprüche _ von fiskalischem Anspruch unbelastet _ Auflassungen gesetzlicher Vertreter 6

In ca. 7.300 Fällen (15%) hat das Land Mecklenburg-Vorpommern nach dem 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz Ansprüche auf Auflassung der aus der Bodenreform stammenden Grundstücke durchsetzen können. Davon wurden in ca. 4.300 Fällen, die Grundstücke durch die Erben aufgelassen. In ca. 3.000 Fällen wurden gesetzliche Vertreter für unbekannte Erben bestellt. ca. 7.300 Auflassungen an den Fiskus ca. 28.000 ha Auflassungen an den Fiskus _ gesetzlicher Vertreter _ Neubauernerben in Person _ Auflassungen der Neubauernerben in Person _ Auflassungen gesetzlicher Vertreter Bisherige Reaktion von Bürgern Eine flächendeckende Rückgabe der von gesetzlichen Vertretern aufgelassenen Grundstücke würde im Vergleich zu denjenigen, die ihre Grundstücke nach der Besitzwechselverordnung oder in deren pauschalierter Nachzeichnung verloren haben, als weitere Benachteiligung empfunden werden. Diese Bedenken werden durch die bisherige Reaktion der Bürger bestätigt: Von den Anrufern, die sich infolge des BGH-Urteils im LU gemeldet haben, betreffen die meisten solche Neubauernerben, die selbst das Bodenreformgrundstück an den Fiskus aufgelassen haben. Sie fühlen sich häufig aufgrund der Wirkungen des BGH-Urteils im Land Brandenburg benachteiligt, weil dort nichtzuteilungsfähige Erben das Neusiedlerland zurückerhalten. Es gab auch Anfragen von Erben, bei denen die Bodenreformgrundstücke bereits zu DDR-Zeit in den Bodenfonds zurückgeführt worden waren. Aussicht für Mecklenburg-Vorpommern Angesichts der andersartigen Verfahrensabwicklung in Mecklenburg-Vorpommern und dem daraus resultierenden höheren Ermittlungserfolg wird angenommen, dass die Zahl der nachträglich auftauchenden Erben gering sein wird. Vermutlich handelt es sich dabei in der Mehrzahl um solche Erben, die bis zum Eintritt der Verjährung keinen Erbnachweis beigebracht haben oder beibringen konnten. Das tatsächliche Problem, das sich aus dem Urteil des BGH ergibt, wird daher mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblich geringer sein als es in der politischen Diskussion erscheint. 7

8 Fazit Für Mecklenburg-Vorpommern ergeben sich aus dem Vorgenannten folgende Schlussfolgerungen: - Wie bereits in den vergangenen Jahren in einigen wenigen Fällen geschehen, werden Bodenreformgrundstücke zurückgegeben, falls sich wider Erwarten noch bislang unbekannte Erben von Neubauern auftauchen und ihre damalige Zuteilungsfähigkeit nachweisen. - Die in Rede stehenden Bodenreformgrundstücke werden bis auf weiteres nicht veräußert. Das LU hat bereits am 15.02.2008 einen sofortigen Verkaufsstopp verfügt. - Nichtzuteilungsfähige Neubauernerben, deren Grundstücke im Rahmen der gesetzlichen Vertreterbestellung aufgelassen wurden, können bei der Landgesellschaft in Erfahrung bringen, ob und welche Recherchen zur Vertreterbestellung und Auflassung an den Fiskus geführt haben. 8