CAPOEIRA. Die Musik als Geheimsprache

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Universität Hannover Institut für Sportwissenschaften VP- Sport und Gesellschaft- WS 91/92 Seminar: Europäisches und südamerikanisches Tanzen - Interkultureller Vergleich des Bewegungsverhaltens Dozentin : AOR,M.A. Chr. Zipprich Referent: Tobias Groß Die Musik CAPOEIRA ----------------------------------------------------------------------- - Die Musik als Geheimsprache....................1 - Der Berimbau................................3 - Die Toquess - Grammatik einer Musiksprache.......4 - Lob und Andacht, Hohn und Stichelei, die Lieder.....5 ----------------------------------------------------------------------- Aufgabe der Musik Die Musik als Geheimsprache Die Musik ist der Lebensnerv von Capoeira: - Sie versetzt die Spieler in die notwendige Spannung und belebt dadurch sowohl Kampf, als auch Tanz. - Aufgabe der Musik ist es aber auch Grenzen zu setzen: - die wachgerufen geistigen und körperlichen Kräfte zu steuern und den wilden Kampf zu einem rhythmischen Schlagabtausch zu ordnen, - die wilden lebensgefährlichen Bewegungsabläufe durchsichtigt zu machen. Funktion/Theorie: Der Rhtyhmus bindet jede Handlung/Bewegung an Zeitmaß und Zeitraum, so daß sowohl die Körperbewegung des einzelnen, als auch der eigentliche Zweikampf synchronisiert und durchpulsiert werden, wodurch sich der Kampf zu atemberaubenden "Tempo" steigert. -------------------------------------------------------------------------------- Wechselseitige Beeinflussung von Musik und Kampftänzer/Capoeirista Dabei beeinflussen sich Musik und Tänzer gegenseitig; inspirieren sich über ein Mitteilungssystem, das auf Rhythmus und Körpersprache beruht. 1

Dadurch kann "auch" die Spontanität der Tänzer den von der Musik gesetzten Rahmen (jederzeit) verändern: das führt dazu (soweit), daß jede "gut eingespielte Capoeiragruppe" eine eigene "Körpergeheimsprache" besitzt, was wiederrum zu Verständigungsschwierigkeiten führt, beim Aufeinandertreffen von zwei verschiedenen Spielern mit unterschiedlichen Körpersprachen. Dann muß wiederrum über die Musik regulierend, korrigierend beeinflußt werden; auch damit die körperliche Auseinandersetzung eher tänzerisch, als kämpferisch ausgetragen wird: das Berimbau muß dann über geignete Rhythmen die erhitzten Gemüter beruhigen. Aufbau der Musik In der Musik hat das "Element der Wiederholung" die entscheidende Bedeutung. Über eine bewußt angesteuerte Eintönigeit, aus der scheinbar ewigen, "in Variationen steigernden Rücker bereits bekannter Schlagmuster" wächst die schöpferische, magische Spannung. Verbindung zu den Göttern? Über diese bestimmten»polyrhythmischen, ekstatischen Schlagformen«strebt der "Capoeirista" danach, sich übermenschliche Eigenschaften wie Unbesiegbarkeit und Todesmut anzueignen. Der Capoeirista weiß, daß er sich mit Hilfe des Rhythmus Kräfte der Natur aneignen kann und daß die "musikalische Bewegung" jeder anderen noch so perfekten, aber unbeseelten Bewegung überlegen ist: - der Rhythmus setzt die "schlummernde Kraft" am "ökonomischten" in Bewegung um; - die Musik löst im entscheidenden Moment Verkrampfungen, verleiht Mut, betäubt Schmerzen. - Hier zeigen sich deutliche "Parallelen" zu den Kulthandlungen in den "Candomble-Ritualen". Aber der Capoeirista "verliert sein Bewußtsein nie" an ein übernatürliches Wesen, ist nie von einer Gottheit besessen, sondern nimmt lediglich "seelische Kräfte" in Anspruch, um sein "Bewußtsein" nüchtern auf die "unmittelbare Wirklichkeit" zu richten. 2

Der Berimbau ( & '97 by T. Groß) 1 Der berimbau symbolisiert die Capoeira und ist das Hauptinstrument, er dominiert sowohl Musik, als auch Spiel: 2 -»der Roda Besitzer (dono da roda) spielt das befehlsgebende Instrument, Symbol seiner Autorität. Er bestimmt damit nicht nur zu jeder Zeit Rhythmus / Spielart und Tempo, sondern kann auch die Partner wählen; sie trennen, wenn es zu scharf oder böse angeht (oder nicht scharf genug), gibt Signale für das Spiel, Anfang/Ende (repique) usw..«3 Die Capoeira kann mit nur einem Berimbau arbeiten ( funktionieren) und ohne andere Instrumente. Aber es wird keine Roda ohne Berimbau existieren.³ Der Berimbau hat unterschiedliche Rhythmen und jeder Rhythmus fordert (ruft!) zu einem bestimmten Stil des Jôgo (jôgo de capoeira) auf.³ Es ist sehr wichtig zu wissen, daß es einige traditionelle Rhythmen gibt und einige, die von Meistern (selbst) kreiert wurden. 4 Die Rhythmen (toques de berimbau) sind genau festgelegte Schlagformen, die sich in Variationen wiederholen und die sich zusammen mit den Rhythmusphrasen der anderen Instrumente zu einem polyrhythmischen Muster verflechten. Es gibt drei Ebenen des Berimbau-Orchesters: 5 - den Charakter eines toques bildet eine rhythmische Grundfigur als Basis, die zusammen mit gängigen Variationen gespielt wird. Dieses schillernde Grundmuster kann Streckenweise von solistischen Einlagen überdeckt werden, die den Charakter eines toques aber nicht verschleiern dürfen. Zwischen diesen Ebenen darf der Berimbau-Spieler wechseln, solange er den musikalischen Fluß nicht hemmt. Auf die dritte Ebene, die zur spontanen Improvisation einlädt, wagen sich aber nur die besten Berimbau-Spieler.» Die spontane Variation ist der schwierigste, aber auch intimste Kontakt, den ein Musiker zu seinem Instrument haben kann (Lourival Santos Araújo) 6.«Am häufigsten gebräuchlich sind drei Berimbaus in der bateria (Instrumentalbesetzung), die sich in ihrer Größe und Funktion von einander unterscheiden: 1. Gunga - großer Berimbau, hält den Bass-Rhythmus (dono da roda) 2. Media/de Centro - hält den Haupt-Rhythmus/Basis-Rhythmus (ergänzt die Gunga) 3. Viola - spielt die rhythmischen Variationen (springt zwischen den Linien) Die Berimbaus setzen der Größe nach ein, wonach die übrigen Perkussionsinstrumente ebenfalls ihrer Größe nach einsetzen: - atabaque (Faßtrommel afrik. Herkunft), - pandeiro (Schellentrommel bzw. Schellentambourin), - agogô (metallene Doppelglocke), - reco-reco (Stück Bambusstab = Ratsche). Dies Instrumente haben einen ergänzenden, komplementierenden Charakter, sie spielen eher einfach. Die meiste Zeit einen einfachen Dreierrhythmus. 1 & 1997 by Tobias Groß, Bödekerstr. 36, 30161 Hannover 2 Vgl. Mestre Acordeon: Capoeira-Musik Lerncassette 3 Tom»Peixe«Cuson: Capoeira Lehrbuch Musik, Berlin 1982, S. 32. 4 Vgl. Mestre Acordeon: Capoeira-Musik Lerncassette 5 Vgl. Onori, Piero: Sprechende Körper. Capoeira - ein afrobrasilianischer Kampftanz, Köln 1988 S. 54. 6 Einer der besten Berimbau-Hersteller und Musikbogenspieler von Bahia. 3

Berimbau - Rhythmen ( toques de berimbau) ( & '97 by T. Groß) 1. Angola (od. Banguela) Begleitet die ladainha (einleitender Sologesang). Basis-Rhythmus der entrada (jôgo de chão = am Boden tief). Befolgt die Rituale und Regeln der Capoeira Angola: => langsamer Rhythmus = langsame Bewegungen, langsam, katzenhaft, tief am Boden -> Zeitlupe entknoten. Schlauheit, Erfahrung, List -> Geltung.»Ohne viel Aggression«2. Banguela (~ ähnlich wie Angola) => wiegen in der Ginga, aus der mit unewarteten schnellen Schlagfolgen hervorgeprescht wird: ginga solta = freie, lockere Ginga und quebra o jôgo = das Spiel brechen, spielerisch bewegt, überraschend. 3. São Bento Grande de Regional (das eigentliche Gegenstück zu Angola) Hauptrhythmus von Mestre Bimba: schneller Toque -> Capoeira-Regional. Zur Entwicklung von Schnelligkeit und Koordination, schließt den Kampf ein: => provoziert schnelle und hohe Bewegungen (aufrecht), einen harten Kampf; sehr schnelles, kampfbetontes- und strategisches-, bisweilen akrobatisches Spiel; sehr anspornend, geschwindigkeits- und kraftbetont bis aggressiv. 4. São Bento Pequeno ( ergänzt Angola in der Bateria = Berimbau Media) Etwas langsamer angeschlagen als S.B.Gr. de Reg. => zum Scherzen und Balgen geeignet 5. São Bento Grande de Angola (Basis-Rhythmus für Anfänger) Die gleiche Rhythmusform wie S.B.Gr. de Reg., nur etwas langsamer und weicher: -> harmonisches Spiel; => fordert eher zum wirklichen»spielen«auf; frei von Aggressivität; oft bei Demonstrationen und öffentlichen Auftritten; friedliche Stimmung von tänzerischer Verspieltheit; Schönheit und Ausgewogenheit haben absoluten Vorrang. 6. Iuna (ein Spiel nur für»graduated«, d.h. sehr fortgeschrittene Schüler) Der Rhythmus treibt und rollt und fordert auf die Bewegungen fließen zu lassen. Er ist ein Kompromiß zwischen Kampf, Ritual und Eleganz der Capoeira Angola: => besonderes Spiel mit äußerster Körperbeherrschung, Akrobatik; langsame, tiefe, ornamentale Bewegungen zum Lockern und Aufwärmen des Körpers und den Wurftechniken cintura desprezada. 7. Cavalaria (Warnsignal, Fluchtsignal) Ehemals Warnsignal vor Gefahr, Fremden, Polizei besonders vor Reiterschwadronen; zeigte Verfolger oder unliebsame Personen an: diente früher als Fluchtsignal oder Anweisung an die Spieler einen harmlosen Tanz vorzutäuschen; kündigt heute Touristen an, die nach Geld riechen. => schnelles akrobatisches Spiel. 4

Die Lieder Lob und Andacht, Hohn und Stichelei Art und Aufbau Ein Capoeira-Lied ist meißt aus einfachen Zweilern aufgebaut, die aus dem Wechselgesang zwischen Vorsänger und Chor hervorgegangen sind -> afrikanischer Ursprung ( = he, Ladi ) - Die Liedtexte sind einem dem Spiel seit Jahrhunderten innewohnenden Erfindungsgeist entsprungen, der noch heute neue Strophen, Melodien und Tanzfiguren herforbringt. - Oft fehlt den Versen der Reim. - Die Sprache ist afrikanisch abgeschliffenes Portugiesisch > wodurch eine poetisch wirkungsvolle Vieldeutigkeit zustande kommt Ladainhas Wichtige Gattung, die solistisch vorgetragenen Lobgesänge vor Beginn des Kampftanzes. Inhalt: Preisen von Heimat und Herkunft, Erinnerung an Taten berühmter Meister, Spielpartnern Achtung erweisen > Beisp. Liedtext: Es lebe Bahia, geliebte, gute Erde, reiches Land, wo Gott sich niederließ, zwischen Feldern und Hügeln. Wo die Freunde kämpfen, waren auch ich und mein Bruder, waren mein Bruder und ich. Wir haben einander zum Kampftanz herausgefordert, doch keiner - weder er noch ich - hat gewonnen. Mein Freund, wer hat dich Capoeira gelehrt? Mein Meister war Barroquinha, Bart hat er keinen, sein Messer richtet er gegen die Polizei, und die Einheimischen behandelten ihn gut. I n den Liedern finden sich : - historische und geographische Bezüge, die von der vagen Vorstellung einer verlorenen Heimat über die Sklavenzeit, die Quilombos, den Krieg gegen Paraguay, bis zum 2. Weltkrieg reichen; - religiöse Vorstellungen in Form des Synkretismus, dem typischen Verschmelzen von kathlischen Heiligen und afrikanischen Gottheiten > zu gemeinsamen Kultfiguren. > allerdings herscht keine friedliche Koexistenz der zwei Glaubenswelten vor aufgrund der Geschichte ; > darum eine bestimmte, gezielte Ironie in vielen Liedtexten 5

> Beisp. Liedtext: Jê! Regen, Nieselregen auf meinen Hut. Heilige Mutter Maria, laß es nicht zu, daß Schwarze in den Himmel kommen. Alle Weißen wollen reich werden, alle Mulatten sind Lackaffen, alle Schwarzen sind abergläubisch, alle Zigeuner sind Diebe. Spott und Hohnlieder Haben oft direkten Zusammenhang zum Spielgeschehen: - spontan in Versform gehaltene Sticheleien sollen eine anwesende Person zum Kampftanz auffordern. Dies führt bis zu Beleidigungen, die der betreffenden Person nur die Wahl zwischen sich aus dem Staub machen oder aber die Herausforderung anzunehmen läßt. > Beisp. Liedtext: Jê! Hör zu, du Süßwasserkrebs, die ganze Zeit schon bin ich überzeugt, daß du nichts wert bist, trotz deiner Greifzangen. Wenn ich komme, gehst du fort, wenn ich fortgehe, kommst du. Ich habe bereits alles für die Mahlzeit vorbereitet, mir fehlen nur noch das Maniokmehl und der Schmalz. Literatur : Onori, P., Sprechende Körper. Capoeira-ein afrobrasilianischer Kampf- Tanz, Edition dia, St. Gallen, 1988. 6