Dekubitusrisiko einschätzen Wie hilfreich sind verschiedene Assessment-Instrumente? Rita Müller, MSc.N Leitung Pflegeentwicklung Kantonsspital Winterthur
Themenübersicht Einführung Assessment Ziele von Dekubitusrisikoskalen Instrumente im Vergleich Nutzen/Grenzen von Instrumenten Empfehlungen Fazit
Qualitätsanforderungen tsanforderungen Die Pflegefachperson aktuelles Wissen zur Dekubitusentstehung sowie die Kompetenz, das Dekubitusrisiko einzuschätzen systematisches Vorgehen um das Dekubitusrisiko aller Patienten/Bewohner, bei denen eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, zu beurteilen zu Beginn des pflegerischen Auftrags danach in individuell festzulegenden Abständen bei Veränderungen der Mobilität/Aktivität bei Einwirkung von externen Faktoren (z.b. Tuben) Aktuelle systematische Einschätzung der Dekubitusgefährdung liegt vor. Expertenstandard DNQP (2010)
Arbeitsdefinition Assessment Multidisziplinärer, diagnostischer Prozess, mit dem die gesundheitliche Situation von PatientInnen gründlich erfasst und bewertet wird, damit Interventionen sinnvoll geplant, durchgeführt und in ihrem Verlauf evaluiert werden. Grob, (2006), zit. von Spirig (2008) Umfasst verschiedenste Dimensionen Klinische Befragung, Körperuntersuchung, Labor- und weitere Untersuchungen, sowie die Verwendung von Instrumenten für die vertiefte Abklärung einzelner Bereiche Goolsby & Grubbs zit. von Spirig (2008)
Ursachen für f r erhöhte/verl hte/verlängerte Einwirkung von Druck/Scherkräften Einschränkung nkung der Aktivität: t: Ausmass, in dem sich ein Patient/Bewohner von einem Ort zum anderen bewegt z.b. Abhängig von Gehhilfen, Transfer, Rollstuhl, Bettlägerigkeit etc. Einschränkung nkung der Mobilität: t: Ausmass, in dem ein Patient/Bewohner seine Körperposition wechselt z.b. kaum/keine Kontrolle der Körperposition im Sitzen/Liegen, keine selbständigen kleinen Positionsveränderungen im Liegen/Sitzen Äusserliche bzw. durch medizinisch/pflegerisch Behandlung bedingte Exposition gegenüber Druck und/oder Schwerkräften z.b. auf Körperoberfläche eindrückende Katheter, Sonden, Tuben, Schienen /Verbände, unzureichende druckverteilende Hilfsmittel für Lagerungen, lange Operationen Expertenstandard DNQP (2010)
Ziele von Dekubitusrisikoskalen Risiko wird objektivierbar und messbar Rechtzeitige Erkennung von dekubitus-gefährdeten Patient/innen/Bewoher/innen Unterstützung bei der Auswahl angemessener prophylaktischer Massnahmen Verbesserung der Effektivität und Effizient der Prophylaxe Schutz von Haftungsrisiken Falls die diagnostische Genauigkeit und die klinische Effektivität gegeben sind (Balzer K., 2010; Hunstein et al. 2006, Barthomeyzcik 2006)
Gütekriterien Objektivität: t: Ergebnis ist unabhängig von der Person, die das Messinstrument verwendet Reliabilität: t: Zuverlässigkeit mit der das Instrument bei mehrmaliger Messung unter gleichen Bedingungen zum gleichen Ergebnis führen Validität: t: Messinstrument misst das, was es messen soll Praktikabilität: t: Praxistauglichkeit (Polit et al. 2004; Reuschenbach und Mahler, 2006; Müller M., 2005)
Gütekriterien Sensitivität: t: Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Patienten mit einem Dekubitus, der Test positiv ist. Je näher bei 100%, desto besser werden die richtig Positiven erkannt. Spezifität: t: Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Patienten ohne Dekubitus, der Test negativ bleibt. Je näher bei 100%, desto besser werden die richtig Negativen erkannt. Vorhersagewerte (positive und negative) (Müller M., 2005)
Cut-off Point Optimaler Wert, der mit statistischen Berechnungen bestimmt wird, um das Risiko/ den Indikator für einen Gesundheitszustand zu interpretieren (Bartholomeyczik 2007) Literatur empfiehlt oft unterschiedliche Cut-off- Points deshalb berücksichtigen, in welcher Population wurde gemessen, zu welchem Zeitpunkt (Lewicki et al. zit in Bartholomeyczik, 2006)
*modifiziert Bienstein phys. Zustand psych. Zustand Risikoskalen im Vergleich Sensor. Wahrnehmung Aktivität Mobilität Inkontinenz Feuchtigkeit Hautzustand Reib- und Scherkräfte Ernährung Andere wie BMI, Geschl., Alter, Medikamente, Zusatzerkrank., neurol. Defizite, chir. Eingriffe, Kooperation/Motivation Braden Norton * * Waterlow
Instrumente im Vergleich Norton Waterlow Braden Klinik Anz.Studien 6 7 22 3 Sensitivität % 46.8 (16-81) 79 (<=16) 82.4 (75.8-100) 84 (>=10) 57.1 (38.6-100) (84 <=20) 50.6 Spezifität % 61.8 (31-94) 76 27.4 (10.3-38) 38) 69 67.5 (26-100) 62 60.1 Reliabilität hoch tief? hoch (2)? 0.83-0.99 hoch? Pancorbo-Hilgado et al. (2006) Review und Metaanalyse Balzer et al. (2007) bei 754 Pat. in 3 Berliner Spitälern
Norton Skala Sensitivtät 63 89 75 68.3 91/95 49 46.2 Spezifität 71.8 36 65 57 17/21 100 7.1 Cut-Off 12 14 14 14 14 16 16 Autor Auszug aus Gehrlach et al., 2008 Defloor et al. 2005 Goldstone et al. 1982 Chan et al. 1997 Haalboorn et al. 1999 Halek et al. 2002* Jalali et al. 2005 Schonhoven et al. 2002b *Orginalskala schätzt im Altersheim besser ein
Einige Resümee Bradenskala ist in Bezug auf die Validität besser als andere Pancorbo-Hidalgo et al. (2006) und Bolton (2007) Die Validität der Bradenskala und allen anderen Skalen ist zu tief für ein Assessment Schlömer (2003) Bradenskala: Beuteilungsdifferenzen bei den Items Ernährung, sensorische Wahrnehmung und Feuchtigkeit Kottner et al. (2008a/b) Waterlow Skala: Beurteilungsdifferenzen bei den Items Ernährung, Hautzustand und Mobilität Kottner et al. (2009b) keine Skala bei herzchir. Pat. ideal Feuchtiger et al. (2008) Risikoskalen bringen keinen Vorteil gegenüber einer regelmässigen Hautinspektion Vanderwee et al. (2007) Cocharane: keine Empfehlung, da kein RCT Moore et al. (2010) (DNQP, Literaturstudie, 2010)
Nutzen der Instrumente Hilfsmittel zum Steuern der pflegerischen Diagnostik - Grundlage zur Prozesssteuerung Bessere schriftliche Dokumentation (Qualität und Aufwand ) Transparenz Pflegebedarf und der pflegerischen Leistungen Kontinuität Sensibilisierung der Anwenderinnen - Gedächtnis unterstützende Funktion Elektronisch einfach umzusetzen Datenquellen für Qualitätsmanagement - Benchmark etc. Bartholomeyczik et al. (2006), Spirig et al. (2007), Reuschenbach (2008) Hunstein et al. (2006)
Grenzen der Instrumente Wissenschaftliche Belege fehlen für Nachweis Dekubitusrate kein Instrument ist überlegen Validität der Instrumente ist limitiert Erfassen nicht alle Risiken - immer nur bruchstückhaft Nicht alle Skalen sind in der Praxis praktikabel Pflegerische Urteile basierend nur auf einem Assessmentinstrument weisen gravierende Fehleinschätzungen auf Ersetzen auf keinen Fall Fachwissen Problemverfolgung aus Assessment nicht konsequent Überschneidungen mit anderen Assessments Abstimmung nötig Bartholomeyczik et al. (2006), Spirig et al. (2007), Reuschenbach (2008) Hunstein et al. (2006)
Multi-Screening Screening-Instrumente z.b. epa-ac AC ergebnisorientieres Pflegeassessment Akute Care Multiscreeninginstrument zum Einschätzen der Pflegebedürftigkeit mit integrierter Braden Skala und weiteren Screenings
State of the art Strukturen - Risikoassessment Leitlinie zur Risikobeurteilung entwickeln Strukturiertes Vorgehen, welches für die Einrichtung relevant ist (klinische Beurteilung, Nutzung einer Risikoskala in Kombination mit einer vollständigen Hautinspektion) Fachgebiete, die einbezogen werden sollen Zeiten zu Erst- und Wiederholungseinschätzung Hauteinschätzung Dokumentation der Risikoeinschätzung Weiterleitung der Information an Angehörige der Gesundheitsberufe Schulung Bildung von Hautpflege-Wundspezialisten Wundspezialisten-Teams (EPUAP/NPUAP, 2009)
State of the Art Prozess der Risikoeinschätzung Initiale Überprüfung des Dekubitusrisikos mittels klinischer Einschätzung Risiko ja Einschätzen bei Eintritt Wiederholen bei Veränderung des Zustandes Differenzierte Einschätzung: Erhebung der Risikofaktoren subjektive Äusserungen des Patienten (Schmerz, selbst wahrgenommene Druckeinwirkung) Hautinspektion (DNQP 2010; Witten Herdecke 2007; NPUAP/EPUAP 2009)
Risikoeinschätzungsinstrumente Erinnerungshilfen - ersetzen nicht die klinische Beurteilung. (Evidenz hoch )
Literatur Balzer, K. et al. (2008). Standardisierte Einschätzung des Dekubitusrisikos ein Positionspapier. Pflege 61: 438-443 Balzer et al. (2007). The Norton, Waterlow, Braden, and Care Dependency Scales: comparing their validity when identifying patients' pressure sore risk. JWound Ostomy Continence Nurs. 2007 Jul-Aug;34(4):389-98. Bartholomeyczik S. (2007) Eine kritische Anmerkungen zu standardiseirten Assessmentinstrumenten in der Pflege. Pflege 20: 211-217 Dekubitusprophylaxe Druck, Scherkräfte, Reibung und Mikroklima im Kontext. Ein Konsensusdokument. Internationale Übersicht. Wounds international. http://cms2.selesti.com/media/docs/kci_extrinsic_german_web.pdf Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP). (2010). Expertenstandrad Dekubitusprophylaxe. Fachhochschule Osnabrück. 1. Aktualisierung Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP). (2010). Literaturstudie zum Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege EPUAP und NPUAP (2009). European Pressure Ulcer Advisory Panel and National Pressure Ulcer Advisory Panel. Prevention and Treatment of pressure ulcers. Quick reference guide. Washington DC: National Pressure Ulcer Advisory Panel. Deutsche Kurzfassung unter: http://www.epuap.org/guidelines/qrg_prevention_in_german.pdf Gehrlach Ch. Et al. (2008). Inzidenz und Risikoerfassung vo n Dekubitus. Ergebnisse einer Qualitätsmessung des Verein Outcome in Schweizer Akutspitälern. Pflege 21: 75-84 Halek M. & Mayer H. (2002). Die prädiktive Validität der orginalen und erweiterten Norton Skala in der Altenpflege. Pflege 15: 309-317 Fried E. (2007). Assessment für die Pflege? Oesterreichische Pflegezeitschrift. 05 2007 Kottner J. et al. (2008). Die Interrater-Reliablität der Braden-Skala. Pflege 2008. 21: 85-94 Moore Z & Cowman S. (2008). Risk assessment tools for the prevention of pressure ulcers. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 3. Art. No.: CD006471. DOI: 10.1002/14651858.CD006471.pub2 Müller M. (2005). Unterrichtsskript Statistik. MSc.N. Masterstudiengang WE`G/Univesiteit Maastricht Pancorbo-Hidalgo P. (2006). Risk assessment scales for pressure ulcer prevention: a systematic review. J. Advanced Nursing. 94-110 Spirig R. et al. (Assessments als Grundlage für eine evidenzbasierte Praxis. Pflege 20: 182-184 Reuschenbach B. (2008). Wer bewahrt die Praxis vor ungeeigneten Pflegeassessments? Editorial Pflege 21: 295-298 Witten/Herdecke (2007). Dekubitusprävention. Evidenzbasierte Leitlinie des Wissensnetzwerkes evidence.de der Universität Witten/Herdecke
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