Large Scale Assessment in der Berufsbildung als Instrument von Politikberatung und Qualitätssicherung

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Transkript:

Large Scale Assessment in der Berufsbildung als Instrument von Politikberatung und Qualitätssicherung Beitrag zur AGBFN-Konferenz Qualitätssicherung in der Berufsbildungsforschung 13./14.09.2010 Wirtschaftsuniversität Wien Martin Baethge Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI)

Mögliche Interventionsebene eines in Politik, Qualitätssicherung und Forschung - International: Vergleich auf Systemsebene der Steuerung von Berufsbildung - National: Vergleich der Leistung unterschiedlicher institutioneller Ausbildungsordnungen (primär nicht einzelner Einrichtungen) - Forschung: angewandte (analytische) Grundlagenforschung

Bedeutung eines für Politikberatung und Qualitätssicherung International - Erhöhung der Transparenz über Leistungen unterschiedlicher Berufsbildungssysteme in Europa oder OECD-Raum - Beitrag zur Optimierung internationaler Klassifikationen zur Einordnung von Ausbildungsabschlüssen (ISCED, EQF) National - Die Leistungsfähigkeit institutionell unterschiedlicher Ausbildungsformen vergleichend bewerten - Verhältnis von individuellen/biographischen Merkmalen, Ausbildungsformen und Kompetenzerwerb klären (Zusammenhang von Input und Outcomes) - Zusammenhänge zwischen Abschlusszertifikaten und gemessenen Kompetenzen erfassen - Valide Instrumente zur Messung von Ausbildungsleistungen während und am Ende der Ausbildung, zur Optimierung von Standards, Ausbildungsorganisation und Prüfungen bereitstellen

Was ist ein Large-Scale-Assessment in der beruflichen Bildung? Valide, reliable und objektive Messung mit Hilfe psychometrischer Messverfahren - welche Kompetenzen (outcomes) - von einer repräsentativen Untersuchungspopulation - in ausgewählten beruflichen Ausbildungsgängen - in gleichen oder unterschiedlichen institutionellen settings und/oder - in verschiedenen Ländern erworben werden.

Schwierigkeiten der Operationalisierung und Messung von Kompetenzen Kompetentes Verhalten in einer bestimmten Situation oder Kompetenz als Potential für das Verhalten in verschiedenen Situationen Ermittlung von Kompetenzen auf der Grundlage - interner Bedingungen nicht - externer Tätigkeiten - Selbst und/oder Fremdeinschätzung

Gründe gegen Messverfahren auf Basis externer Performanz und Selbsteinschätzung - Kann in internationalem Vergleich nicht von externer Performanz in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen auf individuelle Kompetenzen schließen. - Unzureichende Berücksichtigung berufsübergreifender Kompetenzen. - Performanz-basierte Messung sehr zeitaufwändig; kaum verallgemeinerbar auszuwerten (Beispiel: World- Skills-Competition). - Keine Rückschlussmöglichkeit von individueller Performanz auf Ausbildungsinstitutionen und inhalte; keine Kompetenzzuwächse messbar. - Einschätzungsverfahren: Subjektive Bewertungsmaßstäbe nicht kontrollierbar.

Methodische Herausforderungen eines - Verständigung über das zugrunde zu legende Konzept von Berufsbildung. - Sicherstellung eines repräsentativen Samples (nach Berufen/Berufsfeldern besonders schwierig bei internationalem Vergleich). - Panelstruktur: Längsschnitt- oder nach Kohorten differenzierte Querschnittsstudie. - Entwicklung von Messinstrumenten für berufliche (insbesondere domänenspezifische) Kompetenzen. - Erfassung der institutionellen und individuellen Kontextvariablen.

zugrunde liegendes Konzept von Berufsbildung (berufliche Handlungskompetenz) - Die Entwicklung der individuellen beruflichen Regulationsfähigkeit unter einer individuellen Nutzerperspektive und dem zentralen Aspekt der personalen Autonomie in Arbeitssituationen; - Die Fähigkeit, sich auf Arbeitsmärkten bewegen und die eigene Berufsbiographie gestalten zu können; - Die Fähigkeit zur Teilhabe an betrieblichen Gestaltungsprozessen von Arbeit und zur Arbeit in Teams.

Drei Kompetenzmessbereiche - Berufs- oder domänspezifische Kompetenzen: Fähigkeit, Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungen erfolgreich zur Bewältigung authentischer Arbeitsaufgaben in spezifisch definierten Beschäftigungssituationen einzusetzen. - Berufsübergreifende, aber berufsbezogene Kompetenzen (z.b. Kommunikations- und Teamfähigkeit, Verständnis von Organisationen und Arbeitsmärkten [employability skills], Selbstorganisationsfähigkeit Selbstwirksamkeitsüberzeugungen. - (Kontrollvariable): Allgemeine Kompetenzen (wie Lesen, Schreiben, Mathematik und Problemlösen).

Zusammenhänge institutioneller und individueller Ausbildungsbedingungen für den Erwerb von Kompetenzen und deren Verwertung A. Systemische Kontextbedingungen Die nationalen sozialen, bildungspolitischen, wirtschaftlichen und demographischen Bedingungen und die systemweite institutionelle Struktur B. Bildungseinrichtungen Merkmale der Bildungseinrichtungen Ausbildungsbedingungen und Unterrichtsgestaltung Kompetenzerwerb Kompetenzen (outcome) und ihre Verwertung als Prozess Einstellungen und Verhalten des Einzelnen Persönlicher Hintergrund des einzelnen Lernenden C. Einzelne Bildungsteilnehmer und Lernende Von Außen nach Innen: 1. Input 2. Prozess 3. Output/Outcome

Grenzen eines - Kein Ersatz, allenfalls Ergänzung zur Berufsbildungsdidaktik - Ausblendung mikroanalytischer Prozess- und Akteursforschung - Problem kleiner, spezialisierter Berufsgruppen

These zur Plenumsdiskussion Das Large-Scale-Assessment-Konzept ist nicht als Ersatz, eher als Ergänzung für Berufsbildungsforschung zu verstehen. Wenn sich aber Berufsbildungsforschung und Berufspädagogik ernsthaft auf das Konzept einlassen, kann es der Disziplin insgesamt, die m. E. lange Zeit zu sehr in einer relativ engen pragmatischen Einbindung befangen war, zu einer neuen wissenschaftlichen Fundierung und ihrer Forschung zu einer neuen Qualität verhelfen. Ebenso könnte in der Politik einen großen Beitrag zur Versachlichung häufig ideologisch begründeter Kontroversen über Ausbildungsorganisation und steuerung leisten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!