Pilotvorhaben in der Übersicht: Selb



Ähnliche Dokumente
Selb in Deutschland. Verbundprojekt Früherkennungs- und Kontrollsystem

Programm für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen. Susanne Schäfer, Studentin an der Berufsakademie Berlin 1

I Rückblick und Ausblick

Städte wirklich? Analyse am Beispiel der Stadt Chemnitz

FRAGEBOGENAKTION IM QUARTIER RATINGEN OST

Pilotvorhaben in der Übersicht: Völklingen

Integriertes Klimaschutzkonzept Stadt Ostfildern

Qualitative Querauswertung der Demonstrationsprojekte. Thomas Bloch, pro:21 GmbH

Wohnen im Alter Demographischer Wandel und Wohnungsmarkt

Allgemeine Aussagen/TB Bürgernahe Verwaltung

Bevölkerung mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung 2012

Borgholzhausen 2020 Wie entwickelt sich Pium? Demografie, Wohnbebauung, Einzelhandel

EUROPAVIERTEL WEST MEHR STADT, MEHR LEBEN VORTRAG VON THOMAS REINHARD AM 10. JUNI RVI_Juni_2011.pptx 1 aurelis. Ideen finden Stadt.

Aktion zur ländlichen Entwicklung. Was ist das?

Erfahrungen aus dem Stadtumbau in Nordrhein-Westfalen

Stadt Ingolstadt Statistik und Stadtforschung. Pflege in Ingolstadt. Strukturen, Entwicklung 1999 bis 2013 und Prognose 2014 bis 2034

Immobilienkongress 06. Dezember Altengerechtes Wohnen zwischen Service und Barrierefreiheit. Projekt 50+ Wohnangebot für Ältere

Perspektiven für Klein- und Mittelstädte

Kurzinformation Wirtschaft

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

1. KISS-Zusammenkunft Kanton Zürich

Wir sind für Sie da. Unser Gesundheitsangebot: Unterstützung im Umgang mit Ihrer Depression

Gemeindedatenblatt: Bruchköbel, St. (435006)

Pro-Wohnen Internationales Wohnen in Oberhausen-Tackenberg. Pendlerwohnungen im Quartier Lebensqualität im Alter

Bewerbungsformular für das Förderprogramm Teamwork gefragt! Beteiligung von Personen aus anderen Kulturen in der Gemeinde

Gabriele Wedler, Bereichsleitung Kommunaler Seniorenservice Hannover, Fachbereich Senioren,

Datenblatt: Frankfurt am Main, St. (412)

Luzerner Glasfasernetz. Ihr Anschluss an die Zukunft. In Zusammenarbeit mit Swisscom

Individualisiertes Beziehungsmanagement als Alternative zur Alumni-Community

Stand: Stadt: Absichtserklärung. zwischen. Landeshauptstadt Mainz. einerseits. und ECE. sowie PANTA. andererseits

Deutscher Sparkassen- und Giroverband. Emnid-Umfrage Vermögensbildung für alle

Gemeindedatenblatt: Bad Soden am Taunus, St. (436001)

Impulse Inklusion 2014 Beteiligungskulturen - Netzwerke - Kooperationen (Leichte Sprache Version)

Alles für die Sicherheit: Das Kompetenzzentrum Kritische Infrastrukturen e. V.

Masterplan 100% Klimaschutz Angebote für Kommunen

Befragung zur Beratungs- und Vermittlungsleistung

Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4269

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Erfurt, 06. Juni 2012

Pflegedossier für den Landkreis Potsdam-Mittelmark

ÜBERGABE DER OPERATIVEN GESCHÄFTSFÜHRUNG VON MARC BRUNNER AN DOMINIK NYFFENEGGER

November Reportagen der Innovationsagentur Stadtumbau NRW

1. Geschlecht Weiblich Männlich. 2. Alter Älter 15 20; 21 30; 31 40; 41 50; 51 60; 61 70; 71 80; älter 80

Gemeindedatenblatt: Friedberg (Hessen), Krst. (440008)

Thema Soziale Sicherung

Lars Loebner Leiter des Fachbereichs Planen der Stadt Halle (Saale)

Erstellung des integrierten kommunalen Klimaschutzkonzeptes. für die Samtgemeinde Sottrum

Gute Aussichten ein Leben lang. Die Angebote der Lebenshilfe Starnberg für Erwachsene. Arbeiten Wohnen Fördern Beraten

Wohnungsleerstandserhebung in Hannover

Vertrauen in Medien und politische Kommunikation die Meinung der Bürger

nexum strategy ag Stampfenbachstrasse 117 CH-8006 Zürich SMC

Stadtteilentwicklung Augsburg Umsetzungswerkstatt 1 Göggingen

Verdichtung der städtischen Wohnbevölkerung. Swiss Real Estate Institute 64. Gewerbliche Winterkonferenz Klosters

Seite Landeshauptstadt München Personal- und Organisationsreferat

Personal der Frankfurter Pflegeeinrichtungen 2005

Leitfaden Social Media in der Hamburgischen Verwaltung

GWG Wohnungsgesellschaft Naumburg mbh. Nachhaltigkeit durch enge Zusammenarbeit im Stadtumbauprozess zwischen Stadt Naumburg und GWG Naumburg

Pflegeneuausrichtungsgesetz: Pflegebedürftige und Menschen mit Demenz sind die Gewinner!

Elternumfrage Kita und Reception. Campus Hamburg

Stadtumbau Schweden Beispiel Karlskoga

Bauland woher nehmen und nicht stehlen?

Duisburger Siedlungen und Stadtquartiere

Alte Häuser modernisieren mit dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR)

Arbeitsgruppe Mobilität im Alter. Fahrdienst-Angebot in der Gemeinde Hünfelden

Erfurter Statistik. Halbjahresbericht 2/2012. Hauptamt 1

Sozialquartier Innenstadt

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG

Qualitätsmanagementsystem der IHK Köln. Überblick 2015

Nebenberuflich Geld verdienen als Tagesmutter interna

Nicht über uns ohne uns

Akzeptanz von Studiengebühren

SchuldnerAtlas Deutschland 2013

Städtebau - Leerstand

allensbacher berichte

Leitbild. für Jedermensch in leicht verständlicher Sprache

Vorlage für die Sitzung der staatlichen Deputation für Soziales, Kinder und Jugend am

Deutschland-Check Nr. 35

Auslobung des Wettbewerbs Reinickendorfer Frauen in Führung

Bürgerwindkraftanlage in Klein Woltersdorf Projektentwicklung, Finanzierung, Erfahrungsbericht. Gemeinde Groß Pankow (Prignitz)

Botschaft des Gemeindevorstandes an das Gemeindeparlament. betreffend

Zwischenbericht der UAG NEGS- Fortschreibung

Bayerisches Programm für technologieorientierte Unternehmensgründungen (BayTOU)

Schulentwicklungsplanung Grundschulen, Mittelschulen, Förderzentren

Innovativ gründen? Pro-Ideenfonds. Förderung technologieorientierter Existenzgründungen in Hamburg

DER SELBST-CHECK FÜR IHR PROJEKT

Bürger fordern mehr Investitionen in die Infrastruktur

Impulsprojekte im Stadtumbau. Kaiserhaus Arnsberg

Geyer & Weinig: Service Level Management in neuer Qualität.

Anlage 1 zur Arbeitshilfe zur Hilfe zur Pflege nach 61 SGB XII in Tagespflegeeinrichtungen. Berechnungsbeispiele zu Ziffer Stand

DAS SOZIALE STADT GEBIET SCHWEIZER VIERTEL. Das Quartiersmanagement Schweizer Viertel

Quartierskonzepte in Bayern Beispiele und Fördermöglichkeiten

Pflegedossier für den Landkreis Oberspreewald- Lausitz

Quartierssanierung mit privaten Eigentümern

Geben Sie in dem offenen Suchfeld den Namen Ihrer Einrichtung ein und klicken Sie auf Suchen.

Was bringt das Pflege- Neuausrichtungsgesetz? Ihre Pflegestützpunkte im Rhein-Lahn-Kreis

Engagement braucht Leadership -

Ich freue mich, heute gemeinsam mit Ihnen den Spatenstich zum Ersatzneubau für das Institut für Anorganische Chemie vorzunehmen.

Wohnformen im Alter. Ein Vortrag im Rahmen des Seniorenfrühstücks von Frank Ulrich & Michael Meibohm

Unternehmen Sportverein Erfolg braucht Management

1. Weniger Steuern zahlen

Transkript:

Pilotvorhaben in der Übersicht: Selb Bundesland: Bayern Stadtumbau-Typ: Stadt in Strukturkrise Projektlaufzeit: 2002 2007 Stadtumbau-Profil: Belebung der Innenstadt durch gezielte städtebauliche Interventionen, Rückbau und zielgruppenspezifische Anpassung leer stehender Wohngebäude zur Konsolidierung des Wohnungsmarktes Herausforderungen im Stadtumbau Strukturwandel Porzellanindustrie Arbeitsplatzverluste Bevölkerungsverluste Kaufkraftverluste Überdurchschnittliche Alterung der Bevölkerung Leerstand in den Bereichen Wohnen/Gewerbe/Einzelhandel Strategien im Stadtumbau Bestandsorientiertes Gebäude- und Flächenmanagement: Beibehaltung der Nutzung Änderung der Nutzung Vorhalten und Aufgabe der Nutzung Anpassung von Wohnstandorten: Reduzierung des Wohnungsbestandes Förderung zielgruppenspezifischer Wohnangebote Aufwertung des Wohnumfeldes Aufwertung des öffentlichen Raumes/Erschließung Anpassung von sozialer Infrastruktur Initiierung eines Imagewandels Anpassung des Wirtschaftsstandortes: Stärkung innerstädtischer Zentren: Einzelhandel Aufwertung des öffentlichen Raumes Sicherung des innerstädtischen Wirtschaftsstandortes Kenndaten (2006) Kenndaten Bevölkerung (Hauptwohnsitz) 16999 EW Davon: unter 15-jährige 12,5 % Davon: 65-jährige und älter 25,6 % Davon: mit nicht-dt. Staatsbürgerschaft 6,7 % Wanderungssaldo -211 EW Bev.-Entwicklung 1987 2006-13,3 % Entw. des Anteils der unter 15-jährigen -8,0 % 1987 2006 Entw. des Anteils der über 65-jährigen -9,1 % 1987 2006 Entw. des Anteils der Bev. mit nicht-dt. + 3,0 % Staatsbürgerschaft 1990 2006 Gebietsfläche 62,365 km 2 Wohnbauflächenpotential FNP ca. 10,5 ha Wohngebäudebestand 2005 4489 GB Davon: Altbau bis 1948 ca. 41 % Davon: Fertigstellung seit 1990 ca. 10 % Wohnungsbestand 2005 Leer stehende Wohnungen 2005 9458 WE ca. 8 % Arbeitslosenquote 11,5 % sozialversicherungspflichtig 6332 EW Beschäftigte am Wohnort Entw. der sozialversicherungspflichtig -11,4 % Beschäftigten am Wohnort 1990 2006 Empfänger von laufender Hilfe zum 359 EW Lebensunterhalt Wohngeldempfänger 190 EW Quelle: Stadt Selb 2007 Integriertes Stadtentwicklungskonzept Selb: Weitere Konzepte/ Analysen im Stadtumbau: Konzepte Typ: Integriertes Stadtentwicklungskonzept für die Kernstadt und ausgewählte Ortsteile Erkersreuth und Selb-Plößberg Raumbezug: City, Innenstadt sowie zwei Ortsteile Stand: Stadtratsbeschluss ist 2004 erfolgt. 1. Stadtteilentwicklungskonzept Selb-Ost 2. Studie zum Gesundheits- und Pflegenetzwerk 3. Teilraumkonzept zur Umgestaltung des Stadteingangs West 1

Lage des Projektgebietes Quelle: Stadt Selb 2007 Impulsprojekt A Zwischennutzung ehemalige Rauh & Ploss Brache Handlungsfeld: Anpassung des Wirtschaftsstandortes Gebietstyp: Brache, Innenstadt Ziel: Reaktivierung einer Gewerbebrache Bürgerpark Maßnahmen: Durchführung eines Bürgerideenwettbewerbs, Neugestaltung der Brache zu einem Bürgerpark durch bauliche Maßnahmen und Anpflanzungen mit Unterstützung der Bürger, Gestaltung durch Elemente zum Thema Porzellan (z.b. Porzellanschachfeld) 2

Impulsprojekt B Aufwertung und Rückbau von Wohnungen in Selb-Ost Handlungsfeld: Anpassung von Wohnstandorten Gebietstyp: Wohnquartier (1950er Jahre), Innenstadtrand Ziel: Wiedernutzung sanierungsbedürftiger Geschosswohnungen und Aufwertung des Wohnumfeldes Buchwalder Weg Maßnahmen: Umzugsmanagement inkl. Vermittlung von Ersatzwohnraum und Umzugshilfe, Abbruch und Sanierung von Geschosswohnungen und Neugestaltung des Wohnumfeldes, Vermarktung von Bauland für Eigenheimbau auf durch Rückbau frei gewordenen Flächen Handlungsfeld: Anpassung von Wohnstandorten Impulsprojekt C Pflegenetzwerk Gebietstyp: Wohnquartier (1950er Jahre), City/Innenstadtrand Ziel: Initiierung eines gesamtstädtischen Netzwerkes für Gesundheit und Pflege mit ambulanten und stationären Betreuungs- und Pflegeangeboten, Umnutzung eines leer stehenden Gebäudes Pflegestützpunkt Vorwerk Maßnahmen: Umbau von Geschosswohnungen zu altengerechtem Pflegestützpunkt, Aufbau einer Sozialstation und Errichtung von barrierefreien Wohnungen, Einrichtung einer zentralen Beratungsstelle für Prävention und Pflege Handlungsfeld: Anpassung von Wohnstandorten Impulsprojekt D Stadteingang West Gebietstyp: Innenstadtrand, angrenzende Grünflächen Ziel: Aufwertung des Orts- und Landschaftsbildes, Erhöhung der Aufenthaltsqualität, Vernetzung der Wohngebiete mit der Innenstadt, Schaffung einer zentralen Grünverbindung, Einbindung der Innenstadt in das überörtliche Fuß- und Radwegesystem Marienplatz Maßnahmen: Konzeptionelle Überlegungen zur Gestaltung der Uferränder, Bau von Fußgängerbrücken, Sitzbereichen, Spielmöglichkeiten, Liegewiesen etc. (Selbbachtal), Fassadenerneuerung 3

Organisationsstruktur des Stadtumbauprozesses Quelle: Stadt Selb 2007 Phasen des Stadtumbau-Prozesses 2003 Erarbeitung von Grundlagen Bestandsaufnahme Gespräch mit der Bevölkerung Dokumentenanalyse Prognose Stärken / Schwächen Prognose Werte / Mängel Prognose 2004 2004 2004-2006 2004-2005 Problemanalyse und Zielvorschlag Entwicklung einer Zukunftsperspektive Stadtteilgespräche Fortschreibung vorhandener Fachplanungen Szenarien / Konzeptansätze Integriertes Stadtentwicklungskonzept Bericht Teilkonzept Beginn der Umsetzung von ersten Maßnahmen Impulsprojekt A Zwischennutzung ehemalige Rauh&Ploss Brache Impulsprojekt B Aufwertung und Rückbau von Wohnungen in Selb Ost Impulsprojekt C Pflegenetzwerk Intensiver Austausch mit der Verwaltung und den politischen Entscheidungsträgern Bürgerbeteiligung durch Befragungen, Stadtteilgespräche und Zukunftswerkstatt 2006 Impulsprojekt D Stadteingang West 2007 Abschluss der Maßnahmen und des Verfahrens Quelle: Forschungsagentur Stadtumbau West, FORUM GmbH; nach Zwischenbericht Selb 2005 und Abschlussbericht 2007 4

Erkenntnisse Die Entwicklung der Stadt Selb ist eng verbunden mit der Porzellanindustrie. Die Absatzkrise der keramischen Industrie Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts verursachte in Selb eine beispiellose Zäsur in der Stadtentwicklung: Innerhalb von sechs Jahren verringerte sich die Beschäftigtenzahl um 19%. in der Folge verlor die Stadt viele Einwohner. Noch heute nimmt die Bevölkerung ab und altert überdurchschnittlich schnell. Die Arbeitslosigkeit ist anhaltend hoch. Die Aufgabe großer Produktionsstätten hat verteilt über die Stadt große Industriebrachen hinterlassen. Der Einwohnerverlust wiederum führt zu hohen Leerständen im großen Mietwohnungsbestand der Stadt. Auf diese Strukturkrise hat Selb 2003 mit der Erarbeitung eines fachübergreifenden Stadtentwicklungskonzeptes reagiert, das u. a. städtebauliche, wohnungswirtschaftliche, gesundheitswirtschaftliche und bildungsorientierte Maßnahmen zur Bewältigung der Krisenerscheinungen vorschlägt. Dieses gesamtstädtische Konzept hat in Politik und Verwaltung das Bewusstsein für die Stadtumbau-Bedarfe geschärft und dient seitdem als Handlungsrahmen für die Stadtentwicklung. Für einzelne Stadträume mit besonderen Handlungsbedarfen wurden ergänzend Analysen vorgenommen und Handlungsvorschläge erarbeitet. Im Hinblick auf den Erfolg konkreter Investitionen in Wohnquartieren hat sich diese teilräumliche konzeptionelle Vertiefung als wichtig herausgestellt. Eine für den Verlauf des gesamten Stadtumbau-Prozesses förderliche Entscheidung war parallel zur Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzeptes einen Bürgerideenwettbewerb zur Zwischennutzung einer innerstädtischen Industriebrache auszuloben. Am Beispiel dieses Vorhabens erfolgte die Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit dem notwendigen Paradigmenwechsel im Kontext des Stadtumbaus. Sowohl das Verfahren als auch das Ergebnis ein innerstädtischer Bürgerpark auf Zeit wurden von der Bevölkerung so positiv aufgenommen, dass mit dem Stadtumbau-Vorhaben von Anfang an auch Qualitätsgewinne verbunden werden konnten. Die zunehmende Alterung der Einwohnerschaft der Stadt und die veränderten Wohn- und Dienstleistungsbedarfe waren Ausgangspunkte für Investitionen in Wohnquartieren. Auf der Basis eines Konzeptes für ein Pflegenetzwerk, das den älteren Mitbürgern Wohn- und Dienstleitungsangebote wohnortnah verfügbar macht, wurde als erster Knoten dieses Netzwerkes eine Tagespflegeeinrichtung für Demenz- und Alzheimererkrankte sowie seniorengerechte Wohnungen durch Umbau eines von Leerstand betroffenen Wohngebäudes aus den 1950er Jahren geschaffen. Die Nachfrage nach den barrierefreien Wohnungen hat sich als so groß herausgestellt, dass mittlerweile zwei weitere benachbarte Wohngebäude abgerissen wurden, auf deren Rückbauflächen Neubauten mit barrierefreien Wohnungen entstehen. Im Hinblick auf die Schaffung wohnortnaher Gesundheitsdienstleistungen wie Tagespflegeeinrichtungen hat sich herausgestellt, dass sich die Wirtschaftlichkeit für die Betreiber erhöht, wenn diese Angebote an bestehende stationäre Einrichtungen angegliedert werden, insbesondere um personelle Synergieeffekte ausschöpfen zu können. Beim Stadtumbau in Selb wurden Umnutzungen und Abrisse von Wohngebäuden realisiert und Teile der Rückbauflächen wiederum zu Bauland für Einfamilienhäuser umgewidmet. Das Umzugsmanagement als Vorbereitung der Maßnahmen hat sich als zeit- und personalaufwändig herausgestellt. Die individuellen Verhandlungen mit jedem Mieterhaushalt mussten vom Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft durchgeführt werden, weil in dem kleinen Unternehmen keine anderen Personalressourcen für eine solche Aufgabe zur Verfügung stehen. Demgegenüber verlief das Management von Gebäudeabrissen problemlos und unaufwändig. Der Beitrag des Pilotvorhabens für das ExWoSt-Forschungsfeld Stadtumbau West lässt sich weiterhin beispielhaft an folgenden Aspekten ausgewählter Forschungsleitfragen festmachen: Wie wirkt sich neben dem quantitativen Bevölkerungsrückgang die Zunahme älterer Bevölkerungsgruppen auf die Nachfrage nach Wohnraum und nach Infrastruktur bzw. Dienstleistungen aus? Angesichts der seit langem anhaltenden selektiven Abwanderung junger Bevölkerungsgruppen aus Selb ist schon heute der Anteil der Altersgruppen über 60 Jahre überdurchschnittlich. Die im Rahmen der Konzepterarbeitung erstellten Bevölkerungsprognosen sagen einen zunehmenden Anstieg des Anteils älterer Mitbürger voraus. Der meist aus der Vorkriegszeit und den 1950er und 60er Jahren stammende Mietwohnungsbestand der örtlichen Wohnungsbaugesellschaften ist auf die veränderten Bedarfe dieses Mieterklientels nicht eingestellt. Auch der zunehmende Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen kann bislang wohnortnah nicht gedeckt werden. Vor diesem Hintergrund hat die kommunale Wohnungsbaugesellschaft erste Pilotvorhaben zur Anpassung und Neuschaffung von barrierefreiem Wohnraum durchgeführt und die Kommune in 5

Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden ein Pflegenetzwerk initiiert, das schrittweise in allen Quartieren wohnortnah Gesundheitsdienstleitungen anbietet. Die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen im Stadtteil Vorwerk hat den hohen Bedarf offen gelegt, weshalb weitere Investitionen in anderen Quartieren folgen sollen. Wie können Zwischenlösungen und 'Nischen' als Quelle und Hort zukunftsweisender Entwicklungen genutzt werden? Die Innenstadt von Selb ist baulich hoch verdichtet, der Freiraumanteil ist gering. Das Stadtentwicklungskonzept beschreibt daher zur Aufwertung innerstädtischer Lagen Handlungsbedarf in Bezug auf mehr und qualitätsvolle Freiräume. Der aus einem Bürgerideenwettbewerb hervorgegangene Vorschlag zur Zwischennutzung einer innerstädtischen Industriebrache als Bürgerpark stellt eine wichtige Antwort auf die konstatierten Handlungsbedarfe dar. Die Aussicht auf eine temporär begrenzte Nutzung dürfte die Akzeptanz eines Bürgerpark- Projektes in hervorragender innerstädtischer Lage erhöht haben. Wie können die Kompetenzen und das Engagement der Bewohner und Bewohnerinnen in die Ausgestaltung des Anpassungsprozesses einbezogen werden? Im Stadtumbau-Prozess von Selb wurden systematisch Kompetenzen und das Engagement der Bewohner genutzt. In besonderer Weise hervorzuheben ist das hohe Engagement bei der Realisierung des Bürgerparks: Viele Bürger haben bei der Bauausführung geholfen, weiterhin wurden Sach-, Personal- und Geldspenden in Höhe von 50.000 EUR durch Bürger und ortsansässige Unternehmen geleistet. Gute Erfahrungen hat die Bauverwaltung der Stadt Selb auch mit der Zusammenarbeit mit Schulen gemacht, indem einzelne Klassen der Mittel- und Oberstufe sich mit spezifischen Themenstellungen des Stadtumbaus im Rahmen von Unterrichtsprojekten auseinander gesetzt haben. Erfahrungen des Pilotvorhabens in Selb sind u. a. in folgende Pilotstadt übergreifende Auswertungen eingeflossen: Konzepte im Stadtumbau (www.stadtumbauwest.de/newsletterdaten/konzepteimstadtumbau140105.pdf) Zwischennutzung im Stadtumbau (www.stadtumbauwest.de/inhalte/guter_ansatz_zwischennutzung.pdf) Management, Verfahren und Kosten des Rückbaus von Wohnungen (www.stadtumbauwest.de/inhalte/guter_ansatz_rueckbaumanagement.pdf) Umzugsmanagement (www.stadtumbauwest.de/inhalte/guter_ansatz_umzugsmanagement.pdf) Folgende Einzelbeiträge des Pilotvorhabens in Selb sind weiterhin in besonderer Weise hervorzuheben: Ortsbezogene Gesundheitsdienstleistungen: Selb Pflegestützpunkt Vorwerksiedlung (http://www.stadtumbauwest.de/inhalte/guter_ansatz_gesundheit_selb.pdf) Zwischennutzung des Rauh & Ploss-Geländes (http://www.stadtumbauwest.de/pilotstaedte/dokumente/selb_%20r&p%20dokumentation.pdf) Gesundheits- und Pflegenetzwerk in Selb Konzept (http://www.stadtumbauwest.de/newsletterdaten/pflegetzwerk_klein.pdf) Stadtumbau mit neuen Leitbildern? Vortrag von Helmut Resch, Stadt Selb beim Fachöffentlichen Forum 2004 in Gelsenkirchen (http://www.stadtumbauwest.de/konzept/ge_resch.pdf) Kontakt STADT SELB Helmut Resch Postfach 1580 95089 Selb Tel: (09287) 883-157 Fax: (09287) 883-180 Email: helmut.resch@selb.de Stand: November 2007 6