Substitutionsbericht für Tirol 2008

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Transkript:

Substitutionsbericht für Tirol 28 Bericht zur Versorgungssituation in Tirol Erstellt von der Ärztekammer für Tirol, Referat für Suchtmedizin Autoren: Prof. Dr. Martin Kurz Dr. Adelheid Bischof Dr. Ekkehard Madlung-Kratzer

Einleitung: Die Erhaltungstherapie mit Opioiden (Substitutionsbehandlung) ist die Behandlungsmethode der ersten Wahl bei Opioidabhängigkeit. Der Nachweis der Wirksamkeit dieser Therapie gilt heute als gesichert. Sie reduziert die Mortalität, Infektionsraten (HIV) und Delinquenz und führt zu einer Verbesserung der körperlichen und psychischen Gesundheit von Drogenabhängigen. Die Erreichbarkeit von Abhängigen für eine Behandlung ist mit Einführung der Substitution drastisch gestiegen, die Kosten für diese Behandlung sind nieder. Dennoch hat in den letzten Jahren eine sehr emotionalisierte und kontroversiell geführte Diskussion rund um diese Behandlung stattgefunden, die auch in einer gesetzlichen Veränderung (Novelle der Suchtgiftverordnung) Ausdruck fand. Diese Diskussion ist nicht abgeschlossen und auch nicht die Kritik an der Novelle, v.a. auch wegen möglicher Auswirkungen auf die Versorgung. Der nun vorliegende Substitutionsbericht für Tirol legt nun erstmals zusammengefasst Daten zur Versorgungssituation in Tirol vor. Er soll dazu beitragen, zu einer realistischen Einschätzung über die aktuelle Versorgungslage zu kommen, auf deren Grundlage weitere gesundheitspolitische Maßnahmen zur Verbesserung der Behandlungsangebote für Drogenkranke geplant werden können. Ein Vergleich mit früheren Jahren ist nicht möglich, weil dazu die Daten fehlen. In Zukunft sollte jedoch ein derartiger Bericht regelmäßig erstellt werden, um Entwicklungen aufzeigen und darauf reagieren zu können. Dieser Bericht beschränkt sich auf basale Daten, jedoch sollte bei der Diskussion darüber mitgedacht werden, wie in Zukunft noch weitere Kriterien, die für die Qualität der Behandlung wichtig sind, Eingang finden können. Zur Durchführung der Erhebung: Die Datenerhebung erfogte von Jänner bis März 28. Die Gesundheitsämter in Tirol stellten auf Ersuchen der Tiroler Ärztekammer administrative anonymisierte Daten zur Substitutionssituation mit Stichtag 1.2. 28 zur Verfügung. Folgende Daten wurden erhoben und in der Folge zusammengefasst: Anzahl, Alter, Geschlecht der substituierten PatientInnen, Medikation und Dosis, Anzahl der substituierenden ÄrztInnen pro Bezirk, Anzahl der PatientInnen pro ÄrztIn bzw. Institution, Anzahl der PatientInnen, welche außerhalb ihres Wohnbezirkes medikamentös eingestellt wurden. Nachdem keine administrativen Daten zu der 2

Anzahl von PatientInnen pro ÄrztIn erhalten werden konnten, wurden niedergelassene KollegInnen persönlich angefragt, um zumindest einen überblicksartigen Schätzwert zu erhalten. Die Anzahl der zur Substitution berechtigen KollegInnen wurde aus den entsprechenden Listen der BH s bzw. der Ärztekammer gewonnen. Ergebnisse: Anzahl der Substituierten Tirol 834 1% Innsbruck Stadt 463 56% Innsbruck Land 177 21% Kufstein 83 1% Schwaz 69 8% Imst 22 3% Kitzbühel 9 1% Reutte 4 Lienz 4 1% Landeck 3 Mit 834 PatientInnen in Substitutionsbehandlungen liegen diese Angaben deutlich über den bisher im ÖBIG Drogenbericht genannten 298 (ÖBIG, Bericht zur Drogensituation 27). Ausgehend von den üblich genannten Prävalenzraten (EMCDDA, ÖBIG) von etwa,4% problematischem Opioidkonsum in der Allgemeinbevölkerung ergibt sich für Tirol eine Zahl von ca. 25-3 Opioidabhängigen. Damit würden in Tirol ca. 3% aller Opioidabhängigen mit der Substitutionsbehandlung erreicht werden bzw. wären nach wie vor 7% in keiner entsprechenden Behandlung. Substitutionsbehandlungen in Tirol werden über die Drogenambulanzen (DA) Innsbruck und Wörgl angeboten, darüber hinaus führen derzeit 34 niedergelassene praktische ÄrztInnen (PÄ) die Behandlung durch (17 in Innsbruck, 14 Innsbruck- Land, 2 Imst und 1 in Lienz). Versorgt werden die PatientInnen auch in der Justizanstalt Innsbruck (JA), einige wenige über das PKH Hall (meist vorübergehend 3

vor oder nach stationären Behandlungen) und von der Station V der Universitätsklinik für Dermatologie (in Behandlung stehende HIV PatientInnen). Anteil an der Versorgung nach Bezirken (für Innsbruck Stadt liegt nur die Anzahl der Verschreibungen innerhalb eines Monats vor) Innsbruck Stadt (n= 545) Innsbruck Land (n=177) Kufstein (n= 83) Schwaz (n=69) Imst (n=22) Kitzbühel (n=9) Reutte (n=4) Lienz (n=4) Landeck (n=3) TIROL (n=916) Versorgung DA im Bezirk Ibk zu 44% 98% (535) (242) 61% 23% (4) (18) 12% 87% (72) (1) 61% (42) 32% 14% (3) (7) 11% (1) 75% (3) 1% (4) 1% (3) 72% (654) 45% (ohne Ibk (416) 32%= 119) PÄ im Bezirk (n=34) 42% (228) 23% (4) 14% (3) DA PKH Haut PÄ Ibk JA Wörgl Hall V (n=17) 11% 2% 1% (42%) (59) (1) (6) (228) 16% (29) 87% 1% (72) (1) 35% 4% (24) (3) 4% 5% (1) (11) 78% 11% (7) (1) 25% (1) 1% (4) 35% 11% 6% 2% 1% (29%) (317) (13) (59) (15) (6) (27) 252 PatientInnen (=68%) in den Bezirken (ohne Innsbruck) werden nicht in ihrem Wohnbezirk behandelt. In 4 Bezirken (Schwaz, Reutte, Landeck und Kitzbühel = für 85 PatientInnen) gibt es keinerlei Behandlungsmöglichkeiten. Eine gemeindenahe Versorgung ist lediglich in den Bezirken Innsbruck-Stadt, Kufstein und Lienz gewährleistet. Obwohl im Bezirk Innsbruck-Land nur 23% der PatientInnen im Bezirk 4

behandelt werden, kann aufgrund der Nähe zur Stadt Innsbruck die Versorgungslage trotzdem als befriedigend eingestuft werden. Fast die Hälfte aller Tiroler PatientInnen werden in der Drogenambulanz Innsbruck behandelt, den anderen wesentlichen Anteil an der Gesamtversorgung haben die niedergelassenen ÄrztInnen von Innsbruck, die nicht nur fast die Hälfte der Versorgung von Innsbruck leisten, sondern auch für andere Bezirke eine wichtige Rolle spielen. Eine genaue Aufschlüsselung, welche ÄrztInnen wieviele PatientInnen behandeln, liegt nicht vor. Die Anzahl der betreuten PatientInnen ist jedoch sehr unterschiedlich und reicht von 1 Pat. bis zu ca. 5 pro ÄrztIn, sodass davon ausgegangen werden muss, dass der Großteil der Versorgung im niedergelassenen Bereich von 5-7 Innsbrucker ÄrztInnen getragen wird. Die Drogenambulanz Wörgl hat eine besondere Bedeutung für Kufstein und Kitzbühel (z.t. auch Schwaz). Eingetragene ÄrtInnen lt. Weiterbildungsverordnung (niedergelassen) (angestellt) Tirol 33 2 Innsbruck Stadt 17 11 Innsbruck Land 14 7 Kufstein 1 2 Schwaz Imst Kitzbühel Reutte Lienz 1 Landeck Von den derzeit 34 substituierenden Ärzten sind aktuell 32 in die Liste eingetragen. Ein niedergelassener, eingetragener Arzt (Kufstein) führt keine Substitution durch. Damit gibt es in 6 Bezirken keinen niedergelassenen eingetragenen Arzt, der für eine Behandlung zur Verfügung steht. Es ist zu befürchten, dass mit Auslaufen der Übergangsbestimmungen zur Weiterbildungsverordnung mit Ende 28 bzw. 29 sich diese Zahl noch weiter reduzieren wird. Die zur Substitution berechtigten ÄrztInnen im angestellten Bereich setzen sich aus der Univ.Klinik für Psychiatrie (8), dem PKH Hall (7), BKH Kufstein (2), Haut V (2) und JA (1) zusammen. 5

Zur Kontroverse um retardierte Morphine: Ein wichtiger Punkt in der aktuellen Diskussion ist die Rolle der ret. Morphine. Ihre häufige Verbreitung am Schwarzmarkt und die intravenöse Applikation haben teilweise zu einer sehr restriktiven Verschreibungspraxis geführt. Andererseits ist die Nachfrage von PatientInnenseite nach einer Behandlung mit Morphinen sehr groß, da diese als besser verträglich erlebt werden (geringere Nebenwirkungen, zufriedenstellendere Wirkung) (Haller 27). Verschreibungshäufigkeit der Substitutionsmittel Methadon Morphin Buprenorphin Tirol gesamt* (n=735) 35% 42% 23% Innsbruck (n=542) 29% 47% 24% Restl. Tirol* (n=193) 49% 3% 21% * für Innsbruck Land liegen keine Zahlen vor Während Buprenorphin in ganz Tirol etwa gleich häufig verschrieben wird, zeigt sich ein deutlicher Unterschied bei der Verteilung von Methadon und Morphin zwischen Innsbruck Stadt und den anderen Bezirken. Trotz der bekannt sehr restriktiven Verschreibungspraxis von Morphinen durch die DA Innsbruck, werden rund die Hälfte aller Innsbrucker PatientInnen mit Morphinen behandelt und ca. 3% mit Methadon. In den anderen Bezirken stellt sich dieses Verhältnis genau umgekehrt dar. Daraus kann geschlossen werden, dass der Morphinanteil v.a. durch die Verschreibung der niedergelassenen ÄrztInnen zustande kommt. Psychosoziale Begleitbetreuung Neben der medikamentösen und allgemeinmedizinischen Behandlung von DrogenpatientInnen ist ein psychosoziales Begleitangebot unverzichtbarer Bestandteil einer Behandlung. Diesbezüglich spezialisierte sozialarbeiterische und psychologische Hilfen werden derzeit über die DA Innsbruck und das BIT (in allen Bezirken) angeboten. Ausgehend von den aktuellen Zahlen stehen für 834 SubstitutionspatientInnen ca. 15 professionelle HelferInnen in diesem Bereich zur Verfügung. Der Drogenambulanz Innsbruck für 416 Substitutionspatienten 2 SozialarbeiterInnen und ein Psychologe, 6

für mehr als 2 weitere SubstitutionspatientInnen in Innsbruck durch das BIT eine Sozialarbeiterin und ein Psychologe. Beide Einrichtungen haben neben Substituierten auch noch eine große Zahl anderer Patienten/Klienten in Betreuung. Selbst wenn miteingerechnet werden kann, dass DrogenpatientInnen darüber hinaus in Einrichtungen der Caritas (Komfüdro, Mentlvilla) und dem Z6, Neustart, Dowas, ASP u.a. psychosoziale/therapeutische Unterstützung finden, ist nicht wirklich vorstellbar, dass in Anbetracht der häufig vielfältigen sozialen Probleme eine ausreichende Hilfestellung möglich ist. Über die tatsächliche Betreuungsintensität von SubstitutionspatientInnen liegen keine Zahlen vor. Im Jahresbericht des Vereins BIT werden im Jahr 27 44 betreute SubstitutionspatientInnen für ganz Tirol angeführt. Psychiatrische Angebote Derzeit gibt es keinen niedergelassenen Psychiater in Tirol, der eine Substitutionsbehandlung anbietet. Im aktuellen Versorgungsangebot sind daher nur die DA Innsbruck und Wörgl mit einer psychiatrisch-fachärztlichen Kompetenz zu nennen. Angesichts der hohen psychiatrischen Komorbidität von DrogenpatientInnen ist das ein Mangel im Behandlungsangebot. Wie weit die Zusammenarbeit (Möglichkeiten der Zuweisung von Praktischen ÄrzteInnen an FachärztInnen) möglich ist und funktioniert, darüber liegen derzeit keine Zahlen vor. Apotheken Eine wichtige Rolle in der Substitutionsbehandlung liegt auch bei den Apotheken. Es liegen keine Berichte vor, dass es für PatientInnen schwierig ist, eine Apotheke zu finden. Auch wird der tägliche Gang in die Apotheke von den PatientInnen überwiegend als problemlos erlebt, jedoch finden sich auch Berichte, in denen von demütigenden, stigmatisierenden Erfahrungen gesprochen wird. Umgekehrt zeigt eine Befragung der Tiroler Apothekerkammer an 16 Tiroler Apotheken, dass die Probleme mit SubstitutionspatientInnen sich durchaus im Rahmen halten, wenngleich diese im Einzelfall vorkommen können (aggressives Verhalten von Pat., Probleme mit Mitgaben, Zusammenarbeit mit Ärzten und Amtsärzten). 7

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen: Mit rund 3% aller Oiatabhängigen in Substitutionsbehandlungen liegt Tirol im österreichischen Schnitt. Zwar erscheint die Gesamtzahl an substituierenden ÄrztInnen als ausreichend, jedoch ist deren Anteil an der Versorgung sehr ungleichmäßig verteilt. Tatsächlich konzentriert sich der Großteil der Versorgung auf die beiden Drogenambulanzen (3 ÄrztInnen für ca. 5 PatientInnen) und wenige niedergelassene ÄrztInnen vor allem im Bereich in und um Innsbruck (ca. 5-1 PÄ für ca. 3 PatientInnen). Dass die Versorgung derzeit funktioniert ist v.a. dem Engagement dieser wenigen KollegInnen (sowohl den niedergelassenen wie in den Ambulanzen) zu verdanken, jedoch ist das ohne Abstriche bei der Qualität der Behandlung wohl nicht möglich. Fehlende Behandlungsangebote in vielen Bezirken erschweren den Zugang für eine Behandlung. Das Auslaufen der Übergangsbestimmungen zur Weiterbildungsverordnung wird die Situation noch weiter verschärfen. Ungleich verteilt ist auch die Verschreibung von Morphinen. Aufgrund der restriktiven Verschreibungspraxis der DA Innsbruck ist die Nachfrage bei niedergelassenen ÄrztInnen anhaltend groß, die Behandlungskapazitäten der ÄrztInnen sind jedoch ausgeschöpft. Auf die sehr kontroversiellen Sichtweisen bzgl. der Rolle der ret. Morphine wird hier inhaltlich nicht eingegangen. Aber die Diskussion über mögliche Nutzen und Schäden muss geführt werden. Es bedarf v.a. einer Klärung der Fragen - Wie berechtigt ist eine restriktive Verschreibungspraxis im Vergleich zu dem Risiko, PatientInnen damit aus einer Behandlung auszuschließen? - Wie berechtigt ist eine breite Verschreibung bei dem Risiko missbräuchlicher Verwendung? - Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind notwendig? Viele ÄrztInnen fühlen sich verunsichert und verzichten deshalb auf Ersteinstellungen. Darüber hinaus beklagen ÄrztInnen den zunehmenden behördlich geforderten Aufwand (Rechtfertigungen für die Verschreibung von Morphinen, Rechtfertigungen für Mitgaben, verpflichtende Aus-und Weiterbildung). Insgesamt muss zusammengefasst werden, dass mit der Novelle zur Suchtgiftverordnung und den damit verbundenen Veränderungen eine Situation 8

entstanden ist, in der die Substitutionsbehandlung für viele Ärztinnen unattraktiv geworden ist. Die Erhaltungstherapie wird in Tirol auf einem hohen Niveau angeboten. Dennoch zeigt die aktuelle Situation einige Probleme, welche sich in Zukunft deutlich verschärfen könnten. Die Ärztekammer für Tirol schlägt daher vor: Um das Behandlungsangebot auch in Zukunft zu sichern braucht es dringend 1. Maßnahmen, die helfen mehr ÄrztInnen für die Substitutionsbehandlung zu gewinnen, auch in den Bezirken (Ausbildungsangebote, entsprechende Honorierung der Leistungen, fachliche und organisatorische Unterstützung). Eine zusätzliche Ambulanz im PKH Hall könnte zu einer spürbaren Entlastung der Situation beitragen. Prinzipiell ist eine Drogenstation in einem Schwerpunktkrankenhaus ohne angeschlossene Fachambulanz vor dem Hintergrund moderner suchtmedizinischer Behandlungsstrategien nicht zu rechtfertigen. Zur Sicherung bzw. zum Ausbau der Qualität der Behandlung werden benötigt: 2. Sicherstellung eines diversivizierten Behandlungsangebotes (für alle PatientInnen muss das für sie am besten geeignete Substitutionsmittel erhältlich sein) 3. Ausweitung von schadensreduzierenden Maßnahmen (Angebote zum Spritzentausch, Gratis-Immunisierung gegen Hepatitis A und B, Diskussion über Konsumräume) 4. Angebote von niedergelassenen PsychiaterInnen für Substitutionsbehandlungen (insb. für komorbide PatientInnen) 5. Ausweitung eines differenzierten Angebotes zur psychosozialen Begleitung (sozialarbeiterisch, psychologisch-psychotherapeutisch, tagesstrukturierende Angebote, Arbeitsprojekte) 6. Bessere Einbeziehung von AmtsärztInnen, Apotheken und Drogenberatungstellungen (Austausch, Vernetzung, gemeinsame Fortbildungen, Professionalisierung der Kontakte) 9

7. Spezialisierte Angebote der Drogenambulanzen für schwierige Behandlungsverläufe (Anlaufstelle für Kriseninterventionen) 8. Schaffung von stationären und teilstationären Behandlungsangeboten für Substituierte (sowohl zur Krisenintervention als auch für längere Therapien) 9. Breite inhaltliche Diskussion und Maßnahmen zur Qualitätssicherung (Fortbildungen, Qualitätszirkel) 1. Ausweitung und Vereinheitlichung der Dokumentation in den Gesundheitsämtern Opiatabhängigkeit ist eine Erkrankung mit einer hohen Mortalität. Nach der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle wird sie international mit ca. 3% angegeben. In Tirol liegen wir mit 16 Drogentoten 26 (davon war einer in Substitution) deutlich darunter. Die Mortalität in Tirol kann daher mit,7%,9% für Nicht-Substituierte und,1% für Substituierte angegeben werden. Ohne Substitution hätte wir demnach 18-27 Drogentote jährlich. Umgekehrt könnte die Anzahl der Drogentoten auf 3-4 reduziert werden, würde es gelingen alle Opiatabhängigen in Behandlung zu bekommen. Letztendliches Ziel muss daher die Schaffung von Angeboten sein, mit denen es gelingt, mehr PatientInnen in Behandlung zu bekommen (differenzierte Angebote bezüglich Substitutionsmittel, Applikationsformen und Begleitbetreuung). Literatur: Fischer G, Kayer B. Substanzabhängigkeit vom Morphintyp. Psychiatrie & Psychotherapie 2/2, 26 Haller R. Drogenabhängigkeit in Österreich. ÖÄZ 17/27 ÖBIG, Bericht zur Drogensituation 27 EMCDDA Jahresbericht 27 BIT Jahresbericht 27 Bericht des Vertreters der Tiroler Apothekerkammer im Suchtbeirat zur Umfrage der Tiroler Apothekerkammer am 13.12. 27 1