Das STANDARDMODELL in der Elementarteilchenphysik

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Transkript:

Thomas A. Terényi Das STANDARDMODELL in der Elementarteilchenphysik Spezialgebiet zur mündlichen Reifeprüfung aus Physik zum Haupttermin 000/001 Akademisches Gymnasium Wien I

Inhaltsverzeichnis 1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG...3. DAS STANDARDMODELL...5 3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN...7 4. MATERIE UND ANTIMATERIE...14 5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE...17 6. FUNDAMENTALTEILCHEN...3 7. HADRONEN...3 8. AUSBLICK...38 ANHANG A. ÜBERSICHT ÜBER TEILCHEN UND BEGRIFFE...40

1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG 1. Historische Entwicklung Die Elementarteilchenphysik entwickelte sich aus der schon tausende Jahre andauernden Suche nach den Antworten auf die Fragen Woraus ist die Materie gemacht? und Was hält sie zusammen?. Die historische Entwicklung, welche die Physik dabei durchgemacht hat, lässt sich in vier große Etappen gliedern, wobei in jeder erkannt wurde, dass die bisher als elementar angenommenen Teilchen eine weitere innere Struktur besitzen. Die erste Etappe begann mit den griechischen Naturphilosophen. Um etwa 400 v. Chr. entwickelte Demokrit die Theorie, dass das Universum aus leerem Raum und einer fast unendlichen Zahl unteilbarer Teilchen besteht, die sich voneinander in Form, Position und Anordnung unterscheiden. Alle Materie besteht aus diesen unteilbaren Teilchen, den Atomen. Die zweite Etappe wurde eingeleitet, als Ernest Rutherford im Jahre 1911 das nach ihm benannte Atommodell entwickelte. Er postulierte, dass die Atome keineswegs die letzten Bausteine der Materie wären, sondern selbst einen komplizierten inneren Aufbau besäßen. Er erkannte, dass Atome aus einer aus negativ geladenen Elektronen bestehende Hülle und einem positiv geladenen Kern zusammengesetzt sind. In weiterer Folge (193) wurde festgestellt, dass der Atomkern selbst aus positiv geladenen Protonen und neutralen Neutronen besteht. Elektronen, Protonen und Neutronen galten als die Grundbausteine der Materie und wurden als Elementarteilchen bezeichnet. Die Entdeckung von Mechanismen wie Kernbindung und Kernzerfall markierte den Beginn der Kernphysik. In der dritten Etappe wurden die Eigenschaften der Elementarteilchen weiter erforscht (vor allem in der Höhenstrahlung). Dabei (ab 1937) stellte sich jedoch heraus, dass es außer den bereits bekannten Elektron, Proton und Neutron noch eine weitere Anzahl verschiedenster Teilchen gibt. Heute sind mehr als 00 Arten Elementarteilchen bekannt. Ferner zeigte sich, dass sich Elementarteilchen ineinander umwandeln können und nach Einsteins Gesetz über die Äquivalenz von Energie und Masse auch aus Energie neu entstehen können bzw. 3

1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG durch Umwandlung in Energie vollständig verschwinden können. Die sich mit den Elementarteilchen auseinander setzende Physik nennt man Elementarteilchenphysik. Erst in der vierten Etappe gelang es, in die Vielzahl der Elementarteilchen Ordnung zu bringen, indem erkannt wurde, dass diese aus noch kleineren Teilchen zusammengesetzt sind. Murray Gell-Mann und George Zweig postulierten 1964 die so genannten Quarks als elementare Bausteine (sie sind so genannte Fundamentalteilchen). Deren Theorie wurde in den letzten 30 Jahren immer wieder erweitert und wird heute als Standardmodell der Teilchen und Wechselwirkungen bezeichnet, das durch experimentelle Bestätigungen in Teilchenbeschleunigern sehr große Akzeptanz fand und immer noch genießt. Doch auch das Standardmodell zeigt in gewissen Bereichen noch Unzulänglichkeiten, deshalb konzentrieren sich die heutigen Forschungen auf Erweiterungen des Standardmodells und auf Theorien wie zum Beispiel die String- und Superstringtheorie (vgl. Abschnitt 8. Ausblick). Ziel ist das Finden einer Theorie für alles, in der alle Wechselwirkungen theoretisch vereint und alle Vorgänge in unserem Universum erklärt werden könnten. 4

. DAS STANDARDMODELL. Das Standardmodell Das so genannte Standardmodell beschreibt die heutige Ansicht über Materie und deren Aufbau. Dieses Modell entstand vor etwa 30 Jahren und hat sich seit dem immer weiter entwickelt und fand große experimentelle Bestätigung. Der Satz The standard model is working too well [als dass es falsch sein könnte] von Richard P. Feynman steht symbolisch für die Stärke des Standardmodells. Die vielen experimentell bestätigten Vorhersagen, die damit gemacht wurden und noch gemacht werden, lassen kaum Zweifel an ihm aufkommen. Die meisten Teilchenphysiker halten das Standardmodell für so überzeugend, dass sie glauben, es könnte vielleicht einmal ergänzt oder verbessert, jedoch sicherlich nie völlig verworfen werden, wie es mit so vielen anderen vor allem Atommodellen vorher schon geschehen ist. Die Vorgänge der Teilchenphysik und des Standardmodells finden ausschließlich im Mikrokosmos statt. Zur Beschreibung von Materie, Teilchen und deren Dynamik im Mikrokosmos können die Gesetze und Vorstellungen des Makrokosmos nicht mehr angewendet werden. Die Beschreibung der Vorgänge und Zustände des Mikrokosmos leistet die Quantenmechanik. Die Mechanik, wie sie z.b. in der Schule behandelt wird, bezeichnet man als klassische Mechanik. Die Quantenmechanik stellt keine Erweiterung der klassischen Mechanik dar, sondern ist eine eigene, völlig neue Theorie, die dynamische Prozesse im mikroskopischen Bereich beschreibt. Dabei gilt das Prinzip, dass die Quantenmechanik die klassische Mechanik als Grenzfall für hohe Energien bzw. für den makroskopischen Bereich mit einschließt. Genauso wird im Standardmodell anstatt der klassischen Elektrodynamik die Quantenelektrodynamik (QED) etc. verwendet. Ein neu durch das Standardmodell entstandener Teilbereich der Physik ist die so genannte Quantenchromodynamik (QCD). Im Standardmodell gibt es vier fundamentale Wechselwirkungen, die über Feldquanten übertragen werden; alle Materie besteht aus den Fundamentalteilchen Leptonen und Quarks, von denen es jeweils sechs verschiedene Arten gibt. 5

. DAS STANDARDMODELL Das Standardmodell ist jedoch nur ein theoretisches Gebilde, das, wie jedes Modell, versucht, die Realität so gut wie möglich darzustellen. Dennoch können die enthaltenen Theorien nur eine Annäherung an die Wirklichkeit bieten, in der auch eine Reihe bekannter und noch unbekannter Lücken sind. Ein Modell ist gibt einen Sachverhalt nicht vollständig wieder und hat nur begrenzte Gültigkeit; trotzdem ist es oft für viele Überlegungen gut brauchbar. Darüber hinaus ist das Standardmodell ein dynamisches Konstrukt, das ständig verbessert und erweitert wird. 6

3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN 3. Die vier Wechselwirkungen Unter einer Wechselwirkung versteht man im Allgemeinen die wechselseitige Beeinflussung zweier oder mehrerer Elementarteilchen, umgangssprachlich ebenso die von zusammengesetzten Teilchen, Atomen, Molekülen oder Körpern. Wichtig ist hierbei, dass sich jede Wechselwirkung des makro- und mikroskopischen Bereichs auf eine Wechselwirkung der beteiligten Elementarteilchen zurückführen lässt. Überschaubar und theoretisch behandelbar sind aber nur Systeme mit wenigen Teilchen, sodass es z.b. keinen Sinn macht, die elektromagnetische Anziehung zweier elektrisch geladener Metallkugeln auf Elementarteilchenebene zu betrachten. Die makroskopische Wechselwirkung zweier geladener Metallkugeln wird durch die klassische Mechanik, die Elektrodynamik oder ein anderes Teilgebiet der Physik der makroskopischen Welt beschrieben. In der alltäglichen, makroskopischen Sichtweise (klassische Mechanik) üben zwei Körper aufeinander Kräfte aus und treten damit in Wechselwirkung zueinander: Jemand zieht z.b. an einem Türgriff (Zugkraft), die Luft in einem Ballon drückt gegen die Ballonhaut (Druckkraft) etc. Es gibt viele weitere Kräfte, die man je nach ihrem Auftreten entsprechend bezeichnet (Schubkraft, Reibungskraft, Zentripetalkraft, Gewichtskraft etc.). Die Kräfte werden durch ihre makroskopischen Ursachen (Druck, Reibung, Gewicht etc.) charakterisiert. Die nächste Stufe der Beschreibung von Wechselwirkungen erfolgt mit Feldern. Auf Körper, die sich in einem Feld befinden, werden Kräfte ausgeübt, wenn sie eine entsprechende Eigenschaft besitzen (z.b. elektrische Ladung für ein elektrisches Feld, Masse für ein Gravitationsfeld etc.). Diese Sichtweise wird in Feldtheorien wie z.b. der Elektrodynamik beschrieben. Die Beschreibungen von Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen durch Quantentheorien kommen ohne Felder aus. Die Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen werden durch so genannte Austauschteilchen (Feldquanten) zwischen den einzelnen Teilchen, welche jeweils die zur entsprechenden Wechselwirkung passende La- 7

3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN dung tragen (z.b. elektromagnetische Ladung für die elektromagnetische Wechselwirkung, Farbladung für die starke Wechselwirkung etc.), vermittelt. Die elektromagnetische Wechselwirkung wird z.b. durch den Austausch (Emission und Absorption) von Photonen vermittelt. Man beachte, dass auch scheinbar statische Zustände (z.b. Anziehung zweier elektrischer Ladungen) durch ständige Absorption und Emission von Photonen erklärt und damit auch als Vorgänge betrachtet werden. Im Standardmodell gibt es vier fundamentale Wechselwirkungen: Die elektromagnetische, die starke, die schwache Wechselwirkung und die Gravitation, die alle über Austauschteilchen bzw. Feldquanten übertragen werden. Sowohl Wechselwirkungen, bei denen sich Teilchen anziehen, als auch solche, bei denen sie sich abstoßen, werden durch Austauschteilchen vermittelt. Die einzelnen Wechselwirkungen haben alle sehr unterschiedliche Stärken. Die Kraftwirkung der Gravitation, die wir am eigenen Körper spüren, empfinden wir als sehr stark ; die Stärke einer Wechselwirkung anzugeben, ist aber nur im Vergleich mit den anderen Wechselwirkungen sinnvoll. Vergleicht man die Stärken für gleiche Abstände, Massen und Ladungen, wie sie in der Teilchenphysik vorkommen, so erkennt man, dass die Verhältnisse dort ganz anders aussehen. Die Gravitation ist nämlich die mit Abstand schwächste Wechselwirkung. Erst dadurch, dass sie sich für sehr viele Teilchen summiert, scheint sie nach unserer subjektiven Empfindung sehr stark zu wirken. Im Gegensatz zur elektromagnetischen Wechselwirkung, die wesentlich stärker ist und bei der sich die Wirkungen von positiven und negativen Ladungen aufheben können, wird die Gravitation nicht durch irgendeine Form von Gravitations-Abstoßung kompensiert, sodass jeder noch so geringe Anteil zur Anziehung beiträgt. Gewisse Eigenschaften (siehe Abschnitt 5. Quantenzahlen und Erhaltungssätze) sind für alle Feldquanten gleich: Alle Austauschteilchen besitzen einen ganzzahligen Spin und sind daher Bosonen (Austauschbosonen). Es gilt dabei allgemein, dass Austauschbosonen mit geradem Spin (s = 0,, 4 etc.) nur anziehende Wirkung vermitteln, während solche mit ungeradem Spin (s = 1, 3, 5 etc.) sowohl eine anziehende als auch abstoßende Wirkung vermitteln. Die Gravitation wirkt nur anziehend, das (noch hypothetische) Gravi- 8

3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN ton besitzt den Spin. Alle anderen Wechselwirkungen können abstoßend und anziehend wirken, ihre Austauschbosonen haben alle den Spin 1. Die Reichweite einer Wechselwirkung hängt von der Masse ihres Vermittlers ab. Je massereicher ein Austauschboson ist, desto kurzreichweitiger ist die vermittelte Wechselwirkung. Das Austauschboson einer Wechselwirkung mit unendlicher Reichweite (z.b. elektromagnetisch) muss die Ruhemasse 0 (z.b. Photon) besitzen. Nur wenn das Austauschteilchen selbst Träger der Ladung ist, an die es koppelt, kann es auch mit seinesgleichen wechselwirken. Da das Photon elektrisch ungeladen ist, kann es nicht mit anderen Photonen elektromagnetisch wechselwirken, obwohl es selbst der Vermittler der elektromagnetischen Wechselwirkung ist. Hingegen tragen Gluonen (Träger der starken Wechselwirkung) selbst Farbladung und können somit auch untereinander stark wechselwirken. Die Gravitation In den Größenordnungen unseres täglichen Lebens ist die Gravitation neben der elektromagnetischen Wechselwirkung die wichtigste Kraft, da sie alle unsere Bewegungen beeinflusst. Sie wirkt nur anziehend, d.h. Effekte wie eine Gravitationsabstoßung oder Antigravitation wurden bisher nicht beobachtet und werden es wohl auch nicht. Das (theoretisch postulierte aber noch nie experimentell beobachtete) Feldquant der Gravitation, das Graviton Γ, ist (wahrscheinlich) masselos, die Reichweite der Gravitation ist daher unendlich. Es koppelt an alle Teilchen an, die eine Masse haben, die Masse ist sozusagen die Ladung der Gravitation. Die Stärke der Gravitation ist proportional zu den Massen der Wechselwirkungspartner. Sie wurde als erste Kraft quantitativ durch das Newton'sche Gravitationsgesetz beschrieben. Die Newton sche Gravitationstheorie kam zu Beginn des 0. Jahrhunderts in ernsthafte Schwierigkeiten, da sie im Widerspruch zu Einsteins Spezieller Relativitätstheorie steht. Nach Newton tritt die Gravitationswirkung zwischen Körpern augenblicklich ein, nach Einstein breitet sie sich aber mit Lichtgeschwindigkeit aus. Einstein stellte daraufhin die Allgemeine Relativitätstheorie auf, die die Newton sche Theorie ersetzte. Nach Einstein müsste es so genannte Gravitationswellen geben, die bei Änderungen von Massenquellen (z.b. bei Sternexplosionen) auftreten, allerdings konnten sie bis heute, wohl auf 9

3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN Grund fehlender feinerer Messmethoden, noch nicht direkt nachgewiesen werden. So bedeutend die Rolle der Gravitation im Makrokosmos ist, so belanglos ist die Rolle, die sie im Mikrokosmos unserer Teilchen einnimmt. Dies ist leicht einzusehen, wenn man beteiligte Massen vergleicht. Das Produkt der Massen zweier 1-kg-Gewichte ist 1 kg². Das Produkt zweier Protonenmassen liegt in der Größenordnung 10-54 kg. Damit beträgt das Verhältnis der wirkenden Gravitationskräfte, bei gleichem Abstand, 1 : 10 54. Es ist experimentell relativ schwierig, die Gravitationskraft, die zwei 1-kg-Massestücke aufeinander ausüben, zu messen. Es erscheint daher unmöglich, Kräfte, die um 54 Größenordnungen kleiner sind, messen zu können. Aus diesem Grund wird die Wirkung der Gravitation in der Teilchenphysik vernachlässigt. Die Gravitation (die schwächste der Wechselwirkungen) ist 10 38 mal schwächer als die starke Wechselwirkung (die stärkste der Wechselwirkungen). Für die elektromagnetische und starke Wechselwirkung gibt es eine quantentheoretische Formulierung, die QED und die QCD. Physiker arbeiten daran, auch eine Quantentheorie die so genannte Quantengravitationstheorie für die Gravitation aufzustellen. Dies ist allerdings noch nicht gelungen. Die elektromagnetische Wechselwirkung Nach der Entdeckung der magnetischen Wirkung des elektrischen Stroms von Oerstedt stellte Maxwell im 19. Jahrhundert Gleichungen zum elektrischen und magnetischen Feld auf, welche die Grundlage der elektromagnetischen Theorie darstellen. Damit wurden zum ersten Mal zwei Kräfte (elektrische und magnetische) in einer Wechselwirkungstheorie zusammengefasst. Da die Maxwellschen Gleichungen auch innerhalb der Speziellen Relativitätstheorie Einsteins gültig waren, stellen sie in der klassischen Physik die grundlegende Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkung dar. Die quantentheoretische Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkung wird durch die Quantenelektrodynamik (QED) geleistet. Die endgültige Formulierung stammt von Richard P. Feynman, J. Schwinger und S. Tomanaga aus dem Jahr 1948. In der QED wird die elektromagnetische Wechselwirkung durch den Austausch virtueller Photonen beschrieben. Die QED ist bis heute die 10

3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN am besten verstandene und am genauesten überprüfte Quantenfeldtheorie. Das Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung ist das Photon γ und koppelt an elektrische Ladungen an. Es ist selbst elektrisch ungeladen, hat keine Ruhemasse und bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit. Da es die Ruhemasse 0 hat, besitzt die elektromagnetische Wechselwirkung eine unendliche Reichweite. Das heißt, dass eine elektrische Ladung auf eine andere Ladung auch dann noch eine Kraft ausübt, wenn diese beliebig weit entfernt ist. Mit steigendem Abstand wird diese Kraft allerdings sehr schnell sehr klein. Die Kraft kann, je nach Ladung, anziehend oder abstoßend wirken. Die elektrische Wechselwirkung ist ca. 100 mal schwächer als die starke Wechselwirkung. Photonen können nicht direkt miteinander wechselwirken, da sie selbst keine elektrische Ladung tragen. Je nach Wellenlänge bzw. Energie eines Photons (E=h f), nennt man es auch Lichtquant, Röntgenquant oder γ-quant. Die schwache Wechselwirkung Die Entdeckung der schwachen Wechselwirkung ist eng mit ihrem bekanntesten Prozess, dem β - -Zerfall verbunden. Die schwache Wechselwirkung ist vor allem bei Teilchenzerfällen involviert. Da die schwache Wechselwirkung viele Erhaltungssätze und Symmetrien, die bei den anderen Wechselwirkungen gelten, verletzt, hat sie der japanische Physiker Yoishiro Nambu als Fehler Gottes bezeichnet. Ein anderes Problem der Untersuchung von Prozessen der schwachen Wechselwirkung ist die Überdeckung der schwachen Effekte durch die wesentlich stärkeren der elektromagnetischen und starken Wechselwirkung. Die schwache Wechselwirkung besitzt drei Austauschteilchen, die gemeinsam als Weakonen bezeichnet werden. Die W + -, W - - und Z 0 - Bosonen haben eine sehr große Masse (ca. 80-fache Protonenmasse), sodass die schwache Wechselwirkung nur sehr kurzreichweitig ist (ca. 10-18 m). Die schwache Wechselwirkung ist ca. 10 5 mal schwächer als die starke Wechselwirkung. Die Feldquanten der schwachen Wechselwirkung wechselwirken selbst sowohl schwach als auch elektromagnetisch, wobei das W + einfach positiv, das W - einfach negativ und das Z 0 elektrisch neutral geladen ist. Die schwache Wechselwirkung koppelt an alle Teilchen, die die so genannte schwache Ladung g tra- 11

3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN gen. Sowohl Quarks als auch Leptonen (siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen) tragen diese Ladung. Der wohl bekannteste Prozess der schwachen Wechselwirkung ist, wie erwähnt, der β - -Zerfall, bei dem ein Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino (Antineutrino auf Grund der Erhaltung der Leptonenzahl; vgl. Abschnitt 5. Quantenzahlen und Erhaltungssätze) zerfällt: n p + e + ν e Das dazugehörige Feynman-Diagramm sieht folgendermaßen aus (ein Feynman-Diagramm stellt eine Art Zeit-Ort-Diagramm einer Wechselwirkung dar, wobei die Zeitachse von links nach rechts und die Ortsachse von unten nach oben läuft): Die starke Wechselwirkung Die starke Wechselwirkung ist für Kernkräfte verantwortlich, sie hält Quarks (siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen) zusammen und wird durch Gluonen G vermittelt. Gluonen sind elektrisch ungeladen und haben (wahrscheinlich) keine Ruhemasse. Die starke Wechselwirkung koppelt an Teilchen, die Farbladung (kurz Farbe) tragen. Das Gluon selbst trägt eine Farbe und eine Antifarbe. Aus diesem Grund können die Gluonen auch untereinander stark wechselwirken. Sie können sich zu gebundenen Systemen zusammenhängen, die man als Gluonium oder Glueballs bezeichnet. Die starke Wechselwirkung wird durch acht Gluonen (nicht neun) vermittelt. Die Reichweite der starken Wechselwirkung entspricht praktisch in etwa dem Protonendurchmesser (ca. 10-15 m), obwohl sie theoretisch unendlich sein müsste (Ruhemasse Null). Dies ist bedingt durch das so genannte Quark- Confinement (siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen). Die starke Wechselwirkung ist die stärkste aller Wechselwirkungen. 1

3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN Gluonen koppeln nur an andere, auch Farbladung tragende Teilchen. Die Quarks in Protonen und Neutronen bilden farbneutrale, weiße Kombinationen. Sie kompensieren so nach außen ihre Farbladungen und scheinen wie Teilchen ohne Farbladung zu wirken. Die starke Wechselwirkung wirkt daher auf sie zunächst nicht. Erst wenn sich die Nukleonen sehr nahe kommen, stellen sie fest, dass ihr Gegenüber zwar nach außen farbneutral ist, aber im Inneren sehr wohl einzelne Farbladungen enthält. Sie können daher erst bei sehr kleinen Abständen (Größenordnung 10-15 m) miteinander stark wechselwirken bzw. die Kernkräfte aufeinander ausüben. Zu dieser anschaulichen Erklärung gibt es ein Analogon der QED. Auch Atome, die nach außen elektrisch ungeladen sind, üben bei sehr geringen Abständen zueinander elektrische Kräfte aus. Das Prinzip der Farbladungen wird ausführlicher in Abschnitt 6. Fundamentalteilchen erläutert. Folgende Tabelle gibt eine zusammenfassende Darstellung der Wechselwirkungen und ihrer Feldquanten: Reichweite Masse elektrische (GeV/c koppelt anspin ) Ladung (e) Feldquant Wechselwirkung elektromagnetisch Ladung elektrische Photon 0 0 1 Gluon stark (10-15 Farbladung m) 0 0 1 W -, W +, Z 0 schwach 10-18 80,3 (W ± ) schwache m Bosonen 91, (Z 0-1, +1, 0 1 ) Ladung Graviton Gravitation 0 0 Masse 13

4. MATERIE UND ANTIMATERIE 4. Materie und Antimaterie Grundsätzlich gilt, dass es zu jedem elementaren Teilchen (Quarks, Leptonen und Austauschteilchen; siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen) ein Antiteilchen gibt. Das Antiteilchen hat die gleiche Masse wie sein korrespondierendes Teilchen, aber bei allen anderen Ladungen (z.b. der elektrischen Ladung) besitzt es das entgegengesetzte Vorzeichen. Das bekannteste Antiteilchen ist das Positron, das Antiteilchen des Elektrons. Es hat die gleiche Masse, wie das Elektron, trägt aber eine positive Elementarladung. Abgekürzt schreibt man für das Positron e +. Meistens hat man den Antiteilchen aber keine neuen Namen gegeben, sondern setzt nur die Vorsilbe Anti- davor, wie bei Antiquark, Antiproton, Antineutrino etc. Für ein Antiteilchen verwendet man den gleichen Buchstaben wie für sein korrespondierendes Teilchen, es wird lediglich ein Querstrich darübergesetzt. Bei gewissen Teilchen, wie zum Beispiel dem Photon, sind Teilchen und Antiteilchen ident. Ein Antiphoton unterscheidet sich also durch nichts von einem Photon. Ein Photon ist zugleich sein Antiteilchen. Wegen dieser Ununterscheidbarkeit ist im Allgemeinen der Begriff Antiphoton nicht gebräuchlich. Ähnlich spricht man nicht von einem Anti-W + -Boson, da das Antiteilchen des W + - das W - -Teilchen ist und vice versa. Grundsätzlich gilt aber, dass es zu jedem Fundamentalteilchen (und in weiterer Folge zu den daraus zusammengesetzten Teilchen) ein Antiteilchen aus Antimaterie gibt (aber auch bei Mesonen wird nicht zwischen Teilchen und Antiteilchen unterschieden, da jedes Meson aus einem Quark und einem Antiquark besteht, wobei jede Kombination einen eigenen Namen trägt). Die Theorie von der Antimaterie wurde 1930 von Dirac aufgestellt. Er ging dabei von der relativistischen Formel für die Gesamtenergie eines bewegten Teilchens aus. Aus der speziellen Relativitätstheorie ergibt sich, dass die Masse m v eines bewegten Körpers (mit der Geschwindigkeit v) größer ist, als dessen Ruhemasse (m 0 ). Es gilt: 14

4. MATERIE UND ANTIMATERIE 15 1 c v m m o v = Durch quadrieren und umformen dieser Formel erhält man: ( ) ( ) ( ) 0 4 0 4 0 0 0 1 1 m c c m v m c c m c v m c m c m v m c m m c v m m m c v m m c v m v v v v v v v v v o v = = = = = = Ferner gilt für den Impuls p dieses Körpers: ( ) v m p m v p v v = = Für die Ruheenergie W 0 und die Gesamtenergie W ges gilt nach dem Gesetz über die Äquivalenz von Masse und Energie: ( ) ( ) 0 0 0 0 und m c W c m W m c W c m W v ges v ges = = = = Unter Verwendung der oben angegebenen Zusammenhänge ergibt sich weiter: ) ( c m c p W o ges = Daraus lässt sich die Formel für die Gesamtenergie eines bewegten Teilchens ableiten:

4. MATERIE UND ANTIMATERIE W W ges ges = ( m c = ± o ) ( m c o ) + p c + p c Der Wurzelausdruck kann dabei formal sowohl ein positives als auch ein negatives Vorzeichen haben. In der klassischen Physik würde man das negative Vorzeichen weglassen, mit der Begründung, dass ihm keine physikalische Bedeutung zukomme. Dirac ging von der Voraussetzung aus, dass beide Vorzeichen beachtet werden müssten, wobei aber zunächst völlig unklar war, was ein Teilchen mit negativer Energie bedeuten solle. Als Fortsetzung dieser Gedanken entstand die Theorie der Antimaterie. Genauso wie sich die Elementarteilchen zu Atomen und damit zu Materie zusammensetzen, können auch Antiteilchen Antiatome und Antimaterie bilden. Technisch ist dies aber nur sehr schwer zu realisieren, obwohl man heute sehr gut Positronen und Antiprotonen erzeugen kann. Das Problem ist aber, das sich Antiatome und normale Atome bei ihrer Begegnung sofort vollständig unter Abstrahlung von Energie (nach dem Einstein-Gesetz über die Äquivalenz von Masse und Energie) vernichten (annihilieren). Für uns scheint es so, als gäbe es in der realen Welt keine Antimaterie. Diese Unsymmetrie zwischen diesen beiden Teilchenklassen ist ein Rätsel, das noch nicht sicher gelöst ist. Nach unseren Konventionen ist auch eine Welt aus Antimaterie denkbar. Vermutungen gehen dahin, dass nach dem Urknall, bei dem Materie und Antimaterie vermutlich in gleicher Menge vorhanden waren, nur etwa der Bruchteil 10-8 der Annihilation entgangen sind. Eine mögliche Begründung dafür ist ein kürzlich nachgewiesenes Phänomen, die CP-Verletzung. Wie oben ausgeführt, spiegelt jedes Teilchen sein Antiteilchen exakt im Raum (P) und in der elektrischer Ladung (C); dies ist die so genannte CP- Symmetrie. Es wird jedoch angenommen, dass einige Teilchen (in der Größenordnung von ein bis zwei Promille) diese CP-Symmetrie verletzen und sich deshalb nicht mit Antiteilchen annihiliert haben. 16

5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE 5. Quantenzahlen und Erhaltungssätze Jedes Elementarteilchen wird durch eine Anzahl von Eigenschaften und Quantenzahlen charakterisiert. Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen physikalischen Betrachtungen im makroskopischen Bereich der klassischen Physik und denen im mikroskopischen Bereich der Teilchenphysik ist, dass bestimmte Eigenschaften, die Teilchen besitzen, nur noch quantisiert, das heißt in Portionen angenommen werden können. Zum Beispiel kann ein (eigenständig existierendes) Teilchen nur eine elektrische Ladung besitzen, die ein ganzzahliges Vielfaches der kleinsten Einheit, der Elementarladung e, ist. Es genügt folglich, für die Ladung die Zahl anzugeben, mit der die kleinste Portion multipliziert wird. Solche Zahlen nennt man Quantenzahlen. Neben den Quantenzahlen, die mit bekannten Größen verbunden sind, wie eben z.b. die elektrische Ladung oder auch der Spin, gibt man zur Unterscheidung von Teilchen und ihrer Zustände noch eine Reihe weiterer Quantenzahlen an. Darüber hinaus gilt, dass die Quantenzahl eines zusammengesetzten Teilchens die Summe der Quantenzahlen seiner Bausteine ist. Jedes Elementarteilchen, außer gewisse Feldquanten, hat eine bestimmte Masse. Im Allgemeinen spricht man von der Ruhemasse m 0 eines Teilchens, da die Masse eines bewegten Teilchens nach der Speziellen Relativitätstheorie größer als die Ruhemasse ist. Genauso kann man, nach dem Gesetz über die Äquivalenz von Masse und Energie, die Ruhemasse jedes Teilchens auch in Form seiner Ruheenergie W 0 angeben. Es gilt: W = 0 m0c Die Energie wird im Allgemeinen nicht in Joule (J), sondern in Elektronenvolt (ev) angegeben, das ist jene Energie, um die die ein Energie eines Elektrons zunimmt, wenn es eine Potentialdifferenz von einem Volt durchläuft. Eine wichtige Quantenzahl ist die elektrische Ladung Q. Elementarteilchen können positiv, negativ oder nicht (neutral) geladen sein. Ihre 17

5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE Ladung ist immer ein ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung e. Nur die Fundamentalteilchen Quarks haben Ladungen von einem bzw. zwei Drittel der Elementarladung. Die aus ihnen zusammengesetzten Teilchen haben jedoch wieder eine ganzzahlige Ladung. Ein Proton hat z.b. die Ladung Q = 1, ein Elektron Q = 1. Eine weitere wichtige Eigenschaft ist der so genannte Spin s. Hierbei handelt es sich um eine unanschauliche Größe, die nur durch ein Modell näher gebracht werden kann. In diesem Modell stellt man sich die Elementarteilchen als kleine Kugeln vor, die sich um eine durch den Kugelmittelpunkt gehende feste Achse drehen. Dabei haben sie einen konstanten Drehimpuls, den man Spin nennt. Dies ist jedoch nur ein Modell, um die Vorstellung zu erleichtern; es spiegelt insofern die Wirklichkeit nicht wieder, da Elementarteilchen eben keine sich drehenden Kügelchen sind. Als Einheit für den Spin dient die Größe! = h π wobei h für das Planck'sche Wirkungsquantum (h = 6,6 10-34 Js) steht. Der Spin der Elementarteilchen ist ein ganzzahliges oder halbzahliges Vielfaches dieser Grundeinheit. Es gilt also: 1 s = 0 oder s =! oder s = 1! etc. Der Spin legt jedoch nicht fest, in welche Richtung sich ein Teilchen dreht (um bei dem oben angeführten Modell zu bleiben), dazu wird zusätzlich die z-komponente des Spins S z festgelegt. Ein Elektron kann z.b. je nach dem Drehsinn den Spin s = +1/ oder s = 1/ haben. Man spricht auch von Spin Up ( ) und Spin Down ( ). Die Drehsinnberücksichtigung hat zur Folge, dass sich bei zusammengesetzten Teilchen die einzelnen Spins nicht nur zu einem größeren Spin addieren, sondern auch gegenseitig aufheben können. Elementarteilchen besitzen neben dem Spin (Eigendrehimpuls) auch einen Drehimpuls bezüglich der Rotation um einen Punkt außerhalb einer Achse durch ihren Schwerpunkt (Bewegung auf einer Bahn mit der Bahngeschwindigkeit v). Diesen Drehimpuls nennt man Bahndrehimpuls. Auch der Bahndrehimpuls ist quantisiert. Er kann für Teilchen des mikroskopischen Bereichs nur ein ganzzahliges Viel- 18

5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE faches von! betragen. Wie andere quantisierte Größen wird der Bahndrehimpuls auch durch eine Quantenzahl, die Bahndrehimpulsquantenzahl l (für ein einzelnes Teilchen) oder L (für mehrere Teilchen) angegeben. Teilchen können l = 0, 1,, 3,... besitzen. Historisch bedingt benutzen die Physiker dafür aber noch eine andere Schreibweise. Sie bezeichnen den Zustand eines Teilchens mit l = 0 mit S, l = 1 mit P, l = mit D etc. Die Bahndrehimpulsquantenzahl gibt z.b. an, auf welchem Orbital sich ein Elektron in einem Atom befindet. Neben dem Spin s (Eigendrehimpuls) eines Teilchens bzw. dem zusammengesetzten Spin S eines Teilchensystems (z.b. Baryon), besitzt ein Teilchen also noch einen Bahndrehimpuls l. Spin und Bahndrehimpuls werden nach bestimmten Regeln zu einem Gesamtdrehimpuls bzw. Gesamtspin J addiert. Wenn klar ist, dass die Regeln beachtet werden müssen, schreibt man oft einfach J = L + S oder für einzelne Teilchen j = l + s, wobei es sich streng genommen um eine Vektoraddition handelt. Eine weitere anschaulich nicht erfassbare Größe ist das magnetische Moment eines Elementarteilchens. Es ist gesichert, dass Elementarteilchen ein magnetisches Moment haben; wie dieses zu Stande kommt, ist noch unklar. Die Leptonenzahl L kann nicht nachgewiesen oder gemessen werden, sie ist eine mathematische Rechengröße, die eingeführt wurde, weil es einen Erhaltungssatz gibt, der besagt, dass bei allen Wechselwirkungsprozessen zwischen Elementarteilchen unter Berücksichtigung der Vorzeichen die Summe aller Leptonenzahlen erhalten bleibt. Daher wird jedem Elementarteilchen eine Leptonenzahl zugewiesen. Ein Lepton (siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen) erhält L = +1, ein Antilepton L = 1 und alle anderen Elementarteilchen L = 0. Bei den Leptonen unterscheidet man noch einmal zwischen den verschiedenen Generationen (vgl. Abschnitt 6. Fundamentalteilchen). So ordnet man den entsprechenden Generationen eine Leptonenzahl L e, L μ und L τ zu, die einzeln erhalten bleiben. Aus diesem Gesetz geht zum Beispiel hervor, dass Teilchen nur zerfallen können, wenn es kleinere Bruchstücke gibt, die die Leptonenzahlen übernehmen können. Analog zur Leptonenzahl verhält sich die Baryonenzahl B eines Teilchens, die ebenso eine Rechengröße ist. Ein Baryon (siehe Abschnitt 19

5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE 6. Fundamentalteilchen) erhält die Baryonenzahl B = 1, ein Antibaryon B = 1. Da ein Baryon aus drei Quarks besteht, erhält ein Quark B = 1/3 und ein Antiquark B = 1/3. Alle anderen Elementarteilchen haben B = 0. Es gilt der Erhaltungssatz, der besagt, dass bei allen Wechselwirkungsprozessen zwischen Elementarteilchen unter Berücksichtigung der Vorzeichen die Summe aller Baryonenzahlen erhalten bleibt. Dieser Satz erklärt z.b. die Stabilität der Protonen, denn alle Teilchen, deren Masse kleiner als die Protonenmasse ist, haben die Baryonenzahl Null, sodass die Protonen beim Zerfallen in leichtere Teilchen ihre Baryonenladung nicht an die Zerfallsprodukte übergeben könnten. Da die starke Kraft, die die Nukleonen zusammenhält, unabhängig von ihrer elektrischen Ladung ist, wurde schon vor der Entdeckung der Quarks vermutet, dass Proton und Neutron sehr eng verwandte Teilchen sein müssen. Sie wurden daher als zwei verschieden Zustände der eine elektrisch geladen, der andere neutral ein und desselben Teilchens, des Nukleons, betrachtet. Neben diesem Beispiel findet man noch eine Reihe weiterer Teilchen, für die die starke Kraft ähnlich ist und daher nur als verschiedene Zustände eines Teilchens betrachtet werden, so z.b. das π +, π 0 und π - Meson. Zu ihrer Unterscheidung führt man einen abstrakten Spin, den Isospin I ein, der außer dem Namen aber nichts mit dem richtigen Spin zu tun hat und für den es auch kein anschauliches (wenn auch nicht ganz den Tatsachen entsprechendes) Modell wie den Eigendrehimpuls gibt. Man ordnet einem Teilchen, das in verschiedenen Zuständen vorkommt, einen Isospin I zu, der angibt, wie viele verschiedene Zustände des einen Teilchens vorkommen. Die eigentliche Unterscheidung erfolgt wie beim Spin durch die z-komponente. Der Isospin I gibt den Maximalwert vor und die Komponente in z-richtung liefert die eigentliche Unterscheidung der Teilchen durch unterschiedliche Vorzeichen bzw. Werte. Die Gruppe aus den Teilchen, die nur verschiedene Zustände eines Teilchens darstellen, nennt man allgemein Multiplett. Zwei Teilchen wie zum Beispiel Proton und Neutron bilden ein Dublett (n = ), drei Teilchen wie etwa beim π +, π 0 und π - Meson ein Triplett (n = 3) etc. Der Maximalwert des Isospins berechnet sich nach der Formel I = n/ 1/. Der Isospin betrifft nur die starke Wechselwirkung und somit auch nur die Quarks bzw. Hadronen. Wenn es denn nötig ist, so könnte man Leptonen den Isospin Null zuordnen. 0

5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE Die z-komponente des Isospins I 3 unterscheidet die Teilchen eines Isospin-Multipletts (z.b. die des Nukleonen-Dubletts) durch verschiedene Werte. In Anlehnung an den Spin erfolgt auch hier die gleiche Unterscheidung: Für I = 1/ gibt es die z-komponenten I 3 = +1/ und I 3 = 1/. Für I = 1 gibt es die z-komponenten I 3 = 1, I 3 = 0, und I 3 = +1. Für I = 3/ gibt es I 3 = 3/, 1/, 1/ und 3/ etc. Die Quantenzahl Hyperladung Y verbindet die elektrische Ladung und den Isospin. Sie berechnet sich einfach aus Q und I 3 : Y = ( Q I 3) Das Proton hat z.b. die Hyperladung Y = (1 1/) = 1 und das Neutron Y = [0 ( 1/)] = 1. Beide besitzen also die gleiche Hyperladung. Die Charm-Quantenzahl c gibt an, ob ein Elementarteilchen ein charm-quark, charm-antiquark oder keines von beiden ist. Dabei erhält ein charm-quark die Quantenzahl c = +1, ein charm-antiquark den Wert c = 1 und alle anderen Elementarteilchen c = 0. Zusammengesetzte Teilchen haben als Charm-Quantenzahl wieder die Summe der Charm-Quantenzahlen ihrer Bausteine. Ursprünglich wurden mit der Strangeness-Quantenzahl S Teilchen gekennzeichnet, die sich seltsam verhielten, was ihre Erzeugungszeit und Lebensdauer betraf. Heute weiß man, dass S einfach der Unterscheidung von strange-quark und strange-antiquark dient. Ein strange-quark hat S = 1 und ein strange-antiquark S = +1. Alle anderen Elementarteilchen haben S = 0. Elementarteilchen sind teilweise stabil und instabil. Die instabilen Teilchen erhalten daher als charakteristische Eigenschaft eine bestimmte Halbwertszeit T ½ bzw. eine mittlere Lebensdauer τ. Neben den hier genannten Eigenschaften gibt es noch Attribute, wie Parität, Topness, Bottomness etc. oder die bereits erwähnten Ladungen für die starke und schwache Wechselwirkung (Farbladung bzw. schwache Ladung g). Mehr dazu in Abschnitt 6. Fundamentalteilchen. 1

5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE Die Eigenschaften eines Elementarteilchens bestimmen also nicht nur, an welchen Wechselwirkungen es teilnehmen kann, sondern die mit den Eigenschaften verbundenen Erhaltungssätze geben auch an, welche Wechselwirkungen möglich sind und welche nicht. Die wichtigsten Erhaltungsgrößen sind Energie E, Impuls p, Drehimpuls L, elektrische Ladung Q, Farbe, Baryonenzahl B und Leptonenzahl L. Diese Größen bleiben bei allen Wechselwirkungen erhalten. Andere Größen, wie Ladungskonjugationszahl C, Parität P, Isospin I, Strangeness S, Charm-Zahl C, Quark-Zahl, Mesonen-Zahl und Quark-Flavour bleiben bei einigen Wechselwirkungen nicht erhalten. Des Weiteren gilt im Allgemeinen (für Fermionen) die Aussage, dass sich zwei Teilchen (innerhalb eines Phasenraums) immer in mindestens einer der oben genannten Eigenschaften unterscheiden müssen (Pauli-Verbot).

6. FUNDAMENTALTEILCHEN 6. Fundamentalteilchen Bereits Generationen von Physikern haben sich bemüht, die Frage Woraus besteht Materie? zu klären. Dabei ist die Antwort aus Atomen zunächst sehr einfach. Aber woraus sind Atome aufgebaut? Aus einer Elektronenhülle und einem Kern aus Protonen und Neutronen. Aber woraus sind die Protonen und Neutronen? Aus Quarks. Doch woraus sind Quarks? Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft müssen wir das Frage-Antwort-Spiel an dieser Stelle abbrechen. In anderen Worten, Quarks sind so genannte Fundamentalteilchen, die sich nicht weiter zerlegen lassen und keine innere Struktur besitzen, sie sind also einer der Grundbausteine der Materie. Nach dem Standardmodell besteht alle Materie nur aus zwölf Sorten elementarer Bausteine: sechs Quarks und sechs Leptonen. Dazu kommen noch die Austauschteilchen der vier fundamentalen Wechselwirkungen (Photon, Graviton, Weakonen, Gluonen) sowie natürlich die Antiteilchen zu all den hier genannten Bausteinen (Antifeldquanten, Antiquarks, Antileptonen), die hier aber nicht eigenständig aufgelistet werden. Man teilt die sechs Quarks und sechs Leptonen in drei Generationen ein. Zu jeder Generation gehören zwei Leptonen (je ein Neutrino mit seinem dazugehörigen schweren Partner) und zwei Quarks. Die Einordnung der Elementarteilchen in Generationen erfolgt grob nach ihrer Masse (I. leicht, II. mittelschwer, III. schwer). Die Einordnung in zwei Gruppen Quarks und Leptonen beruht darauf, dass Quarks stark wechselwirken, Leptonen nicht. Eine Folge davon ist, dass Quarks im Gegensatz zu Leptonen nie alleine, sondern nur zusammengesetzt mit anderen Quarks, also gebunden, beobachtet werden. Teilchen, die aus Quarks zusammengesetzt sind und damit auch an der starken Wechselwirkung teilnehmen, nennt man Hadronen. Man spricht daher auch von der hadronischen an Stelle der starken Wechselwirkung. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über Quarks und Leptonen. Generationen I (leicht) II (mittelschwer) III (schwer) Quarks: up-quark (u) charm-quark (c) top-quark (t) down-quark (d) strange-quark (s) bottom-quark (b) Leptonen: Elektron-Neutrino (ν e )Müon-Neutrino (ν µ )Tauon-Neutrino (ν τ ) Elektron (e - ) Müon (µ - ) Tauon (τ - ) 3

6. FUNDAMENTALTEILCHEN Man kann die Fundamentalteilchen aber nicht nur danach unterscheiden, ob sie stark wechselwirken (Quarks bzw. Hadronen) oder nicht (Leptonen), sondern man kann sie auch nach ihrem Spin einteilen. Teilchen mit halbzahligem Spin nennt man Fermionen, Teilchen mit ganzzahligem Spin Bosonen. Man kann nun die Fundamentalteilchen und zusammengesetzte Teilchen danach unterscheiden, ob sie Fermionen oder Bosonen sind. Grundsätzlich gilt: Quarks und Leptonen sind Fermionen, da sie alle den Spin 1/ besitzen. Austauschteilchen sind Bosonen, da sie ganzzahlige Spins besitzen. Quarks: u, d, s, c, b, t Fermionen Leptonen: e, ν e, µ, ν µ, τ, ν τ Bosonen Austauschteilchen: Photon, W +, W -, Z 0, Gluonen, Graviton Interessant wird es vor allem bei den aus Quarks aufgebauten Teilchen, denn bei ihnen werden die Spins ihrer Bausteine zu einem Gesamtspin zusammengefasst. So zählen etwa Mesonen zu den Bosonen, da diese aus je zwei Quarks bestehen, deren Spins sich zu einen ganzzahligen Gesamtspin addieren. Eine besondere Eigenschaft der Fermionen ist, dass für sie das so genannte Pauli-Verbot gilt. Es besagt, dass nie zwei oder mehrere von ihnen am gleichen Ort (z.b. Elektronen in der Hülle eines Atoms) in allen Quantenzahlen (Spin, Ladung, etc.) übereinstimmen dürfen. Für Bosonen gilt das Pauli-Verbot nicht. Leptonen Es gibt insgesamt sechs verschiedene Leptonen: das Elektron e -, das Müon μ -, das Tauon τ - sowie die dazugehörigen Neutrinos Elektron- Neutrino ν e, Müon-Neutrino ν μ und Tauon-Neutrino ν τ. Von diesen sind nur das Elektron sowie die drei Neutrinos stabil, die anderen zerfallen nach einer gewissen Zeit unter der Mitwirkung der schwachen Wechselwirkung. Zu jedem Lepton gibt es natürlich auch ein Antiteilchen. 4

6. FUNDAMENTALTEILCHEN Im Gegensatz zu den Quarks nehmen Leptonen nicht an der starken Wechselwirkung teil, daher kann man sie einzeln und ungebunden finden und nachweisen. Diese Forscher-freundliche Eigenschaft hat dazu geführt, dass das bekannteste Lepton, das Elektron, bereits 1897 von Thomson entdeckt wurde. Ein anderes Lepton, das Elektron-Neutrino, wurde wie viele andere Teilchen auch als Lückenfüller gebraucht und eingeführt, aber erst Jahre später tatsächlich gefunden. Man stieß 1930 bei der Untersuchung des β - -Zerfalls, bei dem ein Elektron emittiert wird, auf ein Problem: Auf Grund der Energieerhaltung müsste das emittierte Elektron eine feste Energie besitzen. Man stellte für das Elektron aber eine kontinuierliche Energieverteilung fest. Zur Rettung der Energieerhaltung führte Pauli ein elektrisch ungeladenes Teilchen ein, das die Rolle des Trägers der fehlenden Energie hatte und somit die offensichtliche Energielücke schloss. Heute wissen wir, dass es sich beim β - - Zerfall um das Elektron-Antineutrino handelt, da sowohl die Baryonen- als auch die Leptonenzahl erhalten bleiben muss: Das Neutron hat B = 1, das Proton ebenfalls, Elektron und Neutrino haben B = 0, somit ist die Baryonenzahl auf beiden Seiten 1. Das Neutron hat L = 0, das enstehende Elektron aber L = 1. Damit auf beiden Seiten der Zerfallsgleichung die Leptonenzahl Null ist, muss das Neutrino ein Antineutrino mit L = 1 sein, denn nur dann ist L = 1 1 = 0. In den späten 50er und frühen 60er Jahren führte die scheinbare Verletzung der Erhaltung der Leptonenzahl bei einer Teilchenreaktion zur 5

6. FUNDAMENTALTEILCHEN Aufteilung der Neutrinos in zwei Arten, das Elektron-Neutrino und das Müon-Neutrino. Das schwerste Lepton, das Tauon und sein Tauon-Neutrino, wurden erst Ende der 70er Jahre entdeckt. Man kann die Leptonen entweder, wie bereits gezeigt, in drei Generationen einordnen oder danach unterscheiden ob sie geladene Leptonen (Elektron, Müon und Tauon) oder ungeladene Leptonen (die drei Neutrinos) sind. Sowohl Elektron als auch Müon und Tauon tragen eine negative Elementarladung (e -, μ -, τ - ). Die drei Neutrinos sind ungeladen. Die Massenunterschiede zwischen den einzelnen Leptonen sind enorm. Das Tauon ist etwa 3500 mal schwerer als das Elektron. Ob Neutrinos überhaupt eine Masse besitzen ist eine der wichtigsten Fragen, die Teilchenphysiker zu klären versuchen. Mit Sicherheit kann man im Augenblick nur sagen, dass, wenn sie eine Masse besitzen, diese sehr klein ist. Die Neutrinos im Standardmodell werden als masselos, also mit Ruhemasse Null angenommen. (Sollten Neutrinos eine Masse haben, hätte dies große Auswirkungen. Manche Astrophysiker vermuten, dass die Masse der Neutrinos die so genannte dunkle oder fehlende Materie des Universums ausmacht, deren Menge darüber entscheidet, ob die Expansion des Weltalls ewig weitergehen oder es irgendwann zum Stillstand und wieder zu einem Zusammenziehen kommen wird.) Elektronen, Müonen und Tauonen nehmen an der elektromagnetischen und schwachen Wechselwirkung sowie der Gravitation teil. Sie können nicht stark wechselwirken. Die ungeladenen Neutrinos können dagegen nur schwach wechselwirken. Das hat leider zur Folge, dass Neutrinos nur höchst selten mit irgendetwas wechselwirken, sodass z.b. von der Sonne emittierte Neutrinos problemlos millionenfach die Erde durchqueren können, ohne irgendwo anzuekken. In folgender Tabelle sind die wichtigsten Leptonen-Eigenschaften zusammengefasst: 6

6. FUNDAMENTALTEILCHEN Name Elektron- Neutrino Elektron Müon- Neutrino Müon Tauon- Neutrino Tauon Generation Symbol I II III Ruhemasse (MeV/c ) elektrische Ladung (e) Lebensdauer ν e < 15. 10-6 0 e 0,511-1 ν µ < 0,17 0 µ 105,7-1,197. 10-6 s ν τ < 4 0 τ 1777-1 3,05. 10-13 s Es gibt auch gebundene Zustände aus Leptonen, die jedoch nur von sehr kurzer Lebensdauer sind, wie zum Beispiel das Positronium aus einem Elektron (e - ) und seinem Antiteilchen dem Positron (e + ) oder das Müonium aus z.b. einem Antimüon (μ + ) und einem Elektron (e - ). Quarks Alle anderen Teilchen neben den Leptonen bestehen aus so genannten Quarks. Der Name Quark ist einem Zitat aus dem Buch Finnegans Wake von James Joyce entnommen. Es gibt sechs verschiedene Arten von Quarks. Die jeweilige Art wird je als ein Flavour bezeichnet. Die Quark-Flavours sind up u, down d, strange s, charm c, bottom (oder beauty) b und top (oder truth) t. Zu jedem Quark gibt es natürlich auch ein Antiteilchen. Die Namen der Quarks sind rein willkürlich gewählt und haben nichts mit wirklichen räumlichen Dimensionen oder Orientierungen zu tun. Quarks und Antiquarks treten nie alleine, sondern immer zu zweit oder zu dritt als zwei verschiedene Arten gebundener Quark-Systeme (genannt Hadronen) auf. Die Mesonen sind die gebundenen Systeme aus einem Quark und einem Antiquark, Baryonen sind gebundene Systeme aus drei Quarks. Antibaryonen bestehen aus drei Antiquarks. Quarks sind elektrisch geladen, tragen aber keine ganzen, sondern Drittelladungen, entweder +/3 e oder 1/3 e. Antiquarks tragen dementsprechend entweder die Ladung /3 e oder +1/3 e. In den gebundenen Systemen der Quarks ergänzen sich deren Ladungen aber immer auf entweder +1 e oder 1 e. Die Quarks nehmen an allen Wechselwirkungen teil. 7

6. FUNDAMENTALTEILCHEN Auch Quarks werden nach der Größe ihrer Masse in drei Generationen eingeordnet. Da die Quarks aber nicht als freie Teilchen auftreten, ist der Begriff ihrer Masse problematisch, vor allem auch, da ein gebundenes Quark viel schwerer ist, als es ein freies wäre. Die Massen der einzelnen Flavours sind sehr unterschiedlich. Die des schwersten Quarks, des top-quarks, ist sehr viel größer, als die des leichtesten Quarks, des up-quarks. In folgender Tabelle sind die wichtigsten Quark-Eigenschaften zusammengefasst. FlavourGeneration SymbolMasse (MeV/c ) elektrische Ladung (e) up u 1,5 bis 5 +/3 I down d 17 bis 5 1/3 strange s 60 bis 170 1/3 II charm c 1100 bis 1400 +/3 bottom b 4100 bis 4400 1/3 III top t 173800 ± 500 +/3 Eine fundamentale Eigenschaft der Quarks ist der so genannte Quark- Einschluss oder Quark-Confinement: Man hat bis heute noch kein einzelnes, freies Quark beobachtet und wird sofern die Theorie stimmt es auch nie tun. Der Grund für den Einschluss der Quarks in Mesonen oder Baryonen liegt an einer besonderen Eigenschaft der starken Wechselwirkung, die die Quarks in Mesonen und Baryonen zusammenhält. Solange sich die Quarks nahe (innerhalb von 1 fm, dem Protonendurchmesser) aneinander befinden, können sie sich fast frei bewegen (asymptotische Freiheit). Wenn man allerdings versucht, die Quarks zu trennen, stellt man fest, dass die Kraft, die sie zusammenhält, mit steigendem Abstand sehr groß wird und einem festen Wert zustrebt. Sie sind also zuerst durch die starke Kraft nur schwach gebunden, erst beim Versuch sie zu trennen, steigt die Wirkung der starken Kraft anfangs mit steigendem Abstand an und strebt dann einem konstanten Wert entgegen. Dies begründet auch die praktische Reichweite der starken Wechselwirkung. Es ist zwar theoretisch richtig, der starken Wechselwirkung eine unendliche Reichweite zuzuschreiben, praktisch aber sinnlos, da sie für Abstände deutlich größer als der Protonendurchmesser keine Wirkung mehr zeigt. Aus diesem Grund gilt die starke Wechselwirkung als kurzreichweitig. Ihre Reichweite wird üblicherweise mit 1 fm angegeben. Folgende Grafik zeigt den ungefäh- 8

6. FUNDAMENTALTEILCHEN ren Verlauf des Kernpotentials und des Potentials der starken Wechselwirkung bei 1-Gluon-Austausch: Bei kleinen Abständen (< 1 fm) führt der 1-Gluon-Austausch zwischen den Quarks zu einem Potentialverlauf, wie bei der elektromagnetischen Wechselwirkung (~ 1/r; durchgezogene Linie). Je näher der Abstand der Größenordnung 1 fm kommt, desto mehr weicht der Verlauf vom 1/r-Potential ab und geht in einen linearen Verlauf (gestrichelt) über. Dies hat zur Folge, dass man extrem viel Energie aufwenden müsste, um sie auch nur ein wenig voneinander zu trennen. Um ein völlig freies Quark zu erzeugen, bräuchte man theoretisch sogar unendlich viel Energie. Aber so weit kommt es gar nicht, denn steckt man sehr viel Energie in z.b. ein Charmonium (Meson aus charm und Anti-charm), so reicht die Energie irgendwann aus, um z.b. ein Quark-Antiquark-Paar gleichen Flavours zu erzeugen, sodass das Quark, das abgetrennt werden sollte, mit dem entstandenen Antiquark ein Meson bildet, also sofort wieder gebunden wird. Das entstandene Quark bildet mit dem Antiquark des ursprünglichen Mesons auch ein Meson. Wenn man versucht Quarks zu trennen, entstehen neue gebundene Mesonen oder Baryonen. Diese Eigenschaft bezeichnet man als Quark-Einschluss oder Confinement. 9

6. FUNDAMENTALTEILCHEN Im Jahre 1964 wurde ein Baryon (Ω - ) mit der Quarkzusammensetzung sss gefunden. Das Problem war, dass die drei strange-quarks als Fermionen dem Pauli-Prinzip unterliegen. Leider stimmten sie aber in allen Quantenzahlen überein, sodass sie diese Regel zu verletzen schienen. Die Teilchenphysiker führten, um dies zu umgehen, einfach eine zusätzliche Quantenzahl für Quarks, die so genannte Farbladung ein. Die Farbladung ist die Ladung der starken Wechselwirkung. Man unterscheidet drei Farbladungen meist einfach Farben genannt rot r, grün g, blau b und drei Antifarben, antirot (cyan), antigrün (magenta) und antiblau (gelb). Jedes Quark trägt eine Farbe, jedes Antiquark hat eine Antifarbe. Die Bezeichnung Farbe für diese Eigenschaft ist rein willkürlich und hat nichts mit einem wirklichen Aussehen zu tun. Der Begriff Farbe ist dennoch geschickt gewählt, wie man beim Zusammensetzen der Quarks zu Baryonen und Mesonen erkennt. Mischt man in der Realität eine Farbe mit ihrer Komplementärfarbe (hier Antifarbe genannt), so erhält man weiß. Genauso ist die Kombination der drei verschiedenen Farben und der drei verschiedenen Antifarben auch weiß. In Experimenten hat man die fundamentale Eigenschaft von Quarkzusammensetzungen gefunden, dass alle möglichen Quarkkombinationen (die Hadronen) weiß sind. Diese Eigenschaft erklärt auch, warum es nur die Quark- Kombinationen Meson und Baryon und nicht etwa eine Kombination aus zwei Quarks und einem Antiquark gibt. Soll nämlich die Quark- Kombination nach außen hin weiß sein, so gibt es nur die Möglichkeiten Farbe und Antifarbe, drei Farben oder drei Antifarben zusammenzufügen. Weiters haben z.b. Baryonen aus drei unterschiedlichen Quarks zwar immer die selbe Quarkkonfiguration, können aber in sechs verschiedenen Farbladungszuständen vorkommen (nach außen sind sie aber immer farbneutral bzw. weiß). Des Weiteren haben Messungen gezeigt, dass das Quark-Antiquark- Paar eines Mesons ständig die Farben wechselt. In einem messbaren Zeitraum ist ein Quark gleich oft rot, grün oder blau. Dabei kann aber ein Quark nicht einfach seine Farbe wechseln, sondern es muss sie abgeben und die neue Farbe aufnehmen. Die Aufgabe des Farbladungs- Transports übernehmen die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung, die Gluonen. Die Gluonen tragen selbst Farbladungen. Sie tragen eine Farbe und eine beliebige Antifarbe. Dadurch, dass sie 30