PS G6: Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie Gerald Kühberger Prof. Thomas Sablowski

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Transkript:

1. Kapitel: Die Ware 1. Die zwei Faktoren der Ware: Gebrauchswert und Wert (Wertsubstanz, Wertgröße) Für Karl Marx sind kapitalistische Gesellschaften durch eine ungeheure Warensammlung (S. 49) gekennzeichnet, wobei die einzelne Ware die Elementarform darstellt. Deshalb steht die Analyse der Ware zunächst im Zentrum seiner Untersuchung. (vgl. ebd) Die Ware ist laut Marx ein äußerer Gegenstand (bzw. ein nützliches Ding, eine Sache), der durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt (ebd.), und zwar entweder unmittelbar (zb Lebensmittel) oder mittelbar (zb Produktionsmittel). Dabei lässt sich jede Ware unter doppeltem Gesichtspunkt betrachten nach Qualität (Güte) und Quantität (Menge). Auch kann jede Ware auf unterschiedlichste Weise nützlich sein, wobei dieser Nutzen sowohl räumlich (andere Länder, andere Sitten) als auch zeitlich (technologische Entwicklungen im Lauf der Zeit; Marx bezeichnet dies als geschichtliche Tat ) variieren kann. (vgl. S. 49 f.) Marx führt nun den Begriff des Gebrauchswerts ein, der sich aus der bereits erwähnten Nützlichkeit einer Ware ergibt und sich nur im Konsum verwirklicht. Da die Nützlichkeit stets an den Warenkörper gebunden ist, ist der Warenkörper selbst ein Gebrauchswert bzw. ein Gut. Die Summe aller Gebrauchswerte bildet nach Marx in jeder Gesellschaft egal ob feudal, kapitalistisch oder kommunistisch den stofflichen Inhalt des Reichtums, in der kapitalistischen Gesellschaft allerdings bilden die Gebrauchswerte zugleich auch die stofflichen Träger des Tauschwerts. (vgl. S. 50) Es geht hier also um die Frage, wie viel ein Produkt wert ist, bzw. wie viel man dafür im Tauschhandel bekommt und den Tauschwert bezeichnet Marx als die relevante Größe. Zwei Regeln sind hierbei von Bedeutung: 1. Die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein Gleiches aus und II. Der Tauschwert kann überhaupt nur die Ausdrucksweise, die Erscheinungsform eines von ihm unterscheidbaren Gehalts sein. (S. 51) In der Folge erläutert Marx den zentralen Begriff des Werts, der sich durch das Absehen vom für den Warentausch irrelevanten - Gebrauchswert bzw. von den nützlichen Eigenschaften einer Ware ergibt (Abstraktion vom Gebrauchswert und somit von allen körperlichen Bestandteilen). Dadurch bleibt nur noch eine gemeinschaftliche gesellschaftliche Substanz (S. 52) übrig, welche alle Waren gemeinsam haben und auf die alle Waren reduziert werden können abstrakte menschliche Arbeit. (vgl. ebd.). Nach Marx hat also ein Gebrauchswert oder ein nützlicher Gegenstand [...] nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist (S. 53), wobei sich die Größe dieses Werts aus der Quantität der Arbeit (Arbeitszeit) gemessen an einer gesellschaftlichen Durchschnitts-Produktionszeit ergibt. (vgl. ebd.) Welche Auswirkung hat nun etwa die Entwicklung einer neuen Produktionstechnologie, die die gesellschaftliche Durchschnittsarbeitszeit zur Produktion einer bestimmten Ware verändert, auf den Wert ebendieser Ware? Marx nennt hier als Beispiel die Erfindung des Dampfwebstuhles in England, dessen Einführung die durchschnittliche Arbeitszeit zum Verweben einer bestimmten Menge Garn zu Gewebe um die Hälfte reduzierte. Dadurch fiel der Wert von Gewebe um die Hälfte, obwohl jeder englische Handweber dieselbe Produktionszeit benötigte wie vorher. Es ist also nur [...] die zur Herstellung eines Exzerpt 1

Gebrauchswerts gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche seine Wertgröße bestimmt. (S. 53) Daraus folgt: Je größer die Produktivkraft der Arbeit, desto kleiner die zur Herstellung eines Artikels erheischte Arbeitszeit, desto kleiner die in ihm kristallisierte Arbeitsmasse, desto kleiner sein Wert. (S. 55) In der Folge schreibt Karl Marx, dass kein Ding einen Wert haben kann, wenn es nicht auch Gebrauchsgegenstand ist und einen bestimmten Nutzen hat. (vgl. ebd.) Hier muss ich ihm allerdings widersprechen, schließlich gibt es in der heutigen Zeit ja zahlreiche Dinge ohne Gebrauchswert bzw. Nutzen (zumindest ohne für mich ersichtlichen Nutzen), die trotzdem einen beträchtlichen Wert haben können. Die Substanz des Werts ist Arbeit; Das Größenmaß des Werts ist die Arbeitszeit 2. Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit Nach Marx besitzt nicht nur die Ware an sich Doppelcharakter (Gebrauchswert und Tauschwert), sondern auch die in der Ware enthaltene Arbeit. Zunächst erwähnt er dabei die sog. nützlicher (qualitativ verschiedener) Arbeit, durch die ein Produkt ein Gebrauchswert ist. Daraus schließt er auf die These, dass Arbeitsteilung (als Vorraussetzung für unterschiedliche nützliche Arbeiten) eine notwendige Bedingung der Warenproduktion ist, umgekehrt aber Warenproduktion nicht unbedingt eine notwendige Bedingung der Arbeitsteilung sein muss. Weiters meint er: als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit daher eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit um [...] das menschliche Leben zu vermitteln. (S. 57) Hier bin ich allerdings nicht ganz sicher, wie Marx das meint. Arbeit als Existenzbedingung für die ganze Gesellschaft? stimmt mit Sicherheit; Arbeit als Existenzbedingung für das einzelne Individuum? stimmt meiner Meinung nach nicht. Den Warenkörper oder Gebrauchswert sieht Marx als Verbindung von Naturstoff und Arbeit (Arbeit im Sinne einer Umformung des Naturstoffes). Betrachtet man aber die Ware nicht als Gebrauchsgegenstand sondern als Wert, so erscheinen die aus qualitativ verschiedenen produktiven Tätigkeiten (bei Marx etwa Schneiderei und Weberei) hergestellten Waren (Rock und Leinwand) plötzlich als Dinge von gleicher Substanz, objektive Ausdrücke gleichartiger Arbeit (S. 58) Anders ausgedrückt: Rock und Leinwand als Werte unterscheiden sich nur in der Quantität der zu ihrer Herstellung benötigten einfachen Durchschnittsarbeit, bzw. die einfache Durchschnittsarbeit ist der kleinste gemeinsame Nenner der Warenwerte (siehe Unterabschnitt 1, Wert). Lässt man also bei der Betrachtung der in den Waren dargestellten Arbeit die Unterschiede ihrer nützlichen Formen unbeachtet, so erscheint sie lediglich als Verausgabung einfacher menschlicher Arbeitskraft, was Marx als Doppelcharakter bezeichnet. (vgl. S. 58 f.) Die entscheidende Frage, warum nun Waren unterschiedlich viel wert sind, beantwortet der Autor wie bereits im ersten Unterkapitel erwähnt - mit einem Verweis auf die Arbeitszeit als entscheidende Größe. Ein größeres Quantum Gebrauchswert bildet an und für sich größren stofflichen Reichtum (S. 60), aber: der steigenden Masse des stofflichen Reichtums [kann] ein gleichzeitiger Fall seiner Wertgröße entsprechen (ebd.), und: Dieselbe Arbeit ergibt daher in denselben Zeiträumen stets dieselbe Wertgröße, Exzerpt 2

wie immer die Produktivkraft wechsle. Aber sie liefert in demselben Zeitraum verschiedene Quanta Gebrauchswerte (S. 61), je nachdem, wie sich die Produktivkraft entwickelt. Für mich stellt sich hier die Frage, ob der Wert einer Ware für Marx dasselbe ist wie der Preis dieser Ware. Wenn ja, dann muss ich ihm was die Frage nach der entscheidenden Größe für den Wert einer Ware betrifft - widersprechen, denn zumindest in einer kapitalistischen Marktwirtschaft ist hierfür nicht die Arbeitszeit sondern eben der Markt (als Ort, an dem Angebot und Nachfrage zusammentreffen) entscheidend. Arbeit im Sinne einer Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in einfacher, abstrakter und gleicher Form bildet den Warenwert; Arbeit im Sinne einer Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in konkreter, zweckbestimmter und nützlicher Form bildet den Gebrauchswert. 3. Die Wertform oder der Tauschwert Nach Karl Marx kommen Waren als Gebrauchswerte bzw. Warenkörper zur Welt (= Naturalform), jedoch haben sie nur dann die Form von Waren, wenn sie gleichzeitig auch Wertträger sind und somit eine Doppelform besitzen: Naturalform und Wertform. Er schreibt weiters Die Wertgegenständlichkeit der Waren unterscheidet sich dadurch von der Wittib Hurtig [eine Figur aus Shakespeares Heinrich der Vierte, die von sich selbst behauptet, bei ihr wisse man immer, wo man sie fassen kann; Anm.], daß man nicht weiß, wo sie zu haben ist. (S. 62) Anders ausgedrückt: Die Wertform ist nicht greifbar, nicht stofflich, sondern rein gesellschaftlich und deshalb nur im gesellschaftlichen Verhältnis der Waren erkennbar. (vgl. ebd.) Im Wesentlichen wiederholt Marx hier also bloß seine bereits in den beiden vorangegangenen Unterkapiteln erläuterte These. In der Folge steht allerdings die Entwicklung zu der gemeinsamen Wertform schlechthin der Geldform im Zentrum der Argumentation: A. Einfache, einzelne oder zufällige Wertform 20 Ellen Leinwand = 1 Rock (20 Ellen Leinwand sind 1 Rock wert) Mit diesem Beispiel erläutert Marx die einfache, elementare Wertform, in der seiner Meinung nach das ganze Geheimnis der Wertform steckt: Der Wert der Leinwand ist hier als relativer Wert dargestellt (Relative Wertform - aktive Rolle), jener des Rocks als Äquivalent (Äquivalentform passive Rolle). Beide Formen bedingen sich wechselseitig, gleichzeitig sind sie aber einander ausschließende Extreme (Pole) desselben Wertausdrucks. Marx zeigt damit, dass sich der Wert einer Ware nicht in derselben Ware sondern nur relativ, also in Relation zu einer anderen Ware ausdrücken lässt. Welche Ware sich nun in relativer Wertform und welche in Äquivalentform befindet, hängt ausschließlich von der Stellung im Wertausdruck (in der Gleichung) ab. (vgl. S. 63 f.) Da dies ja alles ziemlich logisch und klar anmutet, stellt sich die Frage, was die Marxsche Argumentation hier so besonders macht. Meiner Meinung nach ist es sein Hinweis, dass nicht die quantitative Seite für dieses Wertverhältnis ausschlaggebend ist (das wäre meine Vermutung gewesen), sondern dass die Größen verschiedner Dinge erst quantitativ vergleichbar werden nach ihrer Reduktion auf dieselbe Einheit (S. 64). Hier kommt also einmal mehr die abstrakt menschliche Arbeit ( menschliche Arbeit überhaupt ) ins Spiel. Im angesprochenen Beispiel stellt Exzerpt 3

der Rock das Äquivalent der Leinwand dar, d.h. der Wert von Leinwand wird im Warenkörper Rock (als Rockgleiches ) ausgedrückt, womit die Ware Leinwand eine von ihrer Naturalform verschiedene Wertform erhält. (vgl. S. 66 f.) Das Verständnis dieser elementaren Wertform ist Vorraussetzung für die nun folgende Frage: Welchen Einfluss hat eine Veränderung der Produktivität auf den relativen Wertausdruck? Anhand des Beispiels 20 Ellen Leinwand = 1 Rock skizziert Marx hierfür vier Möglichkeiten: 1. Der Wert von Leinwand ändert sich, der Wert des Rocks bleibt konstant. Dadurch ändert sich auch der relative Wert von Leinwand in direkter Weise. 2. Der Wert von Leinwand bleibt konstant, der Wert des Rocks ändert sich. Dadurch ändert sich der relative Wert von Leinwand im umgekehrten Verhältnis zur Wertänderung des Rocks. 3. Die zur Herstellung von Leinwand und Rock notwendige Arbeitszeit ändert sich gleichzeitig, im gleichen Ausmaß und in die gleiche Richtung. Dadurch ändern sich zwar auch die Werte der beiden Waren, allerdings nicht das Wertverhältnis von Leinwand und Rock zueinander. Der Wertwechsel wird erst ersichtlich, wenn beide Waren mit einer dritten Ware verglichen werden, deren Wert konstant blieb. 4. Die zur Herstellung von Leinwand und Rock notwendige Arbeitszeit ändert sich gleichzeitig in die (vgl. S. 68 f.) gleiche Richtung aber in ungleicher Proportion, oder in entgegengesetzter Richtung, oder in irgendeiner anderen Weise. Der Wertwechsel bzw. der Einfluss auf den relativen Wert einer Ware ergibt sich nach Marx nun durch Anwendung der drei erstgenannten Möglichkeiten. Mit der Erläuterung dieser Inkongruenz zwischen der Wertgröße und ihrem relativen Ausdruck (S. 69) macht Marx auf ein zentrales Problem der Tauschwirtschaft aufmerksam: Nicht (nur) die Produktionskosten einer Ware regulieren ihren Wert, sondern (auch) die Relation zum Wert anderer Waren. In der Folge widmet sich der Autor der Äquivalentform und konstatiert drei Eigentümlichkeiten: 1. Gebrauchswert wird zur Erscheinungsform seines Gegenteils, des Werts. (S. 70) 2. konkrete Arbeit [wird] zur Erscheinungsform ihres Gegenteils, abstrakt menschlicher Arbeit. (S. 73) 3. Privatarbeit wird zur Form ihres Gegenteils, zu Arbeit in unmittelbar gesellschaftlicher Form. (ebd.) Auch hier gibt es also wieder den bei Marx zentralen Verweis auf den Doppelcharakter von Ware und Arbeit. Auf S. 74 folgt in Anlehnung an Aristoteles eine These, die ich zwar für falsch, aber auch für besonders interessant halte: Die allgemeine Anerkennung der Gleichheit aller Menschen ist die Voraussetzung für die Entzifferung des Geheimnisses des Wertausdrucks - die Gleichheit aller menschlichen Arbeiten. Marx meint, Aristoteles konnte nur deshalb diese Wahrheit nicht herausfinden, weil im antiken Griechenland die Sklaverei vorherrschte. Für mich stellt sich dann aber die Frage, wie Marx zu dieser Wahrheit gelangen Exzerpt 4

konnte, wenn es doch im Europa des 19. Jahrhunderts ebenfalls unterschiedliche Klassen von Menschen gab, die keineswegs gleich waren bzw. als gleich galten (zb Adel, Bürgertum und Proletariat). B. Totale oder entfaltete Wertform 20 Ellen Leinwand = 1 Rock oder = 40 Pfd. Kaffee oder = 2 Unzen Gold oder = etc. Die totale Wertform unterscheidet sich von der einfachen dadurch, dass der Wert einer Ware (bei Marx etwa Leinwand) nun nicht mehr in nur einer, sondern in zahllosen anderen Waren ausgedrückt ist, somit also in gesellschaftlichem Verhältnis zur gesamten Warenwelt steht. (vgl. S. 77 f.) Daraus schließt Marx, dass nicht der Austausch die Wertgröße der Ware, sondern umgekehrt die Wertgröße der Ware ihre Austauschverhältnisse reguliert (S. 78). Entscheidend für die totale Wertform ist, dass immer nur eine Ware diese Wertform besitzen kann, während alle anderen Waren als Äquivalente dienen. (vgl. S. 82) C. Allgemeine Wertform oder allgemein-gesellschaftliche relative Wertform 1 Rock = 40 Pfd. Kaffe = 20 Ellen Leinwand 2 Unzen Gold = Diese Wertform kennzeichnet sich nach Marx dadurch, dass alle ihr angehörigen Waren von der allgemeinen Äquivalentform ausgeschlossen sind (S. 82) mit einer einzigen Ausnahme (in diesem Fall Leinwand). Somit ist hier die Leinwand als einzige Ware unmittelbar austauschbar mit allen anderen Waren der Warenwelt, ihr kommt die Rolle der allgemeinen Äquivalentform zu, bzw. ist sie der gesellschaftliche Ausdruck der Warenwelt (S. 81). D. Geldform 20 Ellen Leinwand = 40 Pfd. Kaffe = 2 Unzen Gold 2 Unzen Gold = Die allgemeine Äquivalentform kann nach Marx prinzipiell jeder Ware zukommen, sobald es allerdings eine Ware schafft, sich das gesellschaftliche Monopol als allgemein anerkanntes Äquivalent aller anderen Waren zu sichern, wird diese besondere Ware zur Geldware. Marx erwähnt hier das Gold als jene Ware, die sich im Lauf der Zeit als allgemeine Äquivalentform etablieren konnte und somit in der Gesellschaft die Rolle des Geldes einnimmt. (vgl. S. 83 ff.) Am Beispiel 20 Ellen Leinwand = 2 Unzen Gold bzw. 20 Ellen Leinwand = 2 Pfund Sterling zeigt Marx nun den letzten Schritt auf, den Schritt zur Preisform: Diese ist der einfache relative Wertausdruck einer Ware (Leinwand) in der Geldware (Gold). (vgl. S. 84 f.) Die einfache Warenform ist Keim der Geldform Exzerpt 5

1. Kapitel: Die Ware 4. Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis Im vierten Unterkapitel geht Karl Marx nochmals auf die beiden Faktoren der Ware Gebrauchswert und Tauschwert ein, wobei er nun den mystischen Charakter der Ware näher beleuchten möchte. Zentral ist dabei die Frage, woher der rätselhafte Charakter der Dinge entspringt, sobald sie Warenform annehmen. Betrachtet man etwa ein Ding lediglich als Gebrauchswert, so erscheint dieses nach Marx nicht als etwas Mysteriöses. Die Warenform ist somit die entscheidende Vorraussetzung, damit sich ein sinnliches Ding in ein sinnlich übersinnliches Ding verwandeln kann, und erst der Tauschwert, also das gesellschaftliche Dasein der Ware, begründet das Mysteriöse bzw. Rätselhafte der Warenform (vgl. S. 85 f.) Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen. (S. 86) In der Folge weißt Marx darauf hin, dass das Wertverhältnis der Waren bzw. die sich in diesem Verhältnis darstellende Warenform nichts mit ihrer physischen Natur zu tun hat, sondern ihren Ursprung rein in der Gesellschaft hat. In diesem Kontext und in Anlehnung an die religiöse Welt (in der die Produkte des menschlichen Kopfes den Menschen ebenfalls als etwas Selbstständiges, Fremdes gegenübertreten) führt Marx nun als ironische Anspielung an das kapitalistische Glaubenssystem den Begriff des Fetischismus ein, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist (S. 87). Anschließend erinnert Marx an seine bereits mehrfach erwähnte These, wonach Dinge nur deshalb zu Waren werden können, weil sie von einzelnen privaten Produzenten unabhängig voneinander erzeugt werden. Die Gesamtheit all dieser Privaterzeugnisse bildet schließlich die gesellschaftliche Gesamtarbeit. Dieser gesellschaftliche Charakter der Privatarbeiten kann allerdings nach Marx erst im Austausch sichtbar werden, da die Produkte erst dort eine von ihrer sinnlichen Gebrauchsgegenständlichkeit getrennte, gesellschaftlich gleiche Wertgegenständlichkeit (ebd.) erhalten. Sobald nun der Austausch so wichtig geworden ist, dass Waren nur noch dafür produziert werden (Dinge also bereits bei ihrer Produktion Wertcharakter haben), kommt es zur praktischen Spaltung des Produkts in nützliches Ding und Wertding. Damit erfüllen die Waren einen doppelten Zweck: die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse (als bestimmte nützliche Arbeiten bzw. als Glieder der Gesamtarbeit) und die Befriedigung der Bedürfnisse ihres eigenen Produzenten, der sich nun im Rahmen des Tauschhandels austoben kann (Vorraussetzung dafür ist allerdings die Gleichheit verschiedener Arbeiten). (vgl. ebd.) Indem die Menschen ihre unterschiedlichen Produkte im Austausch einander als Werte gleichsetzen, setzen sie ohne es zu wissen ihre unterschiedlichen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Das besondere an der Warenproduktion, daß nämlich der spezifisch gesellschaftliche Charakter der voneinander unabhängigen Privatarbeiten in ihrer Gleichheit als menschliche Arbeit besteht und die Form des Wertcharakters der Arbeitsprodukte annimmt, erscheint [...] den in den Verhältnissen der Exzerpt 6

Warenproduktion Befangenen [...] endgültig (S. 88). Weiters kritisiert Marx den sich aus einer gewissen Tradition bzw. Festigkeit dieser Verhältnisse herauszubildenden Schein, ebendiese Verhältnisse würden aus der Natur der Arbeitsprodukte entspringen. Ihre eigne gesellschaftliche Bewegung besitzt für sie die Form einer Bewegung von Sachen, unter deren Kontrolle sie stehen, anstatt sie zu kontrollieren. (S. 89) Der fertigen Wertform der Warenwelt schließlich der Geldform wirft Karl Marx vor, die gesellschaftlichen Verhältnisse der Privatarbeiter sachlich zu verschleiern, anstatt sie zu offenbaren. (vgl. S. 89 f.) Sehr interessant finde ich die folgende kritische Aussage auf S. 89 f.: Die Formen, welche Arbeitsprodukte zu Waren stempeln und daher der Warenzirkulation vorausgesetzt sind, besitzen bereits die Festigkeit von Naturformen des gesellschaftlichen Lebens. Diese problematische Haltung, bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen ab einem bestimmten Zeitpunkt als gegeben, unhinterfragbar und unwandelbar zusehen bzw. darzustellen, könnte man in der heutigen Zeit problemlos auf die Globalisierung umlegen. Diese wird von den politischen Eliten ebenso wie die (neoliberale) Marktwirtschaft (zumindest bis zum Ausbruch der aktuellen Finanzkrise) als nichtaufhaltbarer, lediglich gestaltbarer Entwicklungsschritt der Menschheitsgeschichte gesehen, zu dem es keine Alternative gibt, und auch in den Medien so dargestellt. Sobald diese Entwicklung dann ihren Abschluss findet, wird das Ergebnis als natürliche und einzig mögliche Gesellschaftsform dargestellt, was Marx schon vor mehr als einem Jahrhundert als Anachronismus entlarvt. In der Folge beschreibt er verschiedene Gesellschaftsformen, in denen der Charakter der Arbeit noch nicht so rätselhaft ist wie im modernen Kapitalismus: Robinson auf der Insel: Der Seefahrer Robinson strandet allein auf einer einsamen Insel, wo er beginnt, sich Aufzeichnungen darüber zu machen, wie viel Zeit er benötigt, um bestimmte Gebrauchsgegenstände herzustellen. Die benötigte Arbeitszeit und der daraus generierte Nutzen machen für ihn den Wert der Gegenstände aus. Bei diesem Beispiel verbirgt das Produkt keine gesellschaftlichen Verhältnisse, gleichzeitig sind aber alle wesentlichen Wertbestimmungen enthalten. (vgl. S. 90 f.) Das europäische Mittelalter: In der mittelalterlichen Naturalwirtschaft ist aufgrund der Abhängigkeit aller Menschen die Naturalform der Arbeit ihre unmittelbare gesellschaftliche Form (während im Kapitalismus abstrakte Arbeit die gesellschaftliche Form ist). Die gesellschaftlichen Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten erscheinen jedenfalls als ihre eignen persönlichen Verhältnisse und sind nicht verkleidet in gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen, der Arbeitsprodukte. (S. 91 f.) Die ländlich-patriarchalische Industrie einer Bauernfamilie: Die Bauernfamilie produziert zwar verschiedene Produkte, allerdings setzt sie diese nicht zueinander als Waren ins Verhältnis, da alles für den Eigenbedarf bestimmt ist. Die hier (durch die Zeitdauer) gemessene Verausgabung individueller Arbeitskraft erscheint aber als gesellschaftliche Bestimmung der Arbeiten selbst, weil die individuellen Arbeitskräfte von Haus aus nur als Organe der gemeinsamen Arbeitskraft der Familie wirken. (S. 92) Der Verein freier Menschen: Hier verausgaben die Menschen ihre vielen individuellen Arbeitskräfte als eine gesellschaftliche Arbeitskraft, weshalb die selben Bestimmungen wie beim Robinson-Beispiel zutreffen, allerdings auf einer rein gesellschaftlichen, nicht auf einer individuellen Ebene. Als Exzerpt 7

Gesamtprodukt des Vereins ergibt sich somit ein gesellschaftliches Produkt, die Beziehungen der freien Menschen zu ihren Arbeitsprodukten bleiben aber sowohl in der Produktion als auch in der Verteilung durchsichtig einfach und frei von Mystik. (vgl. S. 92 f.) Für die Analyse einer Gesellschaft von Warenproduzenten schließlich verweist Marx auf den meiner Meinung nach äußerst interessanten und zutreffenden Zusammenhang von Warenproduktionsform und Religion. So sei etwa das Christentum mit seinem Kultus des abstrakten Menschen die adäquate Religionsform der kapitalistischen Gesellschaft. (vgl. S. 93) In Fußnote 33 auf S. 96 kommt er im Rahmen seiner Kritik an den politischen Ökonomen noch einmal auf diesen Zusammenhang zu sprechen, indem er ihnen vorwirft, alle vorbürgerlichen Formen der gesellschaftlichen Produktion so zu behandeln, wie die Kirchenväter vorchristliche Religionen: Die Ökonomen verfahren auf eine sonderbare Art. Es gibt für sie nur zwei Arten von Institutionen, künstliche [Feudalismus] und natürliche [Bourgeoisie]. Sie gleichen darin den Theologen, die auch zwei Arten von Religionen unterscheiden. Jede Religion, die nicht die ihre ist, ist eine Erfindung der Menschen, während ihre eigene Religion eine Offenbarung Gottes ist. Generell ist Marx auf die politische Ökonomie seiner Zeit nicht gut zu sprechen, was er etwa anhand der Frage erläutert, was denn nun den Wert einer Ware ausmacht, wenn dieser doch nur aus abstrakter menschlicher Arbeit besteht. Die klassische politische Ökonomie in der Tradition von Adam Smith und David Ricardo beantwortete diese Frage damit, dass der Wert einer Ware gleichzusetzen ist mit der Summe der zu seiner Herstellung benötigten Arbeit. Damit hätten sie nach Marx zwar den versteckten Inhalt von Wert und Wertgröße entdeckt, aber sich nie die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt. Vielmehr würden Smith und Ricardo die Wertform als etwas ganz Gleichgültiges oder der Natur der Ware selbst Äußerliches (S. 95, Fußzeile 32) behandeln. Für mich stellt sich hier allerdings die Frage, inwieweit das Marx sche Konzept das Geheimnis der Ware zu lösen vermag, vor allem, da ich die bei ihm zentrale Bedeutung von Arbeit bzw. Arbeitszeit nicht ganz nachvollziehen kann und meiner Meinung nach eher der Markt als Ort, an dem Angebot und Nachfrage zusammentreffen - die entscheidende Determinante für den Wert einer Ware ist. Mit dem Begriff Warenfetischismus kritisiert Marx die zunehmende Herrschaft der Waren über das gesellschaftliche Leben, also die scheinbare Verselbstständigung der zum Subjekt gewordenen Ware gegenüber dem Produzenten, der damit zum Objekt degradiert wird. Exzerpt 8

II. Kapitel: Der Austauschprozess Stand im ersten Kapitel noch die Ware in Form von Gebrauchs- und Tauschwert im Vordergrund, widmet sich Karl Marx in Kapitel zwei dem Austauschprozess, wodurch nun auch die Besitzer der Waren stärker in den Blick geraten. Den Akt des Tausches bezeichnet Marx als gemeinsamen Willensakt, für den die gegenseitige Anerkennung der Warenbesitzer (der Repräsentanten von Waren) als Privateigentümer notwendig ist. Ein Warenbesitzer trägt seine Waren nur deshalb zum Markt, weil diese für ihn keinen unmittelbaren Gebrauchswert haben (bzw. nur den Gebrauchswert, Träger von Tauschwert zu sein) dafür aber für andere. Alle Waren sind Nicht-Gebrauchswerte für ihre Besitzer, Gebrauchswerte für ihre Nicht-Besitzer [...] Die Waren müssen sich daher als Werte realisieren, bevor sie sich als Gebrauchswerte realisieren können. (S. 100) Im Austauschprozess konstatiert Marx einen Widerspruch, da seiner Meinung nach jeder Austausch für jeden Warenbesitzer ein individueller, gleichzeitig aber auch ein allgemein-gesellschaftlicher Prozess ist. Daraus schließt er, dass sich die Waren im Austausch gar nicht als Waren, sondern nur als Produkte oder Gebrauchswerte gegenüberstehen, weil keine Ware das allgemeine Äquivalent und keine Ware die allgemeine relative Wertform sein/haben kann. Damit Warentausch trotzdem stattfinden kann, muss eine bestimmte Ware ausgeschlossen werden und die Rolle des allgemeinen Äquivalents für alle anderen Waren übernehmen die Naturalform dieser Ware wird dadurch zur gesellschaftlich gültigen Äquivalentform, also zu Geld. (vgl. S. 101) In der Folge erläutert Marx, warum es in einer naturwüchsigen Gemeinschaft (zb patriarchalische Familie) keinen Warentausch geben kann. Dies liege daran, dass für den Tauschprozess ja die wechselseitige Anerkennung der Warenbesitzer als von einander unabhängige Privateigentümer notwendig sei, ein derartiges Verhältnis wechselseitiger Fremdheit aber erst dort beginnen kann, wo die naturwüchsigen Gemeinwesen enden. Sobald aber diese Gemeinwesen in Kontakt mit (Gliedern von) fremden Gemeinwesen kommen, kann der Warenaustausch beginnen, und die Dinge werden ab diesem Zeitpunkt auch rückwirkend im inneren Gemeinleben zu Waren. Im Laufe der Zeit wird dieser Austauschprozess ständig wiederholt und dadurch zu einem regelmäßigen gesellschaftlichen Prozess, der zur Folge hat, dass die Arbeitsprodukte irgendwann wenigstens zum Teil primär für diesen Austausch produziert werden. Somit kommt es zur bereits im ersten Kapitel erläuterten Trennung eines Produktes in Gebrauchswert (= Nützlichkeit der Dinge für den unmittelbaren Bedarf ) und Tauschwert (= Nützlichkeit zum Austausch). (vgl. S. 102 f.) Mit der Entwicklung des Warenaustausches einher geht die Etablierung der allgemeinen Äquivalentform (Geldform), für die, wie bereits eingangs erwähnt, eine bestimmte Ware ausgeschlossen werden muss. Welche Ware kommt nun aus welchen Gründen für die Geldform infrage? Laut Marx sind hier zunächst zwei Umstände entscheidend: entweder werden die wichtigsten Eintauschartikel aus der Fremde zur Geldform, oder jener Gebrauchsgegenstand, der das Hauptelement des einheimischen veräußerlichen Besitztums bildet (zb Vieh, oder auch Menschen selbst in Gestalt von Sklaven). Sobald allerdings der Warenaustausch und somit auch der Warenwert eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft spielt, geht die Exzerpt 9

Geldform nach Marx auf Waren über, die von Natur aus gut für die gesellschaftliche Funktion des allgemeinen Äquivalents geeignet sind: Edelmetalle, etwa Gold oder Silber. (vgl. S. 103 f.) Hier stellt sich natürlich die Frage, warum sich gerade Gold und Silber von Natur aus als Geldform eignen. Marx erklärt dies damit, dass sämtliche Exemplare eines Edelmetalls von Natur aus dieselbe gleichförmige Qualität haben und weiters auch willkürlich teilbar bzw. wieder zusammensetzbar sind zwei entscheidende Kriterien für eine Geldware. Wird nun etwa Gold zur Geldware, so verdoppelt sich ihr Gebrauchswert und Gold erhält neben ihrem besonderen Gebrauchswert als Ware aufgrund ihrer gesellschaftlichen Funktion einen formalen Gebrauchswert. Der Austauschprozeß gibt der Ware, die er in Geld verwandelt, nicht ihren Wert, sondern ihre spezifische Wertform ( Gold und Silber haben Wert als Metalle, bevor sie Geld sind ). (S. 105) Das Problem der Geldware liegt nun darin, ihre eigene Wertgröße nur relativ in anderen Waren ausdrücken zu können. Laut Marx findet die Festsetzung dieser relativen Wertgröße an der Produktionsquelle (etwa von Gold) in unmittelbarem Tauschhandel statt, wodurch das Geld in die Zirkulation eintritt. Die Schwierigkeit liegt nicht darin zu begreifen, daß Geld Ware, sondern wie, warum, wodurch Ware Geld ist. (S. 107) Am Ende des zweiten Kapitels widmet sich Karl Marx kritisch der Magie des Geldes, worunter er den falschen Schein versteht, dass alle Waren ihre Werte in der Geldware darzustellen scheinen, weil diese eben Geld ist (obwohl in Wahrheit eine Ware erst zu Geld wird, weil alle anderen Waren ihre Werte in ihr darstellen). Das Rätsel des Geldfetischs ist daher nur das sichtbar gewordene, die Augen blendende Rätsel des Warenfetischs. (S. 108) Durch den Austauschprozess ändert sich das Motiv der Produktion: Waren werden nicht mehr primär aufgrund ihres Gebrauchswerts sondern aufgrund ihres Tauschwerts produziert. III. Kapitel: Das Geld oder die Warenzirkulation 1. Maß der Werte Zu Beginn des dritten Kapitels erklärt Marx das Gold der Einfachheit halber als die Geldware schlechthin und definiert als ihre erste Funktion, der Warenwelt das Material ihres Wertausdrucks zu liefern, also als allgemeines Maß der Werte zu fungieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass nicht das Geld (Gold) die Waren vergleichbar macht, sondern umgekehrt die Waren weil sie Werte vergegenständlichter menschlicher Arbeit sind ihre Werte gemeinschaftlich in einer bestimmten Ware messen können und diese bestimmte Ware dadurch zur Geldware machen (Geld repräsentiert somit indirekt menschliche Arbeitszeit). (vgl. S. 109) Marx führt nun den Preis-Begriff ein, den er synonym zum Geldform-Begriff als Wertausdruck einer Ware in Gold (x Ware A = y Geldware) definiert. Sobald eine Ware (Gold) den Charakter von Geld besitzt, hat also die allgemeine relative Wertform der Waren wieder die ursprüngliche Gestalt der einfachen relativen Wertform (1 Tonne Eisen = 2 Unzen Gold). Da sich allerdings Geld nicht auf sich selbst als Äquivalent beziehen kann, folgt: Geld hat keinen Preis. Marx schließt daraus, dass Geld in seiner Exzerpt 10

Funktion als Wertmaß nur als vorgestelltes, ideelles Geld dient. Da der Ausdruck der Warenwerte in Gold ideell ist, ist zu dieser Operation auch nur vorgestelltes oder ideelles Gold anwendbar. (S. 110 f.) Doch was passiert, wenn mehrere Waren (zb Gold und Silber) gleichzeitig als Wertmaße fungieren? Nach Marx besitzen in diesem Fall alle Waren zwei verschiedene Preisausdrücke (Gold- und Silberpreise), die in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Verhältnis (zb 1:15) nebeneinander laufen, solange das Wertverhältnis der beiden Geldwaren unverändert bleibt. Sobald sich aber dieses Wertverhältnis ändert, kommt es zu verschiedensten Störungen, bedingt durch die Kollision zwischen der gesetzlichen Festsetzung des Wertverhältnisses und den realen Wertverhältnissen der beiden Geldwaren. Deshalb, so Marx, setzt sich im Lauf der Zeit in jedem Land, in dem gesetzlich zwei Waren die Funktion des Geldes innehaben, früher oder später eine der beiden durch. (vgl. S. 111 f.) Interessant ist weiters, dass bei aller metallischen Zirkulation [...] die vorgefundenen Namen des Gewichtsmaßstabs auch die ursprünglichen Namen des Geldmaßstabs oder Maßstabs der Preise (S. 112) bilden (zb das Pfund als Gewichtsmaß und Geldmaß von Gold). " Als Maß der Werte und als Maßstab der Preise verrichtet das Geld zwei ganz verschiedne Funktionen. Maß der Werte ist es als die gesellschaftliche Inkarnation der menschlichen Arbeit, Maßstab der Preise als ein festgesetztes Metallgewicht. Als Wertmaß dient es dazu, die Werte der bunt verschiednen Waren in Preise zu verwandeln, in vorgestellte Goldquanta; als Maßstab der Preise mißt es diese Goldquanta. Am Maß der Werte messen sich die Waren als Werte, der Maßstab der Preise mißt dagegen Goldquanta an einem Goldquantum, nicht den Wert eines Goldquantums am Gewicht des andren. " (S. 113) Nach Marx muss deshalb ein bestimmtes Goldgewicht als Maßeinheit für den Maßstab der Preise fixiert werden, wobei dieser Preismaßstab seine Funktion um so besser erfüllt, je fixer ein Quantum Gold als Maßeinheit dient. Der Goldwert kann sich natürlich verändern, dies hat allerdings keine Auswirkungen auf dessen Funktion als Maßstab der Preise, da verschiedene Goldquanta zueinander stets im selben Wertverhältnis bleiben. Auch die Funktion des Goldes als Wertmaß ist durch einen Wertwechsel von Gold nicht bedroht, da ja die wechselseitigen relativen Werte aller anderen Waren unverändert blieben. Würde etwa der Wert von Gold (Geldwert) fallen, so würden die Warenpreise (trotz gleichbleibender Warenwerte) allgemein steigen. Folglich könnten die Warenpreise bei gleichbleibendem Geldwert nur allgemein steigen, wenn die Warenwerte allgemein steigen würden. (vgl. S. 114) Es folgt daher keineswegs, daß steigender Geldwert proportionelles Sinken der Warenpreise und fallender Geldwert proportionelles Steigen der Warenpreise bedingt. Dieses gilt nur für Waren von unverändertem Wert. (ebd.) In der Folge nennt Marx drei Gründe, weshalb sich die Geldnamen der Metallgewichte im Lauf der Zeit von ihren ursprünglichen Gewichtnamen trennen (Marx nennt dies eine Volksgewohnheit ): 1. Die Einführung von fremdem Geld bei minder entwickelten Völkern, wobei sich die Namen dieses fremden Geldes von den einheimischen Gewichtnamen unterscheiden. 2. Wird eine Gesellschaft reicher, so kommt irgendwann zwangsläufig zu einem Verdrängungsprozess: ein weniger edles Metall wird durch ein edleres aus der Funktion des Wertmaßes verdrängt. (Marx erläutert allerdings nicht die Gründe für diesen quasi naturwüchsigen Prozess) 3. Exzessive Geldfälschung (der Fürsten), welche die Qualität der Geldmünzen beeinträchtigt Exzerpt 11

(vgl. S. 114 f.) Den Preis definiert Marx auf S. 116 als Geldname der in der Ware vergegenständlichten Arbeit, wobei seiner Meinung nach in den Geldnamen (zb Pfund, Taler, Franc) jede Spur des Wertverhältnisses verschwindet. Er verweist an dieser Stelle auch auf Le Trosne, der einst kritisch bemerkte, dass eine Million in Geld mehr wert ist als ein gleicher Wert in Waren bzw. dass ein Wert mehr wert ist als ein gleicher anderer. (Le Trosne, 1.c.p.919, zit. nach Marx, S. 116) In der Folge erläutert er die Möglichkeit einer quantitativen Inkongruenz zwischen Preis und Wertgröße, also einer Abweichung des Preises von der Wertgröße, was durch die Preisform selbst ermöglicht wird. Diese Möglichkeit mache die Preisform allerdings erst zu einer adäquaten Form für die durch Regellosigkeit gekennzeichnete kapitalistische Produktionsweise. Die Preisform lässt aber nicht nur diese quantitative Inkongruenz zu, sondern kann auch einen qualitativen Widerspruch beherbergen, so daß der Preis überhaupt aufhört, Wertausdruck zu sein, obgleich Geld nur die Wertform der Waren ist. (S. 117) Ein Ding kann somit also einen Preis haben, ohne einen Wert zu haben. Im ersten Kapitel schrieb Marx noch, dass kein Ding einen Wert haben könne, wenn es nicht auch Gebrauchsgegenstand sei und einen bestimmten Nutzen habe dies relativiert er nun, falls ich ihn richtig verstanden habe. Marx spricht hier von einem imaginären Preisausdruck, der unter Umständen ein wirkliches Wertverhältnis verbergen kann, etwa bei unkultiviertem Boden (der ja laut Marx keinen Wert haben kann, weil keine menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht ist). Um also praktisch die Wirkung eines Tauschwerts auszuüben, muß die Ware ihren natürlichen Leib abstreifen [und] sich aus nur vorgestelltem Gold in wirkliches Gold verwandeln (ebd.), denn neben ihrer reellen Gestalt, Eisen z.b., kann die Ware im Preise ideelle Wertgestalt oder vorgestellte Goldgestalt besitzen, aber sie kann nicht zugleich wirklich Eisen und wirklich Gold sein. Für ihre Preisgebung genügt es, vorgestelltes Gold ihr gleichzusetzen. (S. 118) 2. Zirkulationsmittel A. Die Metamorphose der Waren In der kapitalistischen Gesellschaft kann sich eine Ware nach Marx lediglich in einer von zwei möglichen Sphären befinden: entweder im Warenaustausch (später: Zirkulation) oder in der Konsumtion. In der Sphäre des Warenaustauschs (vgl. Kapitel 2) sind die Waren für die Warenbesitzer (Verkäufer) Nicht- Gebrauchswerte, für die Nicht-Besitzer (Käufer) sind sie Gebrauchswerte. Sobald nun ein Nicht-Besitzer eine Ware kauft, wird er zum Besitzer dieser Ware. Für ihn ist die Ware noch immer Gebrauchswert, allerdings befindet sie sich nun in der Sphäre der Konsumtion, die Marx (wie er selbst schreibt) nicht interessiert. (vgl. S. 119) Der Austauschprozess (als gesellschaftlicher Stoffwechsel ) allerdings produziert laut Marx eine Verdoppelung der Ware in Ware und Geld, einen äußeren Gegensatz, worin sie ihren inneren Gegensatz (Gebrauchswert und Wert) darstellt. Die Ware ist reell Gebrauchswert, ihr Wertsein erscheint nur ideell im Preis, der sie auf das gegenüberstehende Gold als ihre reelle Wertgestalt bezieht. (ebd.) Der Gebrauchswert von Gold (als Geldware) wiederum erscheint nur noch ideell in der Reihe der relativen Exzerpt 12

Wertausdrücke, worin es sich auf die gegenüberstehenden Waren als den Umkreis seiner reellen Gebrauchsgestalten bezieht. (ebd.) Was meint nun Marx mit der Metamorphose der Waren? Dies erläutert er anhand des Beispiels eines Leinwandverkäufers, der sich mit seinem Verkaufserlös eine Bibel kauft. Dieses Beispiel zeigt, dass sich der Austausch der Ware in zwei entgegengesetzten, einander aber auch ergänzenden Metamorphosen vollzieht: zunächst verwandelt sich die Ware (Leinwand) in Geld (Gold), anschließend kommt es zu einer Rückverwandlung dieses Geldes in eine andere Ware (Bibel). Der Austauschprozess hat also die Form: Ware - Geld - Ware bzw. W - G - W (verkaufen, um zu kaufen). (vgl. S. 120) In der Folge widmet sich Marx den Kennzeichen bzw. Besonderheiten der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Dieser naturwüchsige Produktionsorganismus, dessen Fäden hinter dem Rücken der Warenproduzenten gewebt wurden und sich fortweben (S. 121) mache die Arbeit jedes Warenbesitzers (bzw. Warenproduzenten) einseitig, die Bedürfnisse hingegen vielseitig. Außerdem könne es einem Produzenten passieren, dass sein Produkt (zb Leinwand) etwa durch ein Überangebot (zu viele Leinwandproduzenten) auf dem Markt keine Käufer mehr findet und damit überflüssig und nutzlos wird ( mitgefangen, mitgehangen ). Die einzelnen Warenbesitzer in einer arbeitsteiligen Gesellschaft bemerken deshalb schnell, dass ihre scheinbare Unabhängigkeit (als unabhängige Privatproduzenten) in Wahrheit durch ein System der totalen Abhängigkeit relativiert wird. (vgl. S. 121 f.) Betrachtet man die Form des Austausches (W - G - W) näher, wird klar, dass diese Form aus zwei Phasen besteht, die jeweils von zwei Perspektiven betrachtet werden können. Die erste Phase (W - G) ist aus Sicht des Warenbesitzers ein Verkauf (er bekommt Geld für seine Ware), aus Sicht des Geldbesitzers ein Kauf (er bekommt Ware für sein Geld). In der zweiten Phase (G - W) schlüpft der einstige Warenbesitzer in die Rolle des Geldbesitzers und eine dritte Person tritt nun als Warenbesitzer auf. Somit ist jeder Kauf zugleich Verkauf, jeder Verkauf zugleich Kauf, also W - G ist gleich G - W. Da aber die Ware in ihrer Geldwerdung verschwindet, sieht man dem Geld nicht an, wie es in die Hände seines Besitzers gelangt oder was in es verwandelt ist. (S. 124) Wie bereits erwähnt hat jedoch jeder Warenproduzent vielseitige Bedürfnisse, weshalb sie logischerweise aus dem Verkaufserlös ihrer Waren mehr als bloß eine andere Ware kaufen möchten. Daher mündet ein Verkauf in der Regel in viele verschiedene Käufe und die zweite Metamorphose einer Ware bildet eine Summe von ersten Metamorphosen anderer Waren. Jeder Waren-Kreislauf ist somit mit den Warenkreisläufen anderer Waren verwoben, den Gesamtprozess dieser Kreisläufe bezeichnet Marx als die Warenzirkulation, die vom unmittelbaren Produktenaustausch unterschieden werden muss. Als Zirkulationsmittel identifiziert Marx wenig überraschend das Geld. Der Ersatz von Ware durch Ware lässt zugleich an dritter Hand die Geldware hängen. Die Zirkulation schwitzt beständig Geld aus. (S. 127) Daraus folgt weiters, dass jede Ware, die nicht verkauft oder gekauft wird, de facto nutzlos wird. Exzerpt 13

B. Der Umlauf des Geldes Die dem Geld durch die Warenzirkulation unmittelbar erteilte Bewegungsform ist daher seine beständige Entfernung vom Ausgangspunkt, sein Lauf aus der Hand eines Warenbesitzers in die eines andren, oder sein Umlauf. (S. 129) Auf S. 130 kritisiert Marx einmal mehr die Mystifizierung des Geldes, die seiner Meinung nach dazu führe, die Warenzirkulation als Resultat der Geldbewegung zu sehen, obwohl diese in Wahrheit nur Ausdruck der Warenzirkulation sei. Weiters führt er nun den Begriff der Geldumlaufgeschwindigkeit ein, den er mithilfe eines einfachen Beispiels erklärt: man nehme vier verschiedene Waren (Weizen, Leinwand, Bibel, Branntwein) mit einem Preis von jeweils 2 Pfund Sterling. Daraus ergibt sich eine zu realisierende Preissumme von 8 Pfd.St., es muss also eine Geldmasse von 8 Pfd.St. in die Zirkulation eingehen. Bilden diese vier Waren allerdings eine Metamorphosenreihe (Weizen - 2 Pfd.St. - Leinwand - 2 Pfd.St. - Bibel - 2 Pfd.St. - Branntwein - 2 Pfd.St.), so zirkulieren nur 2 Pfd.St. und vollbringen dabei vier Umläufe. Da diese Metamorphosen nicht gleichzeitig sondern nur zeitlich aufeinander folgen können, ergibt sich aus der Anzahl der Umläufe derselben Geldstücke in einer gegebenen Zeit die Geldumlaufgeschwindigkeit. Aus dem Verhältnis zwischen der Preissumme der Waren (8 Pfd.St.) und der Umlaufsanzahl gleichnamiger Geldstücke (4 Umläufe) ergibt sich die Masse des als Zirkulationsmittel funktionierenden Geldes (2 Pfd. St.). Die Gesamtzahl der Umläufe aller zirkulierenden gleichnamigen Geldstücke ergibt schließlich die Durchschnittsanzahl der Umläufe des einzelnen Geldstücks und somit die durchschnittliche Geldumlaufgeschwindigkeit. Daraus folgt: Wächst die Anzahl der Umläufe der Geldstücke, nimmt ihre zirkulierende Masse ab. Sinkt hingegen die Anzahl der Umläufe, so wächst ihre zirkulierende Masse. Mithilfe dieses allgemeinen Gesetzes kann nun jeder Staat (bzw. jede Bank) berechnen, welche Menge an Pfd.St.- Noten in die Zirkulation hineinzuwerfen sind. (vgl. S. 133 f.) Das Gesamtquantum des in jedem Zeitabschnitt als Zirkulationsmittel funktionierenden Geldes ist also bestimmt einerseits durch die Preissumme der zirkulierenden Warenwelt, andrerseits durch den langsameren oder rascheren Fluß ihrer gegensätzlichen Zirkulationsprozesse, von dem es abhängt, der wievielte Teil jener Preissumme durch dieselben Geldstücke realisiert werden kann. (S. 135) In der Folge geht Marx noch einmal detailliert auf die Warenpreissumme und mögliche Veränderungen derselben ein. Dabei nennt er drei entscheidende Faktoren: die Preisbewegung, die zirkulierende Warenmasse und die Geldumlaufgeschwindigkeit. 1. Bleiben die Warenpreise gleich, so kann sich die Masse der Zirkulationsmittel vergrößern, falls die Masse der zirkulierenden Waren zunimmt, oder falls die Geldumlaufgeschwindigkeit abnimmt, oder beides der Fall ist. 2. Steigen die Warenpreise allgemein, so kann die Masse der Zirkulationsmittel gleichbleiben, falls die zirkulierenden Warenmasse im selben Verhältnis (wie die Warenpreise steigen) abnimmt, oder falls die Geldumlaufgeschwindigkeit im selben Verhältnis zunimmt während die zirkulierende Warenmasse konstant bleibt. Exzerpt 14

3. Fallen die Warenpreise allgemein, so kann die Masse der Zirkulationsmittel gleichbleiben, falls die zirkulierende Warenmasse im selben Verhältnis (wie die Warenpreise fallen) wächst, oder falls die Geldumlaufgeschwindigkeit im selben Verhältnis abnimmt. (vgl. S. 135 ff.) Die Geldmenge (Quantität der Zirkulationsmittel) ist bestimmt durch die Preissumme der zirkulierenden Waren und die durchschnittliche Geldumlaufgeschwindigkeit. C. Die Münze. Das Wertzeichen In diesem Unterkapitel widmet sich Karl Marx der Münzgestalt des Geldes bzw. dem verstaatlichten Geschäft der Münzung und schreibt erstmals von der Sphäre des Weltmarktes. Ein wesentliches Problem der Münzen ist ihr Verschleiß, also ihre Abnützung (ihr Gewichtsverlust) im Laufe der Zeit, wodurch gleichnamige (Gold)Münzen von ungleichem Wert werden. Marx schreibt in diesem Kontext von der naturwüchsige[n] Tendenz des Zirkulationsprozesses, das Goldsein der Münze in Goldschein oder die Münze in ein Symbol ihres offiziellen Metallgehalts zu verwandeln (S. 139). Marx kommt nun also (endlich) zur Erläuterung der Entstehung von Papiergeld: Da ja alle Metallmünzen im Umlauf verschleißen, wird ihre Münzfunktion irgendwann zwangsläufig unabhängig von ihrem Gewicht (also ihrer Wertsubstanz). Deshalb können auch ziemlich wertlose Dinge, etwa Papier, die Funktion von Münzen als Wertzeichen übernehmen. (vgl. S. 140) In den metallischen Geldmarken ist der rein symbolische Charakter noch einigermaßen versteckt. Im Papiergeld tritt er augenscheinlich hervor. (S. 140 f.) Gold die Geldware schlechthin kann also durch ein einfaches Wertzeichen (Papiergeld) in der Zirkulation ersetzt werden, somit ist es als Maß der Werte bzw. Preismaßstab überflüssig. Entscheidend ist allerdings, dass das Papiergeld nur dann als Wertzeichen (Goldzeichen bzw. Geldzeichen) fungieren kann, wenn es erstens Goldquanta repräsentiert bzw. symbolisch sinnlich darstellt, und zweitens über eine objektiv-gesellschaftliche Gültigkeit verfügt, die es durch den Zwangskurs erhält. (vgl. S. 142 f.) Exzerpt 15

III. Kapitel: Das Geld oder die Warenzirkulation 3. Geld A. Schatzbildung Der Kreislauf einer Ware (W G W) bestehe aus zwei Metamorphosen (Verkauf und Kauf) und die Summe aller Metamorphosen aller Waren bilde die Warenzirkulation, schrieb Karl Marx zu Beginn des dritten Kapitels. Doch was passiert, wenn die Metamorphosenreihe unterbrochen wird, wenn also auf einen Warenverkauf kein Warenkauf folgt? Und welche Auswirkungen kann diese Unterbrechung auf das Geld bzw. auf dessen Umlauf haben? Diesen Fragen widmet sich Marx nun am Ende von Kapitel Drei. Folgt auf einen Verkauf kein Kauf, so stoppt der Geldumlauf und das Geld versteinert ( immobilisiert ) zum Schatz, was den Warenverkäufer zum Schatzbildner werden lässt. Ware wird hier nicht mehr verkauft, um eine andere Ware zu kaufen, sondern um die Warenform durch die Geldform zu ersetzen. (vgl. S. 143 f.) Während sich in den Anfängen der Warenzirkulation nur die überschüssigen Gebrauchswerte in Geld verwandeln ( naive Form der Schatzbildung ), so kommt es im Lauf der Zeit zu einer Verselbständigung der Schatzbildung, d.h. je weiter sich die Warenzirkulation ausdehnt, desto größer wird die Macht des Geldes als absolut gesellschaftliche Form des Reichtums die Goldgier erwacht. (vgl. S. 144 f.) Daraus ergibt sich einer von Karl Marx zentralen Kritikpunkten am kapitalistischen System, die Verwandlung aller Dinge in Waren bzw. die Verwandlung aller Waren in Geld. Da dem Geld nicht anzusehn, was in es verwandelt ist, verwandelt sich alles, Ware oder nicht, in Geld. Alles wird verkäuflich und kaufbar. Die Zirkulation wird die große gesellschaftliche Retorte, worin alles hineinfliegt, um als Geldkristall wieder herauszukommen. (S. 145) In der Folge erläutert Marx noch einmal die Begriffe Wert und Gebrauchswert: Die Ware als Gebrauchswert befriedigt ein besondres Bedürfnis und bildet ein besondres Element des stofflichen Reichtums. Aber der Wert der Ware mißt den Grad ihrer Attraktionskraft auf alle Elemente des stofflichen Reichtums, daher den gesellschaftlichen Reichtum ihres Besitzers. (S. 147) Wenig später folgt ein weiterer wichtiger Begriff jener der Akkumulation. Die Akkumulation sei für den Schatzbildner dessen Trieb zur Schatzbildung laut Marx von Natur aus maßlos ist eine Sisyphusarbeit und drückt quasi den dem Geld inhärenten Widerspruch zwischen quantitativer Schranke (jede wirkliche Geldsumme ist beschränkt) und qualitativer Schrankenlosigkeit (Geld ist allgemeiner Repräsentant des stofflichen Reichtums) aus. Egal wie viel Geld der Schatzbildner bereits angehäuft hat, er bekommt nie genug. Um aber noch mehr Geld anhäufen zu können, darf er dieses nicht zur Befriedigung seiner vielfältigen Bedürfnisse ausgeben, er opfert daher dem Goldfetisch seine Fleischeslust (ebd.). Andererseits kann der Schatzbildner der Zirkulation nur jenes Geld entziehen, welches er durch Warenverkäufe erworben hat. Je mehr Waren er produziert, umso mehr kann er verkaufen und je mehr Waren er verkauft, umso mehr Geld kann er anhäufen. Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Geiz bilden daher seine Kardinaltugenden, viel verkaufen, wenig kaufen, die Summe seiner politischen Ökonomie. (ebd.) In der Kapitalistischen Gesellschaft fungieren allerdings nicht nur Privatpersonen als Schatzbildner, auch die einzelnen Nationalstaaten (bzw. deren Nationalbanken) verfügen über Gold- bzw. Silberschatzreservoirs, welche wichtige Funktionen für die Zirkulation erfüllen. Dabei muss die Menge an Gold bzw. Silber, die sich in jedem Land befindet, stets größer sein als jene Menge, die gerade in der Form von Münzen im Umlauf ist so Exzerpt 16