Wie steht es um die Integration in Deutschlands Kitas?

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Transkript:

Wie steht es um die Integration in Deutschlands Kitas? Statements anlässlich der Ausstattung von 50.000 Kindertagesstätten in Deutschland mit interkulturellen Vorlesekoffern durch die Deutsche Bahn Stiftung und die Stiftung Lesen im Rahmen des Projekts Alle Kinder dieser Welt bis September 2016 von Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Staatsministerin Aydan Özoğuz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu, Professorin für Interkulturelle Bildung, Konrektorin für Internationalität und Diversität an der Universität Bremen, Mitglied der Wissenschaftlichen Beratergruppe, Stiftung Lesen Wolfgang Stadler, Vorsitzender AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.v.

Wie steht es um die Integration in Deutschlands Kitas? Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Foto: Bundesregierung, Denzel) Viele Einrichtungen haben bereits eine Willkommenskultur etabliert. Alle Kinder, egal welcher Herkunft und Kultur, können beim Bilderbuchanschauen oder Vorlesen an ihre ganz eigenen Erfahrungen anknüpfen und davon erzählen. Was leisten Kindestagesstätten für die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund und/oder Fluchterfahrung mit Deutsch als Zweitsprache? Der Besuch einer Kita bietet Flüchtlingskindern die besten Voraussetzungen dafür, schnell die deutsche Sprache zu lernen und Kontakte zu anderen Kindern zu knüpfen. Auch Familien erleichtert es den Zugang zur neuen Heimat, die für viele noch fremd ist. Schon heute betreuen Kindertageseinrichtungen ja zumeist Kinder unterschiedlicher Herkunft. Sie verfügen deshalb über Erfahrungen im Umgang mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen. Viele Einrichtungen haben bereits eine Willkommenskultur etabliert. Und auch das Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist begleitet Kindertageseinrichtungen dabei, mit dem spezifischen Bedarf von Deutsch lernenden Kindern und ihren Familien umzugehen. Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen für Kitas im Bereich Integration? Alle Kinder müssen Zugang zu einer frühen und guten Förderung in der Kindertagesbetreuung bekommen, ganz gleich, welchen sozialen, kulturellen oder religiösen Hintergrund sie haben ob sie schon seit ihrer Geburt hier leben oder erst vor kurzem nach Deutschland gekommen sind. Wir haben in Deutschland bereits eine gute Kindertagesbetreuung und doch zeigt sich, etwa in dem im Juni 2016 veröffentlichten Bericht Bildung in Deutschland 2016, dass Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder, deren Eltern einen niedrigeren Schulabschluss haben, frühkindliche Bildungsangebote nach wie vor seltener und später nutzen. Hier müssen wir ansetzen. An vielen Orten haben sich sogenannte Brückenangebote bewährt, die Familien den Zugang zu Angeboten der frühkindlichen Bildung und Betreuung erleichtern: Im Rahmen von offenen Spielgruppen und Elterncafés entsteht so die Gelegenheit, das System der Kinderbetreuung kennen zu lernen und Vertrauen zu gewinnen. Welche Rolle spielen (Vor-)Lesen und frühkindliche Sprachförderung für die interkulturelle Kommunikation? In der Kita und im Kindergarten wird die Basis gelegt für die Entwicklung der Kinder. In den ersten Lebensjahren können sich Kinder Wortschatz und Grammatik viel leichter und schneller aneignen als in späteren Jahren und das ganz nebenbei. Und durch Spielen, durch den Umgang mit Sprache funktioniert dann auch die Integration. Dem Vorlesen kommt dabei eine ganz wichtige Rolle zu. In den Sprach-Kitas stehen die Lebenswelten aller Kinder und ihrer Familien im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit. So ist zum Beispiel eine Interkulturelle Bibliothek, in dem Bücher und Geschichten aus den unterschiedlichen Kulturkreisen zur Verfügung stehen und aus denen vorgelesen wird, eine schöne Gelegenheit, andere Kulturen kennenzulernen, Ängste und Unsicherheiten aufgreifen,

den Umgang mit Unterschieden zu thematisieren und mit den Kindern darüber zu sprechen. Alle Kinder, egal welcher Herkunft und Kultur, können beim Bilderbuchanschauen oder Vorlesen an ihre ganz eigenen Erfahrungen anknüpfen und davon erzählen. Was brauchen Kitas bis 2020 konkret, um ihre Integrationsleistung zu erbringen und die neuen Herausforderungen zu meistern? Alle Kinder brauchen die gleichen Bildungschancen. Deshalb muss der quantitative Ausbau der Kindertagesbetreuung weitergehen, aber wir benötigen auch weiterhin eine hohe, an den Bedürfnissen der Kinder orientierte pädagogische Qualität. Diese große Aufgabe stemmen Bund, Länder, Kommunen und Träger gemeinsam. Auf dem Weg dahin haben die Investitionshilfen des Bundes wichtige Unterstützung geleistet: Die Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren hat sich im Bundesdurchschnitt seit März 2006 von 14 Prozent auf 34 Prozent im März 2015 erhöht. Der Bedarf ist damit allerdings noch nicht gedeckt. Für die Integration von Kindern mit Fluchthintergrund brauchen wir zusätzliche Plätze in Kindertagesstätten und Kindertagespflege sowie entsprechend qualifizierte pädagogische Fachkräfte. Deshalb hat das Bundeskabinett vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestages die Bereitstellung weiterer 1,7 Milliarden Euro für die Jahre 2017 bis 2020 beschlossen. Außerdem braucht es Konzepte für eine nachhaltige alltagsintegrierte sprachliche Bildung in Kitas, wie sie in den Sprach- Kitas erarbeitet werden, für die der Bund von 2016 bis 2019 jährlich bis zu 100 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Gemeinsam mit den Ländern habe ich im November 2014 einen Prozess zur Entwicklung gemeinsamer Qualitätsziele unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände und der in der Kindertagesbetreuung verantwortlichen Verbände und Organisationen angestoßen. Erstmals erarbeiten Bund und Länder gemeinsame Qualitätsziele. Im Herbst werden dazu die ersten Ergebnisse vorliegen.

Wie steht es um die Integration in Deutschlands Kitas? Staatsministerin Aydan Özoğuz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Foto: Bundesregierung, Denzel) Für die neu heranwachsenden Generationen ist es heute vielfach selbstverständlich, mit Gleichaltrigen umzugehen, die eine andere Muttersprache sprechen, eine andere Kultur oder Religion haben. Sprachförderung und Lesen legen das Fundament für gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen. Was leisten Kindestagesstätten für die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund und/oder Fluchterfahrung mit Deutsch als Zweitsprache? Gerade für Kinder mit Sprachdefiziten ist ein früher Besuch in einer Kindertagesstätte enorm wichtig. Sie sollen von der Sprachförderung profitieren, die seit Jahren ein wichtiger Schwerpunkt in der Kindertagesbetreuung ist. Viele Studien haben zudem gezeigt, dass insbesondere die Kinder vom Besuch einer Tagesbetreuung profitieren, deren Eltern niedrigere Bildungsabschlüsse haben und über geringere Einkommen verfügen. Die pädagogischen Fachkräfte in Kindertagesstätten leisten also einen wichtigen Beitrag für erfolgreichere Bildungsverläufe von Kindern und somit auch für die Integration von Kindern mit Einwanderungsgeschichten. Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen für Kitas im Bereich Integration? Eltern mit Zuwanderungsgeschichte nehmen die Kindertagesbetreuung seltener in Anspruch als andere. Das liegt manchmal am Mangel von Kitaplätzen vor Ort, an zu hohen Kosten oder einer mangelnden interkulturellen Öffnung der Einrichtung. Viele Eltern wissen aber auch nicht um die Bedeutung der frühkindlichen Förderung in einer Kita. Hier sind vor allem Politik und Verwaltung gefordert, Eltern besser aufzuklären. Die Fachkräfte in Kitas stehen wiederum vor der Herausforderung, bei all jenen Kindern sprachliches, soziales und kognitives Lernen zu ermöglichen, deren Eltern dies nicht im erforderlichen Maße leisten können. Im besten Fall werden hierbei die Eltern aktiv im Sinne einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft einbezogen. Welche Rolle spielen (Vor-)Lesen und frühkindliche Sprachförderung für die interkulturelle Kommunikation? Für die neu heranwachsenden Generationen ist es heute vielfach selbstverständlich, mit Gleichaltrigen umzugehen, die eine andere Muttersprache sprechen, eine andere Kultur oder Religion haben. Unsere Gesellschaft wird kulturell immer vielfältiger. Dies erfordert von Kindern wie Erwachsenen einen kompetenten Umgang mit dieser Vielfalt. Während sich manche Ältere damit schwerer tun, können Kinder viel unbefangener und ohne Vorurteile mit Menschen, die anders sind, etwas tun oder kommunizieren. Damit Paul mit Irina im Sandkasten bauen, Ayasha mit Fritz Fußball spielen und Pedro mit Lisa gemeinsam ein Bilderbuch betrachten kann, brauchen sie aber eine gemeinsame Sprache. Sprachförderung und Lesen legen das Fundament für gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen.

Was brauchen Kitas bis 2020 konkret, um ihre Integrationsleistung zu erbringen und die neuen Herausforderungen zu meistern? Bund, Länder und Kommunen haben in den letzten Jahren massiv in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert. Wir haben den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr auch für die Kinder, die aufgrund von Flucht und Vertreibung zu uns kommen. Allein im Jahr 2015 sind schätzungsweise zwischen 70.000 und 80.000 Kinder unter sechs Jahren nach Deutschland gekommen. Es wird jetzt darauf ankommen, die neu zugewanderten Eltern mit dem Betreuungssystem vertraut zu machen und den Kindern einen schnellen und unbürokratischen Zugang zur Kita zu ermöglichen. Wir brauchen also weitere Betreuungsplätze und Personal, um den erhöhten Bedarf zu decken. Für gute Integrationsangebote von Anfang an sind darüber hinaus in den nächsten Jahren Investitionen in eine entsprechende Qualität wichtig. Dies schließt die Fort- und Weiterbildung der vorhandenen Fachkräfte ein.

Wie steht es um die Integration in Deutschlands Kitas? Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu, Professorin für Interkulturelle Bildung, Konrektorin für Internationalität und Diversität an der Universität Bremen, Mitglied der Wissenschaftlichen Beratergruppe, Stiftung Lesen (Foto: Harald Rehling, Universität Bremen) Viele Kitas entwickeln sich zu Bildungs- und Beratungszentren in der Einwanderungsgesellschaft. Das hier praktizierte Zusammenleben setzt Standards für weitere Stufen des Bildungssystems. (Vor-)Lesen schafft wichtige Voraussetzungen für eine gelungene, von Interesse, Achtsamkeit und Respekt getragene interkulturelle Begegnung und Kommunikation. Was leisten Kindestagesstätten für die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund und/oder Fluchterfahrung mit Deutsch als Zweitsprache? Kindergärten bieten insbesondere Kindern und ihren Familien mit Zuwanderungshintergrund einen vergleichsweise niedrigschwelligen ersten Zugang zum Bildungssystem in Deutschland. Die dort geleistete intensive Zusammenarbeit mit Eltern hilft der Orientierung von Neuankömmlingen und Personen, die wenig vertraut sind mit dem hiesigen System. Ein an den individuellen Bedürfnissen der Kinder ausgerichteter spielerischer und damit kindgerechter Zugang zur Sprachvermittlung und notwendigem Wissen für eine zunehmend selbständigere Bewältigung des Lebensalltags ohne Leistungsdruck kommt den Bedürfnissen dieser Kinder besonders entgegen. Im Kindergarten werden für die Teilhabechancen im weiteren Bildungsverlauf somit wichtige Grundlagen vermittelt sowie individuelle Anlagen erkannt und gefördert. Auch die Eltern erhalten hier wichtige Hinweise darauf, wie sie ihre Kinder dabei gut unterstützen können. Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen für Kitas im Bereich Integration? Zu den größeren Herausforderungen gehört sicherlich der professionelle Umgang der Pädagogen und Pädagoginnen mit der überaus großen Heterogenität von Sozialisationsvoraussetzungen und -bedingungen, die die Kinder aufgrund der sehr unterschiedlichen sozialen, ökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen ihres bisherigen Aufwachsens in anderen Ländern bzw. in der Herkunftsfamilie in die Kita mitbringen. Dazu gehören auch Erfahrungen mit dem Erwerb anderer als der Mutter- bzw. Familiensprache(n). Nicht zuletzt ist es auch eine Herausforderung, den Erwartungen der Eltern an die Vorbereitung ihrer Kinder auf die deutsche Schule gerecht zu werden und hier einen wertschätzenden Dialog mit den Eltern auf Augenhöhe aufzubauen. All diesen Anforderungen gerecht zu werden erfordert beim Personal der Kitas eine hohe Sensibilität für migrationsbedingte Heterogenität, einen selbstkritischen Umgang mit Kulturkonzepten und ein großes Wissen um globale Prozesse der Migration. Es ist vor allem eine große Aufgabe und eine zentrale Rahmenbedingung von Integration, die Kommunikations- und Verständigungsfähigkeit in der Migrationsgesellschaft zu unterstützen. Um ihren wichtigen Aufgaben bei der Integration von Kindern mit Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache gerecht zu werden, muss die Qualifikation des Personals in Aus- und Fortbildung gefördert werden. Bei aktuellen personellen und räumlichen Engpässen stellt dies eine besondere Herausforderung dar.

Welche Rolle spielen (Vor-)Lesen und frühkindliche Sprachförderung für die interkulturelle Kommunikation? Das (Vor-)Lesen, das damit verbundene Vertrautmachen mit der Erschließung von Welt und der Aneignung von Wissen über das Lesen ist eine elementare Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe insgesamt und für das Beschreiten erfolgreiche Bildungswege im Besonderen. Die globale Wissensgesellschaft benötigt kundige und (selbst-)kritische Persönlichkeiten, die in der Lage sind, sich lebenslang auch selbst weiter zu bilden über die Kernkompetenz des Lesens, möglichst in verschiedenen Sprachen. (Vor-)Lesen stärkt über diese bildungsfunktionale Bedeutung hinaus die Entwicklung von Kreativität, Phantasie und Persönlichkeit und stärkt nachweislich die Selbstwirksamkeit; dies sind wichtige Voraussetzungen für eine gelungene, von Interesse, Achtsamkeit und Respekt getragene interkulturelle Begegnung und Kommunikation. (Vor-)Lesen steht auch in engem Zusammenhang mit frühkindlicher Sprachförderung, da über die Lektüre von kindgerechter Literatur die Vielfalt von sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten und sprachlicher Bilder vermittelt werden kann, ohne damit zwangsläufig, wie im schulischen Kontext vorrangig, eine belehrende Funktion der Inhalte zu vermitteln. Spielerische Aneignung von Sprache, die damit verbundene Möglichkeit des Ausprobierens, aber auch Sprachvergleiche im Kontext von Mehrsprachigkeit anzustrengen fördert die (mehrsprachige) Kommunikationsfähigkeit aller Kinder in der Migrationsgesellschaft und damit ihre Wahrnehmung als WeltbürgerInnen. Was brauchen Kitas bis 2020 konkret, um ihre Integrationsleistung zu erbringen und die neuen Herausforderungen zu meistern? Kitas sind die ersten Orte, an denen Kinder und Eltern aller Bereiche der Gesellschaft in einem unmittelbaren Sozialraum sich regelmäßig und institutionell gerahmt begegnen. Sie sind darüber hinaus auch Orte, an denen auch Eltern den unmittelbaren Kontakt zu den Erzieherinnen und Erziehern suchen und finden, an die sie sich in vielen Fragen von Teilhabe und Orientierung in der Gesellschaft wenden. Insofern entwickeln sich viele Kitas zu sozialräumlich wichtigen, niedrigschwelligen Bildungs- und Beratungszentren in der Einwanderungsgesellschaft. Das hier praktizierte Zusammenleben mit allen Facetten der Förderung der Kinder und der Zusammenarbeit mit Eltern setzt Standards für weitere Stufen des Bildungssystems. Der Wechsel von einem Selbstverständnis als Institution der Erziehungsunterstützung von Eltern, der Kinderbetreuung und der Förderung von Sozialverhalten zu einer Institution, die wesentliche Aufgaben bei der Vorbereitung auf Anforderungen des Schulsystems übernimmt, hat sich mit dem Wandel der Gesellschaft zu einer Einwanderungsgesellschaft vollzogen. Um den damit gestiegenen Anforderungen an einen professionellen pädagogischen Umgang mit migrationsgesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden, ist ein diesen Anforderungen entsprechend ausgebildetes Personal, das einer solch verantwortungs- und voraussetzungsvollen Aufgabe entsprechend bezahlt wird, unabdingbar. Die sich bei Eltern und Kindern abbildende Migrationsgesellschaft muss sich ganz selbstverständlich auch in der Zusammensetzung des Personals spiegeln. Darüber hinaus ist die räumliche und materielle Ausstattung der Kitas mit Räume für die Beratung von Eltern aber auch für Projekte wie Elterncafés ebenso wichtig wie interkulturell ausgerichtetes Spiel- und Lehrmaterial, darunter vor allem Material zum (Vor-)Lesen, das die Begeisterung für das Lesen weckt und die Aneignung von Sprache(n) zu einem positiven Erlebnis für alle werden lässt. Hier müssen entschieden Prioritäten bei der Zuweisung von Ressourcen gesetzt werden, die notwendig sind, damit Kitas diese verantwortungsvolle Aufgabe als eine Art community education center, als die sie sich zunehmend entwickeln, gerecht werden zu können.

Wie steht es um die Integration in Deutschlands Kitas? Wolfgang Stadler, Vorsitzender AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.v. (Foto: AWO Bundesverband) Einen besseren Ort für Integration als die Kita gibt es nicht. Frühkindliche Sprachbildung ist ein zentraler Bestandteil gelingender Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Was leisten Kindestagesstätten für die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund und/oder Fluchterfahrung mit Deutsch als Zweitsprache? Für die Kinder mit Fluchterfahrung bietet die Kita oftmals den ersten kindgerechten Ort seit ihrer Flucht. Trotz aller Bemühungen der Kommunen sind Flüchtlingsunterkünfte kein Ort, der Kindern guttut. Ein Kitabesuch hilft den Jungen und Mädchen, anzukommen und wieder positive emotionale Bindungen zu anderen Kindern und auch Erwachsenen aufzubauen. In Kindertageseinrichtungen erwerben Kinder spielend grundlegende Fähigkeiten, wie soziale Kompetenzen, Kommunikations- und Handlungsfähigkeit, Eigeninitiative, Kreativität, Lern- und Leistungsbereitschaft. Davon profitieren alle Kinder. Einen besseren Ort für Integration als die Kita gibt es nicht. Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen für Kitas im Bereich Integration? Grundsätzlich ist die größte Herausforderung für die Kitas der zunehmende Fachkräftemangel. Der Anteil der Kinder aus nichtdeutschsprachigen Familien in Kitas hat in den vergangenen Jahren konstant zugenommen. Wie schnell und gut Sprachkenntnisse vermittelt werden können, hängt natürlich auch vom Personalschlüssel ab, also davon, wie viele Kinder eine Erzieherin betreut. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, nützen die überzeugendsten pädagogischen Konzepte nichts. Deshalb fordert die AWO schon lange ein bundeseinheitliches Qualitätsgesetz, was eine qualitativ gute Kinderbetreuung sicherstellt. Davon profitieren alle Familien am meisten. Davon abgesehen müssen sich die Kitas noch viel mehr als bisher notwendig für Kinder mit Fluchterfahrung öffnen. Dass der Rechtsanspruch auf Betreuung auch für sie gilt ist noch nicht überall bekannt. Welche Rolle spielen (Vor-)Lesen und frühkindliche Sprachförderung für die interkulturelle Kommunikation? Kindertagesstätten sind nach der Familie der wichtigste Ort, um den Spracherwerb von Kindern anzuregen und zu fördern. Frühkindliche Sprachbildung ist ein zentraler Bestandteil gelingender Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Sprachbildung sollte dabei alltagsintegriert und situationsbezogen erfolgen. Um eine Sprache zu erwerben ist eine anregungsreiche, zugewandte, emotional gesicherte sprachliche Umgebung ideal. Es ist Aufgabe der Erzieherinnen, diese sprachliche Umgebung zu schaffen. Abgesehen davon ist das Vorlesen und gemeinsame Lesen von beispielsweise Bilderbüchern und Märchen deshalb so bedeutsam, weil der sprachliche Dialog durch einen neuen gemeinsamen Vorstellungsraum ergänzt wird.

Was brauchen Kitas bis 2020 konkret, um ihre Integrationsleistung zu erbringen und die neuen Herausforderungen zu meistern? Die AWO fordert ein bundesweit einheitlich geltendes Qualitätsgesetz für die Kindertagesbetreuung in Deutschland und das möglichst schon vor 2020. Ein solches Bundesqualitätsgesetz soll strukturelle Standards für die Kindertagesbetreuung festlegen, die länderübergreifend von öffentlichen und freien Trägern umgesetzt werden und die bestmögliche pädagogische Qualität ermöglichen. Dazu gehören neben Regelungen zur Freistellung von Kita-Leitungen vor allem auch eine Neuberechnung der Fachkraft-Kind Relation. Des Weiteren sollte das Qualifikationsniveau der pädagogischen Fachkräfte sowie die Fort- und Weiterbildung geregelt werden. Eine hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern ist von gesamtgesellschaftlichem Interesse und darf nicht abhängig sein von länderspezifischen Regelungen, die zum Teil weit hinter dem stehen, was fachlich erforderlich ist. In Deutschland hängt die Finanzierung von kindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung von regionalen Voraussetzungen ab - ein Bundesgesetz würde allen Kindern die gleichen Entwicklungschancen bieten und das haben sie verdient.