Die Vereinten Nationen innerhalb der japanischen Außenpolitik seit Kriegsende

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Botschaft von Japan.Neues aus Japan Nr.6 Mai 2005 Die Vereinten Nationen innerhalb der japanischen Außenpolitik seit Kriegsende von Dr. Shinichi Kitaoka Dr. Shinichi Kitaoka - Studienabschluss und Promotion an der Universität Tokyo. Zunächst Professor an der Rikkyo-Universität, Gastdozent an der Princeton University, 1997 Professor an der Universität Tokyo. Seit April 2004 stellv. Leiter der Vertretung Japans im Range eines Botschafters bei den Vereinten Nationen in New York. Zahlreiche Veröffentlichungen zu innen- und außenpolitischen Themen. Ich mag den in der japanischen Außenpolitik so häufig benutzten Begriff Zentrale Rolle der Vereinten Nationen nicht besonders. Der Frieden, den Japan seit Kriegsende genießt, ist zum großen Teil nicht das Verdienst der VN, sondern beruht vor allem auf dem Sicherheitsvertrag zwischen Japan und den Vereinigten Staaten. Und auch der heutige Wohlstand ist zum größten Teil ebenfalls nicht den VN, sondern unseren eigenen Anstrengungen und dem System des freien Handels zu verdanken. Auch heute beruhen die Sicherheit und der Wohlstand Japans vor allem auf unseren eigenen Anstrengungen sowie auf den kooperativen Beziehungen zu unseren Freunden. Jedoch hat Japan aufgrund des Endes des Kalten Krieges sowie der zunehmenden Globalisierung heute mehr denn je die Pflicht und zugleich das Recht, zur Wahrung der internationalen Ordnung beizutragen. Den Schlüssel dafür bilden die VN. Letztendlich wäre es sowohl für Japan als auch für die Staatengemeinschaft insgesamt von Vorteil, wenn die Erfahrungen, die Japan und Ostasien im Rahmen ihrer Entwicklung außerhalb der VN gemacht haben, mittels dieser Organisation nun der Welt als Ganzes vermittelt werden könnten. Die zentrale Rolle der VN für die Außenpolitik Japans ist nicht länger ein bloßes Lippenbekenntnis, sondern vielmehr eine reale Notwendigkeit. Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich im Folgenden die Rolle der VN für die Außenpolitik Japans im Kontext der außenpolitischen Geschichte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erörtern. [ ] Japan und die Vereinten Nationen Als Japan 1952 seine Souveränität wiedererlangte, beantragte es umgehend seine Mitgliedschaft in den VN. Aufgrund des Vetos der Sowjetunion kam diese jedoch nicht zustande. Erst im Dezember 1956, nachdem Japan im gleichen Jahr die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion wieder aufgenommen hatte, wurde das Land schließlich VN-Mitglied. 1/5

Anlässlich der feierlichen Aufnahme hielt der damalige Außenminister Mamoru Shigemitsu seine berühmte Rede, in der er von Japan als Brücke zwischen Ost und West sprach. Vor dem Hintergrund seines Lebenslaufes war dies durchaus bemerkenswert. Shigemitsu war vom Internationalen Gerichtshof Tokyo zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Heute wird viel über die Verantwortung für den Krieg diskutiert, damals aber war niemand der Ansicht, dass das ein Problem darstelle. Shigemitsu gehörte bereits vor dem Krieg dem Außenministerium an, wobei er stets Asien große Bedeutung beimaß. Die 1943 veranstaltete Großostasiatische Konferenz, auf der Japan die universale Vorstellung von der Befreiung Asiens von der Kolonialherrschaft propagierte, um auf diese Weise den Einfluss der Vereinigten Staaten und Großbritanniens einzudämmen, ging auf seine Initiative zurück. Damit trug er in gewisser Weise zu der nach dem Krieg in den fünfziger und sechziger Jahren gestalteten Entkolonialisierung bei. Mit dem Osten in seiner oben genannten Rede meinte Shigemitsu die Entwicklungsländer, insbesondere in Asien, sowie die Länder, die sich anschickten, aus der Kolonialherrschaft entlassen zu werden. Vor dem Hintergrund der Aufnahme der neuen Staaten aus Asien und Afrika in die VN in den sechziger Jahren ist dies von besonderem Interesse. Für Japan war die Mitgliedschaft, die ihm zuvor von der Sowjetunion wiederholt verwehrt worden war, die Erfüllung eines innigen Wunsches. Vielleicht wurden die VN deshalb in Japan geradezu idealisiert. Das Diplomatische Blaubuch für 1957 führte in Bezug auf die Grundlagen der Außenpolitik Japans an erster Stelle die zentrale Rolle der Vereinten Nationen an. Es folgte an zweiter Stelle eine Außenpolitik als Mitglied Asiens sowie an dritter Stelle das Zusammenwirken mit der freien Welt. Auch wenn dies keine offizielle Reihenfolge war, wurden die VN doch zuerst genannt. Allein dem Begriff Vereinte Nationen wurde hohe Priorität beigemessen. In der Realität jedoch stellten die VN keineswegs den Mittelpunkt der japanischen Außenpolitik dar. Denn unmittelbar danach wurde die Revision des Japanisch-Amerikanischen Sicherheitsvertrags zur zentralen Aufgabe der Außenpolitik des Landes, dem dann in der ersten Hälfte der sechziger Jahre die Verhandlungen für die Rückgabe von Okinawa folgten. Tatsächlich nannten nur die Diplomatischen Blaubücher von 1957 und 1958 eine zentrale Rolle der VN. In den nachfolgenden Ausgaben verschwand der Begriff dann wieder. Dies hing mit der Machtlosigkeit der VN während der Ära des Kalten Krieges zusammen. Während dieser Ära wurden Vorhaben, die den Interessen der beiden Supermächte Amerika und Sowjetunion zuwiderliefen, von der jeweils betroffenen Seite mittels ihres Vetorechts abgeblockt. Wie bereits erwähnt, standen die japanisch-amerikanischen Beziehungen im Mittelpunkt der Außenpolitik Japans. Mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Landes aber erweitete sich auch das Blickfeld. Hier sollte insbesondere die Teilnahme an den Gipfeltreffen der G7 ab 1975 besonders erwähnt werden, da dies der Nachweis für Japans Platz als globaler Akteur im Bereich der Wirtschaft war. Beim G7-Gipfel in Williamsburg 1983 brachte der damalige Ministerpräsident Nakasone dann die Frage der atomaren Mittelstreckenraketen in die Diskussion ein, mit der der Wandel des Gremiums von einem Forum zur Behandlung rein wirtschaftlicher Fragen zu einer politischen Organisation gefördert wurde. Aber selbst in der Ära Reagan-Nakasone war Japan noch nicht bereit, sich an friedenserhaltenden Einsätzen im Ausland zu beteiligen. Das hing zum Teil mit der geographischen Lage Japans zusammen. Da in der gegen die Sowjetunion gerichteten Strategie des Westens die 2/5

Verteidigung Japans an sich schon eine wichtige Aufgabe darstellte, bestand für Japan nicht die Notwendigkeit, außerhalb seiner Staatsgrenzen zu agieren. Als ein Beispiel hierfür kann der gescheiterte Versuch von Ministerpräsident Nakasaone gesehen werden, während des Krieges zwischen dem Iran und dem Irak Minensuchboote in den Persischen Golf zu entsenden. Die Vereinten Nationen und Japan nach dem Ende des Kalten Krieges Tatsächlich bestand schon vor dem Beitritt Japans zu den VN die Sorge, dass Japan als Mitgliedsstaat irgendwann einmal gezwungen sein könnte, sich an militärischen Aktionen zu beteiligen, was einen Verstoß gegen Artikel 9 der Verfassung bedeuten würde. Jedoch wurde dieser Befürchtung damals keine übermäßige Bedeutung beigemessen, da während des Kalten Krieges die Möglichkeit, dass die VN Zwangsmaßnahmen einsetzen würden, als gering angesehen wurde. Als jedoch mit dem Ende des Kalten Krieges die Funktionen der VN wiederbelebt wurden, konnte sich Japan diesem Problem nicht länger entziehen. Es trat dann mit der Golfkrise 1990 auf. Es war in der Tat seltsam, dass Japan, das als führende Wirtschaftsmacht in der Welt in hohem Maße von den Erdölimporten aus dem Mittleren Osten abhängig ist, keinerlei Beitrag für die Wiederherstellung der Ordnung in dieser Region leisten konnte. Schließlich stellte Japan zwar den riesigen Betrag von dreizehn Milliarden US-Dollar zur Verfügung, erhielt dafür aber nicht den Dank, den es eigentlich erwarten durfte. Diese Erfahrung war der Beginn eines tiefgreifenden Wandels in der japanischen Außenpolitik. Nach der Entsendung von Minensuchbooten in den Persischen Golf 1991 wurde im Jahr darauf das Gesetz zur Zusammenarbeit bei friedenserhaltenden Missionen der VN (PKO-Gesetz) verabschiedet, auf dessen Grundlage sich Japan an der Blauhelmmission in Kambodscha beteiligte. Bei den Beratungen hatte die Sozialistische Partei von Beginn an das Gesetz abgelehnt, erlitt jedoch bei der Abstimmung im Parlament sowie bei den darauf folgenden Oberhauswahlen eine Niederlage. Die Sozialistische Partei vertrat ursprünglich einen Pazifismus, der für die Schaffung von Frieden ausschließlich friedliche Mittel erlaubt. Später dann stimmte die Partei der Existenz der Selbstverteidigungsstreitkräfte (SDF) stillschweigend zu. Allerdings war sie nicht bereit, einen Beitrag der SDF für den Frieden im Ausland zu billigen. In der Realität symbolisierte die Niederlage der Partei die Niederlage des auf ein einzelnes Land bezogenen Pazifismus in Japan. Zugleich wurden durch dieses Gesetz erstmals auch Auslandseinsätze der SDF im Rahmen von Katastrophenhilfe möglich. Ohne dieses Gesetz hätte Japan auch bei der jüngsten Flutkatastrophe im Indischen Ozean wieder nur mit Geld helfen können. 1996 bestätigten Ministerpräsident Hashimoto und US-Präsident Clinton das Japanisch-Amerikanische Sicherheitsbündnis und verabschiedeten Richtlinien für das gemeinsame Agieren. Dadurch wurde der Rahmen des Handelns im Sicherheitsbereich ausgeweitet und zugleich vertieft. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 weitete Japan seine Aktivitäten noch weiter aus. In dem Jahr wurden Marineeinheiten der SDF in den Indischen Ozean entsandt, die logistische Unterstützung in Form von Treibstoffversorgung für die dort operierenden US-Streitkräfte leisten. Dagegen erhob sich keinerlei Widerspruch. Schließlich wurden 2003 Einheiten der SDF in den Irak entsandt. 3/5

Zugleich wird gegenwärtig über ein allgemeines Gesetz zur Zusammenarbeit für Frieden und Sicherheit diskutiert. Weil das Erstellen und Verabschieden eines eigenen Gesetzes für jeden einzelnen Einsatz eine rasche und flexible Reaktion unmöglich macht, soll unter der Voraussetzung, dass ein Einsatz von den VN unterstützt wird, eine Beteiligung an Einsätzen stets möglich sein, wenn diese als politisch notwendig und möglich erachtet werden. Über eine Beteiligung Japans in weltweitem Rahmen könnte dann die Regierung entscheiden, wobei sie die Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen wird. Zu sagen, wir können nicht handeln, weil die gesetzlichen Grundlagen fehlen, bedeutete hingegen das Ende des politischen Entscheidungsprozesses. Es ist jedoch wichtig, nicht allein den Handlungsradius der SDF auszuweiten. Dass dies hingegen fast ohne Widerstand gelang, ist sehr bemerkenswert. Zu Beginn der neunziger Jahre hatte der Ministerpräsident von Singapur, Lee Kwan Yew, noch gemeint, Japan an Blauhelmmissionen zu beteiligen, sei das gleiche, als gäbe man einem Alkoholabhängigen wieder Hochprozentiges zu trinken. Solche Kritik ist heute so gut wie nicht mehr zu hören, denn auch in der Region Ostasien hat das Bewusstsein in Bezug auf globale Sicherheit erheblich zugenommen. Zugleich ist es aber auch eine bedeutende Tatsache, dass sich die Aktivitäten der VN ebenfalls gewandelt haben. Im Juni 2004 nahm sie im Zusammenwirken mit den Streitkräften der Koalition ihre Arbeit für den Wiederaufbau im Irak auf. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Rolle des Sicherheitsrates vom militärischen Bereich im engeren Sinne weiter ausgeweitet wurde. Ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat und Japans Außenpolitik Die VN sind nun sechzig Jahre alt. In der Phase der Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, während des Kalten Krieges und schließlich in der Ära nach dem Kalten Krieg haben sich die Funktionen dieser Organisation erheblich gewandelt. Und auch die jetzige dritte Ära dauert bereits fünfzehn Jahre. Der große Unterschied zu 1945 ist zunächst einmal die Zusammensetzung der Mitgliedsstaaten. Heute sind viele frühere Kolonien aus Asien und Afrika Mitglieder. Und die ehemaligen besiegten Nationen Japan und Deutschland spielen heute eine wichtige Rolle innerhalb der VN. Auch die Art und Weise der Bedrohung des Friedens ist heute eine andere. Zum Zeitpunkt der Gründung der VN beruhte die Bedrohung des Friedens vor allem auf den Staaten. Heute hingegen gewinnen immer mehr nichtstaatliche Akteure an Bedeutung; zugleich nehmen neue Formen der Bedrohung wie Staaten ohne feste Strukturen, Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder die Organisierte Kriminalität immer mehr zu. Diese neuen Bedrohungen erfordern auch neue Ansätze der Bekämpfung. Die ständige Mitgliedschaft Japans ist sowohl von der Zusammensetzung der Mitgliedsstaaten als auch von diesen neuen Ansätzen her notwendig. Zunächst einmal stellt es von der Zusammensetzung her einen Anachronismus dar, dass nur die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs (bzw. deren Nachfolger) besondere Vorrechte genießen. Eine Organisation, in der wichtige Akteuren keine angemessene Position einnehmen, ist - zurückhaltend ausgedrückt - nicht gesund. Eine ständige Mitgliedschaft Japans wird zudem die Präsenz Asiens, das bislang nicht ausreichend berücksichtigt wird, stärken. Zugleich ist sie auch unter dem Aspekt der Mitgliedschaft einer Nicht-Atommacht sinnvoll. 4/5

Zudem sind die in Bezug auf die neuen Ansätze zur Bekämpfung der neuen Bedrohungen bislang auch von Japan geförderten stillen Ansätze in Form von wirtschaftlicher Zusammenarbeit sowie das Konzept von Human Security für die Etablierung von Frieden außerordentlich wichtig. Auch wenn diese Mittel nicht gegen alle heute bestehenden neuen Bedrohungen wirken, bilden sie doch wirkungsvolle Mittel gegen eine ganze Reihe von ihnen. Es wird gefragt, inwieweit sich die VN verändern werden, sollte Japan ständiges Mitglied werden, oder was Japan unternehmen wird, wenn es einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat erhält. Ich glaube, dass diese Fragen nicht richtig gestellt sind. Japan leistet bereits heute einen Beitrag, der zwar nicht die Beiträge aller, aber doch einiger ständiger Mitglieder übersteigt. Folglich ist es ganz selbstverständlich, dass Japan einen ständigen Sitz erhält, während die jetzige Situation als diskriminierend bezeichnet werden muss. Die ständige Mitgliedschaft würde diese Diskriminierung nur beenden. Japan würde dann auf der Grundlage seiner Erfahrungen sowie derjenigen Asiens seine Botschaft kontinuierlich vermitteln und so allmählich einen Wandel innerhalb der VN einleiten. Manche Stimmen äußern Zweifel, ob ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat wirklich im Interesse Japans ist. Japan sei schließlich eine Wirtschaftsmacht, die auch so viel bewegen könne. Aber auch wenn Japan tatsächlich viel bewegen kann, so ist dies doch mit erheblichem Aufwand verbunden. Zugleich kommt es durchaus vor, dass der Sicherheitsrat etwas beschließt, was nicht in Japans Interesse ist, für das es dann automatisch die Kosten mitzutragen hat. [ ] Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eines hinweisen. Nicht nur Japan, sondern auch Deutschland, Indien und Brasilien streben einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat an. Und auch aus Afrika haben u.a. Südafrika und Nigeria ihren Wunsch nach einem solchen Sitz deutlich gemacht. Andererseits versucht z.b. Italien, einen ständigen Sitz Deutschlands zu verhindern, und Pakistan wendet sich mit Nachdruck gegen einen ständigen Sitz Indiens. Alle diese Länder lassen sich die Chance, ständiges Mitglied zu werden, nicht entgehen. Das heißt, alle Länder, welche die Möglichkeit haben, ständiges Mitglied zu werden, streben eine solche Stellung auch an. Dies allein ist schon Beweis genug, dass ein ständiger Sitz große Vorteile mit sich bringt. Angenommen, Japan würde kein ständiges Mitglied, wohl aber die gerade genannten Länder. Würden diejenigen, die jetzt einer ständigen Mitgliedschaft eher ablehnend gegenüberstehen, dieses Ergebnis begrüßen? Sie dürften wohl eher die Regierung und das Außenministerium für deren Scheitern kritisieren. Die internationale Ordnung wurde nach dem Krieg in vielen Bereichen hauptsächlich von den ehemaligen Siegermächten gestaltet. Glücklicherweise ist heute ein kriegerischer Konflikt zwischen den großen Mächten eher unwahrscheinlich. Es ist notwendig, Reformen während des jetzigen Friedens so zu gestalten, dass die führenden Mächte darin eingebunden werden. Dies gilt für alle Organisationen. Starke Organisationen sind solche, welche die Fähigkeit besitzen, sich dem veränderten Umfeld entsprechend anzupassen. Daher hängt die Frage, ob die Vereinten Nationen auch im 21. Jahrhundert eine effiziente Organisation sein können, davon ab, ob die jetzt anstehenden Reformen durchgeführt werden können oder nicht. Das hängt zu einem beträchtlichen Teil auch vom Engagement Japans ab. (Auszug aus "Gaiko Forum", April 2005) 5/5