SOZIALPSYCHOLOGIE. Von: Josua Handerer. Kontakt: Josua.Handerer@t-online.de



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Transkript:

SOZIALPSYCHOLOGIE Von: Josua Handerer Kontakt: Josua.Handerer@t-online.de 1

1. Was ist Sozialpsychologie? 1.1. Grundlegendes: Definition nach Allport: Die Sozialpsychologie beschäftigt sich mit der Frage, wie Denken, Fühlen und Verhalten von Individuen durch die tatsächliche, vorgestellte oder implizite Anwesenheit anderer beeinflusst werden. Hauptthema der Sozialpsychologie ist demnach sozialer Einfluss: Direkte Überzeugungsversuche (Werbung, Persuasion, ) Subtile Einflussnahme (soziale Erwartungen und Konventionen, kultureller Kontext, ) Die Komponenten, die betrachtet werden, sind: Kognition, Emotion und Verhalten Im Gegensatz zur Differentiellen Psychologie geht es der SP weniger um stabile Persönlichkeitsunterschiede als vielmehr um die (sozialen) Situationen, in denen ein bestimmtes Verhalten auftritt. Verhalten = Person Situation Die SP sucht nach Gesetzmäßigkeiten, die für alle Menschen gelten - nicht nach Persönlichkeitsunterschieden. Die Soziologie beschäftigt sich mit sozialen Gruppen, die Sozialpsychologie mit den Individuen innerhalb solcher Gruppen. Die Sozialpsychologie betrachtet die psychologischen Mechanismen im Einzelnen; die Soziologie untersucht die politischen, kulturellen, Mechanismen in der Gesellschaft. FAZIT: Die Sozialpsychologie kann zwischen Soziologie (Situation) und Persönlichkeitspsychologie (Person) angesiedelt werden. Von der Gestaltpsychologie (u.a. Wertheimer) hat die Sozialpsychologie folgendes übernommen: Die holistische Sichtweise (das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile; komplexe psychologische Phänomene sind demnach nicht immer in ihre einzelnen Elemente zu zerlegen) Kritik am Strukturalismus (u.a. Wundt), der eine elementaristische Sichtweise hatte Betonung des subjektiven Erlebens (die (soziale) Wirklichkeit ist nur z.t. objektiv gegeben, zu einem Großteil wird sie vom Individuum konstruiert; es kommt also weniger auf die Situation an sich an, sondern darauf, wie der Einzelne sie interpretiert). Vom Behaviorismus übernommen hat die Sozialpsychologie v.a. die Methode: das experimentelle Vorgehen! 2

1.2. Der fundamentale Attributionsfehler Der fundamentale Attributionsfehler bezeichnet die Tendenz, das Verhalten anderer zu sehr auf deren Persönlichkeit zurückzuführen und dabei soziale und situationale Einflussfaktoren zu vernachlässigen. EXPERIMENT (Ross und Samuels, 1993): Wall Street Game Hängt es von der Persönlichkeit oder von der Situation ab, wie Menschen sich in einer Spielsituation verhalten? UV 1: Persönlichkeit der Vpn (kompetitiv vs. kooperativ) UV 2: Soziale Situation (kompetitiv vs. kooperativ) Das von den Probanden zu spielende Spiel wurde ihnen entweder als Wall Street Game oder Community Game vorgestellt. AV: Verhalten der Vpn während des Spiels (kompetitiv vs. kooperativ) Die Persönlichkeit der Vpn hatte keinen Einfluss auf das Spielverhalten; entscheidend war allein der Name des Spiels. Insbesondere extremes Verhalten (Mord usw.) wird gerne auf Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt, da nach einfachen Erklärungen gesucht wird (Oversimplification). 1.3. Zwei grundlegende Ansätze in der Sozialpsychologie Wie der Mensch die Welt um sich herum konstruiert bzw. wahrnimmt, hängt von seiner Motivation ab. Die beiden grundlegenden Motive sind dabei (1) das Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten und (2) das Bedürfnis nach Korrektheit. Je nachdem, welches dieser beiden Motive man unterstellt, kommt man in der Sozialpsychologie zu unterschiedlichen Ansätzen. 1.3.1. Der Selbstwert-Ansatz : Der Mensch als rationalisierendes Wesen Grundmotiv des Menschen ist es, ein hohes Selbstwertgefühl zu bekommen bzw. beizubehalten. Daher das Bedürfnis, das eigene Verhalten zu rechtfertigen, anstatt persönliche Fehler und Schwächen zuzugeben. Phänomene: z.b. empfinden Menschen kognitive Dissonanz, wenn das eigene Verhalten ihren Idealen widerspricht. => Ihr Selbstwertgefühl ist bedroht. Probleme: Verzerrung der Realität Irrationale Urteile und vermeidlich paradoxes Verhalten Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen 1.3.2. Der Social Cognition Ansatz : Der Mensch als informationsverarbeitendes System Grundmotiv des Menschen ist es, die Wirklichkeit möglicht genau und korrekt wahrzunehmen; es geht um eine realistische Einschätzung der Welt und der eigenen Person. Daher werden gezielt kognitive Ressourcen eingesetzt, um die zur Verfügung stehenden Informationen zu ordnen und zu interpretieren. Phänomene: Es gibt verschiedene Vorgehensweisen bei der Informationsverarbeitung (z.b. im Fall der Urteilsbildung): Entweder es wird genau nachgedacht und abgewogen oder es werden Heuristiken verwendet. Probleme: Die Genauigkeit von Urteilen geht immer zu Lasten der Schnelligkeit und umgekehrt! 3

Die Genauigkeit unserer Wahrnehmung kann beeinträchtigt werden durch: Gute Stimmung Zeitdruck Ablenkung (begrenzte kognitive Kapazität) Informationsmangel bzw. überflutung Den eigenen Erwartungen Self-fulfilling Prophecy 1.4. Die Self-fulfilling prophecy Unsere Schemata bzw. Erwartungen beeinflussen unser Verhalten gegenüber anderen; gleichzeitig löst unser Verhalten beim Gegenüber eine entsprechende Reaktion aus; diese Reaktion wiederum scheint unsere Ausgangserwartung zu bestätigen. EXPERIMENT (Rosenthal & Jacobson, 1969): Die Erwartungen eines Lehrers beeinflussen dessen Verhalten und damit die Leistung der Schüler! UV: Erwartung der Lehrer bezüglich der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Schüler experimentell manipuliert durch vermeidlich hohe Testergebnisse willkürlich ausgewählter Schüler AV: Ergebnis der Schüler in einem IQ-Test (vor Beginn - und nach Ende des Schuljahres) Die Schüler, die von den Lehren zu Unrecht für intelligenter gehalten worden waren, hatten in dem IQ-Test am Ende des Schuljahres tatsächlich einen höheren IQ als vorher. Mögliche Erklärung: Die Erwartungshaltung der Lehrer scheint deren Verhalten gegenüber den angeblichen Überfliegern beeinflusst zu haben; diese Sonderbehandlung wiederum hat sich positiv auf die Leistung der betroffenen Schüler ausgewirkt (Motivation, Lernverhalten usw.). 4

2. Methoden der Sozialpsychologie: 2.1. Allgemeines Wie jeder empirischen Wissenschaft geht es auch der Sozialpsychologie darum, allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu formulieren und an der Realität zu überprüfen. Um solche Gesetzmäßigkeiten aufzudecken bzw. zu überprüfen, gibt es prinzipiell drei Vorgehensweisen: 1. Beschreibende Beobachtung 2. Korrelationsstudien 3. Experimente Am Anfang jeder wissenschaftlichen Forschung steht eine Theorie bzw. Hypothese, die ihrerseits entweder aus persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen oder aus vorhergehenden Studien abgleitet wird. Was folgt, ist die methodisch fundierte Überprüfung dieser Theorie bzw. Hypothese. Insgesamt lässt sich Wissenschaft als kontinuierlicher Prozess beschreiben 2.2. Die beschreibende Beobachtung Vorgehensweise: Verhaltensbeobachtung in natürlichem Umfeld (z.b. das Fernsehverhalten von Kindern bzw. deren Spielverhalten auf dem Spielplatz) Unterschieden werden muss u.a. zwischen teilnehmender und nicht teilnehmender Beobachtung. Ziele: umfassende Beschreibung von Verhalten; Generierung neuer Hypothesen Probleme: Seltenes oder privates Verhalten ist (v.a. in natürlichem Umfeld) nur schwer beobachtbar. Außerdem ist die Allgemeingültigkeit solcher Beobachtungen äußerst fraglich, da mögliche Störvariablen nicht eliminiert werden können. Archivanalyse: Auswertung bereits vorhandenen Materials (z.b. Zeitungsartikel, Statistiken, ); problematisch, da die Qualität des Materials nicht sichergestellt werden kann (es ist evtl. veraltet, unvollständig oder inkorrekt) 2.3. Korrelationsstudien Vorgehensweise: systematische Messung von mindestens 2 Variablen (Feld oder Labor); Berechnung von Korrelationen (zw. -1 und +1) Keine der beiden Variablen (z.b. Fernsehkonsum) wird aktiv manipuliert! Störvariablen werden nicht ausgeschaltet! Ziele: Beschreibung von Zusammenhängen (z.b. zwischen der Aggressivität von Kindern und deren Fernsehkonsum); Vorhersage einer Variablen X aus einer Variablen Y Probleme: Korrelationsstudien erlauben keine Aussagen über Kausalität (geringe interne Validität)! Umgekehrter Kausalzusammenhang * Vielleicht ist Aggression gar nicht die Folge von erhöhtem Fernsehkonsum, sondern dessen Ursache! Drittvariable (Konfundierung mehrerer Variablen) * Vielleicht kommen Kinder, die viel fernsehen, aus sozial niedrigeren Schichten und ihre Aggression ist keine Folge des Fernsehkonsums, sondern ihrer Herkunft! 5

Selbstselektion * Vielleicht kommen Kinder, die viel fernsehen, generell aus schlechteren Elternhäusern, sind von vorneherein gewaltbereiter und weniger intelligent. Nur lineare Zusammenhänge können erfasst werden. Kausalanalyse: Konfundierende Variablen werden herauspartialisiert; auf diese Weise kann man z.b. die milieubereinigte Korrelation zwischen Fernsehkonsum und Aggression berechnen. 2.5. Das Experiment Vorgehensweise: Experimentelle, heißt aktive und zielgerichtete Manipulation der Situation (daher überwiegend im Labor); Ausschaltung möglicher Störvariablen Randomisierung: Zufallszuteilung der Pbn auf die verschiedenen Bedingungen Herstellung der Situation: aktive Manipulation mindestens einer UV Kontrolle bzw. Eliminierung möglicher Störvariablen Ziel: Beschreibung bzw. Aufdeckung von Kausalzusammenhängen; möglichst kleiner p-wert (die Wahrscheinlichkeit, dass die Unterschiede in der AV nur durch Zufall zustande gekommen sind) Probleme: externe Validität (Übertragbarkeit auf natürliche Situationen?!) 2.6. Wichtige Begriffe Interne Validität: Sind die Veränderungen der AV eindeutig auf die Variation der UV zurückzuführen? Externe Validität: Generalisierbarkeit über verschiedene Situationen und Personen. Mundane Realism: Ähnlichkeit zu alltäglichen Situationen Psychological Realism: Ähnlichkeit zu den psychologischen Prozessen, die in realen Situationen auftreten (kann durch Coverstories erhöht werden) Die externe Validität lässt sich am besten durch Replikationen prüfen Replikation: Wiederholung eines Versuches mit anderen Versuchspersonen, verändertem Versuchsaufbau usw. Meta-Analyse: Statistische Zusammenfassung mehrerer Studien, die sich mit derselben Forschungsfrage beschäftigen. 6

3. Social Cognition 3.0. Allgemeines Social Cognition ist ein Ansatz in der Sozialpsychologie, der unter dem Paradigma der Informationsverarbeitung steht. Wie verarbeiten und interpretieren wir Informationen, um Urteile und Entscheidungen zu treffen? Grundsätzlich lassen sich zwei Arten der Informationsverarbeitung unterscheiden: 1. Automatisches Denken: unbewusst, unkontrolliert und ohne mentalen Aufwand Verwendung von Schemata und Urteilsheuristiken 2. Kontrolliertes Denken: bewusst, kontrolliert, mentale Arbeit erfordernd Rationales, schlussfolgerndes Denken 3.1. Automatisches Denken (der Autopilot ) 3.1.1. Schemata Schemata sind mentale Strukturen, mit deren Hilfe wir unser Wissen organisieren; kurz: Schemata sind übergeordnete Wissensstrukturen z.b.: Wissen über einzelne Personen, Gruppen, soziale Rollen, sich selbst, Schemata haben Einfluss auf: die Informationsaufnahme, die Enkodierung bzw. Kategorisierung und den Abruf von Informationen ( reconstructive memory ) Welche Schemata angewandt werden, hängt von ihrer momentanen Verfügbarkeit ab. Zu unterscheiden ist: Chronische Verfügbarkeit: Aufgrund gemachter Erfahrungen permanent verfügbare Schemata Priming: Prozess, bei dem die Verfügbarkeit bestimmter Schemata und Konzepte durch unmittelbar vorausgehende Erfahrungen vorübergehend erhöht wird; kurzfristige Aktivierung bestimmter Schemata (subliminal oder wahrnehmbar) Schemata dienen dazu, die Welt um uns herum zu strukturieren. Die permanent auf uns einströmenden Informationen müssen reduziert und geordnet werden, da wir ansonsten überfordert wären. Problematisch wird s nur dann, wenn die von uns verwendeten Schemata falsch sind! Vorteile: sparen Zeit und kognitive Kapazität, sind v.a. bei mehrdeutigen Informationen hilfreich, sinnvolles Ausfüllen von Erinnerungslücken Nachteile: Verzerrungen, Schubladendenken, Stereotype, Vorurteile, Selffulfilling prophecy Priming : kurzfristige (subliminale oder wahrnehmbare) Aktivierung bestimmter Schemata EXPERIMENT (Higgins et al., 1977): Donald und Priming Die Einschätzung einer Person ( Donald ) in einer mehrdeutigen Geschichte hängt davon ab, ob die betroffenen Versuchspersonen vorher mit positiven oder negativen Wörtern geprimt wurden (Bedingung: anders als beim Hof- Effekt (positive Valenz strahlt aus) müssen die Wörter auch inhaltlich zur Geschichte passen!). Wenn ein bestimmtes Schema aktiviert wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dasselbe Schema kurz darauf (möglicherweise in einem völlig anderen, unpassenden Kontext) erneut aktiviert wird. Die Verfügbarkeit von Information hängt v.a. von deren vorheriger Verwendung und nicht so sehr von der aktuellen Situation bzw. Person ab! 7

Reconstructive Memory : Gedächtnislücken werden durch schemakonsistente Details aufgefüllt. D.h.: Nicht alles, woran wir uns erinnern, ist tatsächlich so passiert. Vieles ist erst im Nachhinein von uns ergänzt worden und zwar entsprechend der von uns verwendeten Schemata. EXPERIMENT (Linda Carli, 1999): Barbara und Jack auf der Skihütte Probanden lesen eine Geschichte mit unterschiedlichem Ausgang und werden 2 Wochen später gefragt, woran sie sich erinnern. Je nach Ausgang der Geschichte werden unterschiedliche Schemata aktiviert und entsprechende, schemakonsistente Details erinnert, die in der Geschichte gar nicht vorgekommen sind! UV: Ausgang der Geschichte: Heiratsantrag vs. Vergewaltigung In der Geschichte geht es darum, dass ein Paar (Barbara und Jack) ein Wochenende auf einer Skihütte verbringen. AV: Erinnerungstest 2 Wochen später: Erinnerung schemakonsistenter, aber falscher Ereignisse Z.B.: Jack schenkte Barbara Rosen Preseverence effect : Selbst wenn bestimmte Schemata als unzutreffend entlarvt wurden, wirken sie weiter; da durch die Aktivierung eines Schemas schemakonsistente Erinnerungen aufgerufen werden, die ihrerseits aktiv bleiben. EXPERIMENT (Ross et al., 1975): False Feedback Auch wenn man im Nachhinein gesagt bekommt, dass das Feedback, das man bezüglich der eigenen Leistung bekommen hat, falsch war, hat man nach positivem Feedback ein höheres Selbstwertgefühl als nach negativem Feedback. Ursache: Bei positivem Feedback werden Erinnerungen an vergangene Leistungen, bei negativem Feedback werden Erinnerungen an vergangene Misserfolge wachgerufen. Das Feedback wird zwar im Nachhinein als irrelevant verworfen, nicht aber die durch das Feedback aktivierten Erinnerungen! Self-fulfilling prophecy : siehe oben (Erwartungshaltung = Schema) 3.1.2. Urteilsheuristiken Dem normativen Modell der Ökonomie zufolge müssten rationale Kosten-Nutzen- Abwägungen unsere Urteile bestimmen. Nutzen = Erwartung Wert Glücksspiele wie Lotto zeigen jedoch, dass der Wert oft eine größere Rolle spielt als die Erwartung (letztere ist die Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen und ist meistens nur schwer zu berechnen); Erwartungs-mal- Wert-Theorien können unser Verhalten also nur bedingt erklären! KAHNEMAN und TVERSKY zeigen, dass unter suboptimalen Bedingungen sog. Urteilsheuristiken verwendet werden. Urteilsheuristiken sind Faustregeln, die es ermöglichen, unter suboptimalen Bedingungen schnelle und effiziente Urteile zu fällen (kurz: vereinfachte Schlussfolgerungen)! Sie kommen zur Anwendung, wenn es an Zeit, Motivation oder kognitiver Kapazität mangelt und auf kein Vorwissen (Schemata) zurückgegriffen werden kann. Kahneman und Tversky unterscheiden zwischen der Verfügbarkeitsheuristik, der Repräsentativitätsheuristik und der Verankerungsheuristik (+ Gefühlsheuristik). Kritik an den Urteilsheuristiken: keine kohärente Theorie + spezifische Kritik an einzelnen Experimenten (insbes. zur Repräsentativitätsheuristik) 8

A, Die Verfügbarkeitsheuristik Die Leichtigkeit des Abrufs von Informationen beeinflusst die Urteilsbildung! Die Verfügbarkeitsheuristik wird v.a. bei Häufigkeits- und Wahrscheinlichkeitseinschätzungen und bei sozialer Urteilsbildung herangezogen. Häufigkeits- und Wahrscheinlichkeitseinschätzungen: EXPERIMENT: Der Buchstabe k Die Vpn sollen einschätzen, ob es im Englischen mehr Wörter mit k als ersten oder mit k als dritten Buchstaben gibt. Da Wörter mit k als ersten Buchstaben leichter abgerufen werden können, entscheiden sich die meisten Vpn für ersteres, obwohl es in Wirklichkeit genau umgekehrt ist! Leichtigkeit des Abrufs entspricht nicht immer der Häufigkeit der Darbietung (siehe auch unten) => die Folge sind Fehlurteile! Soziale Urteilsbildung (z.b. Ursachenzuschreibung): EXPERIMENT (Strack & Schwarz, 1991): Selbsteinschätzung Die Vpn sollen sich entweder an 6 oder 12 selbstsichere Verhaltensweisen erinnern und danach ihre generelle Selbstsicherheit einschätzen. Die Vpn, die sich nur an 6 Episoden erinnern sollten, schätzen sich als selbstsicherer ein, da es einfacher ist, sich an 6 Episoden zu erinnern als an 12! EXPERIMENT: Risikoeinschätzung Berufe wie Feuerwehrmann usw. werden zu Unrecht als besonders riskant eingestuft (die meisten Unfälle passieren im Haushalt!) Verfügbarkeit und Urteilsbildung werden hier durch die Medien beeinflusst! B, Die Repräsentativitätsheuristik Die Ähnlichkeit des zu beurteilenden Gegenstandes bzw. Sachverhaltes zu einem typischen Fall beeinflusst die Urteilsbildung Die Basisrate, das heißt die Grundwahrscheinlichkeit, wird dabei vernachlässigt! => die Folge sind Fehlurteile! Repräsentativität der Stichprobe für die Grundgesamtheit Die Lottozahlen 1,2,3,4,5,6 werden zu Unrecht als unwahrscheinlicher eingestuft als 12,2,20,43,5,1; da letztere Abfolge repräsentativer zu sein scheint (Kahneman und Tversky). Repräsentativität der Handlung für den Handelnden Fundamentaler Attributionsfehler (s.o.) C, Die Verankerungsheuristik Der Ausgangswert einer kognitiven Operation beeinflusst das Ergebnis; Man geht von einem Ankerwert aus: Von diesem Ankerwert aus wird im Nachhinein unzureichend adjustiziert. Der Ausgangwert erhöht die Verfügbarkeit konsistenter Informationen. EXPERIMENT (Kahneman und Tversky): Das Ergebnis von Multiplikationsaufgaben, die mit hohen Zahlen beginnen, werden generell höher eingeschätzt (8 7 6 5 4 3 2 1 vs. 1 2 3 4 5 6 7 8) EXPERIMENT (Mussweiler und Englich): In einem konstruierten Vergewaltigungsfall passten Richter ihr Urteil unbewusst an die Forderung der Staatsanwaltschaft an. Die Verankerungsheuristik ist im Grunde eine Übertragung des Primacy-Effekts! 9

D, Gefühlsheuristik Feeling as Information (siehe Allgemeine Psychologie II) EXPERIMENT (Schwarz und Clore): Das Wetter-Experiment In Telefoninterviews werden VPn nach ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit gefragt. Dabei wird ihre Aufmerksamkeit vorher entweder auf das Wetter gelenkt oder nicht. Nur wenn die VPn vorher nicht auf das Wetter aufmerksam gemacht wurden, lassen sie sich von ihm in ihrem Urteil beeinflussen. Bei schlechtem Wetter wird dann eine niedrigere -, bei schönem Wetter eine höhere Lebenszufriedenheit berichtet. 3.2. Theory of automatic believing (Gilbert, 1991) Gilbert geht von zwei Prozessen der Informationsverarbeitung aus. Er unterscheidet zwischen automatic processing und controlled processing. 1. Automatische Verarbeitung: Zunächst werden die eingehenden Informationen geglaubt und zwar automatisch; ohne, dass wir etwas dagegen tun können. 2. Kontrollierte Verarbeitung: Erst in einem zweiten Schritt werden die Informationen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes überprüft und evtl. im Nachhinein abgelehnt. Der zweite Schritt erfordert Zeit und Aufwand und kann daher nicht immer gleichermaßen durchgeführt werden (z.b. bei Müdigkeit, Ablenkung, ) 3.3. Begriffe Counterfactual thinking : Wenn ich bloß 3 Minuten früher gegangen wäre, dann Je knapper man ein Ziel verfehlt hat oder einem Unglück entronnen ist, desto ausgeprägter die Tendenz zu Counterfactual thinking, das seinerseits Einfluss auf die emotionale Reaktion hat ( knapp daneben ist erst richtig vorbei! ). Overconfidence barrier : Die Tendenz des Menschen, zu sehr von den eigenen Urteilen überzeugt zu sein. 10

4. Soziale Wahrnehmung, Eindrucksbildung und Attribution 4.0. Allgemeines Soziale Wahrnehmung: Wie bilden wir uns einen Eindruck von anderen und wie ziehen wir Rückschlüsse aus ihrem und unserem Verhalten? Bei der Einschätzung anderer spielen folgende Faktoren und Prozesse eine Rolle: 1. Nonverbales Verhalten: Wie verhält sich der bzw. die andere? 2. Implizite Persönlichkeitstheorien: Was für ein Typ ist der bzw. die andere? 3. Attributionsprozesse: Warum verhält sich der bzw. die andere so? Warum verhalte ich mich so? 4.1. Nonverbales Verhalten Nonverbale Kommunikation findet u.a. über den Gesichtsausdruck, Gesten, Berührungen, die Körperhaltung und den Tonfall statt. Der Gesichtsausdruck: ist der wichtigste Kanal nonverbaler Kommunikation: EKMAN & FRIESEN unterscheiden zwischen 6 Basisemotionen, die in allen Kulturen gleich ausgedrückt und dementsprechend von allen Menschen verstanden werden: Ärger, Angst, Ekel, Freude, Überraschung und Trauer Hansen und Hansen konnten in einem Experiment zeigen, dass der Ausdruck von Ärger am schnellsten erkannt wird (da überlebenswichtig). Der Ausdruck der Basisemotionen scheint also evolutionär bedingt zu sein! Nichtsdestotrotz ist die Dekodierung der Basisemotionen nicht immer einfach: Affect Blends : Mischungen verschiedener Emotionen, die sich auch im Gesichtsausdruck niederschlagen (Die Gesichtsausdrücke für Ärger und Ekel treten z.b. häufig gepaart auf). Unterdrückung emotionaler Reaktionen Display Rules (Regeln der Darbietung): gesellschaftliche Normen, die bestimmen, in welcher Weise Emotionen in der Öffentlichkeit ausgedrückt werden (dürfen). Gesten: Embleme (wie z.b. Kopfnicken, der erhobene Zeigefinger, ) sind im Gegensatz zur Mimik stärker kulturabhängig (es gibt z.t. erhebliche Unterschiede)! Social Role Theory (EAGLY): In den meisten Gesellschaften nehmen Männer und Frauen verschiedene soziale Rollen ein; Geschlechtsspezifische Rollenerwartungen und -fähigkeiten führen zu unterschiedlichem Verhalten der beiden Geschlechter! Frauen sind besser im En- und Dekodieren nonverbalen Verhaltens, fallen aber eher auf Lügen, sprich vorgetäuschte Gesichtsausdrücke, herein, da sie versuchen, höflich zu sein. => Dieser Effekt findet sich v.a. in Kulturen, in denen Frauen unterdrückt werden! 11

4.2. Implizite Persönlichkeitstheorien Implizite Persönlichkeitstheorien sind Schemata, die verschiedene Persönlichkeitseigenschaften miteinander verknüpfen. Von einer Eigenschaft wird auf andere Eigenschaften geschlossen ( Wer hübsch ist, ist auch nett! ). EXPERIMENT (Hoffmann et al., 1986): In verschiedenen Kulturen gibt es verschiedene implizite Persönlichkeitstheorien; im Westen z.b.: Künstler- Schema; im Osten (China): Shi gú - Schema UV1: Sprache der Geschichte (chinesisch vs. englisch) UV2: Herkunft der Versuchsperson (China vs. Amerika) AV: Anzahl schemakonsistenter Eigenschaften, die von den Vpn generiert werden, obwohl sie in der Geschichte selbst nicht vorkommen Ergebnis: In Abhängigkeit von der Sprache werden der Figur in der Geschichte v.a. die Eigenschaften zugeschrieben, die typisch für das in der jeweiligen Kultur verwendete Schema sind! Sprache beeinflusst unsere Schemata und damit unsere Art, zu denken! 4.3. Attributionsprozesse Attributionstheorien beschäftigen sich damit, wie wir auf die Ursachen von Ereignissen schließen. Wie erklären wir unser eigenes Verhalten und das Verhalten anderer?! Der Mensch als rationales Wesen (dem es um die Erkenntnis von Wahrheit geht) oder sogar als intuitiver Wissenschaftler (der nach Ursachen sucht) Die Ursachen eines bestimmten Verhaltens können entweder innerhalb oder außerhalb der Persönlichkeit liegen. FRITZ HEIDER (1958) unterscheidet deshalb zwischen internaler- und externaler Attribution. Dabei hat der Mensch eine automatische Tendenz zur internalen Attribution ( correspondence bias bzw. fundamentaler Attributionsfehler), da stabile und überdauernde Ursachen generell bevorzugt werden und externale Faktoren oft nur schwer zu überblicken sind. Die Art, wie wir attribuieren, hat Einfluss auf unsere Einstellung zu der betroffenen Person, genauso wie unsere Einstellung zur Person Einfluss auf unsere Art zu attribuieren hat. Positive Beziehung: positives Verhalten wird internal attribuiert, negatives Verhalten external Bei einer negativen Beziehung ist es umgekehrt! 4.3.1. Das Kovariationsmodell (Kelley) KELLEY unterscheidet anders als Heider zwischen drei Attributionstypen: 1. Internale Attribution (Person A) Das Verhalten liegt im Charakter der handelnden Person begründet 2. Externale Attribution (Stimulus bzw. Person B) Das Verhalten der Person A liegt im Charakter der Person B begründet 3. Situationale Attribution (Situation) Das Verhalten liegt in der Situation begründet Auf welche dieser drei Arten attribuiert wird, hängt von folgenden Informationen ab: 1. Konsensinformation: Reagieren andere in dieser Situation in gleicher Weise? 2. Distinktheitsinformation: Reagiert die Person auf diesen Stimulus bei anderen Gelegenheiten in gleicher Weise? 3. Konzistenz: Reagiert die Person auf andere Stimuli in gleicher Weise? 12

Niedriger Konsens + niedrige Distinktheit + hohe Konsistenz = internale Attribution Wenn Person B normalerweise nicht geschlagen wird, nur von A (niedriger Konsens) Wenn es zudem öfter vorkommt, dass Person A andere schlägt (niedrige Distinktheit) Und Person A dementsprechend auch Person B häufig schlägt (hohe Konsistenz) = ist Person A offenbar ein aggressiver Mensch (internale Attribution) Hoher Konsens + hohe Distinktheit + hohe Konsistenz = externale Attribution Wenn Person B auch von anderen oft geschlagen wird (hoher Konsens) Wenn es normalerweise selten ist, dass Person A jemanden schlägt (hohe Distinktheit) Person A Person B aber häufiger schlägt (hohe Konsistenz) = scheint Person B Aggressionen auszulösen (externale Attribution) Bei niedriger Konsistenz = situationale Attribution Wenn es selten ist, dass Person A Person B schlägt (niedrige Konsistenz) = muss es sich um eine Ausnahme handeln, die durch die Situation bedingt ist Kritik an Kelleys Kovariationsmodell: Es gibt Unterschiede bei der Gewichtung der verschiedenen Informationen (siehe z.b.: Einfluss der sozialen Rolle; Akteur/Beobachter-Unterschied) Oft fehlen Informationen, so dass nicht alle drei Dimensionen in den Attributionsprozess eingehen können. Menschen handeln nicht immer so rational, wie das Kovariationsmodell glauben macht (siehe z.b.: fundamentaler Attributionsfehler, Heuristiken, ). 4.3.2. Correspondent Inference Theory (Jones und Davis) Aus dem Verhalten anderer werden Rückschlüsse gezogen. Dieser Attributionsvorgang erfolgt in zwei Schritten: In einem ersten Schritt wird auf die Intention geschlossen (Konnte/Wollte/Wusste die betreffende Person, was sie tat?!). In einem zweiten Schritt werden der Person Dispositionen zugesprochen. Bei der Zuschreibung von bzw. bei der Attribution auf bestimmte Dispositionen spielen folgende Determinanten eine Rolle: Anzahl der distinktiven Merkmale einer Handlung ( noncommon effects ) Je weniger distinktive Merkmale, desto eindeutiger die dispositionale Attribution. * Wenn jemand ein Auto kauft, dass sich nur in einem Merkmal von den anderen unterscheidet (z.b. hinsichtlich seiner Umweltverträglichkeit), lässt das Rückschlüsse auf den Charakter des Käufers zu. Die wahrgenommene soziale Erwünschtheit einer Handlung Dispositionale Attributionen sind v.a. bei normabweichendem Verhalten (niedrige soziale Erwünschtheit) möglich (s.u.: Fidel Castro-Experiment), sofern die Entscheidungsfreiheit des Handelnden gegeben ist. * Wenn jemand bei grün über die Straße geht, sagt das nichts über die Person aus; wenn jemand dagegen bei rot über die Straße geht, könnte man daraus z.b. auf Verantwortungslosigkeit schließen. 4.3.3. Das 2-Stufen-Modell der Attribution (Gilbert) Attributionsprozesse laufen in 2 Schritten ab: 1. Zunächst wird automatisch internal attribuiert 2. Nur bei kognitiver Kapazität und Motivation wird in einem 2. Schritt auch die Situation berücksichtigt. Daraus ergibt sich folgende Erklärung für den fundamentalen Attributionsfehler: Verankerungsheuristik: Die internale Attribution dient als Anker; bei der Berücksichtigung der Situation wird von diesem Ankerwert aus nicht genügend adjustiziert! 13

4.3.4. Der Fundamentale Attributionsfehler ( Correspondence Bias ) Correspondence Bias : Die Tendenz zu internaler Attribution; sprich: das Verhalten einer Person auf deren Persönlichkeit zurückzuführen! => Fundamentaler Attributionsfehler: Vernachlässigung situativer Faktoren EXPERIMENT (Jones & Harris, 1967): Der Fidel-Castro-Essay Die Vpn bekommen Essays über Fidel Castro zu lesen und müssen ausgehend davon die Einstellung des Verfassers einschätzen (Person). Dabei wird einem Teil der Vpn gesagt, die Autoren hätten die von ihnen vertretene Position frei gewählt (Pro- vs. Anti- Castro), einem anderen Teil wird gesagt, die Richtung die Essays sei den Verfassern vorgegeben gewesen (Situation). Auch wenn den Vpn gesagt wurde, die in dem Essay vertretene Position sei dem Verfasser vorgegeben gewesen, schlossen sie aus der Richtung des Essays auf die Einstellung des Autors! Fundamentaler Attributionsfehler: Externale Faktoren werden vernachlässigt! Essays gegen Castro (sozial erwünscht) wurden von den Vpn generell als weniger aussagekräftig gewertet (s.o.). Der fundamentale Attributionsfehler kann durch perzeptuelle Salienz erklärt werden: Die Informationen, die im Fokus unserer Aufmerksamkeit stehen, erscheinen uns automatisch am wichtigsten. EXPERIMENT (Taylor & Fiske, 1975): Die Sitzgruppe Zwei Verbündete des Versuchsleiser führten ein genau vorgegebenes Gespräch. Um die beiden herum saßen 6 Vpn, von denen nur zwei die Gesichter beider Gesprächsteilnehmer sehen konnten. Die übrigen 4 Vpn saßen jeweils zu zweit hinter einem der beiden Gesprächspartner und sahen dementsprechend nur das Gesicht dessen, der ihnen gegenüber saß. Die Vpn stuften immer den Gesprächsteilnehmer als wichtiger ein, dessen Gesicht sie während der Diskussion beobachten konnten. Lediglich die beiden Vpn, die seitlich der Gesprächsteilnehmer saßen, schätzten die Rolle der beiden in etwa gleich ein. Der Akteur/Beobachter-Unterschied: Das Verhalten anderer wird eher internal, das eigene Verhalten eher external attribuiert. Perzeptuelle Salienz: Wenn es um andere geht, ist die Person salienter, wenn es um uns selbst geht, die Situation. Verfügbarkeit von Information: Bei anderen wissen wir oft wenig über die Situation (ungewisse Vorgeschichte ), bei uns selbst kennen wir dagegen Vorgeschichte und Situation! EXPERMENT (Ross et al., 1977): Einfluss der sozialen Rolle Die Vpn werden zufällig einer Rolle zugeordnet (Fragesteller und Befragter); ersterer denkt sich Wissensfragen aus, letzterer versucht sie zu beantworten. Am Ende beurteilen beide, Frager und Befragter, die eigene Allgemeinbildung und die des jeweils anderen. Bei den Beobachtern und den Befragten tritt der fundamentale Attributionsfehler auf: sie schätzen den, der die Fragen gestellt hat, als gebildeter ein, obwohl dieser sich die Fragen selbst ausgedacht hat (Situation). Der Frager selbst schätzt sich realistischer ein (er hat mehr Distinktheitsinformationen, da er sich auch in anderen Situationen kennt) 14

Selbstwertdienliche Attribution: Erfolg wird internal, Misserfolg external attribuiert! Defensive Attribution: Attributionen, durch die unangenehme Gefühle vermieden werden (wie z.b. der Gedanke an die eigene Sterblichkeit und Unzulänglichkeit) Unrealistischer Optimismus: Wir tendieren dazu, zu glauben, uns selbst widerführen gute Dinge eher als anderen, während schlechte Dinge eher anderen passieren als uns selbst. Deswegen haben wir z.b. keine allzu große Angst bei Extremsport: Uns passiert schon nichts! Glaube an eine gerechte Welt: Blaming the victims Z.B. wird Vergewaltigungsopfern oft eine Teilschuld nachgesagt; auf diese Weise wird der Glaube an eine gerechte Welt aufrechterhalten! Spotlight Effekt: Wir überschätzen die Attributionen, die andere über unser Verhalten anstellen; kurz: die anderen achten viel weniger auf uns, als wir glauben. 4.3.5. Kulturelle Unterschiede Westen: individualistische Kultur Osten: kollektivistische Kultur Der fundamentale Attributionsfehler: findet sich in beiden Kulturkreisen, ist jedoch im Westen stärker ausgeprägt als im Osten; vermutlich sind Menschen aus dem östlichen Kulturkreis sensitiver für situationale Informationen. Akteur/Beobachter-Unterschied: In allen Kulturen wird das eigene Verhalten eher external erklärt. Selbstwertdienliche Attributionen: finden sich nur im westlichen Kulturraum. Im Osten ist es umgekehrt: Erfolg wird eher auf die Situation-, Misserfolg auf die eigene Persönlichkeit attribuiert (zurückgeführt). Defensives Attribuieren: Je größer die Schere zwischen arm und reich, desto ausgeprägter die Tendenz zu defensiver Attribution! Der Spotlight-Effekt: ist in kollektivistischen Kulturen logischerweise weniger ausgeprägt als in individualistischen! 4.4. Zusammenfassung: Warum unsere Eindrücke u. Urteile oft falsch oder verzerrt sind, ohne dass wir es merken Kognitive Mechanismen: 1. Heuristiken (Verfügbarkeit, Repräsentativität, Verankerung, Gefühl) 2. Primacy-Recency-Effekt 3. Schemata und implizite Persönlichkeitstheorien 4. Erhöhte chronische oder geprimte Verfügbarkeit von Schemata 5. Attributionsfehler (fundamentaler Attributionsfehler; Akteur/Beobachter- Unterschied) Motivationale Mechanismen: 1. Selbstwertdienliche Attribution 2. defensive Attribution (unrealistischer Optimismus; Glaube an eine gerechte Welt) Warum diese Mechanismen von uns meist unbemerkt bleiben: 1. Fehlende Information (z.b. über die Situation) 2. Self-fulfilling prophecy 3. Perseveranzeffekt (keine Korrektur bei schemainkonsistenter Information) 4. Bestätigung durch andere Beobachter, die denselben Verzerrungen unterliegen 5. Overconfidence Barrier 15

5. Self Knowledge 5.1. Das Selbst Es ist ein Grundmotiv des Menschen, sich selbst zu erkennen, d.h. sich realistisch einzuschätzen. Zu unterscheiden sind Selbstkonzept und Selbst-Aufmerksamkeit. Ersteres verhält sich zu letzterem wie ein Buch zum Leser. Das Selbstkonzept ist der Inhalt unseres Selbst, d.h. unser Wissen darüber, wer wir sind. Die Selbst-Aufmerksamkeit bezeichnet die Fähigkeit, über sich selbst nachzudenken; sie ist damit unbedingte Voraussetzung für ein Selbstkonzept. Wie bekommen wir Informationen über uns selbst? durch Introspektion (Selbstaufmerksamkeitstheorie) durch Beobachtung unseres Verhaltens (Selbstwahrnehmungstheorie) durch Selbstschemata durch soziale Interaktion Funktionen des Selbst: Organisation des selbstbezogenen Wissens (Self-Reference Effect) Emotionsauslösung (Higgins Selbstdiskrepanztheorie) Verhaltenskontrolle (Self-regulatory resource model) Der Self-Reference Effect: Menschen tendieren dazu, sich Informationen besser zu merken, wenn sie in Beziehung zu ihnen selbst stehen. Die Selbstdiskrepanztheorie (HIGGINS): Higgins unterscheidet zwischen drei Selbstschemata: dem ought-self, dem actual self und dem ideal self ; Diskrepanzen zwischen dem tatsächlichen Selbst und einem der beiden anderen Schemata führen laut Higgins zu negativen Emotionen. Actual self Ought self : Emotionen wie Angst, Besorgnis, Scham, Actual self Ideal self : Emotionen wie Niedergeschlagenheit, Trauer, Das Self-regulatory resource model: So ähnlich wie ein Muskel verbraucht Selbstkontrolle Energie. Daher ist man in der zweiten von zwei aufeinander folgenden Aufgaben, die Selbstkontrolle erfordern, meistens schlechter als in der ersten. Allerdings ist Selbstkontrolle auch hier greift die Muskelmetapher trainierbar! 5.2. Kultur- und geschlechtsbedingte Unterschiede Kulturabhängigkeit des Selbstkonzepts: Im westlichen Kulturkreis: unabhängiges Selbstkonzept (die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen bestimmen das Selbstbild) Im östlichen Kulturkreis: interdependentes Selbstkonzept (die Beziehungen zu anderen Menschen und sozialen Gruppen bestimmen das Selbstbild) Geschlechtsunterschiede: Bei Männern: kollektive Interdependenz (definieren ihr Selbstbild eher über ihre Mitgliedschaft in größeren Gruppen, z.b. über ihre Nationalität) Bei Frauen: relationale Interdependenz (definieren ihr Selbstbild eher über enge, ausgesuchte Beziehungen, z.b. zu ihrer Familie) 16

5.3. Introspektion Introspektion = Erforschen der eigenen Gedanken, Gefühle und Motive Selbstaufmerksamkeitstheorie (Carver & Scheier): Eine Erhöhung der Selbstaufmerksamkeit (z.b. durch einen Spiegel) führt dazu, dass man das eigene Verhalten mit seinen inneren Werten und Standards vergleicht. Stößt man dabei auf Diskrepanzen, gibt es 2 Möglichkeiten: Entweder man verändert sein Verhalten oder man verringert die Selbstaufmerksamkeit (durch Alkohol, Ablenkung usw.). Unser Innenleben ist uns meist nur bedingt zugänglich. Insofern kommt es bei der Introspektion häufig zu Verzerrungen: Telling more than we can know : Wir erklären unsere Gefühle und Gedanken häufig mit vorgegebenen Theorien. Solche kausalen Theorien sind meistens kulturell bedingt (z.b. Volksweisheiten); sie klingen zwar plausibel, sind aber keineswegs immer zutreffend. EXPERIMENT (Nisbett & Wilson, 1977): Das Kettensägen-Experiment Vpn schauen einen Dokumentarfilm. Ein Teil von ihnen wird dabei vorübergehend durch den Lärm einer Kettensäge gestört. Im Nachhinein sollen alle Vpn den Film bewerten; die Experimentalgruppe wird zudem gefragt, wie sehr der Lärm ihr Urteil beeinflusst habe. Die Vpn, die gestört wurden, bewerten den Film keineswegs schlechter als die Vpn in der Kontrollgruppe; trotzdem geben sie an, dass sie den Film ohne Störung besser bewertet hätten. => Sie vertrauen zu Unrecht der kausalen Theorie, dass Lärm störend sei. Reasons-Generated Attitude Change : Da uns die wahren Gründe für unsere Einstellungen nicht immer einfallen, v.a. wenn sie komplex sind, können sie durch plausible und leicht zu verbalisierende Gründe verdrängt werden. Auf diese Weise kann es bei der Analyse der eigenen Beweggründe zu einer vorübergehenden Einstellungsänderung kommen. Schließlich sind die verfügbarsten Gründe nicht immer die richtigen (insofern sind auch Listen mit Pros und Cons nicht immer sinnvoll, da uns die entscheidenden Pros bzw. Cons evtl. gar nicht einfallen)! * Zu erklären, warum man jemanden liebt, ist schwierig; das Nervige am anderen ist oft leichter zu benennen als das Faszinierende. Wenn man drüber nachdenkt, kann man kurzfristig versucht sein, an der eigenen Liebe zu zweifeln (schließlich scheint es ja keine Gründe zu geben!) 5.4. Beobachtung des eigenen Verhaltens Selbstwahrnehmungstheorie (Bem, 1967): Wenn keine externalen Ursachen für unser Verhalten vorliegen (z.b. Zwang) und unsere Einstellungen und Gefühle ambivalent bzw. noch unklar sind, erschließen wir diese aus unserem eigenen Verhalten. Vgl. Attributionstheorien: So wie wir aus dem Verhalten anderer auf deren Einstellung schließen, schließen wir aus unserem eigenen Verhalten auf unsere Einstellung sofern keine externen, situationalen Ursachen vorliegen! Bem s Selbstwahrnehmungstheorie (1967) ist nicht zuletzt eine Alternativerklärung zur kognitiven Dissonanz Festingers (1957): Sie kommt mit weniger Annahmen aus und vermag trotzdem dieselben Phänomene zu erklären (s.u.)! 17

Overjustification Effect: Vorbemerkung: Es gibt eine intrinsische Motivation, die auf persönlichem Interesse beruht, und eine extrinsische Motivation, die auf Belohnung bzw. Bestrafung beruht. Der Overjustification Effect besagt, dass externale Gründe (z.b. Belohnung) die intrinsische Motivation verdrängen können. EXPERIMENT (Greene et al., 1976): Das Mathespiel Nach einer Belohnungsphase spielen die Kinder ein Mathespiel weniger häufig als vor der Belohnungsphase! Das ursprüngliche Interesse an dem Mathespiel (intrinsische Motivation) geht verloren, wenn das Spielen vorübergehend belohnt wird. Vermeidung des Overjustification Effects: Leistungskontingente Belohnung statt aufgabenkontingenter Belohnung (Nicht das Mathespiel an sich, sondern lediglich gute Leistungen darin sollten belohnt werden) => Aber Vorsicht: Bewertungsangst muss vermieden werden, da sie Motivation raubt! Betonung der intrinsischen Motivation Zwei-Faktoren-Theorie der Emotionen (Schachter u. Singer): Der unspezifische Erregungszustand gibt lediglich an, dass ein emotionaler Zustand vorliegt und wie stark dieser ist. Um welche Emotion es sich konkret handelt, wird aus der jeweiligen Situation geschlossen, in der die Erregung auftritt. Das Arousal (die Erregung) bestimmt also die Intensität-, die Situation die Qualität der Emotion! Schema: Unspezifisches Arousal => Bedürfnis dieses Arousal zu erklären => Attribution des Arousals auf eine emotionale Ursache (abhängig von der jeweiligen Situation) => Emotion EXPERIMENT (Schachter u. Singer, 1962): UV Manipulationen: 1) Erregung: Injektion von Adrenalin vs. Placebo Coverstory: Angeblich soll der Einfluss eines Vitamins auf die Sehleistung überprüft werden. 2) Erklärungsbedürfnis: Vpn werden über die Nebenwirkung des Vitamins entweder richtig informiert, falsch informiert oder gar nicht informiert. 3) Kognitive Attribution: angenehmes vs. unangenehmes Umfeld (eine angebliche andere Vp ( Verbündeter des Vl) verhält sich entweder euphorisch oder verärgert). AV: Emotionales Empfinden der Vp (Selbsteinschätzung und Verhalten) Hypothesen: Die nicht bzw. falsch informierten Vpn sollten die durch das Adrenalin ausgelöste Erregung je nach Situation anders deuten. Entsprechend dem Verhalten der anderen Vp sollten sie entweder ärgerlich oder euphorisch werden. In der Placebogruppe und bei den informierten VPn sollte dieser Effekt nicht auftreten. Ergebnisse: Die Ergebnisse scheinen das Modell von Schachter und Singer zu bestätigen. 18

Da Arousal und Situation oft mehrdeutig sind, kann es zu Fehlinterpretationen kommen (Fehlattribution des Aurousals). EXPERIMENT: Ist die Frau hübsch oder die Brücke gefährlich?! Männer finden eine Frau attraktiver, wenn sie auf einer Hängebrücke von ihr interviewt werden, als wenn sie in einer entspannten Situation von ihr interviewt werden. Kognitive Appraisaltheorien: Emotionen resultieren aus unserer Interpretation bzw. unserer Bewertung von Ereignissen die physiologische Erregung (Arousal) ist zweitrangig! 5.5. Soziale Interaktion Soziale Interaktion ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung des Selbstkonzeptes. Affen, die isoliert aufwachsen, erkennen sich (Farbklecks) erst viel später im Spiegel - manchmal gar nicht! Theorie der sozialen Vergleiche (Leon Festinger): Durch den Vergleich mit anderen erhalten wir Informationen über unsere eigenen Fähigkeiten und Einstellungen (v.a. wenn objektiven Kriterien zur Verfügung stehen). Mit wem wir uns vergleichen (die Art der sozialen Interaktion), hängt von unserer Motivation ab: Wollen wir ein genaues Bild der eigenen Leistung vergleichen wir uns mit ähnlichen Personen Geht es uns um die Verbesserung der eigenen Leistung orientieren wir uns an Besseren (upward social comparison) Wollen wir unser Selbstwertgefühl erhöhen vergleichen wir uns mit Schlechteren (downward social comparison) Geht es uns darum, vor anderen eine gute Figur zu machen (Impression Management) schleimen wir uns ein oder üben uns in Self- Handicapping 19

6. Kognitive Dissonanz und das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen 6.1. Die Theorie der kognitiven Dissonanz (Leon Festinger, 1957) Sind Verhalten und Kognition inkonsistent bzw. dissonant, ist das Selbstkonzept (nämlich ein vernünftiger, moralischer und kluger Mensch zu sein) und damit der Selbstwert bedroht. Kognitive Dissonanz wird dementsprechend als unangenehm empfunden! Verhalten (ich rauche) Kognition (rauchen ist ungesund) Möglichkeiten, kognitive Dissonanz zu reduzieren: 1. Änderung des Verhaltens 2. Subtraktion dissonanter Kognitionen ( Rauchen ist gar nicht so schädlich ) 3. Addition konsonanter Kognitionen ( Rauchen steigert meine Kreativität ) 4. Einstellungsänderung ( Gesundheit ist nicht alles im Leben ) Laut Festingers Theorie ist der Mensch ein rationalisierendes Wesen, dem es v.a. um hedonistische Ziele geht: die Bewahrung des Selbstwerts und die Vermeidung von Schmerz (in Form kognitiver Dissonanz). Rationales Verhalten: Gründliches Abwägen der Argumente => Urteil Rationalisierendes Verhalten: Intuitiv gefälltes Urteil => Argumente werden erst im Nachhinein generiert! EXPERIMENT (Jones & Kohler, 1959): Welche Argumente bleiben?! Vpn sollen einen Text über Rassentrennung lesen; danach werden sie gefragt, an welche der im Text enthaltenen Argumente sie sich erinnern. Variiert wird lediglich die Einstellung der Vpn (Neutrale Vpn vs. Befürworter und Gegner der Rassentrennung). Lediglich die neutral eingestellten Vpn gehen rational vor: Sie merken sich die plausibelsten Argumente am besten, unabhängig davon, ob diese für oder gegen Rassentrennung sprechen. Für die übrigen Vpn gilt: Von den Argumenten, die die eigene Position stützen, bleiben die besten -, von den Argumenten, die der eigenen Position widersprechen, bleiben die schlechtesten in Erinnerung. Die guten Argumente für die Gegenposition und die schlechten Argumente für die eigene Position führen zu kognitiver Dissonanz und werden deshalb verdrängt! Kognitive Dissonanz tritt nur dann auf, wenn das Verhalten subjektiv frei gewählt wurde und keine externalen Zwänge oder Belohnungen vorliegen (Letztere werden von der Theorie als konsonante Kognitionen aufgefasst, die als solche das jew. Verhalten hinreichend rechtfertigen)! EXPERIMENT (Festinger u. Carlsmith, 1959): Das Dissonanzexperiment Ablauf: Nachdem die Vpn an einem extrem langweiligen Experiment teilgenommen haben, werden sie gebeten, den folgenden Vpn zu erzählen, das Experiment sei spannend gewesen (Lüge => kognitive Dissonanz). UV: Den einen wird dafür 1$ (unzureichende Rechtfertigung), den anderen werden 20$ (externale Rechtfertigung) angeboten (UV = Höhe der Belohnung). Im Nachhinein werden die Vpn noch einmal gefragt, wie ihnen das Experiment gefallen hat (AV = Einstellung). Dem Behaviorismus zufolge müsste eine höhere Belohnung eher zu einer Einstellungsänderung führen. 20

Nach der Dissonanztheorie ist die hohe Belohnung eine zusätzliche konsonante Kognition; es bedarf insofern keiner Einstellungsänderung mehr, um die kognitive Dissonanz zu reduzieren. Anders bei der Gruppe mit niedriger Belohnung! Tatsächlich behaupten die Vpn, die für ihre Lüge nur eine geringe externale Rechtfertigung haben (1$), hinterher, dass das Experiment gar nicht so langweilig gewesen sei (=Einstellungsänderung); während die anderen ihrer ursprünglichen Meinung treu bleiben. 6.1.1. Folgen kognitiver Dissonanz Postdezisionale Dissonanzreduktion: Hat man einmal eine Entscheidung getroffen, wertet man die Option, für die man sich entschieden hat, nachträglich auf, die Alternativen wertet man dagegen ab. Je wichtiger und irreversibler die Entscheidung, desto stärker der Effekt. EXPERIMENT (Brehm, 1956): Das verschenkte Haushaltsgerät Frauen bekommen diverse Haushaltsgeräte (Toaster usw.) zur Bewertung vorgelegt; im Anschluss daran bekommen sie eines von 2 gleich bewerteten Geräten geschenkt. 20 Minuten, nachdem sich die Frauen sich für eines der beiden Geräte entschieden haben, bewerten sie dieses Produkt signifikant besser als das andere. Lowballing : Nachdem sich der Käufer für ein Produkt entschieden - und am Besten den Check schon unterschrieben hat, setzt der Käufer den Preis hoch, indem er behauptet der Ausgangspreis sei ein Irrtum gewesen. Aufgrund der postdezisionalen Dissonanzreduktion ist es unwahrscheinlich, dass der Käufer einen Rückzug macht; er hat seine Entscheidung bereits zu sehr aufgewertet. Die Änderung moralischer Werte: Hat man sich unmoralisch verhalten, tendiert man dazu, die Werte dem Verhalten anzugleichen, um auf diese Weise die kognitive Dissonanz zu reduzieren. EXPERIMENT (Mills, 1958): Mogeln in der Grundschule Nachdem Grundschulkinder in einem Wettbewerb gemogelt haben, bewerten sie Mogeln als weniger schlimm; die Kinder, die nicht gemogelt haben, sind dagegen nach dem Wettbewerb noch stärker dagegen als vorher. Justification of Effort: Je schwieriger es war, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, desto attraktiver wird es im Nachhinein bewertet. EXPERIMENT (Aronson & Mills, 1959): Studenten, für die es schwierig war, in eine Diskussionsgruppe aufgenommen zu werden, halten diese anschließend für besser. Counterattitudinal Advocacy und Internal Justification: Trifft man Aussagen, die der eigenen Einstellung widersprechen (Counterattitudinal Advocacy), tendiert man danach dazu, seine Einstellung / sein Verhalten den gemachten Aussagen anzugleichen (Internal Justification). Anwendung: Einstellung gegenüber Minderheiten / zur Benutzung von Kondomen / usw. können auf diese Weise geändert werden. Insufficient Punishment (Vgl.: Overjustification Effect): Werte etc. werden nur dann internalisiert, wenn sie nicht nur aus externalen Gründen (Angst vor Bestrafung) befolgt werden. Insofern ist eine geringe Bestrafung oft effektiver als eine schwere Bestrafung. Bei geringer Bestrafung kann das eigene Verhalten nicht external erklärt werden; stattdessen bedarf es einer Einstellungsänderung. Man überzeugt sich 21

aufgrund kognitiver Dissonanz selbst von der Richtigkeit des eigenen Handelns (Self- Persuasion). Die dadurch bewirkte Verhaltensänderung ist dauerhaft und nachhaltig. EXPERIMENT (Aronson & Carlsmith, 1963): Das verbotene Spielzeug Kindern wird verboten, mit ihrem Lieblingsspielzeug zu spielen. Den einen wird dabei eine milde, den anderen eine schwere Bestrafung angedroht (UV). Es zeigt sich, dass die Kinder, denen lediglich eine milde Strafe angedroht wurde, das Spielzeug danach weniger attraktiv finden als vorher; die Kinder, denen mit schwerer Bestrafung gedroht wurde, zeigen dagegen keine nachhaltige Einstellungsänderung. Das verbotene Spielzeug wird für einige von ihnen sogar noch attraktiver. Dieser Effekt besteht auch noch mehrere Wochen nach dem Experiment. Ben Franklin Effekt: Wenn man jemandem einen Gefallen tut, mag man diese Person anschließend mehr. Umgekehrt wertet man denjenigen, dem man schadet, im Nachhinein ab (vgl. Drittes Reich: Untermenschen ). Stichwort: Rationalisierungsfalle! 6.4. Verwandte Theorien Die Selbstdiskrepanztheorie (Higgins): s.o. Die Self-Evaluation Maintenance Theory (Tesser): Unser Selbstkonzept kann durch Vergleichspersonen, die besser sind als wir, bedroht werden (Johanna gewinnt Literaturwettbewerb). Wie groß die Bedrohung ist, hängt davon ab, (1) wie relevant die bedrohte Eigenschaft für unser Selbstkonzept ist und (2) wie nahe uns die Vergleichsperson steht. Ist uns die betreffende Vergleichsperson fremd, bedroht sie uns kaum. Steht uns die Vergleichsperson dagegen nahe, sonnen wir uns entweder in ihrem Glanz ( basking in reflected glory ) wenn die Person in einem Bereich besser ist, der für unser Selbstkonzept nicht relevant ist. oder empfinden Dissonanz, wenn die betreffende Person in einem uns wichtigen Bereich besser ist. In diesem Fall gibt es 3 Möglichkeiten, die Dissonanz zu reduzieren: 1) Sich von dem Freund/der Freundin distanzieren 2) Die persönliche Relevanz / das Selbstkonzept als ganzes ändern 3) Besser werden bzw. die Leistung des anderen heruntersetzen EXPERIMENT (Tesser, 1980): Bei Aufgaben, die für das Selbstkonzept relevant sind (da sie angeblich Intelligenz widerspiegeln), helfen die Vpn Fremden eher als Freunden. Ist unser Selbstkonzept bezüglich einer bestimmten Eigenschaft bedroht (z.b. bezüglich unseres schriftstellerischen Könnens), gibt es 2 Möglichkeiten: Self-Affirmation: Man kann sich auf einen anderen Aspekt des Selbstkonzepts konzentrieren und in diesem Bereich nach Bestätigung suchen ( kann zwar nicht schreiben, aber dafür gut auswendig lernen ). Self-Completion: Man kann aber auch in dem bedrohten Bereich nach zusätzlicher Bestätigung suchen. 22