DIE FRANZÖSISCHE REVOLUTION VOM TERROR ZUM DIREKTORIUM: DAS BÜRGERTUM AN DER MACHT?

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Transkript:

Universität Bielefeld Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie -Abt. Geschichte- Seminar: (FDA) Europäische Revolutionen Veranstalter: Steinberg SoSe 2005 Abgegeben von: Yvonne Döding Philipp Horst 16.09.2005 DIE FRANZÖSISCHE REVOLUTION VOM TERROR ZUM DIREKTORIUM: DAS BÜRGERTUM AN DER MACHT? Gliederung: 1. Grundsituation 1795 2. Wirtschaftliche Krise und ihre Folgen 2.1 Eine neue Verfassung 2.2 Wirtschaftliche Situation 3 Baboeuf und das Manifest der Gleichen 4 Außenpolitik 5. Ausblick Literatur: - Haupt, H.-G., Sozialgeschichte Frankreichs seit 1789, (Edition Suhrkamp, Bd. 535), Frankfurt a. M., 1989. - Schulin, E.: Die Französische Revolution, München 1988. - Soboul, A.: Französische Revolution. Ein Abriss ihrer Geschichte (1789-1799), Frankfurt a. M. 1973. - ders. Die Sektionen von Paris im Jahre II. Bearbeitet und Herausgegeben von Walter Markov. Verlag Rütten & Loening, Berlin (Ost) 1962. - Mathiez, A., Lefèbvre, G.: Die Französische Revolution, Zürich 1950. - Markov, W. u. a., Die Französische Revolution. Bilder und Berichte 1789-1799, Berlin,1989, S.315ff.) 1

- Marx- Engel, Studienausgabe, Bd.IV, Geschichte und Politik 2, Abhandlungen und Zeitungsaufsätze, hrsg. von Irig Fetscher, Frankfurt 1972, S. 34 ff. - Preusse, W. (hrsg.), Die Französische Revolution in Wort und Bild, Hamburg, o.j., S. 165.) - Pabst, S., Die Köpfe der Französischen Revolution 1789-1799, Frankfurt a. M. 1989. - Ziebura, G.: Frankreich 1789-1870. Entstehung einer bürgerlichen Gesellschaftsformation, Frankfurt a. M., New York 2

: Zeittafel 1795 Januar Eroberung der Niederlande 1. April Germinal- Aufstand der Sansculotten gegen das Konvent wird niedergeschlagen 5. April Friedensschluss mit Preußen in Basel 16. Mai Gründung der Batavischen Republik (Niederlande) 20.- 23. Mai Prairial- Aufstand der Sansculotten wird niedergeschlagen 21. Juli Kapitulation der bei Quiberon gelandeten Royalisten 23. September Verkündung der Direktorialverfassung 5. Oktober Royalistischer Vendemiaire- Aufstand in Paris von Bonapartes Truppen niedergeschlagen 25. Oktober Gründung des Institut de France 26. Oktober Letzte Sitzung des Konvents 31. Oktober Bildung des ersten Direktoriums 1796 19. Februar Abschaffung der Assignaten März- April Siegreicher Feldzug Bonapartes in Norditalien 10. Mai Verhaftung Babeufs und seiner Anhänger 16. Oktober Proklamation der Cispadanischen Republik in Italien 1797 4. Februar Ende der Assignatenwährung 18. April Waffenstillstand von Leoben mit Österreich 27. Mai Hinrichtung Babeufs 6. Juni Gründung der Ligurischen Republik 9. Juli Verschmelzung der Ligurischen und der Cispadanischen zur Cisalpinischen Republik 4. September Fructidor- Staatsstreich des Direktoriums 17. Oktober Friede von Campo Formio mit Österreich 3

1798 9. Februar Gründung der Helvetischen Republik 15. Februar Gründng der Römischen Republik. Floréal- Staatsstreich des Direktoriums 19. Mai Beginn der Expedition Bonapartes nach Ägypten 16. November Bildung der 2. Koalition gegen Frankreich 1799 23. Januar Gründung der Parthenopeischen Republik (Neapel) 27. April Österreichische und russische Truppen erobern Mailand. Auflösung der Cisalpinischen Republik 18. Juni Prairial- Staatsstreich der Legeslative gegen das Direktorium Juli Auflösung der Römoischen und der Parthenopeischen Republik 8. Oktober Bonaparte kehrt nach Frankreich zurück 9./10. November Brumaire- Staatsstreich Bonapartes. Auflösung des Direktoriums, Errichtung des Konsulats. (Aus: Schulin, E., Die Französische Revolution, München,1988, S. 276f.) 4

1. Grundsituation 1795 Die Jahre zwischen dem Tod Robespierres und der Machtergreifung durch Napoleon waren gekennzeichnet durch die militärische Expansion Frankreichs und die Einrichtung einer gemäßigt autoritären Herrschaft des so genannten Direktoriums (1795-1799). Das Ende der Jakobinerherrschaft verschaffte nun den großen Umstürzlern, den Thermidorianern, die Möglichkeit sich politisch zu behaupten. Zuerst musste die Lage im Innern stabilisiert werden. Die permanente Kriegswirtschaft und der harte Winter 1794/95 hatten im Land deutliche Spuren hinterlassen. Es herrschte eine Hungersnot, die Revolten mit der Forderung nach Brot nach sich zogen. Durch Hungersnöte hervorgerufene Aufruhen, die Menschen fordern symbolisch Brot (Aus: Preusse, W. (hrsg.), Die Französische Revolution in Wort und Bild, Hamburg, o.j., S. 165.) M 2 zeigt einen Stich der Unruhen, die zur Folge hatten, dass eine Aufgebrachte Menge am 20. Mai 1795 den Konvent stürmte und mit der Forderung nach Brot den Wunsch nach mehr Gerechtigkeit und Gleichheit verknüpften. 5

6

(Aus: Markov, W. u. a., Die Französische Revolution. Bilder und Berichte 1789-1799, Berlin,1989, S.315 ff.) 7

Aufgaben: 1. Welche Forderungen werden in Q 2 formuliert? 2. Welche gesellschaftliche Gruppe steht dahinter? 3. Gegen wen richtet sich die Erklärung der Aufständischen? 2. Wirtschaftliche Krise und ihre Folgen 2.1 Eine neue Verfassung Nachdem sich die innenpolitische Lage im Sommer 1795 entspannt hatte, wurde eine neue Verfassung erlassen. Die Verfassung sollte die Freiheit des Bürgers ebenso wie seine Sicherheit garantieren. Am 17. 08. wurde die Verfassung verabschiedet. Bedeutsam daran war, dass den Menschen nun wieder ihre zugestandene Gleichheit von Geburt an aberkannt wurde und sie nur noch als vor dem Gesetz gleich behandelt wurden. 8

(Aus: Markov, W. u. a., Die Französische Revolution. Bilder und Berichte 1789-1799, Berlin,1989, S.318f.) Fragen: 1. Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus der Präambel zur Direktorialverfassung? 2. Bewerten Sie die Stellung von Freiheit und Gleichheit in der Präambel? 9

Die französische Verfassung von 1795 setzt wieder mehr auf Gewaltenteilung. Das Direktorium stand nun an der Spitze der Exekutive in Frankreich. Es wurde das allgemeine Wahlrecht für alle Zeit fest verankert, allerdings ist es gekoppelt an das Mindesteigentum- ein Zensuswahlrecht wird eingeführt. : Die französische Verfassung des Jahre 1795 Leitung der Exekutive Ein Direktoriumsmitglied im Turnus für 3 Monaten Staatsspitze Direktorium 5 Direktoren im jährlichen Turnus für 5 Jahre gewählt Haute Cour de Justice Ernennung aus der Vorschlagsliste 8 Minister Richter Rat der Alten Rat der 500 - mind. 40 Jahre - bewilligt Gesetze Vorschlagsliste Corps Législatif - mind. 30 Jahre - schlägt Gesetze vor Jährliche Erneuerung von 1/3 der Mitglieder Wahlmänner Männer, die direkte Steuern im Wert von 150 bis 200 Arbeitstagen zahlen bestimmt Urwählerversammlungen der Bürger Männer, die direkte Steuern im Wert von 3 Arbeitstagen zahlen Aufgaben: 1. Beschreiben Sie die Verfassung von 1795. Welche Freiheiten bietet die neue Verfassung? Welche Schwierigkeiten/ Probleme ergeben sich aus ihr? Wo liegen die Schwachpunkte? 2. Welche Folge hat das Zensuswahlrecht? 3. Kann man von einer Einschränkung der Bürger- und Menschenrechte durch das Zensuswahlrecht sprechen? 10

4. Wird die Direktorialverfassung ihrer Präambel gerecht? Die Wahlen, die 1795 auf die Erlassung der Direktorialverfassung folgten, galten der Besetzung des Corps Légeslatif. Schon die ersten Wahlen offenbarten jedoch ihre Manipulierbarkeit: Die Direkorialverfassung sieht vor, dass jedes Jahr lediglich ein Drittel des Corps neu gewählt werden dürfte, diese Hintertür die zum Schutz der Verfassung dienen sollte wurde nun im ersten Jahr ihres Bestehen direkt gegen sie missbraucht. Es wurde beschlossen, dass der Corps mit zwei Dritteln des ehemaligen Konvent, ohne Wahlen, besetzt werden sollte, wodurch die alten Machthaber am Ruder blieben. Sitzeverteilung im Corps Legislatif (1795) Sitzeverteilung im Corps Legislatif (1795) Linke; 64 Unentschlossene Marais; 100 Thermidorianer; 242 Konterrevolutionär e; 88 gemäßigte Royalisten; 73 gemäßigte Republikaner; 140 11

Die folgende Sekundärquelle (M 6) liefert einen Einblick in die Verfassung und ihre Verfassungswirklichkeit. Es gab also Wahlrechtseinschränkung, es war der Nachweis eines bestimmten beweglichen oder unbeweglichen Eigentums nötig, das der direkten Besteuerung unterlag, wenn man das Wahlrecht beanspruchen wollte. Nur Soldaten bekamen es auch ohne diesen Steuernachweis. Das städtische und ländliche Proletariat wurde damit von den Urnen ferngehalten. Von den 7 Millionen, die bei allgemeinem männlichem Stimmrecht hätten wählen können, waren aber nun immerhin schon 5 Millionen im Besitze des Wahlrechts. Das zeigt, daß im Frankreich von 1795 das Eigentum schon in hohem Maße aufgeteilt war. Bei der Wählbarkeit allerdings bestanden so starke Einschränkungen, daß es praktisch auf wohlhabende Leute begrenzt blieb. Und de facto machten von ihrem Wahlrecht nur wenige Gebrauch: 1795 nur ein Fünftel- aus Desinteresse oder weil es zu kompliziert war oder weil die Pfarrer davon abrieten. Die Legislative sollte aus zwei Kammern bestehen, nach amerikanischem Muster, wie es die Constituante abgelehnt hatte. Aber was für zwei Kammern? Weder Oberhaus noch Senat waren möglich, auch nicht Reichtumsabstufungen. Man nahm einen "Rat der Alten" von 250 Mitgliedern, die mindestens 40 Jahre alt und entweder verheiratet oder verwitwet sein mußten. Außerdem nahm man einen Rat der 500 (Conseil de Cinq Cents), dessen Mitglieder mindestens 30 Jahre alt sein mußten und nicht verheiratet zu sein brauchten. Crane Brinton bemerkt dazu: "So wurde die biedere, aber höchstwahrscheinlich irrige Volksmeinung, daß Alter und Ehestand eine Bürgschaft für politische Besonnenheit darstellen, formell in die neue Verfassung eingebaut. Der Rat der Alten war als konservatives Gegengewicht gedacht. " 1 Ein Drittel der Mitglieder jeder Kammer waren jährlich zu erneuern. Als Exekutivgewalt dachte man sich keinen einzelnen aus, also keinen Präsidenten wie in den USA, nicht einmal zwei, wie die beiden Konsuln in Rom, sondern fünf Direktoren, von den Alten auf Vorschlag der 500 gewählt. Sie sollten fünf Jahre im Amt sein, wobei jedes Jahr ein Direktor neu gewählt wurde. Jeder Direktor sollte drei Monate (im Wechsel) Vor-sitzender sein. Exekutive und Legislative wurden strikt getrennt. Auch das geschah nach amerikanischem Muster und damit eigentlich nach den Vorstellungen des alten Montesquieu. Insgesamt versuchte man eine ruhige, "normale" durchschnittliche Verfassung zu bilden, versuchte auch, ihre Würde äußerlich zu heben, indem die Mitglieder der beiden legislativen Räte und der Exekutive in unterschiedliche, meist der Antike nachempfundene Phantasiekostüme gesteckt wurden. Aber das nützte ihr im damaligen Zeitpunkt nur wenig. Mignet hat dazu festgestellt: "Die Weitsicht dieser Verfassung war überaus groß. Sie stellte die Regierungsgewalt wieder her, gab der Freiheit Raum und bot den verschiedenen Parteien (also der bürgerlichen Mitte, den Konservativen, die zum Royalismus neigten, und den Nachfolgern der Jakobiner) die Chance des Friedens, falls diese ohne Hintergedanken handelten und nicht nach der alleinigen Macht strebten. Aber sie war faktisch nicht von längerer Dauer als die anderen, weil sie die gesetzliche Ordnung nicht gegen den Willen der Parteien wieder einführen konnte. Wenn die Parteien eine Revolution nicht beenden wollen -und die, die nicht an die Macht gelangt sind, wollen das nie -vermag eine Verfassung nichts, so gut sie auch sei." 2 1 C. Brinton, A Decade of Revolution, 1789-1799, New York 1934, dt.: Europa im Zeitalter der Revolution, Wien 1939,S. 351. 2 F. Mignet, Histoire de la Révolution, 2 Bde., Paris 1824, dt.: Frankfurt/M. 1975, S. 397f. (Aus : Schulin, E., Die französische Revolution, München, 1988, S. 240f.) 12

Aufgaben: 1. Was meint Schulin mit: ( )der Antike nachempfundene Phantasiekostüme? Vergleichen Sie die Gewaltenteilung von 1795 mit der des Antiken Systems. Welche Parallelen / Differenzen lassen sich aufzeigen 2. Nehmen Sie Stellung zur Sitzeverteilung im Corps Legislatif. Berücksichtigen Sie dabei die Ausführungen über die Verfassungswirklichkeit von Schulin (M 6). 3. Diskutieren Sie, ob in dieser Phase der Revolution noch von einer Diskriminierung des Proletariats gesprochen werden kann. Wenn ja, wie wird sie deutlich? 2.2 Wirtschaftliche Situation Der wirtschaftlichen Richtungswechsel des neuen Regimes bestand im Kern aus drei grundlegenden Reformen: - Rückkehr zum Liberalismus (Privatisierungen, offene Spekulationen, Börse) - fortschreitende Lockerung des staatlichen Außenhandelmonopols. - Abschaffung des Maximums All diese Reformen bewirkten eine zunehmende Zahlungsunfähigkeit des Staates, welche eine Finanzkrise nach sich zog. An die Bevölkerung ausgegebene Assignaten im Wert von 45 Mrd. Livres, stand ein Gesamtwert der Nationalgüter von nur ca. 4-5 Mrd. Livres entgegen. So verlor diese Parallelwährung ihren wert. Anfang 1796 wurden als Konsequenz aus der Währungsproblematik die Druckplatten der Assignaten öffentlich zerstört, am 18.03.1797 wurden die Assignaten dann gänzlich durch die neue Währung der Territorialmandate abgelöst. Am 04.02.1797 wurden diese Mandate dann durch neue Banknoten wieder entmonetarisiert. Das Volk wurde immer ärmer, hinzu kam auch noch eine stetig wachsende Inflationsrate, diese kann in M 8 beispielhaft nachempfunden werden. 13

Preissteigerung im Zuge des Assignatenverfalls (1795) Produkt Preise* [Livres] Fleisch 8 (Juni) 15 (September) Butter 16-18 (Juli) 30 (September) Zucker 11 (Januar) 62 (September) Eier (dutzend) 9 (Juli) 12 (September) Kartoffeln (25kg) 34 (Mai) 56 (Oktober) Talkkerzen 5 (Januar) 50 (August) Kohle (Fuhre) 75 (Juni) 175 (Oktober) Brennholz 160 (Mai) 500 (September) *Alle Preisangaben nach Rudé, Massen, S. 214f. Aufgaben: 1. Was bedeutet diese für die französische Gesellschaft? 2. Welche gesellschaftlichen Gruppen sind von dieser Inflation betroffen? 3. Welche Folge ergibt sich in Bezug auf die Landverteilung? 3. Baboeuf und das Manifest der Gleichen Das wachsende Elend des Proletariats diente der Gesellschaft als Nährboden. Allgemein wurde hart gegen Revoltierende vorgegangen. Zu ihrem Sprecher erwählten sie sich François Noël Baboeuf, genannt Gracchus Baboeuf (siehe Abb.). Baboeufs Ziel war eine Umwälzung der Besitzverhältnisse. Es sollte tatsächliche Gleichheit herrschen. Für ihn war das Eigentum die Wurzel allen Übels. Er verfasste das Manifest der Gleichen. Die nachfolgende Quelle M 9 stellt den Inhalt des Manifests von Baboeuf dar, wobei die Formulierung in diesem Fall auf einen Vertrauten von ihm, Sylvain Maréchal, zurückzuführen ist. 14

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Aus: Markov, W. u. a., Die Französische Revolution. Bilder und Berichte 1789-1799, Berlin,1989, S.320f.) 16

Aufgaben: 1. Welche Ziele werden aus dem Manifest deutlich? 2. Welche gesellschaftlichen Gruppen bedient Baboeuf mit seinem Manifest? 3. Welche Faktoren machten seine Popularität möglich? 4. Diskutieren Sie mögliche Parallelen der Forderungen Baboeufs mit Forderungen der späteren Arbeiterbewegung. 17

4. Außenpolitik Neben den Entwicklungen im Inneren dauerten seit 1792 die Revolutionskriege gegen verschiedene europäische Mächte an. Durch diese äußeren Kämpfe wurden neue Männer mächtig: Die Generäle der französischen Armee, damit auch Napoleon Bonaparte. Die außenpolitischen Erfolge gingen zum größten Teil auf sein Konto. Sie stärkten sein Ansehen in der französischen Bevölkerung und kamen dem Direktorium militärisch und finanziell gelegen. Napoleon gründete mehrere italienische Tochterrepubliken, die wie alle französischen Satellitenstaaten kräftig ausgebeutet wurden. Diese Ausbeutung hat von daher besonders Gewicht, weil sie die Haupteinnahmequellen für das innerlich stark zerrissen Frankreich darstellten. Karte: Napoleons Truppenbewegungen und Siege bis 1799 Aus: Putzger. Atlas und Chronik zur Weltgeschichte, Berlin 2002, S. 163. 18

: Die Triumphe der französischen Armee Aus: Markov, W. u. a., Die Französische Revolution. Bilder und Berichte 1789-1799, Berlin,1989, S.328.) Aufgaben: 1. Beschreiben Sie den Stich (M 11) 2. Diskutieren Sie die Bedeutung des Stiches und mögliche inhaltliche Bezüge zu den Feldzügen von Napoleon (M 10). 3. Diskutieren Sie, inwiefern die militärischen Erfolge Napoleons für seine spätere Thronbesteigung von Belang waren.. 19

5. Ausblick 20

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Aufgaben: 1. Welche gesellschaftlichen Entwicklungen beschreiben Marx und Soboul in ihren Texten? 2. Inwiefern gehen sie auf des Direktorium im Speziellen ein? 3. Welche zukunftsträchtigen Tendenzen haben sich aufgrund des Direktoriums aufgetan? 4. Welche Auswirkungen hatten diese Tendenzen auf das Europa des 19. Jahrhunderts? 22