Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Inge Kämmerer 1965 Der Pop wird volljährig Otis Redding: Respect (3) von Klaus Walter Sendung: 08.07.2015, hr2-kultur Klaus Walter Karmen Mikovic Sprecher: Vincent Glander Producing: Klaus Walter O-Töne von: Otis Redding / Barack Obama / Aretha Franklin hr2-kultur / Bildung Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.
Otis Redding Respect Am 15.August 1965 veröffentlicht Otis Redding den Song Respect in den USA als Single. Respect - ein Schlüsselwort der Bürgerrechtsbewegung, die Mitte der Sechziger Jahre auf ihrem Höhepunkt ist und an einem Scheideweg. Der von Pastor und Bürgerrechtler Martin Luther King propagierte Weg des friedlichen und gewaltlosen Widerstands gegen die Diskriminierung wird von vielen schwarzen Amerikanern in Frage gestellt. Zwischen dem 11. und 17.August 1965 - also exakt in der Woche, als Respect erscheint - kommt es zu sogenannten Race Riots Rassenunruhen - in Watts, einem Stadtteil von Los Angeles. Nach der Verhaftung eines schwarzen Autofahrers gibt es schwere Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten, Geschäfte werden geplündert, Watts brennt. Am Ende sind 34 Menschen tot, der Sachschaden liegt bei 40 Millionen Dollar. Otis Redding ist zu diesem Zeitpunkt einer der populärsten Protagonisten einer neuen Spielart der afroamerikanischen Musik ihr Name ist Programm: (1.10 incl Musik) Soul Soul steht für Seele, Soulmusic wird vermarktet als der authentische Sound des modernen schwarzen Amerika: selbstbewusst, kämpferisch, aufstiegsorientiert. Die Sklaverei ist vorbei und mit der Benachteiligung soll es endlich ein Ende haben das ist die Botschaft der neuen Soulmusik, und Otis Redding ist einer ihrer wichtigsten Lautsprecher. Otis Redding Respect Sprecher: Was du willst, Liebling, das hast du, und was du brauchst, Baby, das hast du, alles, was ich verlange ist ein bisschen Respekt, wenn ich nach Hause komme, du kannst mich ruhig betrügen, Liebling, aber betrüg mich, wenn ich weg bin Seite 2
Auf den ersten Blick ist Respect nicht mehr als das Lied eines gekränkten Mannes, der von seiner Frau etwas mehr Rücksicht verlangt und Respekt. Aber, wie so oft in der Pop-Musik: eine Zeile, ein Refrain oder auch nur ein Songtitel verselbständigt sich und bekommt Flügel. Otis Reddings Forderung nach Respect machen sich nicht nur betrogene Männer zu Eigen, sie wird zu einer politischen Parole in Zeiten des Umbruchs. Auf der Liste der größten Songs der Popgeschichte der Zeitschrift Rolling Stone steht Respect auf Platz fünf. Allerdings nicht in der Version von Otis Redding. 1.05/1.10/2.20 O-Ton Otis Redding unsync: This last song is a song, that a girl took away from me, a good friend of mine, this girl took this song but I m gonna play it anyway. (0.12) Otis Redding bei seinem bis dahin größten Auftritt, beim Monterey Pop-Festival 1967 in Kalifornien, ein halbes Jahr vor seinem Tod bei einem Flugzeugabsturz. Ein Mädchen habe ihm diesen Song weggenommen, eine gute Freundin, sagt er und lacht. Lacht er, weil er stolz ist, oder ist er auch ein bisschen beleidigt? 2.50 Aretha Franklin Respect 1967, also zwei Jahre nach dem Original von Otis Redding nimmt Aretha Franklin ihre Version von Respect auf. Die Tochter eines Baptistenpredigers aus Detroit hat das Singen in der Kirche ihres Vaters gelernt, über Gospel und Jazz landet sie beim Soul und trägt schon bald den Ehrentitel: Queen of Soul Die Königin des Soul macht Otis Reddings Lied vom Respect zu ihrem eigenen und gibt ihm buchstäblich neuen Sinn. Seite 3
Musik hochziehen, Sprecherin drüber: Was du willst, Baby, Ich habe es! Baby, was du brauchst, weißt du, dass ich es hab? Alles was ich dafür möchte, ist ein bisschen Respekt, wenn du nach Hause kommst. (nur ein kleines bisschen) Aretha dreht den Spieß rum, sie hat das, was der Mann will, sie ist das, was der Mann begehrt, also fordert sie Respekt, wenn er nach Hause kommt. Und damit der Mann auch kapiert, was sie meint, buchstabiert sie ihre Forderung. Also, noch mal zum Mitschreiben: Musik Hoch: R.E.S.P.E.C.T, find out what it means to me R-E-S-P-E-K-T Finde heraus, was das für mich heißt R-E-S-P-E-K-T Und kümmere dich um deine Geschäfte 1.10/4.00 Die einfache Idee mit dem Buchstabieren erweist sich als genial. Das R.E.S.P.E.C.T. verleiht dem Wunsch, respektiert zu werden, Nachdruck und ist seither verankert im kollektiven Gedächtnis Amerikas. Sogar beim Präsidenten, auch wenn der beim Buchstabieren ein bisschen aus dem Takt kommt: O-Ton Barack Obama: When Aretha first told us, what (zögert) R.S. (zögert) P.E.C.T. meant to her (Gelächter) Seite 4
Aretha hat uns beigebracht, was Respekt bedeutet, sagt Barack Obama. Auch deswegen singt Aretha Franklin bei der Amtseinführung des ersten afroamerikanischen Präsidenten der USA. Mit seinem Original Respect erreicht Otis Redding 1965 Platz 35 der US-Charts, zwei Jahre später geht Aretha Franklins Version an die Spitze und wird einer der größten Hits des Jahres 1967, zudem gibt es zwei Grammys. Hat Aretha Franklin bewusst versucht, die Version von Otis Redding zu toppen? O-Ton Aretha Franklin sync: Nein, manchmal hört man einen tollen Song und man denkt, wow, den hätte ich auch gern als erste gesungen. Aber nach einer Weile darf man so einen Song neu aufnehmen, die sind ja kein Privateigentum. Mit Aretha Franklins Aneignung bekommt der Song von Otis Redding einen doppelten Boden: Respect wird zur Hymne der Bürgerrechtsbewegung und zur Hymne der Frauenbewegung. Aretha Franklin Respect (auf Sock it to me! ) Oh gib's mir, gib's mir, gib's mir, gib's mir ein bisschen Respekt, gib's mir, gib's mir, gib's mir! Sock it to me, fordert Aretha von ihrem Partner, Gib s mir. Auch diese Passage ist neu. 1967 gehört es nicht zum guten Ton, dass eine Frau von einem Mann nicht nur Respekt einfordert, sondern auch: sexuelle Befriedigung. Genau das tut Aretha Franklin in Respect und sie tut es mit dem ihr eigenen Nachdruck. Das ist eine Erklärung für die nachhaltige Bedeutung des Songs. Vor allem afroamerikanische Frauen verstehen Respect gewissermaßen als Gegengift für den Rolling Stone. Muddy Waters Rollin Stone Seite 5
Der Rolling Stone ist eine immer wieder gefeierte Figur in der schwarzen Musik, vom Blues bis zum HipHop. Der rollende Stein ist der Herumtreiber, der Womanizer, der seine ökonomische und gesellschaftliche Schwäche kompensiert mit sexuellen Erfolgen. Der Rolling Stone ist auch ein Relikt der der Sklaverei. Um ihr Eigentum an Menschen zu vermehren trieben die Sklavenhalter ihre Untertanen zur Fortpflanzung an und versuchten familiäre Bindungen zu verhindern. The Temptations Papa was a rolling stone Sprecher: Papa war ein rollender Stein, wo er seinen Hut hingelegt hat, da war er zu Hause. Papa Was a Rollin Stone, der Klassiker der Temptations von 1972, sieht den rollenden Stein kritisch. Der Sohn fragt seine Mutter nach dem Vater, den er nie gesehen hat. Vater war ein Trinker, er hat nie gearbeitet und er hatte noch drei weitere Kinder mit einer anderen Frau. Er war ein Herumtreiber. Erst in den Siebzigern bröckelt der Mythos vom supermaskulinen, omnipotenten schwarzen Mann und seiner unbezähmbaren Sexualität. So gesehen haben auch Männer wie die Temptations ihre Lektion gelernt, von Aretha Franklin: R.E.S.P.E.K.T. Aretha Franklin Respect (auf R.E.S.P.E.C.T.) Seite 6