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Transkript:

ÄrzteMerkblatt U. Heininger Pertussis 2. Ausgabe 2004

ÄrzteMerkblatt Pertussis Ausgabe 2004 ÄrzteMerkblatt Meningokokken Ausgabe 2002 Herausgeber: Deutsches Grünes Kreuz e.v. im Kilian, Schuhmarkt 4, 35037 Marburg Verlag im Kilian 2. Auflage 2004 Autor: Prof. Dr. med. Ulrich Heininger Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) Postfach CH-4005 Basel Redaktion: Dr. Ute Arndt, Dr. Ute Quast Deutsches Grünes Kreuz e.v. Schuhmarkt 4, 35037 Marburg Herstellung: Druckerei Kempkes, Offset- und Buchdruck GmbH, 35075 Gladenbach 2

Vorbemerkung Die Ständige Impfkommission (STIKO) sprach 1991 erneut eine allgemeine Empfehlung für die Keuchhusten-Impfung aus, nachdem die Impfung jahrelang eine Indikationsimpfung war. Wenige Jahre später wurden die heute ausschließlich empfohlenen und verwendeten azellulären Impfstoffe in Deutschland eingeführt, die aufgrund ihrer besseren Verträglichkeit zu einer erheblichen Zunahme der Impfakzeptanz führten. Dadurch sind die Durchimpfungsraten bei den Säuglingen und Kleinkindern zwar deutlich angestiegen, aber insbesondere in Bezug auf die Auffrischimpfungen immer noch nicht als zufriedenstellend zu bezeichnen [regionalen Erhebungen zufolge etwa 65 Prozent für vier Dosen, etwa 5 Prozent für fünf Dosen (Auffrischimpfung bei Jugendlichen)]. Da Kinder im ersten Lebensjahr besonders stark durch Keuchhusten bedroht sind wenn es Todesfälle nach Pertussis zu beklagen gibt, dann vorwiegend in dieser Altersgruppe wäre es wünschenswert, so früh wie möglich, also mit der vollendeten achten Lebenswoche mit der Grundimmunisierung zu beginnen. Leider wird in vielen Fällen erst später, manchmal erst mit sechs Monaten, die erste der fünf empfohlenen Impfungen gegeben (vier Dosen zur Grundimmunisierung, eine Dosis als Auffrischung bei Jugendlichen). Gerade die besonders von Komplikationen bedrohten Säuglinge laufen daher Gefahr, mit Pertussis infiziert zu werden und das oftmals in der eigenen Familie durch ältere Geschwister, Eltern oder Großeltern. Eine Problematik ergibt sich aus der Tatsache, dass die Erkrankung wegen ihres oft atypischen Verlaufs im Erwachsenenalter meist nicht als Pertussis diagnostiziert wird und demzufolge eine wirksame Antibiotikagabe beim Patienten selbst und als Prophylaxe beim Säugling unterbleiben. Zudem ist auch bei zeitgerechtem Impfbeginn gemäß STIKO-Empfehlung zu Beginn des dritten Lebensmonats ein vollständiger Impfschutz nicht vor dem fünften Lebensmonat zu erreichen. In diesem Zeitfenster kann der Säugling nur durch Expositionsprophylaxe geschützt werden. Diese Aspekte veranlassten die STIKO 2004, die Indikationsliste deutlich zu erweitern und eine Kokonstrategie zu empfehlen: Demnach sollen Frauen Abb. 1 Pertussis in der DDR bzw. den neuen Bundesländern, 1970 bis 2003 Anteil der Altersgruppen 100 % mit Kinderwunsch präkonzeptionell mit einer Impfdosis geimpft werden; falls dies versäumt wurde, sollte die Impfung post partum erfolgen, bevorzugt in den ersten Tagen nach der Geburt des Kindes. Ebenso sollten enge Haushaltskontaktpersonen und Betreuer (Tagesmutter, Babysitter, gegebenenfalls die Großeltern) möglichst spätestens vier Wochen vor der Geburt des Kindes geimpft werden. An Pertussis kann man sowohl nach vollständiger Impfung als auch nach durchgemachter Krankheit mehrmals erkranken. Nach heutigen Erkenntnissen hält der Schutz nach Erkrankung 10 bis 15 Jahre an, nach Impfung etwa 10 Jahre. Untersuchungen zeigen deutlich steigende Fallzahlen von Pertussis bei Jugendlichen und Erwachsenen (Abb. 1 und 2). Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt bereits seit dem Jahr 2000 eine Auffrischimpfung für alle Jugendlichen. Doch diese Impfung wird nur äußerst unzureichend in Anspruch genommen, nicht zuletzt wegen anfänglicher Probleme bei der Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Inzwischen wird die Pertussis-Auffrischimpfung der Jugendlichen bundesweit erstattet. Daher sollte wie es die STIKO schon seit vielen Jahren rät jeder Arztbesuch dazu genutzt werden, den Impfschutz zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen. Dies gilt in besonderem Maße für Jugendliche, die im Allgemeinen nur selten einen Arzt aufsuchen. Einen guten Anlass, den Impfschutz zu kontrollieren, bietet zum Beispiel die Jugendschutzuntersuchung J1. 50% 10% 1970 1975 1980 1985 1989 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 >15 5-<15 1-<5 <1 Ebenfalls viel zu wenig befolgt wird die Impfempfehlung bei beruflicher Indikation, zum Beispiel in der Pädiatrie, Schwangerenbetreuung und Geburtshilfe (Tab. 2). In einer vom DGK 2002 durchgeführten Umfrage war lediglich ein Viertel der befragten Pädiater selbst gegen Pertussis geimpft, bei Allgemeinärzten waren es nur 20 Prozent. Quelle: Prof. Dr. C. Hülße, LGA Mecklenburg-Vorpommern 3

Abb. 2 Prozentuale Altersverteilung der Pertussisfälle in der DDR bzw. den neuen Bundesländern, 1970 bis 2003 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % 1998 1999 2000 2001 2002 2003 >65 45 -<65 25 -<45 15 -<25 5 -<15 1 -<5 <1 Jahr Quelle: Prof. Dr. C. Hülße, LGA Mecklenburg-Vorpommern Epidemiologie Erstmals beschrieben wurde das Krankheitsbild Pertussis 1540 in The mirror of health. Im Sommer des Jahres 1578 grassierte in Paris eine Pertussis- Epidemie, die Guillaume De Baillou (ca. 1538-1616) eindrücklich beschrieben hat. Vor allem Säuglinge und Kleinkinder waren Opfer des Ausbruchs. Thomas Sydenham (1624-1689) führte 1679 den Begriff Pertussis ein. Den Bakteriologen Jules Bordet (1870-1961) und Octave Gengou (1875-1959) gelang es 1906, den Er reger zu kultivieren. Bordet zu Ehren wurde der Erreger Bordetella pertussis ge nannt. Kurze Zeit später entstanden die ersten wenn auch noch wenig standardisierten Impfstoffe aus abgetöteten Keuchhusten-Bakterien. Noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts starben allein in Deutschland jährlich mehr als 20.000 Kinder an Keuchhusten. Pertussis ist weltweit verbreitet und gehört zu den gefürchteten Kinderkillern, denen die Weltgesundheits or ganisation (WHO) schon seit vielen Jahren den Kampf angesagt hat. Jährlich erkranken laut WHO weltweit 20 bis 40 Mil lionen Menschen, schätzungsweise 200.000 bis 300.000 sterben an Keuchhusten (www.who.int/vaccines/en/pertussis. shtml). Es besteht kein zuverlässiger Nestschutz, weshalb Neugeborene und sehr junge Säuglinge besonders bedroht sind. Die höchste Letalität (etwa ein Prozent) tritt deshalb auch bei Kin dern unter sechs Monaten auf. Bordetella pertussis kommt nur beim Menschen vor, Tiere können weder an Keuchhusten erkranken noch als Vektor fungieren. Jugendliche und Erwachsene sind ein bedeutendes Reservoir für B. pertussis und stellen oft eine Infektionsquelle für Säuglinge und Kinder dar. Bei Jugendlichen und Erwachsenen verläuft der Keuchhusten oft uncharakteristisch und auch asymptomatisch, vorübergehend Infizierte sind aber wichtige Glieder in der Infektionskette. Pertussis ist sehr ansteckend, die Übertragung erfolgt über Tröpfcheninfektion. Bei wiederholtem engem Kontakt wie zum Beispiel innerhalb einer Familie oder in anderen Gemeinschaftseinrichtungen ist der Kontagionsindex nahezu 100 Prozent. Pertussis-Erkrankungen treten das ganze Jahr über auf, eine saisonale Häufung ist allerdings im Winter und Frühjahr zu verzeichnen. Pertussis ist ab dem Ende der Inku bationszeit ansteckend, wobei die Kontagiosität in den ersten beiden Wochen der Erkrankung (katarrhalisches und frühes konvulsives Stadium) am höchsten ist. Etwa drei Wochen lang ist ein nicht therapierter Patient ansteckend. Eine geeignete Antibiotikatherapie verkürzt die Dauer der Infektiosität auf zirka fünf Tage. 4

Erreger Bordetellen sind gramnegative, kokkoide Stäbchen, die von einer Kapsel beziehungsweise einer Schleimschicht umgeben sind. Sie sind unbeweglich und wachsen strikt aerob. Bordetella pertussis ruft das klinische Krankheitsbild des Keuchhustens hervor. Bordetella parapertussis oder Bordetella bronchiseptica, die auch bei Tieren gefunden werden, sind seltener für eine Infektion verantwortlich. Sie verursachen aber mildere Verläufe. Bordetellen adhärieren über antigene Bestandteile der Bakterienzellmembran am Epithel des Nasopharynx und der Bronchien. Folgende wesentliche Antigene mit Pathogenitätsmerkmalen lassen sich unterscheiden: Das O-Antigen ist Bestandteil der äußeren Membran, die einzelnen Serotypen können über die K-Agglutinogene (Fimbrien) differenziert werden. Filamentöses Hämagglutinin (FHA) ist in der La ge, Erythrozyten zu agglutinieren. Pertactin ist ein Proteinbestandteil der äußeren Membran und ein starkes Im munogen. Es ist neben den Fimbrien- Agglutinogenen, filamentösem Hämagglutinin und dem entgifteten Pertussis- Toxin PT (s.u.), dem so genannten Per tussis-toxoid, Bestandteil von Ganzkeim- und einigen azellulären Pertussis- Impfstoffen. Extrazelluläre Produkte sind das Pertussistoxin PT, das ähnlich dem Diphtherie- und dem Choleratoxin die Signal übertragung innerhalb der Zelle stört und da rüber hinaus eine lymphozytäre Leuko zytose bewirkt. Das Adenylat-Zyklase-Toxin ACT zeigt phagozytosehemmende und hämolytische Funktion. Weiterhin sind das tracheale Zytotoxin TCT zu nennen, das die Zilienbewegung hemmt und das zilientragende respiratorische Epithel schädigt sowie das dermo-nekrotische Toxin (Kontraktion der glatten Muskulatur mit nachfolgender ischämischer Nekrose). Bordetellen sind mäßig empfindlich gegen Austrocknung und Kälte und bleiben auch außerhalb des menschlichen Körpers einige Tage lang infektiös. Krankheitsbild Tab. 1 Charakteristika und Symptomatik bei B. pertussis- und B. parapertussis-infektionen Merkmal Vorkommen (Prozent) B. pertussis B. parapertussis Anfallsartiger Husten 91 79 Anschließendes Erbrechen 47 32 Inspiratorisches Juchzen 80 62 Dauer des Hustens < 2 Wochen 9 18 > 4 Wochen 62 35 Leukozyten > 15.000/µl 25 3 Körpertemperatur > 38 C 7 6 Quelle: Pädiatrie (Lenze, Schaub, Schulte, Spranger; Springer Verlag 2001; modifiziert nach Heininger) Die Chinesen haben den Keuchhusten treffend als 100-Tage-Husten bezeichnet, die Briten nennen ihn bezeichnenderweise gelegentlich auch grandmother s cough. Die Erkrankung ist oftmals durch einen protrahierten Verlauf gekennzeichnet und verläuft typischerweise in drei Stadien. Nach einer Inku bationszeit von 7 bis 14 (28) Tagen treten im Stadium catarrhale Schnupfen, Abgeschlagenheit und leichtes Fieber auf. Nach ein bis zwei Wochen folgt der Übergang ins Stadium convulsivum mit Stakkatohusten (wegen des anfallsartigen Auftretens von Hustenattacken auch paroxysmales Stadium genannt). Die Hustenattacken können sich bis zum apnoeischen Intervall steigern, dem Hus - ten folgt inspiratorisches Ziehen (Juchzen). Häufig wird anschließend zäher Schleim hervor gewürgt, und/oder die Patienten erbrechen. Dieses Stadium zieht sich über vier bis sechs Wochen hin, selten über mehrere Monate. Oft treten die Hustenattacken nachts auf, aber auch psychische Faktoren und körperliche Anstrengung können die Anfälle provozieren. Für die Hustenanfälle und alle systemischen Wirkungen wird das Pertussistoxin verantwortlich gemacht, durch das eine Destruktion der Trachealund Bronchialschleimhaut hervorgerufen wird. Eine darüber hinaus auch zentral stimulierende Wirkung des Toxins auf das Atemzentrum ist umstritten. Das allmähliche Abklingen der Hustenanfälle zieht 5

sich im Stadium decrementi über drei bis sechs Wochen hin. Erwachsene dagegen zeigen meist ein untypisches Krankheitsbild, das durch hartnäckigen, über Wochen anhaltenden Husten gekennzeichnet ist. Luftnot, Kribbeln im Thorax und Schmerzen im Bereich des kostalen Muskulaturansatzes werden beschrieben, ebenso Gewichtsverlust durch häufiges Husten mit Erbrechen. Etwa die Hälfte der erkrankten Er wach s- enen leidet an Schlaflosigkeit, was zum Nachlassen der Leistungsfähigkeit führt. Bei Neugeborenen und im Säuglingsalter sind Bradykardien und Apnoen typisch und machen häufig eine stationäre Aufnahme notwendig. Komplikationen sind meist Pneumonien (15 bis 20 Prozent der stationär behandelten Fälle) und Otitis media durch Sekundärinfektionen mit Haemophilus influenzae oder Pneumo kok kken, selten Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus aureus. Bei zwei bis vier Prozent der Infektionen bei Kindern treten Krampfanfälle auf, etwa ein halbes Prozent entwickelt eine Enzephalopathie, die häufig Dauerschäden wie Läh mun gen, Krampfanfälle sowie psychische und geistige Beeinträchti gun gen hinterlässt. Vereinzelt wurde eine Keuchhustenin fektion als Ursache für plötzlichen Kinds tod (SIDS) festgestellt. Bei Erwachsenen können weitere Spätfolgen der Keuchhustenerkrankung als Emphysem, Bronchiektasen und Atelektasen in Erscheinung treten. Kompli kationen bei Jugendlichen und Erwachsenen sind primär infektiöser Natur wie zum Beispiel Pneumonien, Otitis media oder Sinusitis. Hinzu kommen Leisten brüche, Rippenbrüche oder Inkontinenz infolge der mechanischen Überlastung durch die Hustenattacken. Schwere Komplikationen wie Enzephalopathien und Krampfanfälle werden bei Erwachsenen allerdings nur sehr selten beobachtet. Diagnostik Bei einem klassischen Verlauf mit den typischen Hustenanfällen wird die Diagnose meist klinisch gestellt. Eine weiterführende Diagnostik ist indiziert, wenn der Verlauf untypisch ist: länger andauernder Husten ohne Anfälle sowohl bei Kindern als auch in den anderen Altersgruppen. Als Untersuchungsmaterial kommt ein Nasopharyngeal-Abstrich in Frage, wobei die Probenentnahme möglichst früh (im Stadium catarrhale) erfolgen sollte. In diesem Stadium beträgt die Sensitivität zirka 80 Prozent. Später gelingt der Erregernachweis nur noch selten. Der Abstrich erfolgt mittels Kalziumalginat- oder Dacrontupfer, die Anzucht auf Selek tivnährböden. Ein direkter Nachweis ist auch mittels Immunfluoreszenz möglich. Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ermöglicht einen Nachweis auch aus wenig Ausgangsmaterial sowie bei bereits antibiotisch behandelten Patienten. Die serologische Untersuchung erfolgt im ELISA und weist Antikörper der Klassen IgM, IgG und IgA (IgA nicht bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten) nach. Ein Titeranstieg (Entnahme in den ersten beiden Wochen nach Hustenbeginn und nochmals vier bis sechs Wochen später) ist für eine akute Infektion beweisend. Allerdings ist zu beachten, dass bei Zweiterkrankungen durch die rasche Sekundärantwort der Titer schon bei der ersten Blutprobe erhöht und bei der zweiten Probe bereits abgefallen sein kann. Da zwei Blutentnahmen nicht sehr patientenfreundlich sind, ist die Diagnose in dafür spezialisierten Laboratorien auch aus im Vergleich zu einer gesunden Kontroll gruppe signifikant erhöhten Einzeltitern möglich. Differenzialdiagnostisch sollten Infektionen mit anderen in Frage kommenden Erregern wie Adenoviren, Mycoplasmen und Chlamydien sowie, vor allem im Kleinkindesalter, Fremdkörperaspirationen abgeklärt werden. Therapie Die Therapiemöglichkeiten sind begrenzt. Die antibiotische Therapie kann aber bei rechtzeitiger Gabe im Stadium catarrhale oder im frühen Stadium convulsivum die Schwere der Symptomatik vermindern und die Ansteckungsdauer auf wenige Tage herabsetzen. Das Mittel der Wahl ist Erythromycin. Die Dosierung beträgt 50 mg/kg KG/Tag Erythromycinsuccinat oder 40 mg/kg KG/Tag Erythromycinestolat per os. Es können auch moderne Makrolidantibiotika (Azitromycin, Clarithromycin, Roxithromycin) oder, zum Beispiel bei Makrolidunverträglichkeit, alternativ Cotrimoxazol eingesetzt werden. Therapiebegleitend sollte psychische und physische Belastung vermieden, auf eine ausreichende Flüssigkeits zufuhr geachtet werden sowie häufige, portionierte Nahrungsaufnahme gesichert sein. 6

Tab. 2 Pertussis bei Erwachsenen Infektionserreger Fieber (%) Durchschnittliche Hustendauer (in Tagen) Maximale Hustendauer (in Wochen) B. pertussis 8 44 72 RSV (respiratory syncytial virus) 12 27 26 Adenoviren 7 29 18 Chlamydien 7 42 42 Quelle: Studie Krefeld/Rostock, W. v. König/ C. Hülße, 6/2001 bis 6/2003; n=809 Maßnahmen bei Kontaktpersonen Chemoprophylaxe Eine 14-tägige Erythromycinprophylaxe kann, sofern sie früh nach Beginn der Exposition einsetzt, bei Kontaktpersonen den Ausbruch der Erkrankung verhüten oder die Symptomatik zumindest abschwächen. Spezifische Immunglobuline stehen nicht zur Verfügung. Auch geimpfte Personen können vorübergehend Überträger von Bordetellen sein und sollten aus diesem Grund ebenfalls eine Chemoprophylaxe erhalten, wenn unzureichend geschützte (< drei Impfdosen) Säuglinge oder andere gefährdete Personen angesteckt werden könnten. Bei Kindern und Jugendlichen sollte gemäß STIKO-Empfehlung nach engem Kontakt zu einem Pertussiskranken im Haushalt oder in einer Gemeinschaftseinrichtung die Vervollständigung eines inkompletten Impfstatus erfolgen. Schutzimpfung Die aktive Immunisierung ist die sicherste prophylaktische Maßnahme, die möglichst früh, ab vollendetem zweiten Lebensmonat begonnen werden sollte. Die Schutzraten nach der Grundimmunisierung betragen etwa 90 Prozent. Bei Pertussis besteht kein zuverlässiger Nestschutz und deshalb ist die Gefahr einer Infektion besonders hoch. Plazentar übertragene mütterliche Antikörper gegen Pertussistoxin und filamentöses Hämagglutinin können zwar bei Neuge borenen nachgewiesen werden, zeigen aber offensichtlich keine wirksame klinische Protektion. Deshalb ist es von immenser Wichtigkeit, die Impfserie bei Säuglingen den STIKO-Empfehlungen entsprechend in der neunten Lebenswoche zu beginnen, denn die Komplikations- (10 bis 20 Prozent ) und Letalitätsrate (etwa 1 Prozent) sind im Säuglings alter am höchsten. Die Impfstoffe Die azellulären Pertussisimpfstoffe (ap) enthalten in unterschiedlicher Zusammensetzung verschiedene immunogene Bestandteile von Pertussisbakterien: Fimbrien-Agglutinogene, Pertussistoxoid, filamentöses Hämagglutinin und Per ta c- tin. Es stehen Einzelimpfstoffe (ap) sowie Impfstoffe in verschiedenen Kombina tionen sowohl für Säuglinge und Kinder ( TDaP-IPV-Hib-HB, TD-aP-IPV-Hib) als auch für Jugendliche und Erwachsene (TD-aP-IPV; Td-aP) zur Verfügung. Grundsätzlich können alle ap-impfstoffe mit anderen Impfstoffen si multan verabreicht werden. Azelluläre Pertussis-Impfstoffe sind generell gut verträglich. Je nach angewendetem Impfstoff werden unterschiedliche normale Impfreaktionen beschrieben: An der Impfstelle tritt häufig eine wenige Tage anhaltende schmerzempfindliche Schwellung mit oder ohne Rötung auf. Das 7

Wohlbefinden ist dabei meist nicht beeinträchtigt. Nach der vierten oder fünften Pertussisimpfung werden gelegentlich ausgeprägtere Schwellungen im Bereich der Impfstelle beobachtet. Diese sind aber nicht oder nur gering schmerzhaft und von kurzer Dauer. Eventuell kommt es zu Kopfschmerzen oder die Geimpften haben ein allgemeines, meist leichtes Krank heitsgefühl. Hautausschläge und Ver här tung (Adsorbatimpfstoff) an der Impf stelle werden gelegentlich beobachtet. Als Impfreaktion kann bisweilen bei etwa zwei bis fünf Prozent auch leichtes Fieber (>38 C) auftreten, meist bereits am Abend des Impftages oder innerhalb von 24 bis 48 Stunden. Temperaturen über 38,5 C sind selten. Verzögerte lokale Nebenwirkungen 3 bis 14 Tage nach der Gabe von Impfstoffen mit Pertussisanteil treten selten auf. Bei Kindern kann zudem die Symptomatik eines gestörten Allgemeinbefindens wie Appe tit losigkeit, Schläfrigkeit und Unruhe beobachtet werden. Impfkomplikationen sind selten, und da Pertussisimpfstoffe meist in Kombination mit anderen Impfantigenen verabreicht werden, ist eine Zuordnung zum Per tussisantigen schwierig. So kann beispielsweise lang anhaltendes, schrilles Schrei en möglicherweise Ausdruck eines neurologischen Geschehens sein, es tritt aber nur sehr selten auf. Meist ist die Ursache für das Schreien der Kinder eine Schmerzhaftigkeit an der Impfstelle, die mit lokalen antiphlogistischen Maß nahmen oder Analgetika-Zäpfchen behandelt werden kann. Krampfanfälle können nach allen Impfungen beobachtet werden, in erster Linie durch Fieberreaktionen provoziert. Sie treten aber bei ap-impf stof fen höchstens einmal pro 1.000 Impfun gen auf. Im Gegen satz dazu ist die Häufigkeit von Krampfa nfällen bei der Erkrankung zehnmal häufiger. Bei allen heute in Deutschland verfügbaren Pertussisimpfstoffen handelt es sich um azelluläre Totimpfstoffe (ap) zur intramuskulären Applikation. Beginnend in der neunten Lebenswoche werden drei Impfungen im ersten Lebensjahr sowie eine Auffrischimpfung im Alter von 11 bis 14 Monaten verabreicht. Sie sollten nach STIKO-Empfehlungen bevorzugt mit Kombinationsimpfstoffen (Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib, Hepatitis B) durchgeführt werden. Im Alter von 9 bis 17 Jahren ist eine weitere Auffrischimpfung erforderlich. Auch diese kann mit Kombinationsimpfstoffen durchgeführt werden, da in dieser Alters gruppe auch Auffrischimpfungen gegen Diph the rie, Tetanus und Polio vorgesehen sind. Frauen mit Kinderwunsch sollten präkonzeptionell geimpft werden, wenn sie nicht über einen adäquaten Immunschutz, d. h. (vollständige) Impfung oder mikrobiologisch bestätigte Erkrankung innerhalb der vergangenen zehn Jahre, verfügen. Falls nicht vor Schwangerschaftsbeginn geimpft wurde, sollte die Impfung post partum erfolgen, bevorzugt in den ersten Tagen nach der Geburt des Kindes. Ebenso sollten enge Haushaltskontaktpersonen zu Säuglingen (z. B. Vater und Geschwister), Betreuer des Kindes wie Tagesmütter und Babysitter und gegebenenfalls die Großeltern möglichst vier Wochen vor der Geburt des Kindes geimpft werden, sofern kein ausreichender Schutz vorliegt. Falls dies versäumt wurde, ist die Impfung bald nach der Geburt des Kindes sinnvoll. Diese erweiterte Impfempfehlung für alle engen Kontaktpersonen von Säuglingen sollte der Arzt/die Ärztin zum Anlass nehmen, den Impfstatus der Patienten zu überprüfen. Meist fehlen Auffrischimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Polio gleichermaßen, so dass der Impfschutz mit entsprechenden Kombinationsimpfstoffen ergänzt werden kann. Die STIKO (Epidem. Bulletin Nr. 41/2002) teilt mit, dass Kinder nach abgelaufener Pertussiserkrankung frühestens nach zehn Jahren eine Wiederimpfung erhalten sollten. Nach heutigen Erkenntnissen hält auch der Schutz nach Erkrankung nur etwa 10 bis 15 Jahre an. Diese Wiederimpfung kann sowohl mit der monovalenten Vakzine als auch mit einem Kombinationsimpfstoff erfolgen, wenn gleichzeitig auch gegen Tetanus, Diphtherie und Polio aufgefrischt werden soll. Für Personal in Pädiatrie und Infektionsmedizin sowie in Einrichtungen für das Vorschulalter wird seit 2001 auch eine Keuchhustenimpfung empfohlen. Damit wird der europäischen Biostoff ver ordnung Rechnung getragen. Eine generelle Impfempfehlung für Erwachsene besteht bislang nicht. Zu den Neuerungen der STIKO-Empfehlungen von Juli 2002 nimmt die STIKO im Epidemiologischen Bulletin Nr. 30/2002 wie folgt Stellung: Eine Empfehlung zur postexpositionellen Impfung ist, nachdem ein Impfstoff zugelassen ist, der eine aktuelle Pertussisinfektion nicht als Kontra indikation aufführt, grundsätzlich möglich. Effektiv ist postexpositionell die Ver vollständigung einer begonnenen Grundimmunisierung (z. B. die 3. oder 4. Dosis) oder eine Auffrischimpfung, so dass die STIKO jetzt empfiehlt, für enge Kontaktpersonen im Kindesalter im Haushalt oder in Gemeinschaftseinrichtungen postexpositionell die Komplettierung einer unvollständigen Immunisierung zu erwägen [seit 2004 explizit empfohlen, Anm. d. Red., s. Tab.3]. In Familien beziehungsweise Wohngemeinschaften oder einer Gemeinschaftseinrichtung für das Vorschulalter ist für enge Kontaktpersonen ohne Impf schutz eine Chemoprophylaxe mit Erythro mycin empfehlenswert. 8

Tipps für die Praxis: Auffrischimpfungen Jede Arztkonsultation sollte laut STIKO genutzt werden, um die Impfdokumentation zu überprüfen und fehlende Impfungen nachzuholen. Sie empfiehlt ebenso die Anwendung von Kombinationsimpfstoffen, um die Zahl der Injektionen möglichst gering zu halten. Ein weiterer Vorteil ist die Reduzierung auf das nötigste Maß an Begleitstoffen. Immer wenn eine Impfung gegen Pertussis indiziert ist und weitere Impfindikationen anstehen z. B. gegen Polio, Tetanus oder Diphtherie sollten die Impfungen mittels entsprechender Kombinationsimpfstoffe (Td-aP-IPV, Td-aP) synchronisiert werden. Das erleichtert sowohl dem Arzt als auch dem Patienten, bei in Zukunft anstehenden Auffrischimpfungen die Übersicht zu bewahren. Jede Impfung bedeutet dabei eine Boosterung des bestehenden Impfschutzes. Tetanus In Europa und Nordamerika ist die Inzidenz von Tetanus dank umfassender Impfung und verbesserten Lebensbedingungen niedrig. In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland weniger als 15 Erkrankungsfälle pro Jahr registriert, überwiegend sind es ältere Erwachsene, da in diesen Altersgruppen die Auffrischimpfungen stark vernachlässigt werden. Die genaue Häufigkeit kann aber aufgrund der derzeitigen Melderegelung nicht beurteilt werden die Tetanuserkrankung oder der Erregernachweis ist gemäß IfSG nicht meldepflichtig. Tödlich verlaufende Fälle werden über die Todesursachenstatistik erfasst. Während bei Kindern zufriedenstellende Impfraten erzielt werden, muss bei Jugendlichen und Erwachsenen eine adäquate Durchimpfungsrate unbedingt angestrebt werden. Diphtherie Eine relativ hohe Impfbeteiligung hat die Diphtherie in Deutschland bis auf wenige Erkrankungen jährlich zurückgedrängt. Da Diphtherie jedoch weltweit darunter auch in einigen osteuropäischen Ländern weiterhin auftritt, ist die Gefahr der Einschleppung in unser Land jederzeit gegeben. Deshalb gilt hier ebenfalls, bei Jugendlichen und Erwachsenen die Raten der Auffrischimpfungen deutlich zu steigern. Diphtherie ist gemäß IfSG meldepflichtig bei Krankheitsverdacht, Erkrankung, Tod und bei Erregernachweis (toxinbildende Stämme von Corynebacterium diphtheriae). Ferner ist beim Auftreten eines Krankheitsfalles oder Verdachtsfalles in einer Gemeinschaftseinrichtung (z. B. Kindergarten, Schule) von der Leitung das zuständige Gesundheitsamt zu benachrichtigen und der Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen bis zum Ende der Kontagiosität untersagt ( 34 IfSG). Auch ist eine Erkrankung oder der Verdacht in einer Wohngemeinschaft (z. B. Familie) gemäss 34 IfSG meldepflichtig. Poliomyelitis Europa wurde 2002 von der WHO als poliofrei zertifiziert. Dagegen ist in weiten Teilen Afrikas und in Südostasien (Indien, Pakistan) Poliomyelitis noch endemisch. Bis 2005 sollte nach den Zielen der Weltgesundheitsorganisation Polio weltweit eradiziert sein. Das Erreichen des Ziels ist im Moment wieder ungewiss, da sich die Krankheit in der ersten Jahreshälfte 2004 von Nigeria aus erneut ausgebreitet hat. Durch die immense Reisetätigkeit ist ein Einschleppen auch in poliofreie Regionen jederzeit wieder möglich. Jeder Erwachsene sollte über mindestens vier dokumentierte Polioschutzimpfungen verfügen, dabei sind OPV und IPV als gleichwertig anzusehen. Der Impfstatus sollte bei jeder Gelegenheit überprüft werden. Auch nach einer Erreger-Eradikation ist über mehrere Jahre eine hohe Impfrate in der gesamten Bevölkerung notwendig, denn Impfviren (OPV) werden noch einige Jahre zirkulieren und bergen ein wenn auch sehr geringes potentielles Rückmutationsrisiko. Poliomyelitis ist gemäß IfSG meldepflichtig bei Verdacht (als Verdacht gilt jede schlaffe Lähmung, außer wenn sie traumatisch bedingt ist), Erkrankung, Tod sowie dem Erregernachweis. WHO- Kriterien für die Zertifizierung der Polio-Freiheit - mindestens drei Jahre keine Poliofälle durch zirkulierende Polio-Wildviren - ausreichende Immunität der Bevölkerung - funktionierende Erfassung akuter schlaffer Lähmungen (AFP-Surveillance) - eingeschleppte Poliofälle werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfasst und hätten adäquate Maßnahmen zur Folge - Polio-Wildviren werden unbedenklich in Hochsicherheitslaboratorien gelagert 9

Tab. 3 Indikationen zur Pertussis-Impfung (STIKO; Stand Juli 2004) Kategorie I Indikation bzw. Reiseziel Sofern kein adäquater Immunschutz vorliegt, sollen Frauen mit Kinderwunsch präkonzeptionell, enge Haushaltskontaktpersonen (Eltern, Geschwister) und Betreuer (z. B. Tagesmütter, Babysitter, ggf. Großeltern) spätestens vier Wochen vor Geburt des Kindes eine Dosis Pertussisimpfstoff erhalten. Anwendungshinweise (Packungsbeilage/ Fachinformation beachten) Definition adäquater Immunschutz: Impfung oder mikrobiologisch bestätigte Erkrankung innerhalb der vergangenen 10 Jahre. I: Indikationsimpfung für Risikogruppen bei individuell (nicht beruflich) erhöhtem Expositions-, Erkrankungs- oder Komplikationsrisiko sowie auch zum Schutz Dritter B: Impfungen auf Grund eines erhöhten beruflichen Risikos, z. B. nach Gefährdungsbeurteilung entsprechend der Biostoffverordnung und dem G 42 und aus hygienischer Indikation B P Erfolgte die Impfung nicht vor der Konzeption, sollte die Mutter bevorzugt in den ersten Tagen nach der Geburt des Kindes geimpft werden. Personal in Einrichtungen der Pädiatrie, der Schwangerenbetreuung und der Geburtshilfe sowie in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und Kinderheimen sollte über einen adäquaten Immunschutz (s. o.) gegen Pertussis verfügen. Bei Kindern und Jugendlichen (engen Kontaktpersonen im Haushalt oder Gemeinschaftseinrichtungen) sollte die Komplettierung einer unvollständigen Immunisierung erfolgen. Einmalige Impfung; bei Vorliegen weiterer Impfindikationen ggf. mit Kombinationsimpfstoff In einer Familie bzw. Wohngemeinschaft oder einer Gemeinschaftseinrichtung für das Vorschulalter ist für enge Kontaktpersonen ohne Impfschutz eine Chemoprophylaxe z. B. mit Erythromycin empfehlenswert (s. a. Ratgeber Pertussis, Epid. Bull. Nr. 43/2001) P: Postexpositionelle Prophylaxe / Riegelungsimpfungen bzw. andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe (Immunglobulingabe oder Chemoprophylaxe) bei Kontaktpersonen in Familie und Gemeinschaft Die aktuellen STIKO-Empfehlungen finden Sie unter folgender Webadresse: http://www.rki.de/gesund/impfen/ IMPFEN:HTM?/GESUND/IMPFEN/IMPF_ HOM.HTM&1 Alle Ausgaben des Epid. Bull. finden Sie unter: http://www.rki.de/infekt/epibull/ EPI.HTM Das Wichtigste in Kürze Indikation Grundimmunisierung Auffrischimpfung Säuglinge / Kleinkinder Standardimpfung D ab vollendetem 2. Lebensmonat: 3 Impfungen im Abstand von 4 Wochen D 1 Boosterimpfung nach 6 bis 9 Monaten Jugendliche Standardimpfung D 9 bis 17 Jahre: fehlende Grundimmunisierung nachholen, unvollständige ergänzen Grundimmunisierung: 4 Dosen (13 bis 17- Jährige benötigen nur 2 Impfungen im Abstand von 4 bis 8 Wochen) 1 Auffrischimpfung (bei kompletter Grundimmunisierung): Einzelimpfstoff oder als Kombination (z. B. mit Tetanus, Diphtherie und Polio) Erwachsene D Frauen mit Kinderwunsch D enge Haushaltskontaktpersonen von Säuglingen wie Eltern, Babysitter, Tagesmutter, ggf. Großeltern D Personal in Pädiatrie D Personal in der Infektionsmedizin D Personal in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter 1 Dosis 1 Auffrischimpfung (bei fortbestehender Indikation alle 10 Jahre) mit Einzelimpfstoff oder als Kombination falls Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Polio fehlen alle Indikationsgruppen nach durchgemachter Erkrankung 1 Wiederimpfung frühestens nach 10 Jahren (möglichst in Kombination mit Diphtherie, Tetanus und Polio) 10

Infektionsschutzgesetz und Informationspflicht Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) sieht in 34 Abs. 6 eine Informationspflicht vor, nach der die Leitung einer Gemein schaftseinrichtung (Betreuung von Säuglingen, Kindern oder Jugendlichen) das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich sowohl über Verdacht auf eine Keuch husten- Erkrankung als auch Krankheits fälle zu informieren sowie krankheits- und personenbezogene Angaben zu ma chen hat. Bei Verdacht und Diagnose dürfen sowohl Betreute als auch Betreuer die Gemeinschaftseinrichtung nicht aufsuchen ( 34 Abs. 1 IfSG). Die Wiederzulassung ist frühestens fünf Tage nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie möglich, ohne Behandlung erst nach drei Wochen. Literatur 1. De Serres, G. Shadmani, R., Duval, B., Boulianne, N., Déry, P., Douville Fradet, M., Rochette, L., Halperin, S.A., 2000. Morbidity of Pertussis in Adolescents and Adults. J Infect Dis, 182: 174-179 2. DGPI-Handbuch. Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. Futuramed- Verlag, 4. erweiterte und neu bearbeitete Auflage 2003 3. Epidemiologisches Bulletin Nr. 30, 2004. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut; Stand Juli 2004 4. Epidemiologisches Bulletin Nr. 6, 2004. Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch- Institut: Hinweise für Ärzte zum Aufklärungsbedarf bei Schutzimpfungen, Stand Januar 2004 5. Hahn, Falke, Kaufmann, Ullmann. Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer Verlag 1999, 3. Auflage 6. Halperin, S.A., Marrie, T.J. (1991). Pertussis encephalopathy in an adult. Case report and review. Rev Infect Dis, 13: 1043-1047 7. Heininger, U., Klich, K., Stehr, K., Cherry, J.D., (1997) Clinical Findings in Bor de tella pertussis Infections: Results of a prospective multicenter surveillance study. Pediatrics 100: www.pediatrics.org/cgi/content/full/ 100/6/e10 8. Heininger, U. (2001) Pertussis: an old disease that is still with us. Curr Opinion Infect Dis, 14: 329-335 9. Lugauer, S., Steher, K., Wirsing von König, C.H., Heininger, U. (2001). Pertussis im Erwachsenenalter: Krankheitsbild, Epidemiologie und Prophylaxe. Dtsch Med Wochenschr, 126: 1272-1277 10. Epidemiology and Prevention of Vaccine-Preventable Diseases, The Pink Book 2004, Centers of Disease Control and Prevention http://www.cdc.gov/ nip/publications/pink/ 11. Postels-Multani, S., Schmitt, H.J., Wirsin von König, C.H., Bock, H.L., Bogaerts, H. (1995) Symptoms and complication of pertussis in adults. Infection, 23: 139-142 12. Quast, U., Thilo, W., Fescharek, R., 1997. Impfreaktionen. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 2. Auflage 13. Schmitt-Grohé, S., Cherry, J.D., Heininger, U., Überall, M.A., Pineda, E., Stehr, K. (1995). Pertussis in German adults. Clin Infect Dis, 21: 860-866 14. Wirsing von König, C.H., Postels- Multani S., Bock H.L., Schmitt H.J. (1995). Pertussis in adults: frequency of transmission after household exposure. Lancet, 346 (8986): 1326-1329 15. Wirsing von König, C.H., Gounis, D., Laukamp, S., Bogaerts, H. Schmitt H.J. (1999). Evaluation of a single-sample serological technique for diagnosing pertussis in unvaccinated children. Eur J Clin Microbiol Infect Dis, 18: 341-345 11

Eine Auswahl an Litera tur und weiteren Informationen für Pädiater Fachpublikationen Ende 2004: Schutzimpfungen im Dialog Ute Quast, Sigrid Ley, Ute Arndt ISBN 3-932091-41-8 VERLAG im KILIAN Pneumokokken-Erkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern Burghard Stück, Hubertus von Voß (Hg.) ISBN 3-932091-71-X VERLAG im KILIAN Ärztemerkblätter Diphtherie und Tetanus Masern, Mumps und Röteln Meningokokken Schutzimpfung gegen Kinderlähmung Varizellen/Zoster Ratgeber Mit Kindern gesund und sicher reisen Burghard Stück (Hg.) ISBN 3-932091-45-0 VERLAG im KILIAN Kinder und Neurodermitis Uwe Gieler, Annegret Schulte, Claudia Rehbock ISBN 3-932091-06-X VERLAG im KILIAN Aufklärungsbögen Um die Aufklärungsarbeit der Ärzteschaft zu unterstützen, gibt das Deut sche Grüne Kreuz e.v. (DGK) in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut Auf klä rungsblätter zu Impfungen im Kindes- und Erwachsenenalter heraus. Sie können gegen eine Schutz gebühr beim DGK angefordert werden. Folgende Aufklärungsbögen liegen vor: Diphtherie und Wundstarrkrampf (Tetanus) (Art.-Nr. 001) Diphtherie, Wund starrkrampf (Tetanus) und Keuchhusten (Pertussis) (Art.-Nr. 002) Keuchhusten (Pertussis mit azellulärem Impfstoff) (Art.-Nr. 005) Kinderlähmung (Poliomyelitis, IPV) (Art.-Nr. 006) Masern, Mumps und Röteln (Art.-Nr. 007) Röteln (Art.-Nr. 008) Hepatitis A (Art.-Nr. 009) Hepatitis B (Art.-Nr. 010) Influenza (Art.-Nr. 011) Diphtherie, Keuchhusten (Pertussis), Wundstarrkrampf (Tetanus), Haemophilus influenzae Typ b- Erkrankungen und Kinderlähmung (Poliomyelitis) (Art.-Nr. 013) FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) (Art.-Nr. 014) Diphtherie, Wundstarrkrampf (Tetanus) und Kinderlähmung (Poliomyelitis) (Art.-Nr. 015) Hepatitis A und B (Art.-Nr. 016) Typhus (Art.-Nr. 017) Gelbfieber (Art.-Nr. 018) Tollwut (Art.-Nr. 019) Pneumokokken (Art.-Nr. 020) Varizellen (Art.-Nr. 021) Meningokokken (Art.-Nr. 022) Diphtherie, Keuch husten (Pertussis), Wundstarrkrampf (Tetanus), Haemophilus influenzae Typ b-erkrankungen, Kinderlähmung (Poliomyelitis) und Hepatitis B (Art.-Nr. 023) Cholera (Art.-Nr. 024) Japanische Enzephalitis (Art.-Nr. 025) Meningokokken (Konjugat-Impfstoff) (Art-Nr. 026) Pneumokokken (Konjugat-Impfstoff) (Art.-Nr. 027) Diphtherie, Wundstarrkrampf (Tetanus) Keuchhusten (Pertussis) und Kinderlähmung (Poliomeylitis) (Art.-Nr. 028) Mindestabnahme insgesamt 100 Stück, pro Stück E 0,10 zzgl. MWST + Versandkosten Herausgeber Deutsches Grünes Kreuz e.v. im Kilian Schuhmarkt 4 35037 Marburg Telefon (0 64 21) 2 93-0 Fax (0 64 21) 2 93-1 70 www.dgk.de