Konzeption - Ambulant Betreutes Wohnen für Abhängigkeitskranke - 1. Vorwort: Wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen und sich frei entscheiden können und aktiv am Leben teilnehmen. Endlich wieder frei sein vom Zwang, sich durch psychotrope Substanzen von diesen Lebensgrundlagen abzuschneiden. Das ist der Wunsch der meisten suchtmittelabhängigen Menschen. Dieser Prozess, zum Leben zurück zu kehren ist auch eine Reifezeit, die individuell höchst unterschiedlich verläuft. Jeder Betroffene ist ja mit seiner Geschichte, seinen eigenen Erfahrungen und Vorstellungen beteiligt und hat seine eigenen Entwicklungszeiten. Die Psychosoziale Suchtberatungsstelle Blaues Kreuz in Würzburg stellt Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten in diesem Prozess neue Möglichkeiten und Hilfen im Ambulant Betreuten Wohnen zur Verfügung. Durch ein realitätsnahes Hilfsangebot können lebenspraktische und soziale Kompetenzen zurück gewonnen oder neu entwickelt und eingeübt werden. Und auf diesem Weg kann dann ein höheres Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbstvertrauen entwickelt werden. Unser Angebot richtet sich vorwiegend an Betroffene, die im Anschluss an eine Langzeittherapie oder Soziotherapie noch ein geschütztes Übungsfeld zu ihrer Stabilisierung brauchen. Gerade in dieser Phase ist oft ein Lebensraum unverzichtbar, der Möglichkeiten bietet, die Motivation zu einem abstinenten Leben aufrecht zu erhalten und zu stärken. Unser Angebot zielt darauf ab, die Klienten zu befähigen, soweit wie möglich unabhängig von fremder Hilfe zu leben. Dazu gehört besonders auch, das Leben in der eigenen Wohnung zu sichern, einer angemessenen Tätigkeit nachzugehen und soweit möglich am gesellschaftlichen Leben teil zu haben. Unser Angebot gilt aber auch für Menschen, die bereits mehrfach stationäre oder teilstationäre Maßnahmen hinter sich haben. 1
Im Einzelfall kann das Ambulant Betreute Wohnen eine Möglichkeit für Menschen sein, bei denen durch diese ambulante Hilfe die Unterbringung in stationären Wohnformen (z.b. soziotherapeutische Einrichtung) vermieden werden kann. Ein wesentliches Ziel des Ambulant Betreuten Wohnens ist es, Eigeninitiative und Selbstverantwortung in allen Lebensbereichen zu erhalten bzw. durch Anleitung und Förderung wieder zu gewinnen bzw. auszubauen. 2. Erfahrungen: Die Suchtberatungsstelle des Blauen Kreuzes Würzburg ist seit Jahrzehnten in der Beratung von Alkoholabhängigen und Menschen mit anderen Suchtproblematiken und deren Angehörigen aktiv. Dadurch gibt es umfangreiche Erfahrungen und eine hohe Professionalität im Umgang mit Abhängigkeitskranken und im Blick auf die Notwendigkeiten und die Möglichkeiten der Wiedereingliederung. Unsere Psychosoziale Beratungsstelle ist vom Bezirk Unterfranken finanziert und von den Rentenversicherungsträgern, Krankenkassen und sozialen Einrichtungen anerkannt. Wir stellen seit langer Zeit fest, dass eine Reihe von Suchtmittelabhängigen, insbesondere bei chronischer Verlaufsform, durch die bestehenden Angebote wie Beratung, Entgiftung, Rehabilitation und die Hilfe durch Selbsthilfegruppen nicht ausreichend stabilisiert werden können. Die angestrebten Ziele wie Arbeitsaufnahme, selbständiges Wohnen und eine stabile Abstinenz können häufig mit den herkömmlichen Mitteln nicht erreicht werden. 3. Zweck der Einrichtung: Ein Teil der suchtmittelabhängigen Klienten braucht besondere Hilfen, um die Folgen der Suchterkrankung (psychische Behinderung) zu minimieren oder im besten Fall gar zu beseitigen und die Eingliederung und Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. 2
4. Beschreibung des Klientel: Bei dem angesprochenen Personenkreis liegen neben einer Suchtmittelabhängigkeit (v.a. chronisches Stadium) einer oder mehrere der folgenden Faktoren vor: i.d.r. mehrere erfolglose Entwöhnungsbehandlungen Zusatzdiagnosen wie z.b. Mehrfachabhängigkeit oder andere psychische Erkrankungen (Depression, Psychose etc.) oft keine abgeschlossene Berufsausbildung Langzeitarbeitslosigkeit auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar Schuldenproblematik fehlende soziale Einbindung, soziale Defizite Straffälligkeit fehlende sinnvolle Freizeitgestaltung Schwierigkeit bei der Bewältigung von Alltagsproblemen Mangelhaft ausgebildete Problemlösungsstrategien Soziale Störungen (Rückzug, Verwahrlosungstendenzen) 5. Setting: Die Betreuung erfolgt in der eigenen Wohnung des Hilfesuchenden. 6. Betreuung: Die Betreuung nimmt das Selbstbestimmungsrecht der Klienten ernst und fördert Beziehungs- und Gemeinschaftsfähigkeit. Das Ziel ist eine weitest gehende Eigenständigkeit und Selbstverantwortung zu fördern und zu ermöglichen Die Betreuung erfolgt durch Fachkräfte, z.b. Dipl.-SozialpädagogInnen oder SozialarbeiterInnen (Casemanagement) Die zuständigen MitarbeiterInnen sind im interdisziplinären Mitarbeiterteam der PSB integriert (Fallbesprechungen, Fortbildungen) Betreuungsschlüssel von 1:4 1:12 Die Betreuung erfolgt nach individuell ausgearbeiteten Hilfsplänen 3
7. Aufnahmebedingungen: Aufgenommen werden können abhängigkeitskranke Menschen mit einem Mindestalter von 18 Jahren Die Aufnahme ist nur freiwillig möglich Die Betreuten erklären ihre Bereitschaft zur Abstinenz und zur Mitwirkung im Bereich der angebotenen Hilfen Über die Aufnahme entscheidet das zuständige Mitarbeiterteam Nicht aufgenommen werden können Bewerber mit akuten, schweren psychischen Störungen, Selbst- oder Fremdgefährdung und Demenz. 8. Aufenthaltsdauer: Die Betreuung wird so lange gewährt, wie nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, das Ziel der Hilfe zu erreichen. 9. Ziele: Ziel der Maßnahme ist es, ein selbstbestimmtes und weitest gehend abstinentes Leben zu fördern, um eine möglichst selbständige Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie die langfristige berufliche Eingliederung des Betroffenen zu ermöglichen. Weitere Ziele der Maßnahme: Zufriedene und dauerhafte Abstinenz Vermeidung von wiederholten langfristigen Klinikbehandlungen oder stationären Unterbringungen Erlangen und Erhalt der Erwerbsfähigkeit Stabilisierung und Weiterführung der individuellen Ziele Aufbau tragfähiger Beziehungen Steigerung der Selbstverantwortung und des Selbstwertes Hinführung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung 4
Sinnvolle Freizeitgestaltung Strukturierter Tagesablauf Vorbereitung auf das selbständige Wohnen 10. Angebote: Das Ambulant Betreute Wohnen ist keine gesetzliche Betreuung. Es findet in der eigenen Wohnung statt, d.h. die Betreuten werden von den CasemanagerInnen aufgesucht. Sie geben Hilfestellungen, die sich am individuellen Bedarf orientieren. Die Hilfe unterstützt so weit wie nötig in den jeweiligen Lebensbereichen. Nach dem Aufnahmegespräch erfolgt die Erstellung eines individuellen Hilfeplans. In die Erarbeitung des Hilfeplans sollen der Klient, die Angehörigen und ggf. weitere Hilfepersonen mit einbezogen werden (Helferkonferenz). Die Betreuung besteht aus Einzel- und Gruppenangeboten. In den Einzelkontakten werden in regelmäßigen Abständen Gespräche über die individuellen Ziele geführt Daneben spielen die Förderung der Motivation sowie Situations- und Emotionsklärung eine wichtige Rolle Beziehungsmuster sollen verstanden und ggf. verändert werden Problem- und Konfliktlösungsstrategien werden erarbeitet Hilfen bei der Gestaltung des eigenen Lebensraumes werden angeboten Prinzipien der Gewaltfreiheit und der zufriedenen Abstinenz sollen entwickelt und umgesetzt werden. Innerhalb der Gruppenangebote werden wesentlich ein positiver Umgang miteinander gelernt und gefördert und soziale Kompetenzen gestärkt. Angebote im Freizeitbereich: Gemeinsamer Besuch von Veranstaltungen, Ausflüge. Anregung und Vermittlung von Sportaktivitäten. 5
Weitere Hilfen: Motivation zur Teilnahme an Selbsthilfegruppen und Kontakt zur PSB Krisenintervention Vermittlung in weitere Hilfen Die Unterstützung richtet sich durchgehend auf die Förderung der Kompetenzen im sozialen und lebenspraktischen Bereich. Weiter geht es darum, Voraussetzungen zu schaffen, um eine angemessene Tätigkeit oder einen angemessenen Beruf ausüben zu können. Die Unterstützung in diesem Bereich soll helfen, einen geeigneten Platz im Arbeitsleben zu finden (Motivation, Berufsfindung, Arbeitserprobung etc.) Der offene Charakter des Ambulant Betreuten Wohnens bietet viele, individuell unterschiedlich zu gestaltende Möglichkeiten der Motivation, Unterstützung und Hilfe. Im Mittelpunkt steht immer der Erhalt und/oder das Einüben von Selbstständigkeit, sozialen Kompetenzen und die Aufrechterhaltung bzw. Wiedererlangung von positiven, sozialen Kontakten. Bei der Betreuung chronisch suchtmittelabhängiger Personen sind besonders auch Hilfsangebote unerlässlich, die helfen, die eigene Geschichte und Persönlichkeit anzunehmen und das Beste aus den verbliebenen Ressourcen zu machen. Dazu können gehören: Sinn finden. Kreativität entwickeln. Freude empfinden. Mit Begrenzungen leben lernen. Klienten werden bei der Auseinandersetzung mit Sinn-, Glaubens- und Lebensfragen unterstützt. Die äußeren Lebensbedingungen/Lebensqualität bezogen auf die Bereiche Arbeit, Wohnen, Finanzen, Freizeit und Umgang mit der Krankheit/Behinderung sollen stabilisiert, entwickelt oder verbessert werden. Soweit sinnvoll soll die Familie bzw. das soziale Umfeld mit einbezogen werden. 6
11. Kooperation: Wir legen großen Wert auf gute Zusammenarbeit und Kontakte zu Selbsthilfegruppen für Abhängigkeitskranke (z.b. Ortsverein Blaues Kreuz, Kreuzbund, AA). Mit dem Ortsverein des Blauen Kreuzes besteht bereits seit vielen Jahren eine enge Kooperation. Bei Bedarf werden Klienten an die vorhandenen Fachstellen vermittelt (z.b. Schuldnerberatung). Die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Jobcenter ist angebahnt. Es bestehen gute Kontakte und eine aktive Zusammenarbeit zu den verschiedenen Krankenhäusern und psychiatrischen Kliniken in und um Würzburg: Universitätsklinik Würzburg, Juliusspital, Missionsärztliche Klinik, Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie Schloß Werneck und dem Bezirkskrankenhaus Lohr. Zum Blaukreuz-Haus Rauschenberg (Einrichtung nach 72 BSHG) besteht guter Kontakt. Die Einrichtung nimmt auch wohnungslose Abhängige aus Würzburg auf. Weiter bestehen vielfältige Kontakte zu den niedergelassenen Haus- und Fachärzten in Würzburg. Stand: 15.04.2015 7