So bauen die Milch-Profis

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Transkript:

S t a l l b a u So bauen die Milch-Profis Die Stallbau-Welle rollt weiter. Jedes Jahr werden mehrere hundert Kuhställe gebaut. top agrar zeigt die aktuellen Bautrends. Anlieferung eines Milchtanks mit Wärmespeicher für einen neuen Kuhstall: Viele Landwirte investieren in die Milchproduktion. Kuhkomfort, Arbeitswirtschaft, Kosten: Diese Aspekte stehen beim Bau einer Milchviehanlage im Vordergrund. Doch wie sehen moderne Kuhställe heute aus? Welche Bautrends zeichnen sich ab? Wo lässt sich Geld sparen? Die aktuellen Bautrends Das lässt sich am Beispiel Niedersachsens beantworten. Denn das Bundesland zählt zu den Hochburgen des Stallbaus. Allein die Niedersächsische Landgesellschaft (NLG) hat in den vergangenen zwei Jahren über 250 Kuhställe gebaut bzw. erweitert, erklärt Bauberater Wilfried Paasch. Dabei zeichnen sich folgende Trends ab: n Größenordnung/Stalltypen: Die meisten Neubauten werden für 100 bis 400 Kühe ausgelegt. Es überwiegen 3-reihige bzw. 2 x 3-reihige Ställe mit geraden Achsen. So wird die Grundfläche am effizientesten ausgenutzt. Das senkt die Kosten. R 38 top agrar 2/2011 Bei den meisten Neubauten werden bereits Erweiterungen eingeplant, z. B. durch Spiegelung des Stalles an der Futterachse. n Hallenkonstruktion: Derzeit wird zu über 90 % Holz verarbeitet. Die Binderriegel bestehen meist aus Leimholz, die Stützen entweder aus Leimholz oder sägerauhem Holz. Grund für den großen Holzanteil ist der hohe Stahlpreis: Trägerstahl kostet inkl. Verzinkung zur Zeit etwa 2,10 /kg. Inzwischen lassen sich auch mit Holzkonstruktion ähnliche Stützweiten wie bei Stahl erreichen. Das verbessert die Übersicht in großen Ställen. n Dacheindeckung: Zur Dacheindeckung werden Wellfaserzementplatten verwendet. Mit 15,50 /m 2 sind sie etwas günstiger als Blech (16,50 ). Um ein Aufheizen zu vermeiden, werden nur naturgraue oder weiße Platten verwendet sofern die Naturschutzbehörde das akzeptiert. Zudem gibt es keine durchlaufenden Lichtbänder mehr (Aufheizung). Bei Blech als Dacheindeckung ist die Unterkonstruktion preiswerter. Die Lärmbelastung bei Regen und die Gefahr von Tropfwasser ist aber deutlich höher. Sandwitchelemente, die eine Wärmedämmung ermöglichen, kosten nochmals ca. 15 /m 2 mehr und werden deshalb nur im Wartebereich und im Melkzentrum eingesetzt. Auf nach Süden gerichteten Dächern lässt sich die Wärmeaufheizung durch eine Photovoltaik-Anlage reduzieren. Die Dachneigung beträgt zumeist 15. n First: Im Elbe-Weser-Dreieck ist inzwischen der Sheddach-First am weitesten verbreitet. Denn im Gegensatz zu den anderen Firsten bleibt der Futtertisch hier trocken. Bei offenem First beträgt die Schlitzbreite 0,3 bis 0,5 m. Bei größeren Schlitzen sollte eine Abdeckung erfolgen. n Lüftung: Die Traufseiten von Oberkante Laufgang bis Unterkante Dach sind zwischen 4,00 und 5,00 m hoch. Durch die Querlüftung gelangt ausreichend Frisch-

In größeren Herden ist es inzwischen Standard, Trockensteher und Transitkühe in abgetrennten Stallbereichen zu halten. Wilfried Paasch Die Strohställe für Frischmelker sollten in der Nähe zum Melkstand liegen. luft in den Stall. Die Seitenwände lassen sich mit Curtains schließen. Die Giebeldreiecke werden mit Trapezblechen, Lochblechen bzw. Spaceboards verkleidet. Durch die Tore bzw. gelochtes Trapezblech wird der Stall zusätzlich belüftet. Das ist besonders für Ställe wichtig, die nicht quer zur Hauptwindrichtung stehen. n Futtertisch: Die Futtertische sollten für konventionelle Fütterungsverfahren zwischen 5,50 und 6,00 m breit sein. Davon sollten am Trog 1,00 m beschichtet sein, beispielsweise mit Exporzidharz, damit der Beton nicht angefressen wird. n Entmistung: In Ställen bis 100 Kühe wird in der Regel Spaltenboden verlegt. Die Güllelagerung erfolgt unter dem Stall. Ab 120 Kühe werden meist planbefestigte Laufgänge mit Schieberentmistung gebaut. Die Gülle wird in Vorgruben gesammelt und in Güllebehälter gepumpt. n Laufgänge: Die Laufgänge am Futtertisch sind in der Regel 3,50 m (Spalten) bzw. 4 m (planbefestigt) breit. Die anderen Gänge haben meist eine Breite von 2,5 bis 3,0 m. Bei planbefestigten Laufgängen setzen die Milcherzeuger überwiegend auf Beton mit Besenstrich. Diese Oberfläche hat sich bisher am besten bewährt. Nach maximal 20, besser nach 12 bis 15 Liegeboxen, muss ein mind. 2,40 m breiter Übertrieb eingeplant werden. n Liegeboxen: Tiefboxen werden deutlich häufiger eingebaut als Hochboxen. Sie sind zwar in der Bewirtschaftung etwas teurer, bieten aber mehr Kuhkomfort. In der Regel sind die Boxen 1,20 m breit und 2,60/2,70 m (wandständig) bzw. 2,50 m (Doppelbox) lang. n Beleuchtung: Die Mindestbeleuchtungsstärke im Stall sollte bei 80 Lux liegen. Durchgesetzt in der Praxis haben sich Gasdampflampen. n Tränken: Als Faustzahl gilt, dass pro Kuh eine Tränkenkantenlänge von 8 bis 10 cm eingeplant werden sollte. Das bedeutet pro 20 Kühe eine 2 m-tränke. n Tierselektion: Ab 80 bis 100 Kühen ist eine Tierselektion im Rücktrieb vom Melken üblich. Am gängigsten ist die Drei- Wege-Selektion. Sie vereinfacht das Herdenmanagement, da sich einzelne Tiere oder Tiergruppen gezielt in bestimmte Buchten sortieren lassen. Dort können unter anderem Behandlungen oder Besamungen vorgenommen werden. n Besondere Stallbereiche: Meist werden auch die Frischmelker über die Tierselektion in einen Strohstall geleitet. Denn immer mehr Betriebe halten die Kühe nach der Geburt für zwei bis drei Wochen auf Stroh. Weiterhin gibt es getrennte Strohställe für Abkalber und Kranke. Diese werden meist unmittelbar neben dem Melkstand angeordnet, um die Wege kurz zu halten. Das Platzangebot beträgt 8 bis 12 m 2 pro Tier. n Gruppeneinteilung: Ab Herden von 100 Kühen sollten Trockensteher und Tran- top agrar 2/2011 R 39

S t a l l b a u Der Sheddach-First setzt sich immer mehr durch, da der Futtertisch trocken bleibt. Ab Stallgrößen von 120 Kühen aufwärts sind planbefestigte Laufgänge mit Schieberentmistung Standard. Erleichtern das Herdenmanagement enorm: Automatische Tierselektionen. Blick in ein modernes Melkzentrum mit Swing Over. Fotos: Dylka (13), Heil (3), Henk Riswick sitkühe in separaten Gruppen stehen. Dort können sie gezielt versorgt werden. Gängige Praxis sind abgetrennte Stallbereiche mit Liegeboxen. Bei mehreren Futtergruppen sollten zur besseren Übersicht pro Gruppe max. 120 Kühe gehalten werden. n Melkzentrum: Inzwischen werden fast ausschließlich separate Melkzentren gebaut. Dass Melkstände im Stall integriert werden, ist die Ausnahme. Vorwartehöfe sind Standard. Sie werden entweder planbefestigt (Besenstrich) mit Schieberentmistung oder mit Spaltenboden angelegt. Das Platzangebot sollte bei 1,5 m 2 /Tier liegen. Die Wartezeit darf max. eine Stunde betragen. Ab einer Melkstandgröße von 2 x 8 Melkzeugen sind Nachwartehöfe zu empfehlen, da die Melkgruppen schneller wechseln können. Hier sollte das Platzangebot bei 1,3 m 2 /Tier liegen. n Melktechnik: Bei der Melktechnik hat es in den letzten Jahren eine Verschiebung gegeben: Bei uns überwiegen inzwischen Swing Over-Melkstände mit 20 bis 28 Melkzeugen. Sie machen ca. 35 % der Investitionen aus. Danach folgen steile Fischgräten- (30 %) sowie Side by Side-Melkstände (20 %), versichert Wilfried Paasch von der NLG. Zudem würde das automatische Melken immer beliebter: Melkroboter machen bereits 10 % der Investitionen aus, Tendenz steigend. Melkkarusselle würden nur sehr selten nachgefragt. n Baukosten: Die Baukosten inkl. Melktechnik streuen zwischen 4 000 und 6 500 pro Kuhplatz. Hinzu kommen noch die individuellen Nebenkosten, wie z.b. Erschließung des Grundstücks. Gerade der erste Bauabschnitt ist oft verhältnismäßig teuer, da hiermit die Grundlage für weitere Erweiterung gelegt wird. Doch hier schlummert noch Einsparpotenzial: Einige Landwirte verschenken bares Geld, da sie anstatt planbefestigter Laufgänge Spaltenboden einsetzen und so die teure Unterkellerung bezahlen müssen. Zudem treiben oftmals große Melkhäuser und eine überdimensionierte Melktechnik die Kosten in die Höhe. Umweltschutz macht Ärger Einige Milcherzeuger haben beim Bau ihres neuen Stalles auch mit argen Problemen zu kämpfen. Vor allem die Standortfrage bereitet vielen Kopfzerbrechen: Zum einen muss die Infrastruktur (z. B. Versorgungsleitungen) passen, zum anderen müssen künftige Erweiterungen möglich sein. Denn für große Ställe fehlen oft geeignete Grundstücke (z. B. Hanglage). Auch die Umweltauflagen verschärfen sich. Viele Behörden pochen auf den Emissionsschutz: Steht der geplante Stall zu nah an einem Wohngebiet oder einem Wald, wird die Genehmigung nur unter Auflagen oder gar nicht erteilt. P. Liste R 40 top agrar 2/2011

Ein Kuhstall mit Schornstein Ein eher ungewöhnliches Bild: Der First des Kuhstalls ist geschlossen, dafür ist in der Mitte des Stalls ein Schornstein installiert. Der Emissionsschutz zwang Familie Kahrs zum Bau eines ungewöhnlichen Daches. Auf den ersten Blick sieht der Kuhstall von Familie Kahrs aus wie jeder andere. Doch auf den zweiten Blick springt ein 2 x 2 m großer und 3 m hoher Schornstein ins Auge: Eine Auflage von der Behörde sonst hätten wir gar nicht bauen dürfen, erklärt Gerd-Diedrich Kahrs. Was steckt dahinter? Die Betriebsstätte der Familie aus Schiffdorff-Wehden (Niedersachsen) ist von zwei Wäldern umgeben. Aufgrund der Ammoniak- Emissionen durften Kahrs ihre bestehenden Rinderställe weder umbauen noch erweitern. Ihre einzige Chance, den Betrieb weiterzuentwickeln, war ein Neubau in 200 m Entfernung zur alten Hofstelle. Doch auch hier hatte die Baubehörde ein Wörtchen mitzureden: Der neue Stall durfte keinen offenen First haben, damit Ammoniak nicht über die gesamte Stalllänge entweichen kann. Vielmehr sollen die Emissionen nur über eine zentrale Stelle, den Schornstein, nach außen gelangen. Das hielt Gerd-Diedrich Kahrs zunächst für Behörden-Gängelei. Inzwischen Birgit und Gerd-Diedrich Kahrs mit Malte, dem jüngsten der drei Kinder. kann er dem Schornstein aber durchaus etwas Gutes abgewinnen: Selbst bei dem eisigen Winter haben wir keine Probleme. Und die Luft im Stall ist immer sehr gut, denn die Querlüftung klappt bei den 4,60 m hohen Traufseiten einwandfrei. Den 2 x 3-reihigen Laufstall mit 208 Liegeplätzen hat die Familie 2009 bezogen. Der mittige Futtertisch ist 5,50 m breit. Dort sind Stahlstützen verbaut. Alle anderen Stützen sowie der restliche Oberbau sind aus Holz. Die Stahlstützen ha- top agrar 2/2011 R 41

S t a l l b a u Der erste Bauabschnitt (bis zum Rücktrieb bzw. den Abwurfschächten) ist bereits fertig, der zweite soll in Kürze folgen. ben den Vorteil, dass sie schmaler als die Holzstützen und einfacher zu befestigen sind. Ansonsten ist Holz aber unschlagbar günstig, begründet Kahrs. Die Dacheindeckung erfolgte mit Wellfaserzementplatten. Einstreuen mit Mischwagen Am Futtertisch stehen Stahlstützen, ansonsten ist Holz verbaut. Grundriss und Schnitt des Stalles 10,20 48,80 3,50 KÄLBERIGLUS 16,90 5,00 MILCHKAMMER 9,30 ABSTELLRÄUME GANG FLUR LIEGE- BOXEN -0,20 0,00-0,20 7,00 12 5,60 4,60 FUTTER- MELKHAUS TISCH -0,20 +0,10-0,20 0,00-0,20-1,50 FRESSGANG IGLUS NACHWARTE- BEREICH MELKSTAND 24 SWING OVER WARTERAUM RÜCKTRIEB 1,80 3 WEGESELEKTION 23,20 13 KÄLBERSTALL ABKALBE-/ KRANKENBOX SELEKTION BUCHT 10,40 FUTTERTISCH 7,00 BETON PLANBEFESTIGT GRUPPENIGLUS RÜCKTRIEB SPALTEN Beim Stallboden hat sich die Familie für planbefestigte Laufgänge mit Schieberentmistung entschieden. Das Einstreuen der Tiefliegeboxen können wir bequem mit dem Futtermischwagen machen. Die Laufflächen sind einfacher sauber zu halten und der Untergrund ist für die Tiere rutschfester, begründet Birgit Kahrs. Größten Wert haben sie auf einen perfekten Besenstrich gelegt, damit der Schieber optimal räumen kann. Beim Melkstand haben sich Kahrs für einen Swing Over entschieden. Das Probe-Melken hat uns gezeigt: In einem 24er-Swing Over ist eine Arbeitskraft optimal ausgelastet, begründet der Betriebsleiter. So schafft ein Melker mit allen Nebenarbeiten etwa 100 Kühe pro Stunde. Bis ins Detail durchdacht ist die Anordnung des Melkhauses sowie der Abkalbe- und Selektionsbucht. Sie liegen parallel zum Stall. Drehund Angelpunkt ist eine Drei-Wege- Selektion. Sie ist im 1,80 m breiten Rücktrieb vom Melken installiert. Frischmelker und kranke Kühe werden direkt in die Abkalbe- bzw. Krankenbox auf Stroh sortiert. Beim Weg zum Melken müssen sie nur eine kurze Strecke zurücklegen, da der Warteraum schnell zu erreichen ist. Direkt daneben befindet sich eine Bucht mit 13 Liegeboxen und planbefestigtem Boden. Hier steht die Vorbereitungsgruppe, die so speziell versorgt wird. Daneben liegt eine Selektionsbucht. Hier werden alle Kühe hin- 5,00 2,60 3,00 2,50 2,50 LIEGEBOXEN 1,20 x 260 LIEGEBOXEN 1,20 x 260 LAUF-/ LAUFGANG LAUFGANG 102 KUHPLÄTZE TRÄNKE TRÄNKE 98 KUHPLÄTZE ABWURFSCHÄCHTE LIEGE- BOXEN 15 FRESSGANG 4,00 FUTTER- TISCH 36,00 5,50 4,00 2,50 2,50 3,00 2,60 FUTTERTISCH LIEGE- BOXEN LIEGE- BOXEN -0,20 FUTTERTISCH FRESS-/ 106 KUHPLÄTZE 98 KUHPLÄTZE LAUFGANG LAUFGANG LAUFGANG LIEGEBOXEN 1,20 x 260 LIEGEBOXEN 1,20 x 260 9,40 106,30 R 42 top agrar 2/2011

Verlängerter Dachüberstand des Melkhauses mit Kälberiglus. Links Großraumiglus für Kälber, rechts Strohställe für Kühe. geleitet, bei denen Behandlungen anstehen. Das macht sich insbesondere beim Fruchtbarkeitsmanagement bezahlt. Denn Kahrs haben die Aktivitätsmessung ihrer Kühe mit der Tierselektion gekoppelt. So werden die Kühe nach dem Melken automatisch in die Besamungsbucht geleitet, wenn sie überdurchschnittlich aktiv sind. Jetzt übersehen wir fast keine Brunst mehr. Im Vergleich zum alten Stall erzielen wir um 25 % bessere Ergebnisse, resümieren sie. Im gesamten Sonderbereich sind Fressgitter eingebaut. So können bis zu 50 Tiere fixiert werden. Clever gelöst ist auch die Anordnung der Kälberiglus. Die Einzeliglus, in denen die Neugeborenen die ersten zwei Lebenswochen bleiben, stehen an der Außenwand des Melkhauses. Damit sie vor Regen und Sonne geschützt sind, haben Kahrs den Dachüberstand verlängert. Wichtig waren uns kurze Wege. Jetzt sind es nur wenige Meter vom Abkalbestall bis ins Iglu. Und auch die Biestmilch ist direkt vor Ort, begründet Birgit Kahrs. Die älteren Kälber sind auf der gegenüberliegenden Melkhaus-Seite in Gruppeniglus aufgestallt. Das übrige Jungvieh steht in den Altgebäuden. Insgesamt ist Gerd-Diedrich Kahrs mit der 1,5 Mio. - Investition (inkl. Siloplatten und Güllebehälter) zufrieden. Momentan überlegt der Milcherzeuger, eine Lockfütterung im Melkstand nachzurüsten, um den Gruppenwechsel zu beschleunigen. Mittelfristig will er den Stall spiegeln und auf 400 Kühe aufstocken. Die Baugenehmigung dafür hat er bereits. -pl- j Bildergalerie Weitere Bilder von den beiden Betrieben finden Sie im Internet unter www.topagar.com top agrar 2/2011 R 43

S t a l l b a u Ein Wartehof Open Air Das Melkzentrum mit Vorwartehof ist parallel zum Kuhstall angeordnet. Der Wartehof ist nicht überdacht. Milcherzeuger Thilo Icken aus dem Landkreis Cuxhaven in Niedersachsen. Ein Vorwartehof, der nicht überdacht ist kann das funktionieren? Ja, sagt Milcherzeuger Thilo Icken. Warum eigentlich nicht?, dachte sich Thilo Icken aus dem Landkreis Cuxhaven, als er in den USA einen nicht überdachten Vorwartehof sah. Schließlich lässt sich so einiges an Baukosten sparen. Deshalb hat sich der junge Betriebsleiter beim Bau des dreireihigen Pultdachstalls mit separatem Melkzentrum für einen Wartehof Open Air entschieden. Dieser ist ca. 38,0 m lang, 7,20 m breit und steht parallel zum Stall. Icken, der den 150 Kuh-Betrieb zusammen mit seinen Eltern führt, resümiert nach einem Jahr: Der Freiluft- Wartehof funktioniert bei jeder Wetterlage. Wenn die Sonne scheint, zeigen die Kühe im Wartehof sogar noch bessere Brunstsymptome. Und bei Frost und Schnee streuen wir einfach vor dem Melken Salz auf den planbefestigten Boden, dann gibt es auch keine Probleme. Angst hat er nur vor Eisregen während der Melkzeit. Da hätte ich keine Chance, eine Eisschicht im Vorwartehof zu verhindern. Um Arbeitszeit zu sparen, hat er im Wartehof einen Kuhtreiber mit integriertem Mistschieber installiert. Während des Melkens fährt der Kuhtreiber Richtung Melkhaus und zwingt so alle Kühe, den Melkstand zu betreten. Auf dem Rückweg säubern zwei Schieber den Wartehof. Schnelles Melken im Swing Over Bei der Melktechnik hat sich Icken für einen 24er-Swing Over Side by Side-Melkstand entschieden. Denn das ist nach dem Karussell das schnellste Melksystem, so der Milcherzeuger. Derzeit benötigen 1,5 Personen für eine Melkzeit etwa zwei Stunden inklusive Reinigen. Besonders zügig verläuft der Gruppenwechsel. Denn sobald alle Tiere einer Seite leer sind, fahren die Bügel hoch. Die Kühe können sich so leichter umdrehen und den Melkstand schneller verlassen. Übrigens: Zum Säubern des Melkstandes verwendet Icken gebrauchtes Spülwasser, das er in einer Grube neben dem Melkstand sammelt. Das senkt die Wasserkosten. Im Rücktrieb vom Melken ist eine Drei-Wege-Selektion installiert. Denn Icken legt großen Wert darauf, dass Frischmelker und kranke Kühe während der sensiblen Phase auf Stroh stehen. Zum einen regenerieren sie sich dort besser. Und zum anderen habe ich sie dort immer im Blick, begründet der Milcherzeuger. Das Platzangebot im Strohstall liegt bei etwa 12 m 2 /Tier. Ebenso sortiert er zu behandelnde Kühe in eine Selektionsbucht. Hier befin- Um die Melktechnik im Winter vor Frost zu schützen, lässt sich die Frontseite des Melkzentrums mit einer Folie verschließen. R 44 top agrar 2/2011

Grundriss und Schnitt 4,80 9,50 4,20 1,60 GANG Das wird sich aber ändern. Denn die rund 1 Mio. teure Investition (inkl. Siloplatte und Güllebehälter) soll nur der Grundstein für den nächsten Erweiterungsschritt sein. Geplant ist, dass der Stall am 6 m breiten Futtertisch gespiegelt wird und somit 300 Kühen Platz bietet. Das Pultdach hat dort eine Höhe von 10,60 m. Beim Erweiterungsschritt wird das Dach des neuen Stalles dann knapp unter das Pultdach am Futtertisch ragen. Dadurch entsteht ein Sheddach-First. Wann die Erweiterung erfolgen soll, kann Icken noch nicht abschätzen. Zunächst will er die Herde mit eigener Nachzucht auf 200 Kühe aufstocken. Doch ein Ziel hat er: Nach dem Quotenende 2015 müssen wir so günstig wie möglich so viele Kühe wie möglich melken. -pldet sich auch der Klauenpflegestand. Alle anderen Kühe gehen nach dem Melken zurück in den Stall. Allerdings kann es bei der Tierselektion schon mal zu Problemen kommen: Da die Selektionseinrichtung sehr nah am Ausgang vom Melkstand steht, können sich die Kühe bis in den Nachwarteraum stauen. Dadurch kommt der Gruppen- WC MILCH- KAMMER NACHWARTE RAUM BÜRO 35,00 STROHBUCHT 21,40 15 15 FRESS- FUTTER- 10,60 GANG TISCH MELKHAUS LAUFGANG -0,15-0,24-0,40-0,20 0,00-0,40-1,50 GEBÄUDE LIEGEBOXEN ZWISCHENRAUM 15 wechsel ins Stocken. Besser wäre es gewesen, die Tierselektion etwas weiter hinten im Rücktrieb zu platzieren. Das ging wegen der beengten Platzverhältnisse aber nicht, begründet Icken. So liegen selbst zwischen Melkzentrum und Stall gerade einmal etwa 4 m. Im Stall hat sich der Milcherzeuger für Tiefliegeboxen entschieden. Da er planbefestigte Laufgänge hat, kann er das Kalk-Stroh- Sägemehl-Gemisch mit dem Mischwagen verteilen. Zwei Klappschieber räumen die Laufgänge mehrmals täglich. Die Gülle fällt dabei in einen Vorsammelschacht und wird von dort in den Güllebehälter gepumpt. Die Hallenkonstruktion ist bis auf einige Stahlstützen (wegen der Statik) aus Kostengründen aus Holz gefertigt. Das Dach ist mit Wellfaserzementplatten eingedeckt, die Stirnseiten mit Trapezblechen. An der offenen Futtertischseite sind Windschutznetze angebracht. 80,70 MELKSTAND 24 SWING OVER 7,20 WARTEHOF MISTSCHIEBER UND KUHTREIBER RÜCKTRIEB 1,80 SPALTEN ABWURFSCHÄCHTE KLAUENPFLEGE / SELEKTION 3 WEGESELEKTION GEBÄUDEZWISCHENRAUM 4,00 OHNE NUTZUNG LIEGEBOXEN 1,20 x 2,70 2,70 LAUFGANG 3,00 MISTSCHIEBER Die Selektions- und Strohbuchten sind neben dem Rücktrieb vom Melken angeordnet. Zeichnungen: Thiemeyer 5,00 4,00 MISTSCHIEBER 6,00 FUTTERTISCH 6,00 Stall spiegeln top agrar 2/2011 R 45