Deregulierung der Politik: Interviews mit 15 Politikern im Kanton St.Gallen



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Transkript:

Deregulierung der Politik: Interviews mit 15 Politikern im Kanton St.Gallen Seminararbeit im 3. Studienjahr Im Fach Finanzwissenschaft, Prof. Dr. R. Eichenberger Eingereicht von: Andreas Egli Avenue du Midi 7 1700 Freiburg Studenten-Nummer 98-617-939 andreas.egli@unifr.ch 026 424 06 94 Abgabetermin : 19. März 2002

1 0. Inhaltsverzeichnis 0. Inhaltsverzeichnis 1 1. Ziel der Arbeit 3 2. Zusammenfassung Reiner Eichenbergers Aufsatz, die Politik zu deregulieren 5 2.1. Repräsentative Demokratie heute 5 2.2. Das Deregulierungsprogramm 6 2.2.1. Wohnortsvorschriften 6 2.2.2. Politikproduktionsbedingungen ändern 6 2.2.3. Lohnvorschriften abbauen 6 2.3. Vorteile 6 2.4. Behauptete Nachteile 7 3. Gewonnene Erkenntnis 10 3.1. Erfahrungen mit der Offenheit, rechtliche Situation 10 3.2. Auswirkungen auf den Wahlkampf 12 3.2.1. Suche nach externen Kandidaten 12 3.2.2. Wahlpropaganda/Gegenveranstaltungen 13 3.2.3. Kampfwahlen 13 3.2.4. Kampfwahlen 14 3.3. Reaktionen in der Bevölkerung 14 3.3.1. Wahlbeteiligung 15 3.3.2. Erfolgschancen bei gleichen Qualifikationen 15 3.3.3. Gründe für die Wahl eines Auswärtigen bzw. Einheimischen 17 3.3.4. Amtsübernahme und Wiederwahl 18 3.4. Wirkung auf die Politiker 18 3.4.1. Druck auf Amtsinhaber 18 3.4.2. Ausrichtung der Politik auf die Bürger 19 3.4.3. Aufbau eines guten Rufes 19 3.4.4. Wahlversprechen 19 3.4.5. Lerneffekt 20 3.4.6. Informationseffekt 20 3.4.7. Ausrichtung der Politik 21 3.4.8. Bevorzugte Gemeinden von auswärtigen Kandidaten 21 3.4.9. Gemeinden, die nach auswärtigen Kandidaten suchen 22 3.5. Wirkung auf die Politik 22 3.5.1. Qualität der Gemeindepolitik 22 3.5.2. Gewinner Verlierer 23 3.5.3. Abwerbung erfolgreicher Politiker 23 3.5.4. Rolle der Parteien 24 3.5.5. Auswirkungen auf die kantonale Politik 24

2 3.6. Mögliche Probleme 24 3.6.1. Die reichsten Gemeinden erhalten die besten Politiker 24 3.6.2. Auswärtige kennen sich in Gemeindeangelegenheiten zu wenig aus 24 3.6.3. Das Engagement eines Auswärtigen ist zu klein 25 3.6.4. Bei einem besseren Angebot verlassen Auswärtige die Gemeinde allzu schnell 25 3.7. Weitere Öffnung der Politik 26 3.7.1. Gemeinderäte und Parlamentarier als auswärtige Kandidaten 26 3.7.2. Ein Gemeindepräsident für mehrere Gemeinden 26 3.8. Andere wichtige Aspekte 26 4. Persönliche Schlussbemerkung 27 5. Literatur 29 6. Interviewpartner 29 7. Anhang 29

3 1. Ziel der Arbeit Meine Arbeit ist Teil eines grösseren Forschungsprojekts von Prof. Eichenberger von der Universität Freiburg. Dieses Projekt untersucht einen bisher kaum erforschten Aspekt des politischen Wettbewerbs, nämlich die Wanderung von Politikern über die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg. St.Gallen ist nach bisherigen Ergebnissen der einzige Kanton, in dem regelmässig nicht Ortsansässige als Gemeindepräsidenten kandidieren und gewählt werden. Das Gemeindepräsidentenamt wird oft schweizweit von St.Galler Gemeinden ausgeschrieben. Ich recherchiere deshalb ganz bewusst im Kanton St.Gallen nach den Auswirkungen dieser politischen Offenheit. Weil es sich dabei um einen ganz neuen Forschungsgegenstand handelt, ist es ausserordentlich wichtig, offen mit Betroffenen zu sprechen und so Informationen und Ideen zu sammeln. Ich habe mit elf Gemeindepräsidenten, mit einer Kantonsrätin, mit einem Gemeinderat und mit zwei Gemeinderatsschreibern im Kanton St.Gallen gesprochen. Das Interview, welches ich mit insgesamt 15 Personen geführt habe, ist in folgende acht Bereiche gegliedert: 1. Erfahrungen mit der politischen Offenheit, rechtliche Situation 2. Auswirkungen auf den Wahlkampf 3. Reaktionen in der Bevölkerung 4. Wirkung auf die Politiker 5. Wirkung auf die Politik 6. Mögliche Probleme 7. Weitere Öffnung der Politik 8. Andere wichtige Aspekte Ich beziehe mich in meiner Arbeit nur auf die lokale politische Ebene. Die Gesetzgebung der Kantone Thurgau, Solothurn, Schwyz und Appenzell erlauben die Kandidatur Ortsfremder ebenfalls. Aber nur im Kanton St. Gallen haben die Gemeindepräsidenten eine finanziell so interessante Stellung (oft Vollzeitdeputat, sonst grösseres Teilzeitdeputat), dass Politiker auch tatsächlich von

4 der Möglichkeit Gebrauch machen. Im Falle einer Wahl muss der Präsident in jedem Fall in der Gemeinde Wohnsitz nehmen. Das weitere Vorgehen ist wie folgt: Zunächst werden die Ansatzpunkte und die Idee einer deregulierten Politik zusammengefasst. Im zweiten Abschnitt werden die Erkenntnisse aus den 15 Interviews vorgestellt. Der letzte Abschnitt bietet eine kurze persönliche Bemerkung mit einem Ausblick auf weitere Forschungsgegenstände.

5 2. Deregulierung der Politik : Ansatzpunkte und Idee Das Konzept der Deregulierung der Politik wird in verschiedenen Arbeit von Eichenberger (2000, 2001) entwickelt. Im folgenden werden die wichtigsten Aspekte kurz zusammengefasst. 2.1. Repräsentative Demokratie heute In der heutigen repräsentativen Demokratie gelten Vorschriften, welche überall den politischen Prozess einschnüren. - Protektionismus: Auf nationaler Ebene dürfen nur Inländer für politische Ämter kandidieren, in Gemeinden normalerweise nur Ortsansässige - Es dürfen nur natürliche Personen für Ämter kandidieren - Die Höhe der Entschädigungen für Politiker ist genau vorgeschrieben, und liegt unter dem, was gut qualifizierte Arbeitskräfte in der Wirtschaft verdienen würden Diese Regulierungen schwächen den Wettbewerb um Wahlstimmen zwischen den Anbietern von Politik den Politikern und Parteien. Politischer Wettbewerb ist aber für das Funktionieren des politischen Prozesses unabdingbar, solange Politiker eigene Ziele verfolgen und/oder nicht vollständig über die Wünsche der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen informiert sind. Ohne sehr intensiven Wettbewerb können Politiker ihre eigenen Ziele verfolgen und von den Präferenzen der Bürger abweichen. Die gut organisierten Gruppen können die Politik überproportional beeinflussen. Denn sie können: - den Politikern mehr Ressourcen anbieten - durch Politikmassnahmen ihre Anliegen besser Kommunizieren - die Wahlversprechen der Politiker besser sanktionieren Diese drei Asymmetrien bewirken, dass die Politik vor allem an den Interessen der gut organisierbaren gesellschaftlichen Gruppen und der Politiker selbst ausgerichtet ist, während Interessen der schlecht organisierbaren Gruppen Kon-

6 sumenten und Steuerzahler systematisch vernachlässigt werden (Eichenberger 2001) 2.2. Das Deregulierungsprogramm Die Idee der Deregulierung besteht darin, die verschiedenen wettbewerbsschwächenden Regeln abzubauen oder aufzuheben. 2.2.1. Wohnortsvorschriften Der Kreis der Politikanbieter wird vergrössert, indem der Wohnort, allenfalls auch die Nationalität, keine wesentliche Rolle mehr spielt. Der somit steigende Wettbewerbsdruck trägt dazu bei, dass sich Politiker an ihre Wahlversprechen halten müssen. Andernfalls droht ein Misserfolg bei den Neuwahlen und die Wahlchancen in einer anderen Gemeinde sinken. 2.2.2. Politikproduktionsbedingungen ändern Neben den natürlichen Personen dürfen neu auch Politikunternehmungen und Parteien kandidieren. Diese dürfen Aufgaben an ihre Mitarbeiter delegieren, was eine bessere Umsetzung der Wahlversprechen bedeutet. 2.2.3. Lohnvorschriften abbauen Die Löhne der Gemeindepräsidenten, Gemeinderäte und Gemeindeparlamentarier werden freigegeben oder stark erhöht. Die Öffnung dieser Grenze führt zu intensiverem Wettbewerb. 2.3. Vorteile Die Deregulierung des politischen Bereichs wirkt sich ähnlich aus wie jene in der Wirtschaft. Schliesslich sind die Entscheidungsprobleme von Wählern eng verwandt mit denjenigen von Konsumenten in herkömmlichen Märkten. (Eichenberger 2001) Aus folgenden Gründen haben die Politiker mehr Anreize die Wahlversprechen einzuhalten und sich besser um das Allgemeininteresse zu kümmern:

7 - Durch die Deregulierung wird die Ungleichheit zwischen den gut und schlecht organisierten Gesellschaftsgruppen in einer Gemeinde geschwächt. Politiker setzen nicht nur die Interessen der Classe politique, um sondern hauptsächlich jene der Bürger. - Die Höhe der Entschädigungen für Gemeindepolitiker wird dem Markt überlassen. Die Einflussnahme des einzelnen Bürgers steigt. Für den Politiker lohnt es sich jetzt vermehrt, Gesellschaftsgruppen, wie Gewerbevereine oder Kommunalparteien, die nun keine impliziten Entschädigungen mehr bezahlen, verlieren die Überhand. - Durch die Marktöffnung werden den Politikern Absprachen erschwert. Dies trägt dazu bei, dass auf gesellschaftliche Probleme und unbefriedigte Bedürfnisse schneller eingegangen wird. - Politikharmonisierung findet statt, sobald Politikanbieter in verschiedenen Gemeinden und Regionen politisch aktiv sind. 2.4. Behauptete Nachteile Dem Vorschlag werden vielerlei Einwände vorgebracht (siehe z.b. Analyse & Kritik 23/2001). Regelmässig werden folgende Argumente aufgeführt: - Auswärtige Kandidaten würden nicht gewählt. - Die Aufhebung der Lohnvorschriften bewirkt grosse Kostensteigerungen. - Höhere explizite Entschädigungen zerstören die intrinsische Motivation von Politikern. - Der Vorschlag unterwandert das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Staat. - Die Deregulierung der Politik hilft den reichen und schadet den armen Gemeinden. - Einheimische Politiker haben stärkere Leistungsanreize. - Der Vorschlag ist utopisch. Eichenberger (2001, S. 55 ff) weist diese Einwände mit folgender Begründung zurück:

8 Die Ortsverbundenheit eines Kandidaten spielt keine grosse Rolle mehr. Auch auf der Ebene der Europapolitik finden wir Abgeordnete eines Landes, welche zuvor in einem anderen Land Politik betrieben haben. Der Einfluss des Geldes auf die Politik steigt nicht weiter an. Erstens ersetzen explizite Entschädigungen implizite. Zweitens sind die Effizienzgewinne auf Leistungsseite grösser als die allfälligen Mehrkosten. Implizite Entschädigungen werden von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen bezahlt. Der Nutzen der betreffenden Gruppe steht somit im Vordergrund und gibt den politischen Entscheidungsträger nur wenig Information über die gesellschaftliche Nützlichkeit einer Gemeinde. Das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Gemeindeoberhaupt wird nicht geschwächt. Weil die Zulassung von ortsfremden Kandidaten einen härteren Wettbewerb zur Folge hat, halten sich Politiker einheimische wie auswärtige vermehrt an ihre Wahlversprechen. Unglaubwürdige Politiker, ob einheimisch oder auswärtig, würden nicht gewählt. In bisher schlecht regierten Gemeinden, wo es mehr zu sanieren gibt, wird die zukünftige Entlöhnung sehr hoch sein. Das Betreiben guter Politik ist dort besonders wirkungsvoll und bringt der Bevölkerung Wohlfahrtsgewinne. Dies verhilft dem Politiker zu einem guten Namen und nicht zuletzt zu einem guten Lohn für geleistete Arbeit. Die Leistungsanreize eines einheimischen Politikers sind nicht zwingend stärker als jene eines auswärtigen. Zum Beispiel bei der Integration einer Industriezone in das Gemeindegebiet, stehen beim Einheimischen die persönlichen Interessen im Vordergrund. So wird die Industrie möglichst weit von seinem Eigenheim statt möglichst sinnvoll ins Gemeindegebiet eingegliedert. Der Auswärtige entscheidet in diesem Fall rationaler. Utopisch ist der Vorschlag keinesfalls und ist zum Teil auch schon umgesetzt worden. Bürgermeister-Kandiaten in Bayern müssen nicht im Ort wohnen, indem

9 sie kandidieren. Auch im Kanton St.Gallen, kann jeder Schweizer als Gemeindepräsident kandidieren ohne ortsansässig zu sein. Die 15 Interviews haben Informationen und Ideen von Betroffenen aus dem Kanton St.Gallen eingebracht. Sie sind im folgendenden Kapitel 3 beschrieben.

10 3. Gewonnene Erkenntnis Im Folgenden beschreibe ich die aus den 15 Interviews zusammengetragenen Meinungen. 3.1. Erfahrungen mit der Offenheit, rechtliche Situation Politiker, die nicht ortsansässig sind, kandidieren im Kanton St.Gallen oft. Jeder der Befragten konnte mir ohne weiteres einige Fälle von externen Kandidaten für das Gemeindepräsidentenamt nennen. Von den elf zufällig ausgewählten Gemeindepräsidenten haben deren sieben als Auswärtige erfolgreich kandidiert. Zwei unter sind sogar zweimal als auswärtige Kandiaten erfolgreich gewählt worden. Die auswärtigen Kandidaturen sowie auch deren Erfolgschancen haben in den letzten drei Wahlen zugenommen. Entwicklung der Kandiaturen von Auswärtigen Stärke der Zunahme 2 2 6 12 4 abgenommen konstant geblieben leicht zugenommen allgemeine Zunahme zugenommen stark zugenommen Ein Befragter wollte dazu keine Angabe machen Die Erfolgschancen sind der Umfrage nach eher zunehmend. Jedoch sind sie für einige schwierig abschätzbar und werden deshalb als konstant eingeschätzt. Schwierig abschätzbar sind die Chancen weil: - das Auftreten eines Kandidaten (einheimisch oder auswärtig) im Vordergrund steht. - sich in Kleinstgemeinden selten mehrere Personen zur Wahl stellen. - bereits nach Bewerbungsgesprächen Kandidaten ausgeschieden werden.

11 - sich zum Teil Personen nur bei Einerkandidaturen zur Verfügung stellen. Das würde dann ebenfalls heissen, dass im Voraus vom Wahlgremium eine Selektion getroffen worden ist und somit von auswärtigen Bewerbern nicht mehr die Rede sein kann. Erfolgschancen auswärtiger Kandidaten 2 1 5 abgenommen konstant leicht zugenommen allgemeine Zunahme 1 stark zugenommen 5 Die Möglichkeit der rechtlichen Freizügigkeit im Kanton St.Gallen wird auch bewusst genutzt. Sei dies um eine neue Herausforderung zu wagen, um in eine grössere Gemeinde zu wechseln, um Erfahrungen sammeln zu können oder um neue Ideen in eine Gemeinde einzubringen. Aber Kandidaturen von Gemeindepräsidenten in anderen Gemeinden als der Wohngemeinde sind mit Risiken verbunden. Falls sie dort nicht gewählt werden, ist die Wiederwahl im Wohnort relativ schwierig. Es kommt auch vor, dass bewusst nach externen Kandidaten gesucht wird. Von Auswärtigen erhofft man sich frischen Wind, oder man will bewusst gegen den Filz in der Gemeinde ankämpfen. Erfolgreiche Gemeindepräsidenten, vor allem aus kleineren Gemeinden, werden auch von Grösseren abgeworben. Auch kommt es vor, dass Gemeinderatsschreiber oder vollamtliche Gemeinderäte als Kandidaten für das Gemeindepräsidium in einer anderen Gemeinde angefragt werden. Obwohl es rechtlich möglich wäre, kandidieren gemäss Einschätzung der Befragten selten bis nie Auswärtige für das Amt des Gemeinderates. Gründe dafür: - das Pensum ist zu klein und darum auch - die Entschädigung zu niedrig oder

12 - es stellen sich genügend Personen aus der Gemeinde als Gemeinderat zur Verfügung, was meiner Meinung nach damit erklärt werden könnte, dass die Räte und Parlamentarier das Gemeindevolk vertreten. Wenn es sich jedoch um ein Vollamt handelt, kommen Kandidaturen von Auswärtigen vor. Erfolgreiche Kandidaten, seien dies Gemeindepräsidenten, Gemeindeparlamentarier oder Gemeinderäte, müssen nach der Wahl innerhalb von drei Monaten in der Gemeinde Wohnsitz nehmen. Ist ihnen dies nicht möglich, so bedarf dies eine Bewilligung der Kantonsregierung, die normalerweise auch erteilt wird. Damit sie stimmberechtigt sind, müssen sie spätestens auf Amtsantritt in der Gemeinde angemeldet sein. Der effektive Wohnsitz kann später erfolgen. 3.2. Auswirkungen auf den Wahlkampf 3.2.1. Suche nach externen Kandidaten In den meisten Fällen wird von Anfang an auch ausserhalb der Gemeindegrenzen nach Kandidaten gesucht. Ziel ist, möglich gute Kandidaten zu finden und nicht in erster Linie die Einheimischen zu bevorzugen. Des weiteren will man oftmals dem Volk eine Auswahl an Kandidaten zur Verfügung stellen. Es kommt trotzdem vor, dass die Suche nach Auswärtigen eingestellt wird, wenn sich aus der Gemeinde Personen bewerben, die nach Ansicht des Wahlgremiums fähig sind. Die Suche nach Kandidaten erfolgt durch Wahlgremien. Diese können sich aus Vertretern der verschiedenen Parteien zusammensetzen, oder aus einem Mix mit Parteivertretern und Vertretern aus dem Gewerbe. In grösseren Gemeinden sucht jede Ortspartei im Alleingang nach Kandidaten. Dass Headhunter nach Kandidaten suchen, ist nach Ansicht der Befragten durchaus möglich. Jedoch hat nur ein Gesprächspartner ein Zeitungsinserat eines Headhunters schon gesehen. Gemeinderat und GPK suchen keine Kandidaten. Es wäre falsch, wenn sich der Gemeinderat die Arbeitskollegen aussuchen würde. Wiederum könnte es aber vorkommen, dass ein Gemeinderat als Parteivertreter in einem Wahlausschuss sitzt.

13 Nachdem sich die Bewerber bei einem Wahlgremium vorgestellt haben, werden die mangels Qualifikationen ungeeigneten Kandidaten ausgeschieden. In grösseren Gemeinden portieren mehrere Parteien je einen Kandidaten. In diesem Sinne wird auch hier eine Selektion getroffen. Diese Selektion ist aber nicht rechtsverbindlich, jeder Schweizer kann sich trotzdem noch zur Wahl stellen. Es sind Fälle bekannt, bei denen nicht der offizielle Kandidat eines Ausschusses die Wahl gewonnen hat. 3.2.2. Wahlpropaganda/Gegenveranstaltungen Unbekannte und auswärtige Kandidaten müssen sich auf kommunaler Ebene bekannt machen und daher Wahlpropaganda betreiben. Sie versuchen dies über die Printmedien und auch durch den persönlichen Kontakt. Sie wollen sich bei verschieden Gruppierungen vorstellen. Dazu fragen sie bei Unternehmen, Organisationen, Verbänden und Vereinen an. Wichtigstes Mittel für die Wahlpropaganda sind jedoch die Parteien. Wahlveranstaltungen werden immer organisiert, sobald mehrere Kandidaten im Rennen sind. Dies ist unabhängig davon, ob Auswärtige mitkandidieren oder nicht. Die Veranstaltungen finden in Form von Podiumsdiskussionen oder parteilichen Informationssessionen statt. 3.2.3. Kampfwahlen Die politische Freiheit, die den Wohnsitz eines Kandidaten in der Gemeinde nicht verlangt, führt der Umfrage nach zu höheren Bewerberzahlen. Entwicklung der Kandidaturen wenn kein Wohnsitzzwang in der Gemeinde vorgeschrieben ist 1 grösser unverändert kleiner 14

14 Die Interviewten geben folgende Gründe für eine Zunahme der Kandidaten an: - das Potential ist viel grösser, wenn Auswärtige auch kandidieren. - in grösseren Gemeinden wird das Interesse, den Posten zu übernehmen grösser. - die Umstände für die auswärtigen Bewerber sind viel kleiner da die Kandidatur nicht mit einem Umzug verbunden ist. - das Risiko für Auswärtige ist kleiner. Falls sie nicht gewählt werden, entstehen ihnen keine Umzugskosten. - auf Grund fehlender interner Kandidaten sind kleine Gemeinden oftmals gezwungen, einen auswärtigen Kandidaten zu suchen. Vereinzelt haben Gesprächspartner auch vermutet, dass auf Grund des Mangels an gemeindeeigenen Kandidaten noch zusätzlich ausserhalb der Gemeinde gesucht wird. Das führt dann ebenfalls zu einer grösseren Zahl von Bewerbern. 3.2.4. Kampfwahlen Sobald mehrere Personen kandidieren, werden die Wahlen umstrittener. Ob sie jedoch wegen der Freizügigkeit umstrittener werden, kann nicht generell gesagt werden. Aus dieser Perspektive betrachtet, gibt es auch nicht notwendigerweise mehr Kampfwahlen als in anderen Kantonen. Argumente, die zur Aussage kein Einfluss führen, sind: - Opposition gegen einen offiziellen Kandidaten kann unabhängig der Freizügigkeit entstehen. - auch in anderen Kantonen können mehrere Personen kandidieren. - in kleineren Gemeinden ist es meistens schwierig, überhaupt einen Kandidaten zu finden. 3.3. Reaktionen in der Bevölkerung Für die Bevölkerung ist diese politische Regelung ganz normal. Kaum jemand realisiert die für die Schweiz besondere Regel. Auch viele der Befragten haben sich darüber noch nie Gedanken gemacht.

15 Grossenteils ist es nicht bekannt, dass sich Leute über die Kandidatur von Ortsfremden aufregen. 13 Gesprächspartner teilen sich diese Meinung. Nur zwei der Befragten wollten dazu keine Stellung nehmen. Diese Auswertung ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da keine erfolglosen auswärtige Kandidaten befragt worden sind. Mir ist ein Fall bekannt, in dem der auswärtige Kandidat Drohbriefe und ähnliches erhalten hat. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass Aktionen von dieser Art zum Rückzug einer Kandidatur führen. 3.3.1. Wahlbeteiligung Es wird keinen Einfluss auf die Wahlbeteiligung festgestellt, wenn über Ortsfremde abgestimmt wird. Der Wähleranteil, der gezielt die Wahl boykottiert, hält sich mit dem anderen Anteil ungefähr die Waage. Das grössere Interesse wird vereinzelt mit einer leichten Zunahme der Wahlbeteiligung in Verbindung gebracht. Allerdings spricht folgendes Argument für eine Abnahme: Ein in der Gemeinde integrierter Kandidat mobilisiert viel mehr Befürworter wie auch Gegner, als eine unbefangene auswärtige Person. Wahlbeteiligung, wenn über Ortsfremde abgestimmt wird 3 1 1 starke Abnahme leichte Abnahme bleibt konstant leichte Zunahme allgemeine Zunahme starke Zunahme 9 Ein Befragter wollte dazu keine Angabe machen 3.3.2. Erfolgschancen bei gleichen Qualifikationen Über die Erfolgschancen von auswärtigen Kandidaten, die gegen Einheimische antreten, ist kein klares Bild entstanden. Einerseits sind die Antworten sehr un-

16 terschiedlich. Die Tendenz liegt irgendwo zwischen wenig schlechter und gleich gut. Erfolgschancen bei gleichen Qualifikationen viel wenig schlechtere schlechtere gleich gute wenig bessere viel bessere 2 4 1 5 1 0 Zwei Befragte wollten dazu keine Angabe machen Andererseits gilt zu beachten, dass andere Faktoren eine starke Rolle spielen. Die Gruppierung, aus der ein Kandidat stammt, ist eben so wichtig, wie die Zugehörigkeit zur richtigen Partei, die Glaubwürdigkeit, die bisherige politische Karriere oder allenfalls andere politische Ämter eines Kandidaten. Ob er innerhalb oder ausserhalb der Gemeindegrenzen wohnt, ist zweitrangig. Je nach Konstellation hat der Eine oder der Andere einen Vorteil. Folgende Begründungen, warum ein Auswärtiger schlechtere, gleich gute oder bessere Erfolgschancen hat, stammen von den verschieden Befragten. a) Schlechtere Chancen: - der Einheimische ist dem Gemeindevolk bekannt. - der Filz in der Gemeinde ist stark. - aus Sicht der Bevölkerung kennt sich der Auswärtige in den Gemeindeangelegenheiten schlechter aus. b) gleich gute Chancen: - die Qualifikationen stehen im Vordergrund. - die Ortsansässigkeit des Kandidaten steht nicht im Vordergrund. c) bessere Chancen: - wenn mit einem einheimischen Vorgänger Probleme aufgetreten sind. - die Reputation des Auswärtigen. - Unbefangenheit des auswärtigen Kandidaten. - Neutralität des auswärtigen Kandidaten. - der Auswärtige kann frischen Wind in die Gemeinde bringen.

17 3.3.3. Gründe für die Wahl eines Auswärtigen bzw. Einheimischen Es gibt viele Gründe, die zur Wahl eines Auswärtigen oder eines Einheimischen führen. Die Ansichten der Gesprächspartner wird wie folgt beschrieben. a) Auswärtige werden als Gemeindepräsident gewählt weil: - er bessere Qualifikationen als ein Einheimischer vorweisen kann - das Wahlvolk keinen Kandidaten aus dem Filz in der Gemeinde will - die Reputation bezüglich der bisherigen Politik eine wichtige Rolle spielt - kein Einheimischer zur Wahl steht b) Einheimische wählt man weil: - der Kandidat in der Gemeinde bekannt ist - der Informationsvorsprung bezüglich der Gemeindestrukturen gegenüber eines Auswärtigen besser genutzt werden kann - eine gewisse Lobby vorhanden ist, die für ihn stimmt - ein Auswärtiger als weniger ortsverbunden eingeschätzt wird - kein Auswärtiger zur Wahl steht Spielt die Ortsverbundenheit des Kandidaten eine Rolle? Ist gegenüber ortsfremden Kandidaten mehr Misstrauen vorhanden? 10 11 5 0 0 4 nein ja, ein wenig ja, sehr nein ja, ein wenig ja, sehr

18 Ist die Reputation bezüglich bisheriger Politik wichtig? 9 0 4 nein ja, ein wenig ja im allgemeinen ja, sehr 2 3.3.4. Amtsübernahme und Wiederwahl Nachdem die Wahl erfolgt ist, braucht ein auswärtiger Politiker eventuell eine etwas längere Einarbeitungszeit. Wichtige Faktoren sind hier die berufliche Vergangenheit, die Erfahrungen im politischen Bereich sowie auch die Grösse der Gemeindeverwaltung. In kleinen Gemeinden ist der Präsident nicht nur Führungsperson, er übernimmt daneben auch andere Verwaltungsaufgaben: Grundbuchamt, Bauverwaltung, Steueramt etc. In den mir bekannten Fällen tritt die Bevölkerung einem frischgewählten auswärtigen Gemeindepräsidenten mit Verständnis entgegen, wenn dieser anfänglich ein gewisses Informationsmanko hat. Dieses Manko ist jedoch schnell aufgeholt und ist mit einem Stellenwechsel von der einen Firma in eine andere zu vergleichen. Bei der ersten Wiederwahl ist die Herkunft eines Kandidaten kein Thema mehr. Auch werden ehemals Auswärtige nicht mehr für Probleme in der Gemeinde verantwortlich gemacht als Einheimische. 3.4. Wirkung auf die Politiker 3.4.1. Druck auf Amtsinhaber Wegen der Wählbarkeit von jedem Schweizer könnte im Unterbewusstsein ein gewisser Druck auf die Gemeindepräsidenten vielleicht vorhanden sein. Der sei aber, wenn überhaupt vorhanden, sehr klein und nicht relevant.

19 Druck auf die Amtsinhaber sinkt stark sinkt wenig kein Einfluss steigt wenig steigt stark 0 0 9 6 0 3.4.2. Ausrichtung der Politik auf die Bürger Die Ausrichtung der Politik kommt in erster Linie auf die Strukturen einer Gemeinde an. Dann wird sie deshalb dem Verlangen der Bürger angepasst, aber nicht weil die Konkurrenz von aussen droht. Dies ist die Meinung der Befragten. 3.4.3. Aufbau eines guten Rufes Ein Gemeindepräsident möchte sich in erster Linie einen guten Ruf in der Gemeinde aufbauen. Gründe dafür sind die Identifikation mit der Gemeinde und dem Job, und weil er an den Wiederwahlen reüssieren möchte. Es kann sein, dass eine andere Gemeinde gute Gemeindepräsidenten anfragt, weil diese bis anhin eine gute Politik betrieben haben. Dann führt dies unter Umständen zu einer Kandidatur in dieser Gemeinde, weil es als Herausforderung oder auch als eine Art Aufstieg betrachtet wird. Wenn eine Person in jungen Jahren als Gemeindepräsident gewählt wird, möchte diese in den meisten Fällen nicht bis zur Pensionierung das Amt in der gleichen Gemeinde ausführen. In diesem Fall wird ein allfälliger Wechsel in eine andere Gemeinde vielleicht eingeplant. Ob eine Karriereplanung in dem Sinn gemacht wird, dass sich ein Politiker vorerst in einer kleinen Gemeinde wählen lässt, bei der ersten Gelegenheit das Sprungbrett in eine mittelgrosse Gemeinde nimmt, sich dann in verschiedenen Gemeinden versucht zu profilieren um schliesslich eine grosse Gemeinde zu präsidieren, ist nicht bekannt. 3.4.4. Wahlversprechen Wahlversprechen werden auf kommunaler Ebene zwar gemacht, doch müssen sie sehr gezielt abgegeben werden und vor allem glaubhaft wirken. Andernfalls schrumpfen die Chancen eines Kandidaten sehr schnell. Deshalb glaube ich

20 nicht, dass für Gemeindewahlen wegen der politischen Freizügigkeit mehr Wahlversprechen gemacht werden. 3.4.5. Lerneffekt Politiker, die in anderen Gemeinden auf der Verwaltung tätig gewesen sind, bringen mit Bestimmtheit einen grösseren Erfahrungsbereich mit, von dem sie profitieren können. Die gemachte Erfahrung erlaubt es ihnen, gewisse Fehler in der neuen Gemeinde nicht mehr zu machen. Obwohl verschiedene Meinungen vorliegen, ist dieser Lerneffekt in einem gewissen Masse vorhanden. Ist ein Lerneffekt vorhanden? 3 2 9 nein ja, ein wenig ja im allgemeinen ja, sehr 1 3.4.6. Informationseffekt Der Informationseffekt ist etwa im gleichen Mass vorhanden wie der Lerneffekt. Dies zeigt auch folgende Abbildung. Lern- und Informationseffekt nicht vorhanden ein wenig vorhanden im allgemeinen vorhanden stark vorhanden Lerneffekt 3 9 1 2 Informationseffekt 3 9 2 0 Ein Befragter wollte zum Informationseffekt keine Angabe machen Über die Tagespresse und die Parteien sind Gemeindepolitiker vielen Wählern zu mindest beim Namen bekannt. Dies ist eine gute Basis, um sich ein Bild über Kandidaten zu verschaffen. Die guten, beziehungsweise schlechten, Eigenschaften lassen sich mehr oder weniger direkt in Erfahrung bringen.

21 3.4.7. Ausrichtung der Politik Die härtere Konkurrenz in der Politik treibt den Politiker auf Gemeindeebene nicht in eine bestimmte Richtung. Er kann die Politik nicht gezielt auf gut oder schlecht organisierte Gruppierungen ausrichten. Ein Gemeindepräsident, der alle vier Jahre wiedergewählt werden will, benötigt eine tragende Mehrheit. Trotzdem kann er sich nicht nur auf das Segment der Bevölkerung ausrichten. Grosse Arbeitsgeber, Firmeninhaber oder Vertreter des örtlichen Gewerbes haben ebenso Anspruch auf den Gemeindepräsidenten wie Bewohner, die auswärts arbeiten. Auf kommunaler Ebene darf sich ein Gemeindepräsident nicht zu fest auf vereinzelte Gruppierungen abstützen, das Wohl der Gesamtbevölkerung steht im Vordergrund. In grossen und finanzstarken Gemeinden hat die Wirtschaftsförderung zwar einen grösseren Stellenwert als in kleineren Landgemeinden. Die Begründung dafür ist aber nicht der härtere Wettbewerb unter den Politikern. Des weiteren wird eine Politik nie vom Gemeindepräsidenten selber bestimmt, sondern das Gremium entscheidet. Aus diesem Grund wird es schwierig sein, vereinzelte Gruppen zu bevorzugen. 3.4.8. Bevorzugte Gemeinden von auswärtigen Kandidaten Auswärtige Politiker versuchen ihre Kandidatur in erfolgreichen und finanzstarken Gemeinden. Dieser Meinung sind 14 von 15 Gesprächspartnern. Nur einer glaubt, dass ein Politiker die Herausforderung sucht und sich deshalb in einer problembeladenden und finanzschwachen Gemeinde zur Verfügung stellt. Das eindeutige Resultat ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Da die erfolgreiche Kandidatur des Auswärtigen mit einem Wohnsitzwechsel verbunden ist, spielen andere Faktoren eine wichtigere Rolle: - familiäre Situation. - berufliche Situation. - Alter des Kandidaten. - Partei. - Ortsverbundenheit.

22 Die Ortsverbundenheit kann auf verschiedene Weise verstanden werden. Für die einen kommt ein Wegzug aus gewohntem Umfeld nicht in Frage, andere möchten wieder in die Gemeinde zurück, in der sie aufgewachsen sind. 3.4.9. Gemeinden, die nach auswärtigen Kandidaten suchen Auch hier sind noch andere Faktoren relevant als die Probleme in einer Gemeinde und deren Finanzkraft. So spielt zum Beispiel die Gemeindegrösse eine zentrale Rolle. In der Stadt St.Gallen wohnen mehr potentielle Kandidaten als in Kleinstgemeinden. Deshalb stellt sich unter Umständen das Problem gar nicht, ausserhalb der Gemeinde einen Kandidaten zu suchen. Dann kommt es auch auf den Standort, die Attraktivität und vor allem auch auf die Struktur der Gemeinde an. Beispielsweise haben gewisse Gemeinden jahrelang von kleine Steuersätzen profitiert, was ständig neue Bewohner angezogen hat. Die Bevölkerungszahlen sind während der letzten 10 bis 15 Jahre stark gestiegen, die Infrastruktur ist jedoch nur langsam ausgebaut worden. Die Unterhaltskosten konnten relativ gering gehalten werden. Nun sind diese Gemeinden zwar finanzstark, haben aber keine grosse Infrastruktur. Dass Gemeinden bewusst nach auswärtigen Kandidaten mit einschlägigen Referenzen suchen, ist für die Befragten vorstellbar. Keiner von ihnen konnte über einen konkreten Fall berichten. 3.5. Wirkung auf die Politik 3.5.1. Qualität der Gemeindepolitik Ganz allgemein hat die Absenz des Wohnsitzzwanges für eine Kandidatur als Gemeindepräsident eine positive Auswirkung auf die Qualität der Gemeindepolitik.

23 Auswirkung auf die Qualität der Gemeindepolitik 1 2 3 sehr negativ 2 wenig negativ kein Einfluss wenig positiv positiv sehr positiv 7 Die eine Stimme, die die Auswirkung bezüglich Qualität ein wenig negativ beurteilt, mag erstaunen. Begründen lässt sie sich jedoch folgendermassen: Da die Freizügigkeit mit mehr Stellenwechsel verbunden sein könnte, führt dies zu mehr Anpassungskosten für die Ratsmitglieder und Gemeindeangestellten. Des weitern muss auch die Bevölkerung öfter mit kleinen Richtungsänderungen in der Politik rechnen. 3.5.2. Gewinner Verlierer Der grosse Gewinner dieser Regelung ist ganz bestimmt die Gemeindebevölkerung. In der Regel hat sie bei der Wahl eine grössere Auswahl und kann sich für den besten Kandidaten entscheiden. Des weiteren kann es für die externen Kandidaten als Vorteil betrachtet werden, dass sie das Risiko eines Umzuges vorerst nicht in Kauf nehmen müssen. Als Verlierer könnten die einheimischen erfolglosen Kandidaten gelten. Diese sind aber auch bei Wahlen ohne Wohnsitzzwang für eine Kandidatur zu finden. 3.5.3. Abwerbung erfolgreicher Politiker Ob erfolgreiche Politiker abgeworben werden, beantwortet ein Drittel mit nein. Der Ja-Anteil ist mit zehn Stimmen deutlich grösser. Werden erfolgreiche Politiker abgeworben? ja, Antwortmöglichkeit nein ja, ein wenig im allgemeinen ja, sehr Anzahl Stimmen 5 6 1 3

24 Abwerbungen von Politikern kommen auch tatsächlich vor, dies zeigen die geführten Gespräche. Einige Interviewpartner haben mir preisgegeben, dass sie von verschiedenen anderen Gemeinden angefragt worden sind. 3.5.4. Rolle der Parteien Die Parteien könnten eine wichtige Rolle spielen in bezug auf die Freizügigkeit der Politik. Da die Ortsparteien auch überregional mit einander in Kontakt sind, dienen sie als wertvolles Instrument für den Informationsaustausch. Externe Kandidaten werden oft mit Hilfe der Parteien dem Volk vorgestellt. Des weiteren gilt zu beachten, dass eine Partei als gut organisierte Gruppe auch überregional einen Kandidaten aus den eigenen Reihen stellt. 3.5.5. Auswirkungen auf die kantonale Politik Politiker, die in verschiedenen Gemeinden tätig gewesen sind, profitieren mit Sicherheit von einer grösseren Erfahrung als andere. Sie lernen verschiedene Problembereiche und unterschiedliche Gemeindestrukturen und Typologien kennen. Ob sie deswegen als Politiker auf kantonaler Ebene bessere Chancen haben, ist nicht klar. Im Kantonsrat sitzen nicht nur Gemeindepräsidenten, sondern auch andere Berufsleute, Unternehmer und Industrielle, die keine Erfahrungen in der kommunalen Politik gesammelt haben. Deswegen dürfen diese auf keinen Fall als weniger kompetent betrachtet werden. 3.6. Mögliche Probleme 3.6.1. Die reichsten Gemeinden erhalten die besten Politiker Der Kritikpunkt, dass die reichsten Gemeinden die besten Politiker kriegen und nicht jene, die sie am nötigsten hätten, wird verschieden aufgefasst. Ein grosser Teil der Befragten sieht darin keinen Kritikpunkt. Aber es sind durchaus kritische Stimmen vorhanden. Tatsache scheint, dass die reicheren Gemeinden mehr Lohn bieten können. Dies ist aber nur beschränkt der Fall. Denn, auch in der finanzstärksten Gemeinde verdient der Präsident immer noch weniger als in einem gleichwertigen Job in der Wirtschaft.

25 Das Alter und die Erfahrung eines Politikers spielen eventuell auch eine Rolle. So könnte es sein, dass für einen Politiker, der bereits verschiedene Gemeinden präsidiert hat, nur noch der Wechsel in eine reichere Gemeinde in Frage kommt. Die Meinungen diesbezüglich sind jedoch sehr stark unterschiedlich. Ich persönlich glaube nicht, dass das Pekuniäre im Vordergrund steht. 3.6.2. Auswärtige kennen sich in Gemeindeangelegenheiten zu wenig aus Wenn ein Auswärtiger Gemeindepräsident wird, kennt er sich anfangs weniger gut in den Gemeindeangelegenheiten aus, als ein Einheimischer. Insofern ist diese Kritik berechtigt. Diese Situation stösst jedoch von der Bevölkerung in der Anfangsphase auf Verständnis. Während der Einarbeitungszeit, die im Übrigen auch der Einheimische braucht, wird dieser Rückstand schnell aufgeholt. Die Einarbeitungszeit ist auch zu vergleichen mit einem normalen Stellenwechsel in der Wirtschaft. 3.6.3. Das Engagement eines Auswärtigen ist zu klein Das Engagement hängt nicht vom Faktor der Herkunft eines Kandidaten ab. Diesbezüglich sind sich die Befragten einig. Ein Gemeindepräsident kann sich ein zu kleines Engagement nicht erlauben. 3.6.4. Bei einem besseren Angebot verlassen Auswärtige die Gemeinde allzu schnell Zu diesem Kritikpunkt nehmen die Befragten wie folgt Stellung. Wenn eine Person in der Gemeinde lebt, in der sie aufgewachsen ist, könnte sie mit ihr auch mehr verbunden sein. Die Schwelle, die Gemeinde als Präsident zu verlassen um eine andere Gemeinde zu präsidieren, könnte ein wenig grösser sein als beim Auswärtigen. So betrachtet ist die Kritik berechtigt. Wie häufig dieser Fall vorkommt, müsste zuerst untersucht werden. Bevor ein Politiker seines Amtes walten darf, muss er zuerst vom Volk gewählt werden. Da der Erfolg bei der Wahl nicht garantiert ist, wird er das Risiko eines Stellenwechsels nicht bei jeder beliebigen Gelegenheit eingehen.

26 3.7. Weitere Öffnung der Politik 3.7.1. Gemeinderäte und Parlamentarier als auswärtige Kandidaten Es ist bereits möglich, dass Auswärtige auch als Gemeinderäte und Gemeindeparlamentarier kandidieren können. Dies ist bei erfolgreicher Wahl auch an einen Wohnsitzwechsel gebunden. Gemeinderäte und Parlamentarier sollten nach Meinung der Befragten das Volk vertreten. Daraus folgt die Begründung, dass die Aufhebung des Wohnsitzzwanges sinnlos ist. 3.7.2. Ein Gemeindepräsident für mehrere Gemeinden Rechtlich ist es nicht erlaubt, dass eine Person in mehreren Gemeinden gleichzeitig als Gemeindepräsident tätig ist. Alle Befragten können sich die Situation auch nur schlecht vorstellen. Früher oder später wird es für die betroffene Person zu Interessenskonflikten kommen. Da ist es als sinnvoller betrachtet worden, die Gemeinden direkt zusammenzulegen. 3.8. Andere wichtige Aspekte Ein weiterer Aspekt könnte die Mentalität eines auswärtigen Kandidaten darstellen. Gewisse Unterschiede zwischen Welschschweizern, Tessinern und Deutschschweizern sind jedem bekannt. Der Dialekt oder gar die Sprache eines Gemeindefremden könnte ebenfalls eine zentrale Rolle spielen, wenn es um die Wahl geht.

27 4. Persönliche Schlussbemerkung Es scheint, als ob die Idee einer Deregulierung der Politik die Leute sehr interessiert. Dies konnte ich während aller Interviews feststellen. Es hat bestimmt die Meisten zum Nachdenken angeregt. Die Aufhebung der Regeln im politischen Prozesses kann nicht in allen Fällen mit der marktwirtschaftlichen Freiheit verglichen werden. So kann zum Beispiel ein Arbeitnehmer auf einfachere Art und Weise und mit vergleichsweise kleineren Kosten die Arbeitsstelle wechseln, falls ihm ein Vorgesetzter nicht genehm ist. Ein mit den Gemeindepolitikern unzufriedener Dorfbewohner hat da schon mehr Aufwand zu betreiben, um in eine andere Gemeinde umzuziehen. Die Politik zu deregulieren ist in praktischer Sicht wahrscheinlich kein einfaches Thema. In der Gemeindepolitik spielen sehr viele unberechenbare Faktoren und Konstellationen eine Rolle. Familiäre Situation, Mentalität, Parteizugehörigkeit oder Herkunft des Kandidaten sind nur einige Beispiele. Manchmal sind sie für die Wahlbevölkerung sehr wichtig und zentral, dann aber wieder sind sie unwichtig und nicht von Relevanz. Ich denke, dass auf nationaler Ebene auch wieder ganz andere Faktoren mit unterschiedlichem Gewicht im Vordergrund stehen. Wahrscheinlich ist dort für die Wahlbevölkerung die Herkunft des Kandidaten viel wichtiger, dafür spielen Sprache (solange sie Deutsch, Französisch oder Italienisch ist) und Dialekt keine Rolle mehr. Ein wichtiger Aspekt, dem in vorliegender Arbeit zu wenig Beachtung geschenkt wird, ist jener der Entlöhnung. Die Diskussion über den Lohn ist ein heikles Thema. Die telefonische Nachbefragung von drei Gemeindepräsidenten hat folgendes ergeben. Die Löhne von Gemeindepräsidenten erreichen nicht annähernd jene, die für Stellen mit ähnlicher Verantwortung in der Privatwirtschaft bezahlt werden. Reich wird man als Gemeindepräsident nicht lautet die Aussage eines Befragten. Deshalb hätten Gemeindepräsidenten andere Anreize, Gemeindepolitik zu betreiben. Viel Idealismus stehe im Vordergrund. Ob die Deregulierung zu höheren Löhnen der Gemeindepolitiker führt, kann keiner richtig beurteilen. Denn die Löhne werden über die Steuereinnahmen durch das Volk bezahlt. Diesem muss dem entsprechend Rechenschaft geleistet werden. Es scheint jedoch si-

28 cher, dass sich bei höheren Löhnen sofort mehr Kandidaten zur Verfügung stellen würden. Ob dann auch noch jeder Kandidat den nötigen Idealismus mit sich bringt, wird von den Befragten in Frage gestellt. Die Meinungen und Ideen von Gemeindepräsidenten anderer Kantone könnte sehr interessant sein. Ein ähnliches Interview in verschiedenen Kantonen würde einen Vergleich ermöglichen.

29 5. Literatur Reiner Eichenberger: Deregulierung der Politik, Analyse & Kritik 23/2001 Bürgin, Annina & Fahrni, Oliver: Deregulierung der Gemeindepolitik, Seminararbeit, Bern Freiburg, 2002 Da es sich um einen neuen Forschungsgegenstand handelt, ist nur schwer Literatur zu diesem Thema zu finden. 6. Interviewpartner Da mich viele der Befragten um die Gewährleistung der Anonymität gebeten haben, sind keine Namen aufgelistet. 7. Anhang Anhang 1: Interview Freie Wanderung von Politikern, St.Gallen Anhang 2: Rohdaten aus dem Interview Anhang 3: Unterschiede der verschiedenen kantonalen Gemeindegesetze 1 1 Bürgin, Annina & Fahrni, Oliver: Deregulierung der Gemeindepolitik, Seminararbeit, Bern Freiburg, 2002

Anhang 1: Interview Freie Wanderung von Politikern, St. Gallen Seminar für Finanzwissenschaft, Universität Freiburg Befragter: Gemeinde: Datum, Zeit: Ablauf Interview Besten Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um meine Fragen zu beantworten. Meine Arbeit ist Teil eines grösseren Forschungsprojekts von Prof. Eichenberger von der Universität Fribourg. Dieses Projekt untersucht einen bisher kaum erforschten Aspekt des politischen Wettbewerbs, nämlich die Wanderung von Politikern über die Gemeinde und Kantonsgrenzen hinweg. St.Gallen ist nach unseren bisherigen Ergebnissen der einzige Kanton, in dem regelmässig nicht Ortsansässige als Gemeindepräsidenten kandidieren und gewählt werden und wo das Gemeindepräsidentenamt oft schweizweit ausgeschrieben wird. Ich recherchiere deshalb ganz bewusst im Kanton St.Gallen nach den Auswirkungen dieser politischen Offenheit. Weil es sich dabei um einen ganz neuen Forschungsgegenstand handelt, ist es für uns ausserordentlich wichtig, erst einmal offen mit Betroffenen zu sprechen und so Informationen und auch Ideen zu sammeln. Deshalb möchte ich neben geschlossenen Fragen auch manche offene Frage stellen. Bei den geschlossenen Fragen werde ich Ihnen jeweils die Antwortmöglichkeiten nennen. Selbstverständlich sind wir aber für alle weiterführenden Hinweise dankbar. Die so gewonnenen Erkenntnisse möchten wir dann auch dazu verwenden, eine schriftliche Umfrage zu entwickeln. Meine Fragen sind in acht Bereiche gegliedert. Ich möchte Ihnen Fragen zu Ihrer Erfahrung mit der politischen Offenheit stellen, ihrer Auswirkungen auf den Wahlkampf, die Reaktionen der Bevölkerung sowie den Auswirkungen auf das Verhalten der Politiker und die Politik selbst. Sodann möchte ich auf einige mögliche Kritikpunkte und Erweiterungen eingehen.

Anhang 1: Interview 1. Ihre Erfahrungen mit der Offenheit, rechtliche Situation 1.1 Kennen Sie viele Beispiele von Politikern, die von aussen kandidiert haben? Können Sie mir einige Fälle nennen? 1.2 Kennen Sie auch in den Wahlen erfolgreiche externe Politiker? Können Sie mir einige Fälle nennen? 1.3 Kennen Sie auch Beispiele, wo es nicht ums Gemeindepräsidium ging (Gemeinderäte, Gemeindeparlamentarier)? Können Sie mir einige Fälle nennen? 1.4 Wie häufig kandidieren Ihrer Einschätzung nach im Kanton St. Gallen Auswärtige als Gemeindepräsidenten? nie selten manchmal oft 1.5 Wie häufig kandidieren Ihrer Einschätzung nach im Kanton St. Gallen Auswärtige für andere politische Ämter in Volkswahlen? nie selten manchmal oft 1.6 Wie haben sich externe Kandidaturen Ihrer Meinung nach in, sagen wir bei den letzten drei Wahlterminen, zahlenmässig entwickelt. Haben sie eher... abgenommen konstant geblieben leicht zugenommen stark zugenommen 1.7 Wie haben sich die Erfolgschancen von externen Kandidaten, wiederum bei den letzen drei Wahlterminen, entwickelt. Haben sie eher... abgenommen konstant geblieben leicht zugenommen stark zugenommen

Anhang 1: Interview 1.8 Müssen die gewählten Politiker auf Amtsantritt in der Gemeinde Wohnsitz nehmen? a) Wie schnell? b) Wird der Wohnsitzzwang durchgesetzt? 2. Auswirkungen auf den Wahlkampf Wie läuft die Suche nach externen Kandidaten Ihrer Erfahrung nach ab? 2.1 Ist es üblich, dass nur externe Kandidaten gesucht werden, wenn keine gemeindeeigenen kandidieren? eher ja eher nein 2.2 Suchen auch einzelne Gruppen nach wettbewerbsfähigen externen Kandidaten oder erfolgt die externe Suche aufgrund einer Art Konsens zwischen den wichtigen Interessensgruppen? einzelne Gruppen Konsens 2.3 Gibt es auch wilde externe Kandidaten, die sich einfach so bewerben, ohne dass eine Gruppe in der Gemeinde beschliesst, einen externen Kandidaten zu suchen? ja nein sehr selten 2.4 Haben solche wilde externe Kandidaten überhaupt eine Chance, gewählt zu werden? ja nein kaum 2.5 Wer rekrutiert normalerweise die Kandidaten (Headhunter, Parteien, Gemeinderat, GPK)?

Anhang 1: Interview 2.6 Wird von Gemeinderat, Gewerbeverein, GPK oder einem anderen Organ eine Vorauswahl getroffen? 2.7 Werden Gegenveranstaltungen von einzelnen Politikern oder Politikergruppen organisiert? 2.8 Führt die Möglichkeit externer Kandidaturen dazu, dass mehr Wahlpropagenda betrieben wird? ja nein 2.9 Wie wirkt sich die Freizügigkeit für Politiker auf die Zahl der Bewerber fürs Gemeindepräsidium/andere Gemeindeämter aus? Wird die Zahl...? grösser? kleiner? bleibt unverändert 2.10 Führt das dazu, dass die Wahlen umstrittener sind und es mehr Kampfwahlen als in anderen Kantonen gibt? umstrittener weniger umstritten kein Einfluss 3. Reaktionen in der Bevölkerung 3.1 Ist die Möglichkeit von externen Kandidaturen in St. Gallen überhaupt ein Thema? Nimmt die Bevölkerung wahr, dass das eine für die Schweiz besondere Regel ist? ja nein

Anhang 1: Interview 3.2 Gibt es viele Leute, die sich über die Kandidatur von Ortsfremden aufregen? ja nein 3.3 Wirkt sich die Kandidatur von Ortsfremden auf die politische Mobilisierung der Gemeindebevölkerung aus? Verändert sich die Wahlbeteiligung, wenn über ortsfremde Kandidaten abgestimmt wird? steigt stark steigt bleibt gleich sinkt sinkt stark ein wenig ein wenig 3.4 Wie sind die Erfolgschancen von auswärtigen Kandidaten fürs Gemeindepräsidium? Haben sie bei gleichen Qualifikationen viel schlechtere, schlechtere, gleich gute, bessere oder viel bessere Chancen, gewählt zu werden als Einheimische? viel schlechtere ein wenig gleich gute ein wenig viel bessere schlechtere bessere 3.5 Aus welchen Gründen wählt das Gemeindevolk auswärtige Kandidaten? Aus welchen Gründen Einheimische? 3.6 Ist es für auswärtige Kandidaten ein Problem, dass sie von der Bevölkerung als weniger ortsverbunden eingeschätzt werden? ja, sehr ja, ein wenig nein 3.7 Tritt die Bevölkerung auswärtigen Kandidaten mit mehr Misstrauen gegenüber als einheimischen? ja, sehr ja, ein wenig nein

Anhang 1: Interview 3.8 Spielt die Reputation der auswärtigen Kandidaten bezüglich ihrer bisherigen Politik in anderen Gemeinden eine wichtige Rolle? ja, sehr ja, ein wenig nein 3.9 Werden bei Problemen nach der Wahl zugezogene Politiker eher für die Situation verantwortlich gemacht als Einheimische? ja, sehr ja, ein wenig nein 3.10 Wie schnell baut sich der Bonus für Einheimische ab? Ist die Herkunft bei der ersten Wiederwahl von ehemals Auswärtigen noch ein Thema? ja, sehr ja, ein wenig nein 4. Wirkung auf die Politiker 4.1 Wie verändert die Wählbarkeit von Auswärtigen das Verhalten der Gemeindepolitiker? 4.2 Wie verändert die Wählbarkeit von Auswärtigen im Kanton St.Gallen den Druck auf die Amtsinhaber? erhöht stark erhöht kein Einfluss sinkt sinkt stark ein wenig ein wenig 4.3 Gibt es so etwas wie einen Anreizeffekt, dass die Amtsinhaber wegen der Konkurrenz von Auswärtigen mehr Angst vor Abwahl haben und deshalb ihre Politik stärker an den Präferenzen der Bürger ausrichten? ja, sehr ja, ein wenig nein

Anhang 1: Interview 4.4 Gibt es so etwas wie einen Reputationseffekt, dass sich Amtsinhaber wegen der Freizügigkeit für Politiker noch verstärkt bemühen, eine gute Politik zu betreiben und so einen guten Ruf aufzubauen, um dann in anderen, vielleicht grösseren Gemeinden als Politiker zu kandidieren? ja, sehr ja, ein wenig nein 4.5 Gibt es so etwas wie einen Wahlversprechenseffekt, dass die Politiker im Wahlkampf wegen der Konkurrenz durch Auswärtige mehr Wahlversprechen abgeben, die sie dann auch versuchen einzuhalten? ja, sehr ja, ein wenig nein 4.6 Gibt es so etwas wie einen Lerneffekt, dass die Politiker in mehreren Gemeinden Erfahrungen sammeln und so kompletere und bessere Politiker werden? ja, sehr ja, ein wenig nein 4.7 Gibt es so etwas wie einen Informationseffekt, dass die Wähler Politiker besser beurteilen können, weil sie in mehreren Gemeinden aktiv waren? ja, sehr ja, ein wenig nein 4.8 Wenn der Wettbewerb härter wird, können Politiker in verschiedener Weise reagieren. Sie können Ihre Politik gezielter auf gut organisierte Gruppen, z.b. das örtliche Gewerbe, grosse Arbeitgeber usw., ausrichten, oder sie können sich vermehrt um die ganz normalen Wähler bemühen. In welche dieser Richtungen treibt der Wettbewerb durch die Freizügigkeit die Politiker?

Anhang 1: Interview 4.9 In welchen Gemeinden möchten auswärtige Politiker besonders gerne gewählt werden: a) - In Gemeinden mit speziell grossen Problemen oder - besonders erfolgreichen Gemeinden? b) - In Gemeinden mit speziell grosser oder - kleiner Finanzkraft? 4.10 Welche Gemeinden suchen besonders oft und intensiv nach auswärtigen Kandidaten: a) - Gemeinden mit speziell grossen Problemen oder - in besonders erfolgreiche Gemeinden? b) - Gemeinden mit speziell grosser oder - kleiner Finanzkraft? 4.11 Suchen Gemeinden mit besonders grossen Problemen bewusst Gemeindesanierer, also auswärtige Kandidaten mit einschlägigen Referenzen? ja, sehr ja, ein wenig nein 5. Wirkung auf die Politik 5.1 Wie beurteilen Sie die Auswirkung der Freizügigkeit für Politiker auf die Qualität der Gemeindepolitik alles in allem? sehr positiv ein wenig kein Einfluss ein wenig sehr negativ positiv negativ 5.2 Wird in Folge der Freizügigkeit eine andere Gemeindepolitik betrieben? 5.3 Wer profitiert, wer verliert von dieser Regelung?

Anhang 1: Interview 5.4 Werden erfolgreiche Politiker aktiv abgeworben? ja, sehr ja, ein wenig nein 5.5 Wie wirkt sich die Freizügigkeit für Politiker auf die Rolle der Parteien aus? Werden diese wichtiger oder unwichtiger? wichtiger unwichtiger kein Einfluss 5.6 Sehen Sie Auswirkungen der Freizügigkeit für Politiker auf die kantonale Politik, etwa, dass die Politiker dank ihrer breiteren Erfahrung in verschiedenen Gemeinden auch bessere Politiker auf kantonaler Ebene sind? ja, sehr ja, ein wenig nein 6. Mögliche Probleme 6.1 Wie sehen Sie die Kritik, dass die Freizügigkeit dazu führt, dass die reichsten Gemeinden die besten Politiker kriegen und nicht diejenigen, die sie eigentlich am nötigsten hätten? 6.2 Wie sehen Sie die Kritik, dass auswärtige Politiker sich zu wenig in den Gemeindeangelegenheiten auskennen? 6.3 Wie sehen Sie die Kritik, dass auswärtige Politiker sich zu wenig für die Gemeinde engagieren? 6.4 Wie sehen Sie die Kritik, dass auswärtige Politiker die Gemeinde allzu schnell wieder verlassen, sobald sie ein besseres Angebot haben?