OSZE-Vorsitz 2014: Eine Chance für die Schweiz SHV Jahresversammlung, 21.1.2013 Christine Egerszegi-Obrist, Ständerätin, Präsidentin der OSZE-Delegation des Parlamentes Sehr geehrte Frau Präsidentin, Meine Damen und Herren Vor wenigen Tagen hat die Schweiz Einsitz genommen in das Führungsgremium der OSZE, die sogenannte Troika. Im Januar 2014 wird unser Land dann für ein Jahr den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa übernehmen. Diese Aufgabe bedeutet für unser Land eine Herausforderung, sie bringt Verantwortung und viel Arbeit, vor allem aber bietet sie uns Chancen: Die Schweiz kann direkt zur Stabilität in allen Regionen Europas beitragen, sie kann Entwicklungen, die für uns wichtig sind, direkt mitgestalten und sie kann ihren Partnern beweisen, dass in der Lage ist, nützliche Beiträge für den Frieden zu leisten. Verantwortung und Respekt für die Vergangenheit Die OSZE früher KSZE - ist eine junge Organisation. Gegründet 1975 in Helsinki ist sie noch keine vierzig Jahre alt und hat doch eine wechselvolle und höchst eindrückliche Geschichte hinter sich. Die Ideen welche damals, mitten im kalten Krieg zur Schaffung der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa geführt hatten, sind auch heute noch beeindruckend: - Sicherheit kann nicht einfach durch Konfrontation und Abschreckung geschaffen werden, sondern viel mehr auch durch Kooperation und vertrauensbildende Massnahmen. - Transparenz, Rüstungskontrolle und gegenseitige Inspektionen von militärischen Anlagen tragen zur Vertrauensbildung ein. - Frieden und Sicherheit sind nicht nachhaltig ohne wirtschaftliche Entwicklung. - Zu einem umfassenden Friedensbegriff gehört auch Sicherheit für den einzelnen: Das Recht auf Meinungsfreiheit, die Garantie der Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit. Heute ist nur noch schwer nachvollziehbar, welche Sprengkraft diese Ideen damals im geteilten Europa, namentlich in der östlichen, damals kommunistischen Hälfte unseres Kontinents entwickeln konnten. Die Rolle, welche die KSZE beim Ende des kalten Krieges gespielt hat, ist kaum zu unterschätzen. Gut möglich, dass dieses Ende später erfolgt oder weniger friedlich 1
verlaufen wäre, hätte es den vertrauensbildenden Rahmen des KSZE-Prozesses damals nicht gegeben. OSZE heute Heute ist die OSZE die grösste regionale sicherheitspolitische Organisation mit 57 Mitgliedstaaten. Es ist die einzige Organisation, die praktisch über drei Kontinente, von USA, Canada bis Tadschikistan geht. Die Welt hat sich verändert, auch die OSZE hat sich refomiert. Aus der Konferenz ist eine Organisation geworden, mit permanenten Strukturen am Hauptsitz in Wien und zahlreichen Feldmissionen und Institutionen. Geblieben aber ist ihre Grundidee: Durch Dialog und Vertrauensbildung Frieden zu schaffen und zu bewahren. Warum soll die Schweiz den Vorsitz übernehmen? Die Schweiz ist mit der OSZE eng verbunden: 1975 zählte die Schweiz zu den Gründungsmitgliedern der KSZE. 1996 hatte sie das erste Mal den Vorsitz in der OSZE. 2014 wird sie der erste Teilnehmerstaat sein, der den Vorsitz bereits zum zweiten Mal übernimmt. Weshalb engagiert sich die Schweiz in dieser Organisation? Die bevorstehende Präsidentschaft kann als klares Zeichen gedeutet werden, dass die Schweiz bemüht ist, ihre strategischen Prioritäten der Aussen- und Sicherheitspolitik durch zu setzen und so zur Stabilität in Europa und den Nachbarregionen beizutragen. Diese Priorität wurde unlängst im neuen aussenpolitischen Bericht des EDA bekräftigt. Für die Erreichung ihrer Ziele ist die Schweiz zudem breit, mit anderen gleichgesinnten Staaten in einer europäischen Organisation zusammenzuarbeiten. Die Schweiz ist überzeugt, während des OSZE-Vorsitzes die gesetzten Ziele erreichen zu können: - Sie will an erster Stelle einen Beitrag zur Stabilität in allen Regionen Europas leisten. - Sie möchte zudem dazu beitragen, die OSZE als Organisation sowohl inhaltlich als auch institutionell zu stärken, damit die OSZE auch 40 Jahre nach ihrer Gründung relevant und wirkungsvoll bleibt. - Drittens bietet der OSZE-Vorsitz der Schweiz die Möglichkeit, viele ihrer bestehenden friedenspolitischen Bemühungen in einem geeigneten Rahmen fortzusetzen und zu stärken und damit eine sichtbare Wirkung zu entfalten. In der OSZE kann die Schweiz manche Ihrer Stärken zum Tragen bringen. Der konstruktive Dialog, die Fähigkeit zum Kompromiss und die Suche nach dem politischen Konsens gelten zu Recht als Markenzeichen unserer Politik. In der OSZE gelten ähnliche Spielregeln. Die Schweiz versteht sich als Brückenbauer und als ein Land, welches bei der Ausübung der Aussenpolitik keine versteckten Absichten verbirgt. Dies hat wiederholt dazu geführt, dass die Schweiz als vertrauenswürdiger und ehrlicher Partner wahrgenommen wird. Die Schweiz darf mit Stolz behaupten, dass ihre Partner auf die Schweizer Fähigkeit vertrauen, erfolgreich zur Verbesserung von Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa beizutragen. 2
Partnerschaft mit Serbien Der schweizerische Vorsitz in der OSZE hat eine besondere Note: Die Schweiz hat sich gemeinsam mit Serbien beworben. Serbien wird 2015 den Vorsitz übernehmen und die beiden Länder stimmen ihre Prioritäten eng miteinander ab. Die gemeinsame Kandidatur der Schweiz und Serbiens ist die erste dieser Art. Zuvor haben sich die Teilnehmerstaaten der OSZE stets einzeln für den Vorsitz beworben. Mit der gemeinsamen Kandidatur bewies die Schweiz einmal mehr, dass sie zur Erreichung der OSZE-Ziele auf die Zusammenarbeit mit anderen Teilnehmerstaaten setzt. Zudem unterstrichen die beiden Länder durch die gemeinsame Kandidatur ihren politischen Willen zu einer engen Zusammenarbeit. Von dieser Überzeugung haben sich auch die bisherigen Arbeitstreffen zwischen der Schweiz und Serbien tragen lassen. Diese fanden in einem konstruktiven und engagierten Umfeld statt und dienten der Erarbeitung der gemeinsamen Ziele für die Präsidentschaft. Die Schweiz ist der Auffassung, dass sie mit den aufeinander folgenden, gemeinsam mit Serbien geplanten und eng koordinierten Vorsitzen u.a. einen Beitrag zu einer positiven Entwicklung in Südosteuropa leisten kann. Davon sollen auch andere Länder in dieser Region, namentlich Kosovo und Bosnien-Herzegowina profitieren können. Die Schweiz knüpft damit an ihre markanten Engagements für Frieden, Stabilität und Entwicklung in dieser Region Europas an. Institutionelle Reformen, Helsinki +40 Die Schweiz hat ein Interesse, dass die OSZE auch in Zukunft relevant bleibt und fähig ist, zur nachhaltigen Stabilität im OSZE Raum beizutragen. Der 40. Geburtstag seit Gründung der OSZE bietet eine gute Möglichkeit, das gegenseitige Vertrauen der Teilnehmerstaaten zu festigen und anstehende Reformen anzugehen. Die Schweiz ist sich bewusst, dass dieses Ziel im Alleingang kaum zu erreichen ist. Aus diesem Grund trägt die Schweiz einen Prozess innerhalb der aktuellen OSZE- Troika (Ukraine-Schweiz-Serbien) mit, welcher die institutionelle Stärkung der Organisation zum Ziel hat. Rolle der Parlamentarischen Versammlung Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Für die schweizerische Delegation, die ich anführen darf, bietet sie nicht nur die Möglichkeit internationale Kontakte zu knüpfen, sondern auch die Gelegenheit Entscheidungen mitzugestalten. Es ist das erste Mal, dass der Vorsitz der OSZE über drei Jahre festgelegt wird. Das bietet auch der Parlamentarischen Delegation Möglichkeiten, über das Tagesgeschäft hinaus Aktivitäten anzupacken. 3
Wir haben mir den Delegationen der Ukraine und Serbien in einem letter of intent festgehalten, dass wir mit einer entsprechenden Resolution nicht nur die Organisation selber auf ihre Kernkompetenzen erinnern möchten, sondern dass wir gemeinsam drei Projekte gemeinsam angehen wollen Die Ukrainische Delegation wird die Definition von Wahlstandards und ihre Umsetzung thematisieren ( Europarat, OSZE, ODIR) verschiedenen Ansätze, Die Serbische Delegation befasst sich mit der Entwicklung der Menschenrechte in der neueren Zeit Und wir, die Schweizer Delegation führt ein Projekt über den Umgang mit Minderheiten. Alle drei arbeiten gemeinsam, aber eine Land hat den Lead. Als Parlamentarierin würde ich mir wünschen, dass die Zusammenarbeit zwischen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und der anderen Gremien an Bedeutung gewinnt. Ich freue mich, dass wir die Parlamentarische Versammlung der OSZE zu ihrer Session im Herbst 2014 in Genf beherbergen dürfen. Rolle der Zivilgesellschaft Die Zivilgesellschaft hat im gesamten OSZE-Raum während der letzten Jahre stets an Bedeutung zugenommen. Insbesondere bei der Förderung der Stabilität, der Sicherheit und bei der Einhaltung demokratischer Grundwerte und der Menschenrechte spielt die Zivilgesellschaft spielt eine immer bedeutendere Rolle. ODIHR, das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, und bekannt für die unzähligen Wahlbeobachtungen, ist ebenfalls darum bemüht, die Kapazitäten der Zivilgesellschaft zu stärken. Die Schweiz beabsichtigt, nicht-staatliche Organisationen, akademische Institute, Vereine und Stiftungen, die sich mit menschlicher Sicherheit und Sicherheitspolitik befassen, während ihrer OSZE-Präsidentschaft eng mit einzubeziehen. Die Sicherheitspolitischen Genfer Zentren (DCAF 1 und GCSP 2 ) sind an den Vorbereitungen beteiligt. Dadurch will die Schweiz versuchen, Synergien zwischen den Genfer Zentren und dem Bund in relevanten Politikbereichen zu nutzen. Erste Treffen zur Erarbeitung möglicher Schwerpunkte während des Schweizer Vorsitzes haben schon stattgefunden. Unsere Gastgeber heute Abend, die Schweizerische Helsinki-Vereinigung demonstrieren eindrücklich, was ein Kreis von engagierten Bürgerinnen und Bürger für die Verbreitung des Gedankenguts über Jahrzehnte hinweg leisten können. Ich bin 1 Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces 2 Geneva Centre for Security Policy 4
auch gespannt, was die Panelisten von foraus aus Zürich und vom Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik uns heute Abend sagen werden. Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren, Ich bin überzeugt, dass die Schweiz viele Gründe hat, sich auf den Vorsitz in der OSZE zu freuen. Diese Organisation ist nützlich für unser Land, sie bietet einen geeigneten Rahmen um unsere Interessen zu vertreten, unsere Stärken einzubringen und die Verhältnisse auf unserem Kontinent mitzugestalten. Ich danke für Ihr Interesse und freue mich auf die Diskussion. 5