TK-Leitungen und Neubaugebiete unter besonderer Berücksichtigung von Infrastrukturkanälen Univ.-Prof. Dr. Ulrich Stelkens Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Recht der Mehrebenenbeziehungen und Normsetzungslehre Speyerer Tage zu kommunalen Infrastrukturen Wegerechte für Telekommunikationslinien auf kommunalen Straßen und Plätzen 18. 19. September 2008
Rechtliche Ausgangslage Herkömmliche Verlegung Nutzungsrecht ist nach 68 TKG unentgeltlich 68 TKG überträgt grds. TK- Unternehmen die Entscheidung, wo und in welcher Form sie TK- Linien verlegen wollen Verlegung im Infrastrukturkanal Unentgeltliches Nutzungsrecht bezieht sich nicht auf Infrastrukturkanal (vgl. BGH v. 3.2.2000 III ZR 313/98 NVwZ 2000, 710 ff.) Verlegung nur auf Grund (entgeltlichen) Vertrags mit Betreiber
Wirtschaftliche Kriterien der Verlegungsentscheidung Herkömmliche Verlegung Nutzung unentgeltlich, aber: Aufgrabungs- und Straßeninstandsetzungskosten Größerer Materialaufwand Kürzere Lebensdauer des Leitungsmaterials Verlegung im Infrastrukturkanal Nutzung entgeltlich, aber: Kostengünstige Durchführung von Wartungs- und Verlegungsarbeiten Geringerer Materialaufwand Längere Lebensdauer der verlegten Leitungen
Problemlage Dritter Weg: Kumulierung der wirtschaftlichen Vorteile beider Verlegungsformen? Kann Befugnis der TK-Unternehmen zur Aufgrabung als Druckmittel genutzt werden, um unentgeltliche Nutzung des Infrastrukturkanals zu erzwingen? Kann die Gemeinde dem etwas entgegenhalten?
I. Bauplanungsrechtlicher Ausschluss der Nutzungsberechtigung aus 68 TKG? 9 Abs. 1 Nr. 13 BauGB als Grundlage für Einschränkungen des 68 TKG? 9 BauGB Inhalt des Bebauungsplans (1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden: [ ] 13. die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; [ ]
BT-Drs. 15/2996, S. 65 (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bauund Wohnungswesen zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum (Europarechtsanpassungsgesetz Bau EAG Bau): Die Änderung des 9 Abs. 1 Nr. 13 BauGB entspricht einem Vorschlag des Bundesrates, dem die Bundesregierung zugestimmt hat. Danach soll sowohl die Führung von oberirdischen als auch die Führung von unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen im Bebauungsplan festgesetzt werden können. Dies dient der Klarstellung insbesondere im Hinblick auf Telekommunikationslinien. Bereits mit der Bundesbaugesetz-Novelle 1976 ist die Beschränkung auf die Führung oberirdischer Versorgungsanlagen und -leitungen entfallen. Seitdem kann auch die Führung unterirdischer Versorgungsanlagen und -leitungen festgesetzt werden. Die Änderung dient daher der unmissverständlichen Klarstellung der geltenden Rechtslage.
I. Bauplanungsrechtlicher Ausschluss der Nutzungsberechtigung aus 68 TKG? Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, 9 Rn. 13 (Bearbeitung 2005) Im Bebauungsplan kann daher z. B. festgesetzt werden, dass die Führung von Telekommunikationsleitungen unterirdisch zu erfolgen hat. Hat der Gesetzgeber durch Änderung des 9 Abs. 1 Nr. 13 BauGB nebenbei 68 Abs. 3 TKG grundlegend verändert?
I. Bauplanungsrechtlicher Ausschluss der Nutzungsberechtigung aus 68 TKG? Anwendbarkeit des 9 Abs. 1 Nr. 13 BauGB auf TK-Linien wird nur in dem Bundestagsausschuss-Bericht angesprochen. Wortlaut des 9 Abs. 1 Nr. 13 BauGB bezieht TK-Linien nicht ausdrücklich mit ein. Unter Geltung des Telegraphenwegegesetzes war Vorrang des TWG gegenüber Bauleitplanung unstrittig. Unter Geltung des 50 TKG (1996) wurde die Möglichkeit von Einschränkungen der Nutzungsberechtigung durch Bebauungspläne nicht erwogen. Einschlägige Rechtsprechung und Literatur gehen selbstverständlich von einem Vorrang der 68 ff. TKG gegenüber Bauleitplanung aus.
Ausgangslage 68 TKG gewährt unentgeltliche Nutzungsberechtigung nicht voraussetzungslos. 70 TKG zeigt, dass die Einschränkungen, die sich aus diesen Voraussetzungen ergeben können, die Nutzung einer konkreten Straße für die Verlegung von TK-Linien faktisch ausschließen können. Keine Pflicht des Straßenbaulastträgers zur Ausgestaltung eines Verkehrswegs in einer Weise, die einer Nutzung durch TK-Linien besonders zugänglich ist. Straßenbaulastträger kann sich der gesetzlichen Grenzen der Nutzungsberechtigung bedienen, um bestimmte Verlegungsformen in einer bestimmten Straße (faktisch) auszuschließen.
Keine Nutzungsberechtigung vor Straßenwidmung Verkehrswege i. S. d. 68 TKG = förmlich gewidmete Verkehrswege Vor Widmung kein Anspruch auf unentgeltliche Nutzung Lediglich zivilrechtliche Gestattung des Verfügungsberechtigten über das Grundstück Möglichkeit des Straßenbaulastträgers, herkömmliche Kabelverlegung während der Bauphase zu verwehren und auf Infrastrukturkanal zu verweisen In der Regel kein Anspruch aus 76 TKG auf Kabelverlegung während der Bauphase
Nutzungsberechtigung nach Straßenwidmung (Erst) nach Widmung entsteht Nutzungsrecht aus 68 TKG Wirtschaftlich uninteressant auf Grund von Aufgrabungs- und Instandsetzungskosten bei neu gebauten Straßen? - Wer gräbt, verliert! Nutzungsberechtigung besteht nur unter Beachtung der anerkannten Regeln der Technik ( 68 Abs. 2 TKG)
(1) [ ] 68 TKG Grundsatz der Benutzung öffentlicher Wege (2) Telekommunikationslinien sind so zu errichten und zu unterhalten, dass sie den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie den anerkannten Regeln der Technik genügen. Faktische Sperre für die Ausübung der Nutzungsberechtigung
(1) [ ] 68 TKG Grundsatz der Benutzung öffentlicher Wege (2) Telekommunikationslinien sind so zu errichten und zu unterhalten, dass sie den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie den anerkannten Regeln der Technik genügen. Bezieht sich nicht auf die beste verfügbare Technik"
Einschränkung der Nutzungsberechtigung durch Straßengestaltung?
Einschränkung der Nutzungsberechtigung durch Straßengestaltung?
73 TKG Schonung der Baumpflanzungen (1) Die Baumpflanzungen auf und an den Verkehrswegen sind nach Möglichkeit zu schonen, auf das Wachstum der Bäume ist Rücksicht zu nehmen. Ausästungen können nur insoweit verlangt werden, als sie zur Herstellung der Telekommunikationslinie oder zur Verhütung von Betriebsstörungen erforderlich sind; sie sind auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. (2) [ ] (3) Der Nutzungsberechtigte ersetzt den an den Baumpflanzungen verursachten Schaden [ ].
73 TKG Schonung der Baumpflanzungen (1) Die Baumpflanzungen auf und an den Verkehrswegen sind nach Möglichkeit zu schonen, auf das Wachstum der Bäume ist Rücksicht zu nehmen. [ ]. (2) [ ] (3) Der Nutzungsberechtigte ersetzt den an den Baumpflanzungen verursachten Schaden [ ].
Unmöglichkeit i. S. d. 73 Abs. 1 Satz 1 TKG Allein objektive Kriterien maßgeblich, Präferenzen des Unternehmens unerheblich Technische Unmöglichkeit: Nutzung des Verkehrswegs unter Beachtung des Baumschonungsgebots gänzlich unmöglich Wirtschaftliche Unmöglichkeit Kosten der Baumschonung unverhältnismäßig gegenüber Gewinn eines unversehrten Baumbestandes Alternativen Trassen/Verlegungsformen im Verkehrsweg schließen Unmöglichkeit aus
Problem: Was muss unmöglich sein, um Baumschonungsgebot missachten zu können? Meine Sichtweise: Alternativtrasse muss nur auf dem Verkehrsweg liegen, ohne dass notwendig ist, dass sie gerade auf Grund der Nutzungsberechtigung aus 68 TKG genutzt werden kann. Mögliche engere Sichtweise: Möglichkeiten i. S. d. 73 Abs. 1 Satz 1 TKG = Möglichkeiten, die sich rechtlich gerade auf Grundlage des 68 TKG realisieren lassen. Interessen des Baumschutzes Interessen an herkömmlicher Verlegung
Ausschluss oberirdischer Telekommunikationslinien?
(1) [ ] (2) [ ] 68 TKG Grundsatz der Benutzung öffentlicher Wege (3) [ ] Bei der Verlegung oberirdischer Leitungen sind die Interessen der Wegebaulastträger, der Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und die städtebaulichen Belange abzuwägen. Soweit die Verlegung im Rahmen einer Gesamtbaumaßnahme koordiniert werden kann, die in engem zeitlichen Zusammenhang nach der Antragstellung auf Zustimmung durchgeführt wird, soll die Verlegung in der Regel unterirdisch erfolgen. [ ]
III. Gefahr des Rechtsmissbrauchs? 68 TKG stehen dem Modell Infrastrukturkanal nicht entgegen Nutzung des Infrastrukturkanal durch TK-Unternehmen erzwingen durch Instrumentalisierung der Grenzen des 68 TKG bereits bei Straßenplanung Straßenbaulastträger verfolgt hiermit grundsätzlich billigenswerte straßenbautechnische Ziele Aber: Besteht die Gefahr, dass TK-Unternehmen hierdurch in ein unzumutbares Abhängigkeitsverhältnis zum Betreiber des Infrastrukturkanals geraten?
III. Gefahr des Rechtsmissbrauchs? 70 TKG Mitbenutzung Soweit die Ausübung des Rechts nach 68 für die Verlegung weiterer Telekommunikationslinien nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich ist, besteht ein Anspruch auf Duldung der Mitbenutzung anderer für die Aufnahme von Telekommunikationskabeln vorgesehenen Einrichtungen, wenn die Mitbenutzung wirtschaftlich zumutbar ist und keine zusätzlichen größeren Baumaßnahmen erforderlich werden. In diesem Fall hat der Mitbenutzungsberechtigte an den Mitbenutzungsverpflichteten einen angemessenen geldwerten Ausgleich zu leisten.
III. Gefahr des Rechtsmissbrauchs? Mitbenutzungsanspruch aus 70 TKG Hinreichendes Druckmittel zum Schutz der TK-Unternehmen vor überzogenen Forderungen des Betreibers des Infrastrukturkanals
Fazit 68 TKG muss einer erfolgreichen Umsetzung des Modells Infrastrukturkanal nicht entgegenstehen Kein faktischer Zwang, TK-Unternehmen von einem marktüblichen Nutzungsentgelt freizustellen Aber: Lediglich Lösungsvorschläge Bislang keine Rechtsprechung zu den geschilderten Fragen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!