Konzept für die Beratungsstellen von DONUM VITAE

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Transkript:

PSYCHOSOZIALE BERATUNG IM ZUSAMMENHANG MIT PRÄNATALER DIAGNOSTIK Konzept für die Beratungsstellen von DONUM VITAE Herausgeber: donum vitae Bundesverband e.v. Breite Straße 27, 53111 Bonn, Fon: 0228 / 3 86 73 43, Fax: 0228 / 3 86 73 44 E-Mail: info@donumvitae.org, www.donumvitae.org 3

INHALTSVERZEICHNIS PSYCHOSOZIALE BERATUNG IM ZUSAMMENHANG MIT PRÄNATALER DIAGNOSTIK KONZEPT FÜR DIE BERATUNGSSTELLEN VON DONUM VITAE 1. PRÄAMBEL 1. PRÄAMBEL 5 2. RECHTLICHE GRUNDLAGEN 6 3. BERATUNGSHINTERGRUND 7 4. BERATUNGSAUFGABEN UND -ZIELSETZUNG 9 4.1. Beratungsaufgaben vor Pränataler Diagnostik 10 4.2 Beratungsaufgaben während der Wartezeit nach durchgeführter Pränataler Diagnostik 10 4.3 Beratungsaufgaben nach Bekanntwerden eines pathologischen Befundes beim Ungeborenen 11 4.4 Beratungsaufgaben nach einer Entscheidung für das kranke oder behinderte Kind und nach dessen Geburt 12 4.5 Beratungsaufgaben nach einer Entscheidung für einen Abbruch und/oder nach erfolgtem Abbruch 13 5. RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE PSYCHOSOZIALE BERATUNG BEI PRÄNATALER DIAGNOSTIK 14 5.1 Personelle, zeitliche und räumliche Struktur 14 5.2 Fachliche Qualifikation 15 5.3 Fachteam 16 6. KOOPERATION 16 7. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT 17 Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz als unantastbar geschützt. Sie kommt jedem Menschen zu, vom Anfang seines Lebens bis zum Tod, unabhängig von seinem Entwicklungsstadium, einer Krankheit oder einer Behinderung. Donum vitae nimmt mit der psychosozialen Beratung im Kontext von Pränataler Diagnostik den Schutz des Lebens von Mutter und Kind als eine besondere Herausforderung an. Die Beratung gewinnt aus dem Vertrauen auf die Liebe und die Zusage Gottes an alle Menschen die Kraft, gemeinsam mit den Rat Suchenden Perspektiven für ein Leben mit dem Kind auch mit einem kranken oder behinderten Kind zu entwickeln. 1 Pränatale Diagnostik ist zu einem selbstverständlich angebotenen und nachgefragten Bestandteil der allgemeinen Schwangerenvorsorge geworden, wobei der Fortschritt, insbesondere in der genetischen Pränatalen Diagnostik, vielfältige ethische und psychosoziale Probleme mit sich bringt. Vor diesem Hintergrund wollen wir uns als Christen in Solidarität den gesellschaftlichen Herausforderungen stellen und im Sinne der schwangeren Frauen, der Paare und des ungeborenen Lebens psychosoziale Beratung vor, während und nach Pränataler Diagnostik anbieten. 1 Grundlegende Ausführungen hierzu finden sich in dem Beratungskonzept für Beratungsstellen in der Trägerschaft von donum vitae. 4 5

2. RECHTLICHE GRUNDLAGEN Die rechtlichen Bedingungen für die psychosoziale Beratung vor, während und nach Pränataler Diagnostik sind auf der Grundlage des Grundgesetzes im Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (Schwangerschaftskonfliktgesetz), im Strafgesetzbuch ( 218a Abs. 2: sogenannte medizinische Indikation) sowie in länderspezifischen Gesetzen und Richtlinien festgeschrieben. Besonders weisen wir an dieser Stelle hin auf die im Grundgesetz verankerten Garantien. Sie betreffen die Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) die untersagte Benachteiligung wegen einer Behinderung (Art. 3 Abs. 1 GG) Nach 2 Abs. 1 Schwangerschaftskonfliktgesetz hat jede Frau und jeder Mann ein Recht auf Beratung in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen. In Abs. 2 Ziffer 5 wird der Informationsanspruch konkretisiert auf die Hilfsmöglichkeiten für behinderte Menschen und ihre Familien, die vor und nach der Geburt eines in seiner körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit geschädigten Kindes zur Verfügung stehen. 3. BERATUNGSHINTERGRUND Die Pränatalmedizin hat in den letzten Jahren medizinische Diagnosetechniken entwickelt, durch die immer mehr und immer genauer vorgeburtliche Erkrankungen und Fehlbildungen erkannt werden und die zunehmend mehr diagnostisches Wissen über das Ungeborene bereitstellen können. Pränataldiagnostik kann die Chance bieten, dass die schwangere Frau und/oder das Ungeborene bei gesundheitlicher Gefährdung behandelt werden können. Andererseits können sich schwerwiegende existenzielle und ethische Fragen ergeben, bei deren Beantwortung nicht nur die medizinische Sichtweise im Vordergrund stehen darf. Denn sie allein wird der Situation der betroffenen Frauen, Paare und Familien nicht gerecht. Dies bestätigen zunehmend viele Aussagen auch aus den Reihen der Mediziner. Mit dem technologischen Fortschritt in der Pränataldiagnostik wächst in unserer Gesellschaft der Anspruch, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen. Der Eindruck entsteht, als sei die Geburt eines behinderten Kindes vermeidbar. Damit geraten Schwangere/Paare zunehmend unter Druck, alle Möglichkeiten der Pränataldiagnostik in Anspruch zu nehmen. Viele Betroffene sind sich der Tragweite der Fragestellungen, die im Kontext der Inanspruchnahme Pränataler Diagnostik entstehen können, und des möglicherweise nach einem auffälligen Befund auf sie zukommenden Entscheidungsdrucks besonders in fortgeschrittener Schwangerschaft nicht bewusst. Sie sind gefordert, in einem von ihnen nicht voraussehbaren Maß Entscheidungskompetenz in Fragen zu entwickeln, die für ihre Person und ihre Biographie prägend sein können. 6 7

In einer solchen Situation kann fachlich qualifizierte und wertorientierte psychosoziale Beratung von donum vitae entscheidende Hilfe leisten, indem sie die Frau/das Paar dabei begleitet, die ethische und psychosoziale Bedeutung pränataldiagnostischer Untersuchungen und Befunde für ihr Leben zu klären und tragfähige Entscheidungen zu treffen. 4. BERATUNGSAUFGABEN UND -ZIELSETZUNG Ultraschalluntersuchungen erfolgen als üblicher Bestandteil der gültigen Mutterschaftsrichtlinien und dienen primär der angemessenen medizinischen Versorgung von Schwangerer und Ungeborenem. Ergibt sich dabei jedoch ein auffälliger Befund, der nicht behandelbar ist und auf das Risiko einer schweren Entwicklungsstörung oder Fehlbildung des Ungeborenen hinweist, stellt sich oftmals die Frage nach einer weiter gehenden, auch invasiven Untersuchung. Dadurch können Unsicherheiten und Ängste bei der schwangeren Frau/dem Paar entstehen, und sie müssen sich damit auseinandersetzen, ob und auf welche pränataldiagnostischen Untersuchungen sie sich einlassen. Zuweilen müssen sie längere Zeit warten, bis durch Verlaufsuntersuchungen fest steht, ob das Kind krank oder behindert sein wird. Diese Wartezeit bedeutet eine schwere Belastung für die Frau und das Paar. Eine Entscheidung, die zu Konflikten führen kann, steht auch dann an, wenn der behandelnde Arzt der Schwangeren Untersuchungen zur Ermittlung eines solchen Risikos anbietet, die über die Mutterschaftsrichtlinien hinausgehen. Erfahren die Frau/das Paar, dass ihr Kind eine schwere Krankheit oder Behinderung haben wird, geraten sie meist zunächst in eine Schocksituation. Frauen, Paare und Familien können auch in eine so umfassende Krise geraten, dass sie den Eindruck haben, es bleibe als Ausweg letztlich nur die Entscheidung für einen Abbruch der Schwangerschaft. Für die Beratung im Zusammenhang mit Pränataler Diagnostik gibt es sich sehr voneinander unterscheidende Anlässe, die mit je spezifischen Konflikten verbunden sind und eine je eigene Beratungsaufgabe darstellen. Beratung in donum vitae Beratungsstellen hat dabei das Ziel, die Not der Betroffenen zu verstehen, ihre Kompetenz für die jeweils 8 9

anstehende Entscheidung zu stärken, mit ihnen gemeinsam Ressourcen für das Aushalten und Bewältigen von Unsicherheit und Angst zu entdecken sowie Perspektiven für ein Leben mit einem behinderten Kind zu entwickeln und sie unabhängig davon wofür sie sich letztlich entscheiden auf ihrem Weg zu begleiten. 4.1 Beratungsaufgaben vor Pränataler Diagnostik Zunächst ist das Beratungsziel die Unterstützung im Entscheidungsprozess über den Umfang Pränataler Diagnostik, der in Anspruch genommen werden soll. Das Recht auf Nichtwissen ist zu benennen und zu respektieren. Aufgaben der Beratung sind in diesem Zusammenhang insbesondere das Abwägen der erhofften Vorteile und der denkbaren Nachteile der Inanspruchnahme sowie des Unterlassens Pränataler Diagnostik und das Aufzeigen möglicher Konflikte bei pathologischem Befund. Es geht darum, die Frau bzw. das Paar in der Eigenkompetenz und Verantwortung zu stärken. 4.2 Beratungsaufgaben während der Wartezeit nach durchgeführter Pränataler Diagnostik In dieser Wartezeit entsteht für viele Frauen/Paare eine schwere psychische Spannung. Beratung kann hier entlastende Wirkung entfalten, indem sie die Ängste bewusst macht und erörtert, was das Leben mit einem behinderten Kind für die Frau bzw. das Paar und die Familie bedeuten könnte. Die persönlichen Ressourcen der Frau bzw. des Paares sollen erkannt und aktiviert werden. 4.3 Beratungsaufgaben nach Bekanntwerden eines pathololgischen Befundes beim Ungeborenen Die Mitteilung, dass das Kind krank oder behindert sein wird, führt in der Regel zu einem Schock der Frau bzw. des Paares. Ziel der Beratung in donum vitae Stellen ist zunächst das Herauskommen aus dieser lähmenden Schocksituation. Stellt sich für die Rat Suchenden dann die Frage nach Fortsetzung oder Abbruch der Schwangerschaft, soll Beratung ihre Entscheidungskompetenz stärken, damit sie eine sorgfältig bedachte Entscheidung treffen, die sie auch zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens für verantwortbar halten. Dabei ist zu bedenken, dass sich die Betroffenen vielfach in einem Loyalitätskonflikt befinden gegenüber dem ungeborenen Kind, das sie eigentlich wünschen, dem sie aber ein Leben mit Behinderung ersparen wollen, wie auch gegenüber dem Partner sowie der Familie, weil sie glauben, ihnen ein behindertes Kind mit allen befürchteten Einschränkungen und Problemen nicht zumuten zu dürfen. Hinzu kommen meist Zweifel und Ängste, den Anforderungen selbst nicht gewachsen zu sein. Beratungsansätze sind: Annehmen, Verstehen und Klären der Gefühle der Betroffenen (wie z.b. Zweifel und Ängste) sowie des inneren und äußeren Drucks auf sie Ernstnehmen der Sorgen und Loyalitäten gegenüber dem Ungeborenen, dem Partner und den vorhandenen Kindern Unterstützung der Frau/des Partners beim Umgang mit Kränkungen, bei Schuldgefühlen und Selbstzweifeln und beim Abschiednehmen vom Wunsch nach einem gesunden Kind Zulassen und Begleiten von Trauerprozessen und Ängsten vor der Zukunft Überprüfung der bisherigen Lebensplanung 10 11

Einordnung dieser Problematik in die Frage nach dem Sinn des Lebens der Betroffenen Finden und Stärken der persönlichen Ressourcen der Frau/des Paares Ressourcenfindung aus dem Glauben der Frau/des Paares Fördern der Auseinandersetzung mit dem persönlichen Beziehungsfeld und den sozialen Bedingungen Vermittlung von Kontakten zu Familien mit einem Kind, das die in Frage stehende Krankheit oder Behinderung hat Informationen über institutionelle und finanzielle Hilfsangebote Entwicklung von Perspektiven für ein Leben mit dem Kind Informationen über den Ablauf eines Schwangerschaftsabbruchs und die Nachsorge 4.4 Beratungsaufgaben nach einer Entscheidung für das kranke oder behinderte Kind und nach dessen Geburt Hier ist es das Beratungsziel von donum vitae, die Frau bzw. das Paar in ihrer/seiner Entscheidung für die Annahme des Kindes zu stützen und sie in ihrer Beziehung zum Kind zu stärken. Darüber hinaus können wichtige und stützende Kontakte und Hilfsmöglichkeiten oft schon während der Schwangerschaft vermittelt werden. Beratungsansätze sind: Befähigung der Frau/des Paares, die angebotenen und mit ihr/ihnen entwickelten Hilfen zu erkennen und in Anspruch zu nehmen Stärkung des Selbstwertgefühls der Frau/des Paares Ansprechen von positiven, liebenswerten und entwicklungsfähigen Anlagen eines Kindes mit Krankheit oder Behinderung Informationen über Hilfen und die Vermittlung von Fachleuten Zusammenarbeit mit allen Stellen, die Entlastung für die Bewältigung des Alltages bieten Unterstützung bei der Bewältigung von Trauer und Enttäuschung, vielleicht auch Schuldgefühlen Entwicklung von Perspektiven für das Leben mit dem Kind Unterstützung der (werdenden) Eltern im Entscheidungsprozess über das Für und Wider der Inanspruchnahme jeglicher medizinischer Therapie für das kranke Neugeborene und Stärkung für den Umgang mit dieser Entscheidung 4.5 Beratungsaufgaben nach einer Entscheidung für einen Abbruch und/oder nach erfolgtem Abbruch Nach dieser Entscheidung gilt es in der Beratung Hilfestellungen zu geben, um die äußeren Zusammenhänge und Loyalitätskonflikte, die dem Schwangerschaftsabbruch vorausgingen, zu verstehen und die eigenen Grenzen anzunehmen. Darüber hinaus sind notwendig: Begleitung bei der Bewältigung von Trauer und Verlust und Umgang mit dem Thema von Schuld und Versöhnung Unterstützung zur Befähigung, den Schwangerschaftsabbruch in die eigene Lebensbiographie zu integrieren Unterstützung bei der Gestaltung eines neuen Lebensentwurfes Begleitung im Prozess des Abschieds vom Kind (Trauerrituale) 12 13

5. RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE PSYCHOSOZIALE BERATUNG BEI PRÄNATALER DIAGNOSTIK Die psychosoziale Beratung bei Pränataler Diagnostik bedingt eine zeitliche Flexibilität der Beraterin und kann im Einzelfall viel Zeit in Anspruch nehmen. Sie stellt hohe Anforderungen an die persönliche und fachliche Qualifikation der Beraterin. Zudem ist es angebracht, das zu jeder donum vitae Beratungsstelle gehörende Fachteam zu erweitern. 5.1 Personelle, zeitliche und räumliche Struktur Die Schockreaktion einer Schwangeren/eines Paares nach Mitteilung eines pathologischen Befundes bei ihrem Kind bedeutet für die donum vitae Beraterin, ggf. sehr kurzfristig ein Beratungsangebot machen zu müssen. Möglicherweise sind Folgeberatungen in kurzer zeitlicher Abfolge notwendig. Zusätzlich ist ein entsprechender zeitlicher Aufwand für die Kooperation und Vernetzung mit anderen Personen und Einrichtungen erforderlich. In der Praxis hat sich erwiesen, dass das Beratungsangebot eher angenommen wird, wenn es in unmittelbarer räumlicher Nähe zur ärztlichen Einrichtung erfolgt, in der die Pränataldiagnostik durchgeführt wird. 5.2 Fachliche Qualifikation Die Schwangerschaftskonfliktberaterinnen bei donum vitae können neben ihrem abgeschlossenen einschlägigen Studium eine Zusatzqualifikation in Schwangerschaftskonfliktberatung oder/und eine als gleichwertig anerkannte therapeutische Zusatzausbildung vorweisen. Für die psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit Pränataler Diagnostik sind darüber hinaus entsprechende Voraussetzungen bzw. spezifische Qualifikationen notwendig: aktualisierte Kenntnisse, vor allem der Pränatalen Diagnostik, der Krankheiten, Entwicklungsstörungen und Behinderungen des Ungeborenen, der Humangenetik und der Erkrankungen der Mutter Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten (z.b. eigenständiges Lebensrecht des Ungeborenen, Einordnung von Behinderung und Krankheit in das eigene Leben, Schuld und Versöhnung, gesellschaftlicher Umgang mit Behinderung) Krisenintervention bei akuten Schockreaktionen sozialrechtliche Kenntnisse über Leistungen für behinderte Menschen Befähigung zur Beratung nach Tot- und Fehlgeburt bzw. Schwangerschaftsabbruch (besonders bei einem Spätabbruch) Kenntnis einschlägiger praktischer Hilfsmöglichkeiten im Einzugsgebiet der Beratungsstelle bzw. des Wohnorts der Schwangeren Trauerbegleitung interdisziplinäre Zusammenarbeit Vernetzung mit anderen Einrichtungen Erfahrung in Öffentlichkeitsarbeit In diesen Fragen ist eine kontinuierliche Weiterqualifizierung der Beraterinnen sicherzustellen. Darüber hinaus ist die Reflexion dieser Beratungsarbeit im Rahmen von Supervision unerlässlich. 14 15

5.3 Fachteam Zur Unterstützung jeder donum vitae Beratungsstelle gehört ein Fachteam. Insbesondere ärztliche, juristische, psychologische, sozialarbeiterische, sozialpädagogische, theologische und seelsorgerische Kompetenz können je nach Erfordernis im Einvernehmen mit den Rat Suchenden hinzugezogen werden. In Anbetracht der spezifischen Fragestellungen im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik ist es angebracht, das donum vitae Fachteam um die Bereiche Pädiatrie, Frühförderung und Behindertenhilfe zu erweitern. 6. KOOPERATION Mehrfach ist aufgezeigt worden, dass die Zusammenarbeit mit anderen Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Verbänden und anderen Einrichtungen erforderlich ist, um im Einzelfall ein adäquates Beratungs- und Informationsangebot bereitstellen zu können. Für die donum vitae Beraterin ist es entlastend, wenn sie den Austausch mit anderen Fachleuten in Anspruch nehmen kann. 7. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Die Öffentlichkeitsarbeit hat aufklärende Wirkung, indem sie den Hintergrund Pränataler Diagnostik unter ethischen, psychosozialen und medizinischen Aspekten erläutert und auf mögliche Konflikte aufmerksam macht. Auch ist es ihre Aufgabe, auf mangelnde oder fehlende Hilfen und Unterstützungen für Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit und deren Angehörige hinzuweisen und auf immer bessere Unterstützung hinzuwirken, damit in unserer Gesellschaft die Perspektiven für ein Leben mit einem kranken oder behinderten Kind wesentlich verbessert werden. Dazu zählt auch, im gesellschaftlichen und politischen Raum die Wertschätzung des behinderten Lebens zu fördern. Die Öffentlichkeitsarbeit von donum vitae muss darauf hinzielen, die Unverzichtbarkeit psychosozialer Beratung im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik deutlich und das donum vitae Beratungsangebot bekannt zu machen. Adressaten sind schwangere Frauen und ihre Partner, Frauenärzte und andere Fachleute sowie die breite Öffentlichkeit. Es ist von großer Bedeutung sich dafür einzusetzen, dass Frauen und Paare durch das Beratungsangebot frühzeitig erreicht werden. Dazu ist eine rechtzeitige intensive Zusammenarbeit zwischen einschlägigen Fachleuten/Stellen, wie Ärzte, Krankenhäuser, psychosoziale Beratungsstellen, unverzichtbar. In der Vermittlung zur psychosozialen Beratung haben Ärzte und Krankenhäuser eine entscheidende Schlüsselposition. Die Aufforderung und Legitimation für unseren Einsatz in Gesellschaft, Politik und Kirche gründet in unseren Erfahrungen insbesondere aus dem Dialog mit den Rat Suchenden, wissenschaftli- 16 17

chen Erkenntnissen und dem unserer Arbeit zugrunde liegenden Beratungskonzept. Gesellschaftspolitisches Engagement ist unverzichtbar, um angemessene Rahmenbedingungen für betroffene Frauen, Paare und Familien zu schaffen. 18