Predigt Text:!! Römer 14,7 13 Lesung:! Römer 13,8 10 Thema:! Was uns verbindet ist stärker als das, was uns trennt. Die Gemeinde in Rom in den 50er Jahren. Den 50ern nach dem Jahr 0. Eine relativ normale Gemeinde. Sie hat es offensichtlich mit ganz ähnlichen Herausforderungen zu tun, wie unsere Gemeinden heute. Denn sie besteht aus sehr unterschiedlichen Typen. Diejenigen, die mit den Traditionen ihrer Eltern aufgewachsen sind und ziemlich genau zu wissen meinen, wie man sich als Christ zu verhalten hat. Und diejenigen, die ganz neu in der Gemeinde sind, die Traditionen vielleicht kennen aber meinen, dass diese Traditionen eigentlich nicht viel mit ihrem Glauben zu tun haben. Dieser Gemeinde schreibt Paulus einen Brief und spricht einen Konflikt an, der zwischen den beiden Gruppen besteht: Die Unterschiede sind scheinbar so enorm, dass sich beide Gruppen gegenseitig verurteilen und verachten. Aber es geht nicht um die Herkunft, die Lebensgeschichte oder das Alter der Menschen damals und von uns heute, sondern um das aktuelle, konkrete Verhalten. In diese Situation hinein schreibt Paulus in Römer 14 das, was wir uns heute Morgen anschauen wollen. Ich lese die Verse 7 13 nach NGÜ: 7 Keiner von uns lebt für sich selbst, und auch wenn wir sterben, gehört keiner von uns sich selbst. 8 Wenn wir leben, leben wir für den Herrn, und auch wenn wir sterben, gehören wir dem Herrn. Im Leben wie im Sterben gehören wir dem Herrn. 1
9 Denn Christus ist gestorben und wieder lebendig geworden, um seine Herrschaft über alle auszuüben über die Toten und über die Lebenden. 10 Woher nimmst du dir da noch das Recht, deinen Bruder o- der deine Schwester zu verurteilen? Und du woher nimmst du dir das Recht, deinen Bruder oder deine Schwester zu verachten? Wir alle werden einmal vor dem Richterstuhl Gottes stehen. 11 Denn es heißt in der Schrift:»So wahr ich lebe, sagt der Herr: Vor mir wird jedes Knie sich beugen, und jeder Mund wird Gott die Ehre geben.«12 So wird also jeder von uns über sein eigenes Leben vor Gott Rechenschaft ablegen müssen. 13 Hören wir darum auf, einander zu verurteilen! Statt den Bruder oder die Schwester zu richten, prüft euer eigenes Verhalten, und achtet darauf, alles zu vermeiden, was ihm ein Hindernis in den Weg legen und ihn zu Fall bringen könnte. Ich glaube, dass das Thema aktuell und wichtig ist, auch wenn die Unterschiede in der Gemeinde gerade vielleicht nicht so deutlich sind. Denn der Text macht uns drei, wie ich finde, ganz wesentliche Dinge deutlich, die für uns wichtig sind: 1) In gewisser Weise sind wir alle gleich. 2) Wir leben so unterschiedlich. 3) Was uns verbindet ist stärker als unsere Unterschiede. 1) In gewisser Weise sind wir alle gleich Keiner lebt für sich selbst. Das klingt in unserer Zeit überholt. In einer Zeit, in der es so viele Angebote gibt, sich selbst zu verwirklichen. Sich mal Zeit für sich selbst zu nehmen. Sich selbst zu finden. Eine Zeit, in der ich oft den Eindruck habe, dass das Motto ist: Wenn jeder an sich selbst denkt, ist doch an alle gedacht! Wie kann die Bi- 2
bel, die ja angeblich immer aktuell ist, das behaupten? Keiner lebt für sich selbst? Paulus schreibt das an die Gemeinde in Rom und erinnert sie an etwas, wovon er zutiefst überzeugt ist eben genau das: Keiner lebt für sich selbst. Aber das muss er begründen. Und er muss erklären, was er überhaupt meint, denn offensichtlich läuft es in der Welt ja ganz anders. Und an der Aussage ist nichts besonders, wenn er damit nur meint, dass wir nicht alleine auf der Welt sind, dass wir uns hier und da für andere einsetzen, dass andere sich für uns einsetzen. Das leuchtet ein. Was ist das Besondere an dieser Aussage, Keiner lebt für sich selbst? Alle gehören dem einen Herrn Paulus macht hier deutlich, was die Grundlage und Grundausrichtung der Christen ist: Jesus Christus. Wir leben für Jesus. Wir leben in Jesus. Man kann sich das in etwa so vorstellen: wie ein Fisch im Aquarium. Das mag etwas ungewöhnlich klingen, drückt aber wie ich finde sehr schön aus, was unser Text meint. Ich bin der Fisch, Jesus das Aquarium. Sobald der Fisch ins Aquarium gesetzt ist, lebt er darin. Egal, was er tut er ist in diesem Aquarium. Und alles, was er tut, ist davon bestimmt, dass er in diesem Aquarium lebt, hin und her schwimmt. Ob er das wahrnimmt oder nicht. Das Aquarium ist der neue Lebensraum des Fisches, so etwas wie der Herr über dieses eine Fischleben. So ist Jesus auch Herr über mein Leben. Über alles, was in meinem Leben geschieht. Ich kann nichts mehr tun, ohne in diesem neuen Lebensraum zu sein. Im Leben und im Sterben 3
das macht deutlich, dass es keinen Bereich gibt, in dem das nicht der Fall ist. Weder im Leben, noch im Sterben. Das sollten wir uns auch gerade heute am Toten- bzw. Ewigkeitssonntag bewusst machen. Das ist nicht nur eine Feststellung, die Paulus hier macht, sondern es ist auch eine Zusage: Auch im Sterben gehören wir zu Jesus. Zu dem, der den Tod besiegt hat, über den der Tod keine Macht hat. Zu diesem Jesus gehören wir. Deshalb ist der Tod nicht das Ende. Der Tod, der nur scheinbar ganz deutlich macht, dass wir doch zumindest für uns selbst sterben, zeigt dann, dass wir eben nicht für uns selbst leben und sterben. Sondern für Jesus, den Herrn, der die Macht des Todes besiegt hat. Alles was im Leben eines jeden Christen geschieht, passiert unter der Bedingung, dass er zu Jesus gehört. Davon gibt es keine Ausnahme. Ob uns das bewusst ist oder nicht. Aber das gilt nicht nur für mich oder dich allein. Neben und mit mir schwimmen noch viele andere Fische in demselben Aquarium. Für die gilt all das ganz genau so. Aus dem einfachen Grund: Sie schwimmen in demselben Aquarium. Sie haben denselben Lebensraum wie du und ich, denselben Herrn. Denn Christus ist gestorben und wieder lebendig geworden, um seine Herrschaft über alle auszuüben. Auf diese Weise sind wir alle gleich. Unsere Lebensgrundlage und unsere Ausrichtung ist dieselbe. Weil wir in Jesus leben gehören wir nicht nur zu ihm, sondern wir gehören auch zueinander als Aquariumsgemeinschaft als Lebensgemeinschaft. An anderer 4
Stelle in der Bibel finden wir für das, was hier gemeint ist, das Bild der Kindschaft: Wir sind Kinder Gottes Geschwister eine Familie. Das verbindet uns. Doch wie stark diese Verbindung ist, vergessen wir häufig. Dabei ist gerade das eine sehr wichtige Grundlage, die Paulus der Gemeinde damals wie auch uns heute weitergibt. Wir gehören zusammen, weil wir zu Christus gehören. 2) Wir leben so unterschiedlich Obwohl wir als Christen eine so enge Gemeinschaft sind, ist doch nicht zu übersehen, wie unterschiedlich wir auch sind. Und das war auch schon damals in Rom so. Das ist keine Entwicklung unserer Zeit. Die Gemeinde damals hatte ein ganz bestimmtes Problem, über das Paulus in unserem Text schreibt, nämlich die jüdischen Vorschriften. Die einen waren damit aufgewachsen und wollten sie gerne beibehalten, als sie Christen wurden. Die anderen hielten davon nichts. Die einen hielten sich an das, was sie nach diesen Vorschriften essen durften, die anderen nicht. Den einen waren bestimmte jüdische Tage wie zum Beispiel der Sabbat wichtig, den anderen nicht. Da ist Streit doch vorprogrammiert. Denn ganz ehrlich: Ich gehe meistens davon aus, dass meine Weise die richtige ist. Welche Probleme sind das heute in unseren Gemeinden, in unserem Alltag? Den einen ist es wichtig, beim Beten aufzustehen, die anderen wissen gar nicht so genau, was das überhaupt bedeuten soll. Den einen ist der Sonntag strikt heilig, die anderen sehen das eher 5
locker, man soll eben irgendwann mal Pause machen. Die einen halten nichts davon, auf die Kirmes oder in die Disco zu gehen, für die anderen sind das immer Highlights. Die Liste lässt sich erweitern. Vielleicht hast du auch gerade schon etwas ähnliches im Kopf. Auch in diesen Fragen scheint doch Streit vorprogrammiert zu sein. Egal, ob offen ausgetragen oder nicht. Denn ich gehe ja davon aus, dass meine Meinung die richtige ist sonst könnte und würde ich es anders machen. Wozu führt das in vielen Fällen? In Rom führte es dazu, dass man sich gegenseitig verurteilte und verachtete. Ich stelle mir vor, dass es dort auch mal laut wurde: Ihr könnt doch nicht einfach irgendwelches Fleisch essen! Das ist Sünde! Worauf es dann vielleicht hieß: Doch, wohl! Wir können essen was wir wollen! Ihr habt doch gar nichts verstanden! Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie es hin und her geht. Aber vielleicht war es noch viel schlimmer: hinter vorgehaltener Hand. Der hängt am Sabbat seine Wäsche auf. Das kann kein guter Christ sein. Kennst du das? Wie schnell passiert mir das, dass ich aufgrund des Verhaltens anderer versucht bin, ihn abzuwerten. Wie schnell stehe ich in der Gefahr, das Christsein eines anderen an dem zu bemessen, was er anders macht als ich. Wie schnell habe ich ein Urteil über den anderen gesprochen: Was der macht, ist völlig falsch! 6
Bei diesen Gedanken erwischt uns Vers 10: Woher nimmst du dir da noch das Recht, deinen Bruder oder deine Schwester zu verurteilen? Und du woher nimmst du dir das Recht, deinen Bruder oder deine Schwester zu verachten? Keiner von uns hat das Recht, den anderen zu verurteilen. Dieses Recht ist und bleibt Gott vorbehalten. Wir alle werden einmal vor dem Richterstuhl Gottes stehen. Darin sind wir uns wieder gleich. Und wir haben nicht das Recht, über unsere Unterschiede zu urteilen. Denn jeder wird sich einmal selbst vor Gott für seinen Lebensstil verantworten müssen. Vor Gott. Vor niemandem sonst. Was uns verbindet ist stärker als unsere Unterschiede Welchen Maßstab legst du an dein Leben an? Den der anderen? Ist das, was die anderen sagen, was sie vielleicht sogar über dich sagen, der Maßstab dafür, wie du dein Leben führst? Oder erwartest du vielleicht sogar, dass andere dich zum Maßstab nehmen? Keiner lebt für sich selbst. Ist damit gemeint, dass ich meinen Lebensstil vor denen verantworten muss, die ihn für falsch halten? Vers 12: So wird also jeder von uns über sein eigenes Leben vor Gott Rechenschaft ablegen müssen. Bist du dein eigener Maßstab? Ist dir alles erlaubt, wenn du es mit dir selbst vereinbaren kannst? Bist du dein eigener Herr? Wenn du dich später vor Gott selbst verantworten musst, warum dann nicht auch schon jetzt? 7
Keiner lebt für sich selbst. Deshalb. Aber wir leben auch nicht für die anderen um uns herum, sondern für Christus. Denkt noch einmal an das Aquarium. Alles was wir tun, geschieht in diesem Rahmen. Auch deshalb finde ich das Bild so passend. Das Aquarium hat seine Grenzen. Das bedeutet nicht, dass Jesus Grenzen hat. In dieser Hinsicht ist das Aquarium grenzenlos. Aber im Bezug auf unser Verhalten gibt Jesus uns einen Raum zum Leben, in dem wir uns bewegen können. Verantworten müssen wir uns für die Art und Weise, wie wir den vorgegebenen Raum nutzen. Vor dem, der ihn uns gegeben hat. Weil wir uns entschieden haben, genau diesen Raum zu nutzen. Da ist uns nicht jede Kleinigkeit vorgegeben. Wir sollen diesen Raum gestalten verantwortungsvoll. Das heißt in Verantwortung vor Jesus. Weil es sein Raum ist. Weil wir zu ihm gehören. Wir leben gemeinsam ein Leben, das wir für Jesus leben. Jeder auf seine Art und Weise, die er letztlich nicht vor den anderen, nicht allein vor sich selbst, sondern für sich selbst vor Jesus verantworten muss. Das ist keine Beliebigkeit, sondern christliche Freiheit. Freiheit, die auf Jesus Christus ausgerichtet ist. Die aus Dankbarkeit die von ihm geschenkte Freiheit auch wieder vor ihm verantwortlich gestaltet. Die mir nicht jede Entscheidung aufzwingt, sondern mir die Freiheit lässt, mich so zu entscheiden, dass ich es selbst vor Gott verantworten kann. 8
Vers 13: Hören wir darum auf, einander zu verurteilen! Denn jeder muss sein eigenes Verhalten vor Gott verantworten. Du musst dich nicht für das rechtfertigen, was der andere tut. Lass ihm seine Freiheit. Seine christliche Freiheit. Der andere ist für sein Verhalten verantwortlich, nicht du. Aber Paulus sagt auch ganz deutlich, dass diese Freiheit Grenzen hat. Nämlich dann, wenn ich den anderen durch mein Verhalten zu Fall bringe. Wenn er durch die Weise, wie ich es mache, seine Weise nicht mehr verantworten kann. Wenn jemandem etwas so viel bedeutet, dass sein Glaube dadurch erschüttert wird, dass ich es anders mache, dann ist die Ansage klar: Ich muss auf ein Stück meiner Freiheit verzichten. Denn die Freiheit ist Freiheit zur Liebe, so wie wir es in der Lesung gehört haben: Durch die Liebe wird das ganze Gesetz erfüllt. In der Liebe zum Nächsten kann ich auch auf ein Stück meiner Freiheit verzichten. Weil er genauso von Gott geliebt ist wie ich. Es geht nicht um eine Diktatur der Schwachen. Sondern um ein Miteinander. Manchmal muss ich auf ein Stück Freiheit verzichten, und manchmal muss ich dem anderen ein Stück Freiheit zugestehen. Dann muss ich dem anderen Respekt davor entgegenbringen, dass er sich selbst vor seinem Herrn verantworten muss. Wir sind gemeinsam gleich. Weil wir alle von Jesus Christus bedingungslos angenommen sind. Und wir sind gemeinsam unterschiedlich, weil wir 9
die geschenkte Freiheit für uns selbst vor Gott verantworten müssen. Also lasst uns gemeinsam, als viele unterschiedliche Fische in einem großen Aquarium, hier und da selbst auf ein Stückchen Freiheit verzichten. Auf den anderen achten. Ihn nicht durch unser Verhalten zu Fall bringen. Und lasst uns hier und da dem anderen ein Stückchen Freiheit zugestehen. Weil er es selbst vor Gott verantworten muss. Weil er die Freiheit hat, sein Leben unter den Augen Jesu zu gestalten. Denn Christus ist gestorben und wieder lebendig geworden, um seine Herrschaft über alle auszuüben. Die Herrschaft der Liebe Jesu, die uns alle verbindet, ist so viel stärker als die Unterschiede, die uns nur scheinbar trennen. Amen. 10