Wie zeigt sich das in den Hirnbildern?

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Transkript:

Inhaltsverzeichnis

Wie zeigt sich das in den Hirnbildern? Die Sprachen können noch so verschieden sein, es sind immer die gleichen Hirnareale, die involviert sind inklusive der Zeichensprache. Es ist genetisch festgelegt, wo Sprache verarbeitet wird. Wo wir flexibel sein müssen, ist, was die Inhalte des Input, das Vokabular etwa, angeht. Was kann man aus den Hirnbildern noch alles herauslesen? Halten Sie es beispielsweise für denkbar, dass die Forschung irgendwann ein eigenes objektives Testsystem entwickelt, das anzeigt, dass regelmäßiges Üben mit Gewaltvideos am Computer Spuren im Gehirn hinterlässt und dadurch auch angsterzeugende Reaktionen fördert? Man wird bei Videospielen sicher herausfinden können, wie stark die Amygdala dadurch aktiviert werden kann. Es wäre interessant zu wissen, ob die Reaktion der Amygdala nachlässt und sich das Gehirn damit quasi an die Gewalt gewöhnt. Es gibt aber auch schöne positive Beispiele, wie sich das Gehirn durch Inputs verändert. Welche wären das? Wir haben uns Kinder aus dem Thomaner-Kindergarten angeschaut, die schon sehr früh Musikerziehung genießen. Viele von denen sind später im Thomaner-Chor. Wir haben

sie mit Kindern gleicher Intelligenz und gleichen sozioökonomischen Voraussetzungen verglichen. Die Thomaner-Kinder schneiden später nicht nur in Verhaltenstests besser ab, sie reagieren beispielsweise auch auf Fehler in Sätzen viel eher. Wenn man sich ansieht, welche Hirnareale das bewirken, dann sieht man, dass die Hirnareale, die Sprache verarbeiten, und diejenigen, die Musik verarbeiten, eine große Überlappung zeigen. Wenn ich also das Gehirn mit Musik trainiere, profitiere ich gleichzeitig auch bei der Sprachverarbeitung. Frühes und intensives Musiktraining würden Sie also unbedingt empfehlen? Unbedingt, und auch Zweisprachigkeit dort, wo es möglich ist. Kleinkinder von unter einem halben Jahr sind visuell viel flexibler, wenn sie zweisprachig aufwachsen. Sie schauen beispielsweise in Versuchen viel eher dahin, wo sich etwas bewegt. Das Hirn wird insgesamt flexibler. Stellt man da nicht vielleicht zu große Anforderungen an die Kinder? Eltern kutschieren ihre Kinder heute oft schon im Kindergartenalter von einem Verein zum nächsten. Ist es in dem Alter nicht auch sinnvoll, wenn die Kleinen Raum und Zeit haben, sich einfach hinzusetzen und anderthalb Stunden lang ein Buch anzusehen? Kinder zu zwingen, etwas zu machen, was sie nicht wollen, ist sicher nicht erfolgreich. Da muss man einfach nur sensibel bleiben. Wenn die Kinder keinen Input mehr haben wollen, dann machen sie mental zu.

Ist das Vor-sich-hin-Spielen nicht auch eine Form des Inputs? Das kommt auf das Alter an. Kleine Kinder beschäftigen sich mit Spielzeug alleine nur ungern, allenfalls für kurze Zeit. Es braucht normalerweise unbedingt die Aufmerksamkeit eines Dritten. Nehmen wir an, die Mutter ist im Zimmer, kümmert sich aber nicht um Kind oder Spielzeug. Schon nach kurzer Zeit wendet sich das Kind der Mutter zu und möchte, dass man sich zu zweit um das Spielzeug kümmert. Mike Tomasello vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, der das beschrieben hat, nennt das»joint Attention«, Aufmerksamkeit von beiden Seiten. Wird, wenn man den Kindern ständig ins Gehirn schaut, nicht auch ein ungeheurer Druck auf Eltern ausgeübt, sich viel mehr mit der Wissenschaft der Erziehung zu beschäftigen und ständig nach neuen Inputs zu suchen? Was die Eltern sollen, ist in erster Linie, sich mit den Kindern beschäftigen. Dazu kann es reichen, ihnen ein Kinderlied vorzusingen. Das hat inzwischen ja ohnehin fast schon jeder verlernt. Wenn wir wissen, dass wir mit Musik allein im Grunde genommen schon unsere Sprache trainieren, dann wissen wir, was sinnvoll ist. Entscheidend ist: Da, wo Kommunikation und Interaktion fehlen, lernt das System nicht in der gleichen Art und Weise. Ein gutes Beispiel kommt aus der Welt der Singvögel. Die lernen anfangs ihre Strophen normalerweise von den Eltern. Wenn man den Vogel aber allein irgendwo hinsetzt und er es alleine

versuchen soll, passiert nichts. Vor dem Fernseher sitzen finde ich aus dem Grund ganz und gar ungut. Das Gehirn ist offenkundig ein sehr konservatives Organ, das evolutionär für bestimmte Aufgaben angelegt ist. Gibt es da möglicherweise Grenzen, was die Belastbarkeit und Erweiterungsfähigkeiten angeht, wenn wir etwa an die neue Medienwelt mit Internet und virtuellen Realitäten denken? Es gibt den Begriff lebenslanges Lernen. Wenn man das Gehirn am Lernen hält, dann ist es später, auch im Alter und unter komplexen Einflüssen, viel flexibler, als viele denken. Aber das hat natürlich auch Grenzen. Was die Trainierbarkeit angeht, ist unser Gehirn vielleicht mit einem Muskel zu vergleichen. Ein Muskel, der lange nicht benutzt worden ist, wird natürlich schwerer zu reaktivieren sein. Sicher lerne ich als Mittvierziger weniger Neues als ein Kleinkind. Aber lernt man nicht später auch unglaublich viel, nur auf einer anderen Ebene? Das ist das, womit sich der Berliner Alternsforscher Paul Baltes am Ende immer intensiver beschäftigt hat: mit Weisheit. Das ist eine der Domänen, die im Alter besser sind als in der Jugend. Das sind aber andere Domänen. Andere, aber deshalb doch nicht weniger wichtige. Muss sich die Hirnforschung in diesem Punkt nicht selbst dynamisieren und dahin kommen, dass sie quasi auch Weisheit messbar macht?

Wenn man an Weisheit interessiert ist, wird man das sicherlich machen. Es wird interessant sein, wie man versucht, so etwas in ein Experiment zu bringen. Gibt es eine Technik, die solche Experimente möglich macht? Wir haben bisher leider noch begrenzte Messverfahren. Wir messen die Hirnaktivität von einem Riesenensemble von Neuronen. Wir können mit EEG-Geräten deren Aktivität im Millisekundenbereich messen, aber wir wissen immer noch nicht genau, wo diese Aktivität herkommt. Oder nehmen wir den Kernspintomografen. Damit können wir die Hirnaktivitäten in einzelnen kleinen Arealen sehen. Diese Aktivitäten kommen aber mit einer sechssekündigen Verzögerung im Gerät an. Das Wo im Gehirn sagt uns noch nicht das Wie. Diesen Schritt müssen wir erst noch machen. Setzt das auch ein Fragezeichen hinter die bisherigen Ergebnisse der Forschung? Oft werden in der Tat einzelne kleine Ergebnisse überinterpretiert, aber es sind nicht auch immer die Hirnforscher, die diese verallgemeinernden Interpretationen erzeugen. Sicher, jemanden in den Scanner zu schieben und zu sagen, er solle kurz an Gott glauben, um dann die Aktivationsareale als Glaube-an-Gott-Areale zu beschreiben, ist sicher nicht der richtige Weg.