Das entgrenzte Mandat der EZB Das OMT-Urteil des EuGH und seine Folgen. IMFS Working Lunch

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Transkript:

Das entgrenzte Mandat der EZB Das OMT-Urteil des EuGH und seine Folgen IMFS Working Lunch 14.03.2016 Prof. Dr. Heike Schweitzer, LL.M. (Yale) Freie Universität Berlin

Einleitung - Verfassungsbeschwerden / Organstreitverfahren gegen den OMT-Beschluss der EZB / die Untätigkeit der BReg in dieser Sache anhängig. Urteil des BVerfG wahrscheinlich vor der Sommerpause - Bedeutung des Urteils: Wichtige Aussagen zur Reichweite des Mandats der EZB / zu dessen Grenzen Wichtige Aussagen zur Auslegung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung (Art. 123 AEUV) Verhältnis BVerfG-EuGH: Wird es, nach der erstmaligen Vorlage vom BVerfG an den EuGH, einen Riss im Kooperationsverhältnis geben? - Studie des Kronberger Kreises (KK) Grundthesen: Geldpolitisches Mandat der EZB kann nicht eine allgemeine Ermächtigung zur Entstörung eines gestörten Transmissionsmechanismus umfassen => zu weit Geldpolitisches Mandat der EZB ist kein Auftrag zur Gewährleistung einer einheitlichen Transmission geldpolitischer Signale in alle Euro-MS => mit rechtl. Struktur der EWU unvereinbar Bei der gerichtlichen Kontrolle der Grenzen des Mandats der EZB kann es nicht allein auf die von der EZB vorgebrachte Zielsetzung ankommen zu fragen ist nach den der Maßnahme objektiv innewohnenden Zielen und nach der Zulässigkeit der gewählten Mittel Ziel des OMT-Programms war der Erhalt der Währungsunion in dem konkreten Mitgliederbestand Das mit dem OMT-Programm gewählte Mittel selektiver Aufkauf von Staatsanleihen mit deutlich erhöhtem Ausfallrisiko ohne Absicherung gerät in Konflikt mit dem Verbot monetärer Staatsfinanzierung und Grundprinzipien der EWU: Marktdisziplinierung nationaler Haushaltspolitiken. Eine Substitution durch institutionelle Kontrollen ist nicht vorgesehen. BVerfG sollte diese Begrenzungen im Urteil klar formulieren und u.u. dem EuGH im Ergebnis folgen Titel, Datum 2

I. Das OMT-Programm der EZB Titel, Datum 3

I. Das OMT-Programm der EZB - 2011/2012: Kontinuierliche Anstieg der Risikoprämien für Staatsanleihen verschiedener MS (Griechenland, Portugal, Irland, Italien, Spanien). Hintergrund: Zweifel an der Zahlungsfähigkeit und bereitschaft der Staaten / weiterer Mitgliedschaft im Euro-Raum. - Selbstverstärkende Wirkung: Durch Anstieg der Zinsaufschläge verschlechtert sich Prognose über Zahlungsfähigkeit weiter. - Hilfsprogramme (EFSF, ESM): Zinsaufschläge für Krisenstaaten stiegen weiter. - Rede von M. Draghi am 26.7.2012: we think the euro is irreversible. Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough. - Beschluss des Rates der EZB v. 6.9.2012 zu Technical Features of Outright Monetary Transactions (OMT-Beschluss): Grundlegende Kriterien für einen künftigen Ankauf von Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedstaaten des Euro-Raums Bereitschaft der EZB, in großem Umfang Staatsanleihen von Krisenstaaten der Euro-Zone auf den Sekundärmärkten zu erwerben (v.a. Laufzeit von 1-3 Jahren). Voraussetzung: Teilnahme an einem Finanzhilfeprogramm der EFSF oder des ESM / vollständige compliance (Konditionalität). Keine (öffentliche) quantitative Beschränkungen vorab. Ankaufprogramm soll deutlichen Einfluss auf die Risikoaufschläge der Anleihen von Krisenstaaten ausüben können. EZB akzeptiert gleiche Behandlung (pari-passu) wie private Gläubiger 4

I. Das OMT-Programm der EZB - Ziel laut Presseerklärung der EZB: Vertrauen in die gemeinsame Währung wiederherstellen. Ordnungsgemäße geldpolitische Transmission und Einheitlichkeit der Geldpolitik sicherstellen - OMT-Programm wurde bislang nicht aktiviert. - Aber starker Ankündigungseffekt: Renditen 2jähriger spanischer und italienischer Staatsanliehen um ca. 2% reduziert Draghi: OMT-Ankündigung als erfolgreichste geldpolitische Maßnahme der neueren Zeit 5

II. Der Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts Titel, Datum 6

II. Vorlagebeschluss des BVerfG - Verfassungsbeschwerden gegen Untätigkeit der BReg bzgl. OMT-Beschluss (+ Organstreitverfahren). Rechtliche Grundlage: Art. 38 Abs. 1 GG materieller Gehalt des Wahlrechts des Einzelnen: Die durch die Wahl bewirkte Legitimation darf nicht so weit entleert werden, dass das demokratische Prinzip verletzt wird. Kompetenzverlagerungen müssen hinreichend bestimmt sein. Verstoß gg Art. 38 Abs. 1 GG bei späteren Änderungen, die vom ZustimmungsG nicht mehr gedeckt sind (ersichtliche Kompetenzüberschreitung). - Streit um Zulässigkeit: Bloße Ankündigung des Programms = Maßnahme mit unmittelbarer Wirkung im Verhältnis zu Dritten? Wer soll wozu verpflichtet werden? BVerfG hat Zulässigkeit im Vorlagebeschluss bejaht. Vorbeugender Rechtsschutz: Aktivierung des OMT-Programms hätte nicht mehr korrigierbare Folgen - (P): OMT-Beschluss als ersichtliche Kompetenzüberschreitung? Ultra vires = wenn (1) die EZB mit dem OMT-Beschluss offensichtlich ihr währungspolitisches Mandat überschritten oder gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung (Art. 123 Abs. 1 AEUV) verstoßen hat, und (2) der Verstoß zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zu Lasten der Mitgliedstaaten führt 7

II. Vorlagebeschluss des BVerfG - Vorlagebeschluss des BVerfG (erstmalig!) an EuGH (Art. 267 AEUV): Ist der OMT-Beschluss vom geldpolitischen Mandat der EZB gedeckt? Verstoß gegen Art. 123 AEUV (Verbot monetärer Staatsfinanzierung)? - BVerfG selbst legt im Vorlagebeschluss dar: OMT-Beschluss war ein offensichtlicher Übergriff der EZB in den Bereich der Wirtschaftspolitik => Zuständigkeit der MS Offensichtlicher Verstoß gegen Art. 123 AEUV Vorschlag, Gültigkeitsbeschränkungen in den OMT-Beschluss hineinzulesen, die ihn unionsrechtskonform machen würden: OMT-Programm muss dem Umfang nach von vornherein beschränkt sein, um rein unterstützenden Charakter zu den Hilfsprogrammen zu wahren (dann: Unterstützung der Wirtschaftspolitik der MS) EZB darf sich nicht an Schuldenschnitt beteiligen (sonst Verstoß gg Art. 123 AEUV) Hinreichender zeitlicher Abstand zwischen Emission von Staatsanleihen und Aufkauf durch die EZB. Kein Eingriff in Preisbildung am Markt (sonst Verstoß gg Art. 123 AEUV) 8

III. Das OMT-Urteil des EuGH eine kritische Würdigung Titel, Datum 9

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung - EuGH-Urteil trägt Bedenken des BVerfG nur sehr anteilig Rechnung - Geldpolitisches Mandat der EZB: sehr weit ausgelegt - Verbot monetärer Staatsfinanzierung: sehr eng ausgelegt 1. Gerichtliche Kontrolle des Handelns der EZB - EuGH: Grenzen des Mandats der EZB insb. Grenzen der Geldpolitik unterliegen gerichtlicher Kontrolle. Aber: Geldpolitik wird so weit gefasst (Entstörung des gestörten Transmissionsmechanismus), dass Kontrolle faktisch bedeutungslos wird Innerhalb der Geldpolitik gilt Verhältnismäßigkeitsprinzip: Maßnahmen der EZB müssen mit Blick auf das Ziel verhältnismäßig sein => weiter Beurteilungsspielraum der EZB. 10

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung 2. Geldpolitisches Mandat der EZB und seine Grenzen a) Geld- und Wirtschaftspolitik in der EWU - Grundprinzip der EWU: Trennung zwischen Geld- und Wirtschafts-/Finanzpolitik: Zuständig für Wirtschafts- und Haushaltspolitik: MS (Art. 119 Abs. 1 AEUV) Zuständigkeit für Festlegung/Ausführung der Geldpolitik: ESZB (Art. 127 Abs. 2 AEUV). => Institutionelle Absicherung der Trennung durch Unabhängigkeit der EZB (Art. 130 AEUV) - Konsequenz eines Systems mit dezentralen Wirtschafts- und Finanzpolitik, aber zentralisierter Geldpolitik: Notwendigkeit der Abgrenzung zwischen Wirtschafts- und Geldpolitik Regeln zu Handhabung möglicher Wechselwirkungen - Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Wirtschafts-/Finanzpolitik und Geldpolitik: Ziele und Mittel Ziele der Geldpolitik: Vorrangig: Preisstabilität (Art. 127 Abs. 1, Art. 119 Abs. 2 AEUV). Nachrangig: Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik Außerdem: Mittel der Geldpolitik Geldpolitische Instrumente in Kap. IV des Protokolls über die Satzung des ESZB/der EZB Verbot monetärer Staatsfinanzierung - Grundprinzipien der EWU zur Gewährleistung solider Haushaltspolitiken ( Stabilitätsunion ): Keine Tilgung der Schulden eines MS durch andere MS ( No-Bailout -Klausel, Art. 125 Abs. 1 AEUV) Keine monetäre Staatsfinanzierung durch EZB (Art. 123 AEUV) MS tragen Verantwortung für eigene Wirtschafts- und Finanzpolitik Disziplinierung durch die Kapitalmärkte unterschiedliche Zinsaufschläge auf Staatsanleihen Institutionelle Unterstützung: Defizitverfahren (Art. 126 AEUV) + Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion. 11

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung 2. Geldpolitisches Mandat der EZB und seine Grenzen b) Verfolgte die EZB mit dem OMT-Beschluss geldpolitische Ziele? aa) Maßstab für Bestimmung der Ziele - BVerfG: Maßgeblich ist die objektiv zu bestimmende unmittelbare Zielsetzung einer Maßnahme. Hier: Reduktion der Zinsaufschläge für Krisenstaaten / Zusammensetzung des Euro-Währungsgebiets. OMT als funktionales Äquivalent zu Finanzhilfen der MS => Wirtschaftspolitik - EuGH: Stützt sich für Bestimmung der Ziele des OMT-Beschlusses auf PM der EZB: Sicherstellung einer ordnungsgemäßen geldpolitischen Transmission und der Einheitlichkeit der Geldpolitik Bei subjektiver Zielbestimmung läuft Kontrolle künftig weitgehend leer. bb) Sicherstellung einer ordnungsgemäßen geldpolitischen Transmission und der Einheitlichkeit der Geldpolitik als geldpolitisches Ziel? EuGH (Rn. 50): uneingeschränkt ja! Eine Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus ist [...] geeignet, die Entscheidungen des ESZB in einem Teil des Euro-Währungsgebiets ins Leere gehen zu lassen und damit die Einheitlichkeit der Geldpolitik zu beeinträchtigen. Im Übrigen wird, da eine Störung des Transmissionsmechanismus die Wirksamkeit der vom ESZB beschlossenen Maßnahmen beeinträchtigt, dadurch zwangsläufig dessen Fähigkeit beeinträchtigt, die Preisstabilität zu gewährleisten. Daher können Maßnahmen, die diesen Transmissionsmechanismus erhalten sollen, dem in Art. 127 Abs. 1 AEUV festgelegten vorrangigen Ziel zugerechnet werden. Konsequenz: Selektivität des Programms ist unproblematisch zur Entstörung erforderlich Dass das OMT-Programm auch der Stabilität des Euro-Währungsgebietes dient, ist unerheblich Konditionalität verhindert Fehlanreize für MS / Verschlechterung der Haushaltslage 12

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung Kritik an der Entstörung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus / Einheitlichkeit der Transmission als geldpolitischem Ziel: unvertretbare Ausweitung des geldpolitischen Mandats Begriff Geldpolitischer Transmissionsmechanismus => Wirkungskanäle/Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen Insb. Einfluss auf Marktzinsen: EZB stellt Banken über Offenmarktgeschäfte Liquidität zur Verfügung. Leitzins beeinflusst Zinsen an Interbankenmärkten und Kreditvergabe der Banken. Übertragung in die Realwirtschaft: z.b. Zinsen/Wechselkurs wirken auf Konsum- und Investitionsentscheidungen Einflussfaktoren für den Wirkungsgrad geldpolitischer Maßnahmen: Z.B. strukturelle Ausgangsbedingungen in verschiedenen Regionen/MS; unterschiedliche Relevanz unterschiedlicher Sektoren; unterschiedliche Regulierung von Finanz- und Gütermärkten; temporäre Schocks D.h.: Sicherstellung einheitlicher Wirkungen geldpolitischer Signale in allen Regionen/MS ist mit System des AEUV unvereinbar: Unterschiedliche Bedeutung verschiedener Sektoren = Ausdruck einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 119 Abs. 1 AEUV). Unterschiedliche Regulierung = wirtschaftspolitische Verantwortlichkeit der MS Unterschiedliche Finanzpolitiken = finanzpolitische Verantwortung der MS => Marktdisziplin als Kernbestandteil der EWU. Einheitliche Geldpolitik i.s.d. Art. 119 Abs. 2 AEUV bedeutet nicht Gewährleistung einheitlicher Wirkungen geldpolitischer Signale; sondern Ausrichtung der Geld- und Wechselkurspolitik am gesamten Euro-Raum statt an einzelnen MS. Und Angebot von Refinanzierungsgeschäften an alle Banken unabhängig von Standort zu einheitlichen Zinsen Versuch, Einheitlichkeit der Wirkungen geldpolitischer Signale sicherzustellen, bedeutet notirische Übergriffe in Zuständigkeiten der MS und Verstöße gegen Grundprinzipien der EWU System abgegrenzter Zuständigkeiten würde ersetzt durch System der Kooperation Dann schwindet demokratietheoretische Legitimität für Unabhängigkeit der EZB: gerechtfertigt nur bei vorrangig stabilitätsorientierter beschränkt => kann durch unabhängige Zentralbank besser gesichert werden als durch von politischen Stimmungen abhängige Hoheitsorgane. Rechtfertigung versagt bei einer Geldpolitik, die in Wirtschafts-/Finanzpolitik übergreift. 13

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung Alternative Begründung, warum OMT-Programm Geldpolitik darstellt: These von ausnahmsweiser Interventionsbefugnis der EZB zur Gewährleistung eines positiven Marktgleichgewichts bei multiplen Gleichgewichten? EZB: Zinsaufschläge auf Krisen-Staatsanleihen waren Ausdruck einer bzgl. der Fundamentaldaten unbegründeten, aber verbreiteten Furcht vor mangelnder Zahlungsfähigkeit der MS. Zinsaufschläge drohten, die Zahlungsunfähigkeit erst herbeizuführen => negatives Marktgleichgewicht aufgrund selbsterfüllender Prophezeiung. Ankündigung des OMT-Programms hat das schlechte Marktgleichgewicht beseitigt/ Vertrauen wieder hergestellt / zu realistischem Zinsniveau geführt. Ohne Kosten für den Steuerzahler. BVerfG: Trennung der Zinsaufschläge in einen rationalen/irrationalen Teil nicht möglich Unzuständigkeit der EZB, zum Schutz der Zusammensetzung des Euro- Währungsraums zu intervenieren KK: Zinsaufschläge konnten nur aufgrund von vorhandenen Fundamentalproblemen zu Krise führen. Abwendung einer Staatsinsolvenz ist im System der EWU keine geldpolitische Aufgabe. Allenfalls Aufgabe von Finanzhilfeprogrammen der übrigen Euro- MS, die diese Programme ggfs. hätten ausweiten müssen. Erfolg des OMT-Programms ändert nichts an der rechtlichen Einordnung. 14

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung c) OMT-Beschluss als zulässiges Mittel der Geldpolitik? - U.U. Verstoß gg Art. 123 Abs. 1 AEUV: Unmittelbarer Erwerb von Schuldtiteln der MS durch die EZB oder nationalen Zentralbanken ist verboten. - Einigkeit: Auch Umgehungen dieses Verbots sind verboten. BVerfG: Umgehung (+), wenn EZB am Sekundärmarkt Staatsanleihen in der Erwartung aufkauft, dass es später mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einem Schuldenschnitt kommt. Diese Gefahr wohnt selektivem Aufkauf von Staatsanleihen von Krisenstaaten ohne Absicherung inne => EZB übernimmt Funktion einer Bad Bank Bei gewöhnlichen geldpolitischen Geschäften sichert sich EZB bestmöglich gegen ein Ausfallrisiko ab. Nicht beim OMT-Programm. Mögliches Gegenargument: Wenn ein Szenario multipler Gleichgewichte vorlag und die EZB annehmen konnte, dass die Ankündigung von OMT ein optimistisches Gleichgewicht herstellen würde, war nicht mit Schuldenschnitt zu rechnen. Daher kein Verstoß gg Art. 123 Abs. 1 AEUV. Aber: Bestimmung, ob ein solches Szenario vorliegt / Unterscheidung von einem Szenario, in dem sich später ein massiver Transfer zu Lasten der Steuerzahler anderer Länder realisiert, ist Neuland. Es existiert kein ökonomisches Standardwerkzeug (vergleichbar z.b. einer Tragfähigkeitsberechnung der Staatsschulden). Effektivität des Art. 123 Abs. 1 AEUV/ Zuständigkeits- und Verantwortungsteilung in der EWU werden unterlaufen, wenn es dann allein der Beurteilung der EZB obliegt zu entscheiden, ob ein solches Szenario vorliegt. These daher: Werden durch Staatsanleihenkäufe bewusst deutlich erhöhte Verlustrisiken übernommen, ohne dass Maßnahmen ergriffen werden, um diese zu beseitigen, so wird in den Bereich übergegriffen, der der politischen Verantwortung der MS zugewiesen ist. 15

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung c) OMT-Beschluss als zulässiges Mittel der Geldpolitik? (Fortsetzung) - Kein Verstoß gg Art. 123 Abs. 1 AEUV, wenn sich EZB abgesichert hätte insb. Ausschluss einer Beteiligung an einem Schuldenschnitt Allerdings wäre dann ggfs. die Wirksamkeit der Intervention beeinträchtigt. - Weiterer Vorschlag zur Wahrung der Marktdisziplin der MS: EZB darf nie mehr als einen beschränkten Anteil der Anleiheemission aufkaufen. Anlegern muss klar sein, dass sie einen erheblichen Teil der Verluste tragen werden. Aber: Verstoß gg Art. 123 Abs. 1 AEUV dadurch nur gemindert, nicht beseitigt. Auch BVerfG: OMT-Programm muss dem Umfang nach beschränkt sein; UND Ausschluss der Beteiligung am Schuldenschnitt. EuGH geht auf Problematik eines Verstoßes gg Art. 123 Abs. 1 AEUV wg. Übernahme überhöhter Verlustrisiken nicht ein. EuGH: Verlustrisiken sind unvermeidlich mit allen Offenmarktgeschäften verbunden. Aber: Das wird dem Charakter des OMT-Programms als höchst unkonventioneller geldpolitische Maßnahme nicht gerecht. Auch Verweis auf mit OMT-Programm verbundene Anreize für MS zur soliden Haushaltspolitik hilft nicht: System der EWU sieht Substitution der Marktdisziplin durch institutionalisierte Überwachungsmaßnahmen nicht vor. 16

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung 3. Verstoß gg das Verbot monetärer Staatsfinanzierung, Art. 123 AEUV wegen Umgehung des Verbots von Primärmarktkäufen durch Sekundärmarktkäufe? - Wortlaut des Art. 123 Abs. 1 AEUV: Nur Primärmarktkäufe der EZB erfasst. - Aber grds. Einigkeit über funktionale Auslegung: Aufkauf von Staatsanleihen auf Sekundärmärkten verstößt gg Art. 123 AEUV, wenn er mit Blick auf Beseitigung der Marktdisziplin ökonomisch äquivalente Wirkungen entfaltet wie ein direkter Staatsanleihekauf auf Primärmärkten. EuGH: Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Verschuldung der Marktlogik unterworfen bleiben, was ihnen einen Anreiz geben soll, Haushaltsdisziplin zu wahren. Die Einhaltung einer solchen Disziplin trägt auf Unionsebene zur Verwirklichung eines übergeordneten Ziels bei, und zwar dem der Aufrechterhaltung der finanziellen Stabilität der Union (EuGH, Pringle, Rn. 135 zu Art. 125 AEUV). Gilt auch für Art. 123 AEUV: Das Ziel, die Mitgliedstaaten zu einer soliden Haushaltspolitik anzuhalten, darf durch Ankäufe von Staatsanleihen auf Sekundärmärkten nicht umgangen werden (EuGH, OMT, Rn. 100-102). - Einigkeit auch: Art. 123 AEUV verbietet Sekundärmarktkäufe von Staatsanleihen nicht generell: Geldpolitisches Standardinstrument; Staaten erhalten kein Geld von der EZB; Coupon der Anleihe ändert sich nicht. Zwar: Die infolge der EZB-Aufkäufe sinkenden Zinsen am Sekundärmarkt ermöglichen MS Neuemissionen zu niedrigeren Zinsen. Aber solche Einflüsse sind mit Geldpolitik stets verbunden. (P): Grenze, wenn die Zinswirkung so stark ist, dass eine erhebliche Ausweitung der Staatsverschuldung /Schwächung der Haushaltsdisziplin eintritt ( QE )? Str. 17

III. OMT-Urteil des EuGH Würdigung 3. Verstoß gg das Verbot monetärer Staatsfinanzierung, Art. 123 AEUV? (Fortsetzung) BVerfG: Staatsanleihenaufkauf durch EZB auf Sekundärmärkten verstößt gg Art. 123 AEUV bei unzureichendem zeitlichen Abstand zwischen Emission und Aufkauf am Sekundärmarkt: Aufkauf greift dann in die Preisbildung am Markt ein, ermutige Marktteilnehmer zum Erwerb derselben Staatsanleihen am Primärmarkt und untergräbt die Marktdisziplin. Ökonomisch vergleichbare Wirkungen wie beim Primärmarktkauf EuGH: Aufkauf von Staatsanleihen auf Sekundärmärkten hätte nur dann dieselbe Wirkung wie ein Aufkauf von Staatsanleihen am Primärmarkt, wenn die Wirtschaftsteilnehmer, die möglicherweise Staatsanleihen auf dem Primärmarkt erwerben, die Gewissheit hätten, dass das ESZB diese Anleihen binnen eines Zeitraums und unter Bedingungen ankaufen würde, die es diesen Wirtschaftsteilnehmern ermöglichten, faktisch als Mittelspersonen des ESZB für den unmittelbaren Erwerb dieser Anleihen von den öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Einrichtungen des betreffenden Mitgliedstaats zu agieren (EuGH, OMT, Rn. 104) Hier: Kein Verstoß, weil EZB erklärt hat, eine Mindestfrist zwischen der Emission des Schuldtitels und dem Aufkauf einhalten zu wollen und Entscheidungen über das Ob/ Umfang von Ankäufen nicht vorab anzukündigen Außerdem: Anreiz zur Marktdisziplin bleibt wg. Konditionalität des OMT-Programms erhalten. - KK: Denkbar enge funktionale Auslegung von Art. 123 Abs. 1 AEUV. 18

IV. Was nun? Titel, Datum 19

IV. Was nun? - Befund: EuGH-Urteil trägt den gut begründeten wesentlichen Bedenken des BVerfG nicht Rechnung. - Trotzdem: Verpflichtung des BVerfG zur europarechtsfreundlichen Ausübung der ultra vires - Kontrolle: Die EU kann als Rechtsgemeinschaft nur gelingen, wenn unvermeidliche Spannungslagen zwischen nationalen Verfassungsgerichten und EuGH im Einklang mit der europäischen Integrationsidee kooperativ ausgeglichen und durch wechselseitige Rücksichtnahme entschärft werden (s. BVerfGE 126, 286, 303 Honeywell) (=> sog. Kooperationsverhältnis) Zuständig zur verbindlichen Auslegung des Unionsrechts ist grds. der EuGH Nur wenn die Gerichte der MS folgen, ist die einheitliche Wirksamkeit des Unionsrechts möglich. - Grenze der Europarechtsfreundlichkeit: Wächterfunktion des BVerfG mit Blick auf das GG. Wenn die Auslegung des EuGH auf eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Vertragsänderung oder Kompetenzausweitung hinausläuft / nicht mehr von dem dt. ZustimmungsG gedeckt ist, muss das Bundesverfassungsgericht intervenieren => Vertretbarkeitskontrolle - (P): Kann das BVerfG den Rechtsstreit für erledigt erklären, weil der Einsatz des OMT-Programms unwahrscheinlich geworden ist (OMT-Programm als toter Körper mündl. Verhdl. vor dem BVerfG v.16.2.2016)? Hilfsprogramme von EFSF/ ESM, an die das OMT-Programm anknüpft (Konditionalität): überwiegend abgelaufen (Zypern: Ende März 2016; dann nur noch Griechenland, bis 20.8.2018). Aber: in Zukunft sind weitere Anträge möglich, z.b. Portugal, Spanien. QE bis mindestens 2017 macht Aktivierung von OMT derzeit unwahrscheinlich, schließt aber eine künftige Aktivierung nicht aus. Keine Erledigung 20

IV. Was nun? - D.h.: Sachentscheidung erforderlich. BVerfG muss klären: Ist die Auslegung des Unionsrechts im OMT-Urteil noch vertretbar? Falls nicht: Führt dieser zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zu Lasten der Mitgliedstaaten? (nur dann: ultra-vires i.s.d. GG) - Vertretbarkeit der Auslegung des BVerfG: Bzgl. Grenzen des Mandats der EZB: Nach Ansicht des KK: Nein Aber denkbar ist alternative Begründung: OMT-Programm von der Zuständigkeit der EZB gedeckt als Unterstützung der Wirtschaftspolitik, insoweit das Programm dem Umfang nach begrenzt bleibt. Bzgl. des Art. 123 AEUV: Grenzwertig, jedenfalls mit Blick auf Verlustübernahme durch EZB - Strukturell bedeutsame Verschiebung zu Lasten der MS? Bzgl. Mandat der EZB in BVerfG-Vorlagebeschluss: Offensichtlicher Übergriff in wirtschaftspolitische Kompetenz der MS. Entscheidungen über Eurorettungspolitik / Zusammensetzung des Euro- Währungsgebiets zählen wegen ihrer finanz- und allgemeinpolitischen Reichweite zum Kernbereich der wirtschaftspolitischen Kompetenz und hängen in besonderer Weise vom demokratischen Prozess in den Mitgliedstaaten ab. Bzgl. Art. 123 AEUV im Vorlagebeschluss: Zentrale Bedeutung für die EWU als Stabilitätsgemeinschaft Grundlage für deutsche Beteiligung Bei klarer Umfangsbegrenzung aber u.u. keine strukturelle Verschiebung zu Lasten der MS - Plädoyer des KK: BVerfG darf der Begründung des EuGH-Urteils nicht folgen damit wäre die Möglichkeit einer justitiablen Begrenzung der Kompetenzen der EZB für die Zukunft de facto preisgegeben; ebenso der Mechanismus der Marktdisziplinierung der MS als eine tragende Säule der EWU. Es gibt aber u.u. Möglichkeiten, dem EuGH im Ergebnis zu folgen, um einen vollständigen Bruch des Kooperationsverhältnisses im konkreten Fall zu vermeiden 21

II. Vorlagebeschluss des BVerfG Art. 119 AEUV Wirtschafts- und Währungspolitik (1) Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union im Sinne des Artikels 3 des Vertrags über die Europäische Union umfasst nach Maßgabe der Verträge die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die auf einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, dem Binnenmarkt und der Festlegung gemeinsamer Ziele beruht und dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist. (2) Parallel dazu umfasst diese Tätigkeit nach Maßgabe der Verträge und der darin vorgesehenen Verfahren eine einheitliche Währung, den Euro, sowie die Festlegung und Durchführung einer einheitlichen Geld- sowie Wechselkurspolitik, die beide vorrangig das Ziel der Preisstabilität verfolgen und unbeschadet dieses Zieles die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union unter Beachtung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb unterstützen sollen. (3) Diese Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union setzt die Einhaltung der folgenden richtungweisenden Grundsätze voraus: stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz. 22

II. Vorlagebeschluss des BVerfG Art. 127 AEUV Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) (1) Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken (im Folgenden "ESZB") ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union, um zur Verwirklichung der in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Ziele der Union beizutragen. Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und hält sich dabei an die in Artikel 119 genannten Grundsätze. (2) Die grundlegenden Aufgaben des ESZB bestehen darin, - die Geldpolitik der Union festzulegen und auszuführen, - [ ] - [ ] 23

II. Vorlagebeschluss des BVerfG Art. 123 Abs. 1 AEUV Verbot der monetären Staatsfinanzierung Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im Folgenden als "nationale Zentralbanken" bezeichnet) für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlichrechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken. 24

II. Vorlagebeschluss des BVerfG Art. 18 des Protokolls über die Satzung des ESZB und der EZB Art. 18: Offenmarkt- und Kreditgeschäfte 18.1: Zur Erreichung der Ziele des EESZB und zur Erfüllung seiner Aufgaben können die EZB und die nationalen Zentralbanken - auf den Finanzmärkten tätig werden, indem sie auf Euro oder sonstige Währungen lautende Forderungen und börsengängige Wertpapiere sowie Edelmetalle endgültig (per Kasse oder Termin) oder im Rahmen von Rückkaufsvereinbarungen kaufen und verkaufen oder entsprechende Darlehensgeschäfts tätigen - Kreditgeschäfte mit Kreditinstituten und anderen Marktteilnehmern abschließen, wobei für die Darlehen ausreichende Sicherheiten zu stellen sind. 18.2: Die EZB stellt allgemeine Grundsätze für ihre eigenen Offenmarkt- und Kreditgeschäfte und die der nationalen Zentralbanken auf; hierzu gehören auch die Grundsätze für die Bekanntmachung der Bedingungen, zu denen sie bereit sind, derartige Geschäfte abzuschließen 25