Halogen-, Interhalogenund Edelgas-Verbindungen

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Transkript:

Halogen-, Interhalogenund Edelgas-Verbindungen

Vorkommen und Darstellung von 2,Cl 2, 2,I 2 17 2 Cl 2 2 I 2 Vorkommen Ca 2 (lussspat) Na 3 Al 6 (Kryolith) Ca 5 (PO 4 ) 3 (luorapatit) Cl - : gelöst in Meerwasser und in Solen NaCl (Steinsalz, Halit) KCl (Sylvin) KMgCl 3 (Carnallit) - : gelöst in Meerwasser und in Solen Begleiter von Chlorminaralien (Massenverhältniss Cl/ 200 bis 700:1) I - : gelöst in Meerwasser und in Solen Ca(IO 3 ) 2 (als Beimengung <1% im Chilesalpeter, NaNO 3 ) Darstellung (Beispiele) a) Elektrolyse von K nh 2H 2 + H 2 b) 2 KMnO 4 + 2K + 10H + 3H 2 O 2 2K 2 Mn 6 + 8H 2 O + 3O 2 K 2 Mn 6 + 2Sb 5 2KSb 6 + [Mn 4 ] [Mn 4 ] Mn 3 + 0.5 2 a) Chloralkali Elektrolyse (NaCl) Anode: 2Cl Cl 2 + 2e - Kathode: 2H + + 2e H 2 (Membranverfahren) 2Na + + 2e 2Na (Amalgamverfahren) b) 4HCl + MnO 2 2H 2 O + Cl 2 + MnCl 2 a) 2 + Cl 2 2 + 2Cl b) 2K + MnO 2 + H 2 SO 4 2 + Mn 2+ + 2SO 2-4 + 2K + + 2H 2 O a) 2I + Cl 2 I 2 + 2Cl b) 2IO 3 + 6HSO 3 2I + 6SO 2 4 + 6H + IO - 3 + 6H + + 5I - 3I 2 + 3H 2 O c) 4 HI + MnO 2 2H 2 O + I 2 + MnI 2

Strukturen der Halogene: luor Im festen Zustand sind alle Halogene aus diskreten Molekülen aufgebaut. Gemäss der 8-N Regel ist jedes Halogenatom an ein weiteres über eine 2z-2e-Bindung gebunden. In α- 2 sind die Moleküle zu hexagonalen Schichten gepackt, die Moleküle stehen senkrecht zur Schicht, und die Schichten bilden die A,B,C, Stapelfolge der kdp. hexagonale Schicht Stapelfolge A B C 26

Strukturen der Halogene: Chlor, om, Iod Die Strukturen von Cl 2, 2, und I 2 entsprechen stark verzerrten kubisch-dichtesten Kugelpackungen. Die intermolekularen Abstände innerhalb der b-c-schicht sind in der Reihe Cl 2 > 2 > I 2 zunehmend kürzer als die van-der-waals-abstände (vide supra). Bei I 2 gleichen sich diese intermolekularen Abstände den intramolekularen an und I 2 ist oberhalb 18 GPa metallisch. 27 Struktur von festem Iod in Abhängigkeit vom Druck: nichtmetallisch metallisch ideale kdp

Interhalogen-Verbindungen 12 Mit Hilfe der Interhalogenverbindungen lassen sich einige grundsätzliche Reaktionstypen in der anorganischen Chemie mit einfachen binären und real existierenden Modellverbindungen diskutieren: a) oxidative Addition, reduktive α-eliminierung b) Redoxchemie (Kom- bzw. Disproportionierung) c) Lewis-Säure-Base-Chemie

Interhalogenverbindungen 13 Einteilung - neutrale Verbindungen XY, XY 3, XY 5, XY 7 - Polyhalogenid-Anionen XY - 2n - Polyhalogenid-Kationen XY 2n+ (n = 1, 2, 3) Neutrale Interhalogenverbindungen: XY XY 3 XY 5 XY 7 Cl Cl 3 Cl 5 3 5 I I 3 I 5 I 7 Cl ICl (ICl 3 ) 2 I endotherme Verbindungen Grosstechnische Produktion Anwendung: luorierungsmittel (Aufarbeitung von Kernbrennstoffen) 3 nichtwässriges, ionisierendes Lösungsmittel 2 3 2 + + 4

Interhalogenverbindungen 14 Verbindungen vom Typ XY n (n = 1, 3, 5, 7) olgende Regeln sind zu beachten: 1. X ist stets das elektropositivere Halogen (schwerere) 2. Y ist stets das elektronegativere Halogen (leichtere) 3. Die Summe X + Y ist immer geradzahlig 4. Erst das elektropositive dann das elektronegativere (-id) benennen I Iodbromid 3 omtrifluorid I 7 Iodheptafluorid 5. Je größer der Unterschied der Atomradien der beiden Halogene ist, um so größer kann n werden. 6. Alle Interhalogene sind reaktive Stoffe, deren Reaktionsfähigkeit im Bereich der Halogene liegt, aus denen sie gebildet werden. ICl und I dienen zur Bestimmung der Iodzahl von etten Verwendung Cl, Cl 3 als luorierungsmittel (Aufarbeitung von Kernbrennstoffen) Cl 3 reaktionsfähigste Verbindung reagiert mit Asbest, Holz, Metall unter spontaner Entzündung (2. Weltkrieg, Bombenangriffe auf England)

2 + 2 2 I 2 + 2 2 I Neutrale Interhalogen-Verbindungen 15 2 + 3 2 2 3 I 2 + 3 Cl 2 (ICl 3 ) 2 25 C I 2 + 5 2 200 C I 2 + 7 2 2 I 5 I Cl Cl 2 I 7 I Cl Cl I I Cl Cl

Mechanismen 16 + 2 + 2 2 2 + 2 2 2 3 Möglichkeit 1 + σ-bindungsmetathese obwohl einstufig, energetisch ungünstig (Orbitalsymmetrie verboten) Bildung von und 3 aus den Elementen Möglichkeit 2 + 0 +2 1. Schritt: oxidative Addition 10--3 + 2. Schritt: reduktive α-eliminierung energetisch günstig (Orbitalsymmetrie erlaubt)

Stabilität 17 Cl 2 + Cl 3 2 + 3 3 Cl 3 Cl 3 ist eine der reaktivsten chemischen Substanzen. 2 I 2 + I 5 5 I Nur bis 14 C stabil Neigung zur Disproportionierung nimmt mit zunehmender Elektronegativitätsdifferenz zwischen Zentralatom und Ligandenatom zu. Die Zerfallsneigung, 2 XY X 2 + Y 2, nimmt mit abnehmender Elektronegativitätsdifferenz zwischen Zentralatom und Ligandenatom zu, d.h. I,, Cl < ICl < I < Cl. Die Stabilität, XY n XY n-2 + Y 2, der mehratomigen Interhalogene nimmt mit zunehmender Grösse des Zentralatoms zu: d.h. I 3 > 3 > Cl 3.

Kationische Halogen- und Interhalogenverbindungen 18 2-atomige: ([Cl 2 ] + ), [ 2 ] +, [l 2 ] + 3-atomige: [Cl 3 ] +, [Cl 2 ] +, [ 3 ] +, [l 3 ] +, [ 2 ] +, [ICl 2 ] +, [I 2 ] + 5-atomige: [ 5 ] +, [l 5 ] +, [I 4 ] +, [Cl 4 ] + 7-atomige: [ 6 ] +, [I 6 ] + Spezialfall: [I 4 ] 2+ durch Oxidation 1.5 2 + [O 2 ] + As 6 [ 3 ] + As 6 + O 2 3 I 2 + 3 As 5 2 [I 3 ] + As 6 + As 3 durch Abstraktion mit einer starken Lewis-Säure: I 7 + As 5 [I 6 ] + As 6

Anionische Halogen- und Interhalogenverbindungen 19 3-atomige: [ 3 ], [I 3 ], [lcl 2 ], [l 2 ] 5-atomige: [Cl 4 ], [ 4 ], [I 5 ], 7-atomige: [ 6 ], [I 6 ], [I 7 ] 9-atomige: [I 8 ] [I 5 ] - [I 7 ] -

Edelgasverbindungen 21 Bis in die 60iger Jahre des 20. Jahrhunderts gab es keine bei P = 1 Atm.,T = 25 C stabilen Edelgasverbindungen. Erste Synthese (N. Bartlett): Xe + 2 Pt 6 [Xe] + Pt 6 + Pt 5 Xe + n 2 Xe 2n n = 1,2,3 Kationische und anionische Edelgasverbindungen werden durch - Abstraktion oder Addition erhalten (vgl. Interhalogene): Xe 2 + As 5 [Xe] + As 6 Xe 4 + As 5 [Xe 3 ] + As 6 2 Xe 6 [Xe 5 ] + + Xe 7 Autodissoziation Xe 4 + [Me 4 N] + [Me 4 N] + Xe 5 Neil Bartlett

Verwendung von Edelgasverbindungen 22 Milde luorierungsmittel: Xe 2 + PR 3 PR 3 2 + Xe [Xe] + [Xe 3 ] + und insbesondere [Kr] + sind die stärksten bekannten chemischen Oxidationsmittel: 3 Xe + [Xe] + Sb 2 11 + 2 Sb 5 2 [Xe 2 ] + Sb 2 11