Das Handelsabkommen TTIP Pro und Contra



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Transkript:

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft // UNTERRICHTSMATERIAL // Das Handelsabkommen TTIP und www.gew.de

2 DAS HANDELSABKOMMEN TTIP PRO UND CONTRA Worum es geht Die Abkürzung TTIP (gesprochen: Ti-Tipp) steht für einen Vertrag, der den Handel zwischen der Europäischen Union und den USA fördern soll. Die vier Buchstaben bedeuten Transatlantic Trade and Investment Partnership. Auf Deutsch: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Im Juli 2013 begannen die Verhandlungen zwischen Europäischer Kommission und der US-amerikanischen Regierung. Was von dem geplanten Abkommen zu halten ist, darüber herrscht Streit. TTIP ist gut, auch für Deutschland, betonen die Befürworter des Abkommens. Sie versprechen, dass TTIP die Exporte in die USA ankurbeln wird. Dadurch entstehen zusätzliche Arbeitsplätze in der EU. Auch die europäischen Verbraucher werden profitieren durch mehr Auswahl beim Einkaufen und niedrigere Preise. TTIP bedeutet mehr Macht für Konzerne, sagen die Gegnerinnen und Gegner. Sie bezweifeln, dass der Handelsvertrag viele neue Jobs bringt. Stattdessen gehen Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz verloren. Parlamente verlieren Möglichkeiten, Regeln für die Wirtschaft aufzustellen. Aufgabe 1. Welche Waren verkaufen US-Firmen bei uns? Welche US-dukte gibt es in Deutschland nicht oder nur zu weit höheren Preisen als in den USA? Recherchieren Sie im Internet.

DAS HANDELSABKOMMEN TTIP PRO UND CONTRA 3 Freihandel Ein kurzer Rückblick: Wer im 18. Jahrhundert Getreide nach England einführte, musste extrem hohe Zölle bezahlen. Eine Art Steuer, zu zahlen an den englischen Staat. Das machte Getreide aus Frankreich oder Preußen so teuer, dass sich ein Export nach England nicht lohnte. Weg mit den Zöllen, forderten deshalb einige Wirtschaftsgelehrte. Von den Getreidezöllen im 18. Jahrhundert profitierten nur die feudalen Großgrundbesitzer und die englischen Händler, die vor ausländischer Konkurrenz geschützt blieben und weiterhin überhöhte Preise kassieren konnten. Wer arm war, konnte sich kein Getreide leisten und hungerte. Freihandel sorgt dafür, dass Zölle abgeschafft oder zumindest gesenkt werden. Dann haben ausländische Händler mehr Möglichkeiten, ihre Waren jenseits der Grenzen anzubieten. Das Angebot steigt, die Preise sinken, mehr Menschen können sich die Ware leisten. Freihandel sorgt also dafür, dass der Wohlstand für viele Menschen zunimmt. Weil TTIP den Freihandel ausbaut, könnten allein in der EU 400.000 neue Arbeitsplätze entstehen, davon bis zu 110.000 in Deutschland. Das schätzen Wirtschaftsforscher vom ifo Institut in München. Freihandel immer und überall? Das ist falsch. Es gibt gute Gründe, Zölle zu erheben. Etwa dann, wenn ein Land wirtschaftlich unterentwickelt ist. Dann muss es die Möglichkeit haben, sich vor Importen aus dem wirtschaftlich stärkeren Ausland zu schützen, zumindest vorübergehend. Sonst hat die eigene, aufkeimende Wirtschaft keine Chance, sich zu entwickeln. Länder wie Japan und Südkorea nutzten nach dem Zweiten Weltkrieg solche Schutzmauern für ihre Industrie, um den Rückstand zu den westlichen Industrieländern zu verringern. Freihandel heute hat beispielsweise zur Folge, dass Entwicklungsländer mit Waren aus dem Westen geflutet werden zum Schaden der Wirtschaft in afrikanischen oder armen asiatischen Ländern. Und was ist mit zusätzlichen Arbeitsplätzen? Schaut, was die Freihandelszone zwischen USA, Kanada und Mexiko gebracht hat, betonen TTIP-Kritiker. Diese Freihandelszone wurde 1994 durch das NAFTA-Abkommen geschaffen. Laut Public Citizen, einer US-amerikanischen Verbraucherorganisation, gingen durch NAFTA eine Million Jobs in den USA verloren. Die Löhne in den USA und in Mexiko sanken. Selbst TTIP-Befürworter räumen ein: Das Abkommen führt womöglich in jenen Ländern, die außerhalb der neugeschaffenen Freihandelszone liegen, zur Entlassung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Weil diese Länder künftig weniger Chancen haben, ihre Waren in Amerika oder Europa zu verkaufen. Allein US-amerikanische Chemie-Unternehmen zahlen pro Jahr Zölle im Wert von 900 Millionen Euro an die EU. Wenn diese Einnahmen wegfallen, hat die EU weniger Geld zur Verfügung etwa für soziale Aufgaben. Aufgabe 2. Bilden Sie zwei Arbeitsgruppen. Die erste Gruppe bringt Argumente für Freihandel, die zweite Gruppe vertritt die Gegner des Freihandels. Beide Gruppen treten im Diskussions-Wettstreit gegeneinander an.

4 DAS HANDELSABKOMMEN TTIP PRO UND CONTRA Nicht-tarifäre Handelshemmnisse Nicht-tarifär bedeutet nicht zollmäßig. Mit nicht-tarifären Handelshemmnissen sind staatliche Vorschriften gemeint, die ein Unternehmen einhalten muss, wenn es seine Waren im Ausland verkaufen will. Diese Vorschriften wirken wie Zölle und sollten, wo immer es sinnvoll ist, beseitigt werden. Da will zum Beispiel ein US-Automobilhersteller seine PKW in Deutschland, Belgien und Italien verkaufen. Er muss dann darauf achten, daß seine Fahrzeuge nicht nur US-Vorschriften zur Verkehrssicherheit erfüllen, sondern auch die entsprechenden EU-Regeln. Das ist überflüssig, sagen TTIP-Befürworter. Denn amerikanische Autos fahren genauso zuverlässig und sicher wie deutsche oder französische. In der EU gilt beispielsweise die Vorschrift, dass der Seitenspiegel am Auto einklappbar ist. In den USA gibt es diese Vorschrift nicht. Amerikanische Hersteller sind also gezwungen, ihre Fahrzeuge für den Export nachzurüsten. Das kostet Geld folglich steigt der Preis für US-Autos in der EU. Das TTIP- Abkommen zielt darauf, dass US-Regierung und EU-Kommission ihre jeweiligen Standards als gleichwertig anerkennen. Dann sinken die Preise für einen Chrysler oder Dodge, der in einem EU-Mitgliedsland verkauft wird. Zur Freude der Verbraucher. Auch der US-Hersteller profitiert weil seine dukte in der EU weniger kosten, kann er mehr verkaufen. Umgekehrt erhalten auch deutsche, spanische oder britische Firmen die Möglichkeit, ihre Waren in den USA günstiger anzubieten. Frauen und Männer in Gewerkschaften, Betriebsräten oder Umweltschutz-Organisationen warnen: TTIP kann zur Folge haben, dass staatliche Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern oder der Umwelt als nicht-tarifäre Handelshemmnisse eingestuft werden. Nehmen wir an, ein US-Unternehmen eröffnet in Deutschland eine Fabrik. Dann muss das Unternehmen auch die Arbeitnehmer- Rechte, die in Deutschland gelten, einhalten. In Deutschland haben die Beschäftigen das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten und mit den Arbeitgebern über Löhne und Arbeitsbedingungen zu verhandeln, um Tarifverträge abzuschließen. In den USA gelten diese Rechte nur eingeschränkt. Warum? Weil sich die USA weigern, grundlegende Arbeitnehmerrechte, die von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO aufgestellt wurden, in nationale Gesetze zu gießen. Die ILO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. In den USA bestehen folglich hohe Hürden, um Gewerkschaften zu gründen und Tarifverträge mit den Arbeitgebern auszuhandeln. Wo es keine Gewerkschaften gibt, können die Unternehmer ihre Interessen leichter durchsetzen. Sie behalten dann einen höheren Anteil ihrer Gewinne für sich. Anders formuliert: Die bessere Möglichkeit, Gewerkschaften zu bilden und Tarifverhandlungen zu führen, mindert den Gewinn und kann deshalb als Handelshemmnis eingestuft werden. Nächstes Beispiel: Hat eine Agrarfirma ein Lebensmittel gentechnisch verändert, so muss in der EU ein entsprechender Hinweis auf der Verpackung stehen. In den USA besteht diese Vorschrift nicht. TTIP könnte US-Herstellern also das Recht einräumen, Gen-Mais und andere Agrarprodukte ohne Kennzeichnung in europäischen Supermärkten zu verkaufen. Aufgabe 3. Überlegen Sie in Arbeitsgruppen: Welche Ziele verfolgt der Staat, wenn er Vorschriften für den Schutz von Arbeitnehmern, von Verbrauchern, für Gesundheit oder Umweltschutz festlegt? Diskutieren Sie diese Ziele.

DAS HANDELSABKOMMEN TTIP PRO UND CONTRA 5 TTIP erfasst auch Dienstleistungen EU und US-Regierung planen mit Hilfe des neuen Abkommens, auch den Handel mit Dienstleistungen zu vereinfachen. Dienstleistungen sind zum Beispiel das, was Internetfirmen wie Google oder Facebook ihren Kunden verkaufen, also vor allem Werbeangebote, exakt zugeschnitten auf den jeweiligen User. Aber auch Banken, Versicherungen oder Rechtsanwälte bieten Dienstleistungen an. Wenn Handelshemmnisse auch für Dienstleistungen beseitigt werden, ist das gut für die Wirtschaft in den USA und in der Europäischen Union. Deutsche oder französische Banken wünschen sich beispielsweise, dass TTIP die Handelshemmnisse auf dem US-Markt beseitigt. Damit sie dort einfacher Geschäfte machen können. Das Handelsabkommen gilt nur für Dienstleistungen, die von privaten Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen angeboten werden. Außen vor bleiben Dienstleistungen, die der Staat außerhalb des Marktes für alle Bürgerinnen und Bürger bereitstellt. Gemeint sind Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, etwa die Versorgung mit Wasser und Strom, Abfallwirtschaft, Schulbildung, medizinische Grundversorgung, öffentlicher Personennahverkehr, öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Viele staatliche Vorschriften für private Dienstleistungen, die für Qualität, Verbraucherschutz oder Datenschutz sorgen, geraten unter Druck. Außerdem ist offen, ob staatliche Dienstleistungen geschützt bleiben. Nehmen wir die Abfallwirtschaft. Die EU plant, das Trennen von Müll zu fördern. Dazu will sie das Entsorgen von bestimmten Abfällen auf der Deponie verbieten. Gut möglich, dass dieses Verbot durch TTIP als Handelshemmnis eingestuft wird. Weil dieses Verbot privaten US-Firmen, die in der EU Mülldeponien betreiben wollen, das Geschäft verdirbt. Außerdem lässt sich nicht immer genau sagen, wo die Trennlinie zwischen staatlich und privat verläuft. Beispiel städtisches Krankenhaus: Hier tätige Ärzte können auch bei Privatpatienten privat abrechnen, so dass unklar ist, ob ein solches Krankenhaus rein staatlich ist und damit von TTIP ausgenommen wäre. Die Beschäftigten in der Wäscherei, der Küche und an der Pforte arbeiten bereits heute häufig bei privaten Firmen. Aufgabe 4. Recherchieren Sie, welche Dienstleistungen an Ihrer Schule bereits von privaten Firmen erbracht werden. Überlegen Sie: Welche Dienstleistungen rund um Schule und Unterricht könnten in Zukunft privatisiert werden? Diskutieren Sie mögliche Folgen durch Freihandel bei Dienstleistungen.

6 DAS HANDELSABKOMMEN TTIP PRO UND CONTRA Aufgabe 5. Welche Aussage ist richtig? (Nur eine!) Glaubt man der folgenden Karikatur, so handelt es sich beim TTIP-Vertrag um a) ein übergroßes Holzspielzeug. b) eine geheime Strategie, um die europäischen Märkte zu erobern. c) eine Sache, die Europas Mauern nicht überwinden kann. d) eine Angelegenheit, die in Europa nur Rätselraten auslöst. Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) Das TTIP-Abkommen will auch dafür sorgen, dass Unternehmen, die im Ausland Geld investieren, zusätzliche Rechte erhalten. Sogenannte Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) sind geplant. Diese Schiedsverfahren verschaffen den Firmen im Gastland zusätzliche Sicherheit. Die Unternehmen erhalten das Recht, die Regierung des Gastlandes vor einem solchen Schiedsgericht auf Schadenersatz zu verklagen. Zum Beispiel dann, wenn das Gastland eine Fabrik des ausländischen Unternehmens verstaatlicht. Dann gehört die Fabrik dem Staat, das Unternehmen verliert das investierte Geld. Auf Schadenersatz kann auch dann geklagt werden, wenn ein neues Gesetz dafür sorgt, dass das ausländische Unternehmen neue Auflagen erfüllen muss und dadurch weniger Gewinn macht. Schiedsgerichte für Investoren gibt es in vielen Ländern und seit vielen Jahren. Bereits 1959 unterzeichnete die Bundesrepublik Deutschland einen Investitionsschutzvertrag mit Pakistan. Warum brauchen wir Sondergerichte für Konzerne? Wenn sich ein ausländisches Unternehmen ungerecht behandelt fühlt, kann es doch ein bestehendes Gericht anrufen. Sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch die USA besitzen ein funktionierendes Rechtswesen. Die TTIP-Gegnerinnen kritisieren zudem, dass ISDS-Verfahren nicht öffentlich sind. Und: Was ein derartiges Schiedsgericht beschließt, gilt. Eine Berufung wie vor einem ordentlichen Gericht ist nicht möglich. Nach einem Gutachten, das die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gab, sind die geplanten ISDS sogar verfassungswidrig. Was die Bundesrepublik 1959 mit Pakistan verabredet hatte, lässt sich mit TTIP nicht vergleichen. Pakistan galt damals als Staat, der keine unabhängigen Gerichte hat. Deshalb war es notwendig, ein spezielles Investitionsschutzabkommen abzuschließen. Aufgabe 6. Nehmen wir an, das TTIP-Abkommen ist unterschrieben. Nehmen wir weiter an, dass ein US-Bildungskonzern eine private Ganztagsschule in einer süddeutschen Großstadt betreibt. Die Schulbehörde entscheidet nun, die Schule wegen fortgesetzter Qualitätsmängel zu schließen. Der US-Konzern erklärt, das sei nicht akzeptabel, die Schule entspreche US-amerikanischen Qualitätsvorschriften. Er zieht vor ein Investor-Staats-Schiedsgericht und verklagt das süddeutsche Bundesland auf Schadenersatz. Welche Argumente könnte der US-Konzern mit Blick auf TTIP vortragen?

DAS HANDELSABKOMMEN TTIP PRO UND CONTRA 7 Die Verhandlungen Mal treffen sich die TTIP-Verhandler in Brüssel, mal in Washington, mal in Virginia. Doch eines ist immer gleich: Verhandelt wird hinter verschlossen Türen. Und was im Vertragsentwurf steht, ist weitgehend geheim. Das muss so sein, aus strategischen Gründen, sagen TTIP-Befürworter. Wüsste die jeweils andere Seite, wie die Verhandlungslinien aussehen, gäbe es nichts mehr zu verhandeln. Außerdem informiert die EU-Kommission die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten. Auch das Europäische Parlament bekommt Informationen. Die Bundesregierung lädt Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Nichtregierungs-Organisationen ein, um über den Verhandlungsstand zu berichten. Das Abkommen wird tief in das Leben von Millionen Menschen eingreifen. Deshalb ist es unverzichtbar, dass die Abgeordneten in den nationalen Parlamenten, aber auch die Bürgerinnen und Bürger genau erfahren, worüber verhandelt wird. TTIP-Kritiker finden es deshalb gut, wenn Insider geheime Papiere über den Verhandlungsstand an Zeitungen weitergeben oder im Internet veröffentlichen. Aufgabe 7. Fragen Sie zwei Menschen (Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde, Arbeitskollegen, Bekannte aus dem Sportverein, u.a.), was sie über TTIP wissen. Notieren Sie die Antworten, um sie im Unterricht vortragen zu können.

8 DAS HANDELSABKOMMEN TTIP PRO UND CONTRA Was die Medien sagen Das Freihandelsabkommen TTIP ( Länge: 3 24 ). Erklärfilm der Münchner Firma explain it GmbH: https://www.youtube.com/watch?v=su3opm3nun0 Gentechnik auf Europas Feldern? Das Freihandelsabkommen in der Kritik Beispiel: Landwirtschaft (Länge: 2 54 ). WDR-Fernsehen, Redaktion Servicezeit, gesendet am 26.August 2014: http://www1.wdr.de/fernsehen/ ratgeber/servicezeit/sendungen/gentechnik108.html Aufgabe 8. Schauen Sie beide Kurzfilme an. Welches sind jeweils die fünf wichtigsten Aussagen? Mit welchen Stilmitteln arbeiten die beiden Filme? Betrachten Sie jeweils, wer den Film veröffentlicht hat. Was fällt Ihnen auf?

DAS HANDELSABKOMMEN TTIP PRO UND CONTRA 9 Weiterführende Informationen EU-Kommission: http://ec.europa.eu/deutschland/ pdf/131003_country_fiche_de.pdf Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: www.bmwi.de/de/themen/aussenwirtschaft/ttip/faqs.html Christlich Demokratische Union (CDU): www.cdu.de/ttip/mythen Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): www.bdi.eu/ttip_argumente.htm Verband der Chemischen Industrie (VCI): https://www.vci.de/presse/pressemitteilungen/2014-10-14- am-gesamtpaket-in-den-verhandlungen-festhalten-vci.jsp Institut der deutschen Wirtschaft Köln (von Arbeitgeberverbänden finanziert): www.iwkoeln.de/de/suche?search.fulltext=ttip Europäische Bürgerinitiative Stop TTIP : https://stop-ttip.org/de/?noredirect=de_de Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB): www.dgb.de/search?search_text=ttip Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik (zur Schaffung von Arbeitsplätzen durch TTIP): http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10969.pdf Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen (bvöd), (Arbeitgeberverband): www.bvoed.de/assets/files/downloads/2014/positionspapier %20bvoed%20TTIP%2004-06-14%20.pdf Deutscher Kulturrat (vertritt 236 Bundeskulturverbände und Kulturorganisationen): www.kulturrat.de/dossiers/ttip-dossier.pdf Education International (Weltverband der Bildungsgewerkschaften): www.ei-ie.org/en/news/news_details/3074 (auf Englisch) Informationen zu den Handelsabkommen CETA und TISA Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: www.bmwi.de/de/themen/aussenwirtschaft/ceta.html EU-Kommission: http://ec.europa.eu/trade/policy/ in-focus/tisa/questions-and-answers/index_de.htm Kommunale Spitzenverbände (Punkt 6 des Gemeinsamen Positionspapiers): www.dstgb.de/dstgb/home/pressemeldungen/ Freihandelsabkommen%3A%20Risiken%20f%C3%BCr% 20Daseinsvorsorge%20ausschlie%C3%9Fen,%20Chancen% 20f%C3%BCr%20mehr%20Wachstum%20nutzen/3414_ Positionspapier_TTIP_Okt_2014_Presse.pdf Impressum GEW Hauptvorstand, Abteilungen Schule und Berufliche Bildung / Weiterbildung Verantwortlich: Dr. Ilka Hoffmann, Ansgar Klinger Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt am Main Telefon: 069/78973-0, Fax: 069/78973-202, E-Mail: info@gew.de www.gew.de Text: Matthias Holland-Letz Karikatur (S. 1 und 6): Stefan Roth, roth-cartoons.de Gestaltung: Karsten Sporleder Februar 2015