Ist der Einsatz von Ferkelmilch bei großen Würfen sinnvoll? Erste Erfahrungen aus einer laufenden Praxisbeobachtung beim LVAV Hofgut Neumühle. In den vergangenen Jahren ließ sich die Fruchtbarkeitsleistung der Zuchtsauen stetig steigern. Mit der Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau und Jahr konnte die Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Produktionsfaktoren zum Teil deutlich verbessert werden. Durch die gestiegene Anzahl lebend geborener Ferkel je Wurf sanken allerdings auch proportional die Geburtsgewichte der Ferkel. Geringere Geburtsgewichte haben einen negativen Einfluss auf die Überlebensrate der Ferkel, was durch die Zufütterung von Ferkelmilch kompensiert werden soll. Ein weiteres Problem bei großen Würfen besteht darin, dass die produzierte Sauenmilch oft nicht ausreicht, um alle Ferkel gleichmäßig gut zu versorgen. Erkrankungen wie Mastitis oder MMA führen zu ungleichmäßigen Würfen, abgesäugten Zuchtsauen und eine verringerte Lebensdauer ist oftmals die Folge. Mit einer Zufütterung von Ferkelmilch oder Yoghurt zum Teil bereits ab dem zweiten Lebenstag wird versucht, auch lebensschwachen Ferkel einen guten Start zu gewährleisten. Ferner soll die Zufütterung der Ferkel eine stark entlastende Wirkung auf das Muttertier haben. Die Sau muss u.a. dadurch weniger Körperreserven mobilisieren, um ihre Nachkommen ausreichend zu ernähren. Das führt langfristig zu einer höheren Lebensdauer bzw. Lebensleistung der Sau, insgesamt verhungern weniger Ferkel, weniger werden erdrückt oder verenden durch Erkrankungen. Um u.a. den Einfluss der Milchbeifütterung praxisorientiert untersuchen zu können, werden seit 2010 beim Hofgut Neumühle neben BHZP und DL auch Topigs-Sauen gehalten. Letztere sollen ja eine außerordentlich hohe Fruchtbarkeit aufweisen, das eingesetzte Futter besonders gut verwerten und robust bzw. langlebig sein. Im Rahmen der Praxisbeobachtung konnten bei den Parametern lebend geborene und abgesetzte Ferkel/Wurf Unterschiede zwischen allen Herkünften festgestellt werden. Aufgrund dessen wurde die Ferkelmilch hauptsächlich bei Erstlingswürfen von Topigssauen eingesetzt, und zwar vorwiegend bei großen Würfen (12 oder mehr Ferkel pro Sau). Die verschiedenen Milchprodukte wurden gemäß Herstellerempfehlungen teilweise bereits ab dem zweiten Lebenstag eingesetzt. Das Anlernen der Ferkel erfolgte über Einzeltiertränken. Dabei wurde die fertig angerührte Milch in Plastikflaschen mit Schnabelhals gefüllt und tropfenweise in das Maul der Ferkel geträufelt. Später konnten die Ferkel ihre zusätzlichen Mahlzeiten über Edelstahltröge aufnehmen. Die Milch wurde ab dem dritten bis vierten Lebenstag der Ferkel mindestens vier bis sechs Mal täglich verabreicht. Zum Einsatz kamen handelsübliche Milchaustauscher und Yoghurt. Bisherige Ergebnisse: Wenn hochverdauliche Ferkelmilch verabreicht wird, dann müssen folgende Faktoren beachtet werden: - höchste Futterhygiene Da die Ferkelmilch sehr gut verdaulich ist, verdirbt sie auch gleichzeitig sehr schnell. Deshalb sollte die Milch nur in ganz kleinen Portionen mehrmals am Tag in saubere Ferkelschalen verabreicht werden. Einige Hersteller bieten Milchprodukte an, die mindestens 12 Stunden stabil sein sollen. Da aber nicht bekannt ist, unter welchen Bedingungen das gewährleistet werden kann und die Aufnahme von angewärmter Milch eher besser ist, sollte man trotzdem lieber mehrere kleine warme Portionen anbieten. Es sollte nur so viel Milch je Portion
2 angeboten werden, wie die Tiere auch aufnehmen können, damit wenig Reste verbleiben, die evtl. verderben und die Tiere krank machen können, wenn sie vor dem nächsten Tränkevorgang nicht entfernt werden. - Verabreichung der Milch nur in leicht zu reinigende Gefäße Die Tränkeschalen müssen vor jeder Neubefüllung peinlichst genau gereinigt und ggf. auch desinfiziert werden. Die Schalen sollten so beschaffen sein, dass die Reinigung sehr leicht und innerhalb kürzester Zeit erfolgen kann. Bewährt haben sich Edelstahl- und Vollkunststoffschalen ohne Abtrennung. Je weniger Ränder oder Kanten vorhanden sind, desto weniger Futterreste können anhaften bzw. desto weniger Keime können sich vermehren, was die Gefahr von z.b. Durchfall deutlich mindert. Außerdem ist das Gerät durch die einfache Reinigungsmöglichkeit schneller wieder einsatzbereit, so dass nur zwei bis drei Tränkeschalen pro Wurf bzw. Bucht vorhanden sein müssen, wenn nicht vollautomatisch gefüttert wird. Bewährt hat sich zur sicheren Reinigung Melkmaschinenreiniger, der das Fett und Eiweiß der Milch besser löst, als andere Stallreinigungsmittel. - Optimale Positionierung der Tränkeschale in der Bucht Die Tränkeschale muss so installiert werden, dass sie von den Jungtieren leicht zu erreichen ist. Sie sollte nicht in der Nähe der Kotecken stehen. Kot und Urin der Sau darf auch nicht hineingelangen. - Angepasste Portionsgröße und optimale Steigerung der Milchmenge Manche Ferkel bekommen ausreichend Muttermilch und nehmen dementsprechend wenig Ersatzmilch auf. Andere erhalten zu wenig und haben nach dem Säugevorgang noch Hunger, sie nehmen dann die zusätzliche Mahlzeit gerne in Anspruch. Anfangs wird nur 25-40ml Milch pro Ferkel und Tag angesetzt. Später kann die Menge deutlich gesteigert werden. Wichtig ist, dass das begrenzte Futteraufnahmevermögen der Ferkel pro Mahlzeit beachtet wird. Die Ferkel säugen normalerweise etwa alle zwei Stunden. Sie nehmen jeweils nur geringe Mengen an Milch dabei auf, was auch beim Einsatz der Ersatzmilch bedacht werden muss. Größere Portionen können Verdauungsstörungen herbeiführen, was unbedingt vermieden werden sollte. Wenn die Tränkeschalen
3 vollständig leer geleckt werden, kann man davon ausgehen, dass die verabreichte Menge ausreichend ist. Nicht aufgenommene und nicht weiterverwendbare Restmengen der teuren Ersatzmilch verursachen zudem zusätzliche Kosten, die vermeidbar und nicht zu vernachlässigen sind. - Ersatzmilch nur für Ferkel deren Muttertiere zu wenig Milch erzeugen Produziert die Muttersau (anfänglich) zu wenig Milch, so führt das unweigerlich besonders in großen Würfen zu verringertem Wachstum bzw. Ferkelverlusten. Wenn die Milchmenge jedoch (irgendwann wieder) ausreicht, wird die Ersatzmilch nur ungern oder gar nicht (mehr) angenommen. Im Falle, dass das Muttertier ausreichend Milch produziert und die Saugferkel zusätzlich andere Milch erhalten, kann das u.a. auch zu fütterungsbedingtem Durchfall führen. Auch die unsachgemäße Herstellung und Bereitstellung der Milch kann Verdauungsschwierigkeiten hervorrufen. Eigentlich sollte das Ziel der Beifütterung u.a. ja auch sein, dass zur Ernährung besonders großer Würfe seitens der Sau relativ wenig Fettreserven eingeschmolzen werden müssen, um dadurch die Lebensleistung nicht negativ zu beeinflussen. Im Rahmen der Praxisbeobachtung sollte genau dieser Effekt herbeigeführt werden, was aber bis lang nicht erreicht wurde. Denn genau die Ferkel in den großen Würfen (12 oder mehr Ferkel) erhielten anscheinend vom Muttertier (zufällig?) ausreichend Milch. Viele Ferkel verweigerten ab etwa dem fünften Tag nach Beginn der Beifütterung die Aufnahme der Ersatzmilch und ließen sich auch später nicht mehr daran gewöhnen. Durch Messungen der Rückenfettdicken der Zuchtsauen vor und nach der Säugezeit wurde sichtbar, dass die Zuchtsauen, die viele Ferkel aufzogen, auch erwartungsgemäß mehr Rückenfett (mehr als 4mm) verloren, obwohl den Ferkeln zusätzlich ausreichend Ersatzmilch und später festes Futter zur Verfügung stand. Die Ferkel dieser Sauen verweigerten fast alle innerhalb kurzer Zeit die zusätzliche Milch. Die Futteraufnahme der Sauen lag durchschnittlich bei rund 6kg je Tier und Tag (Erstlingssauen, Topigs, 13,6 MJ ME und 180g Protein pro kg Säugefutter, RFD 85. TK durchschnittlich ca. 21 mm, zwei Tage nach Belegung im Mittel etwa 16mm). Einige Muttertiere aus anderen Gruppen nahmen zu wenig Futter auf, was zu einer verminderten Milchleistung führte. Hier wurde zum Teil ein positiver Effekt durch den Einsatz der Zusatzmilch deutlich, bei diesen Tieren verringerten sich die RFD um etwa 2-4mm. Allerdings wurden auch weniger Ferkel abgesetzt bzw. war die Verlustrate deutlich höher (Sauen, 2.-8. Wurf). Einige Tiere hingegen verloren trotz aufwendiger und erfolgreicher Ferkelbeifütterung einen erheblichen Anteil an Rückenspeck und auch Muskelmasse. Im Rahmen der bisherigen Praxisbeobachtung konnte nicht geklärt werden, warum die Ersatzmilch zum Teil weniger gut von den Ferkeln angenommen wurde. Es ließ sich nicht klären, ob die Milch (-leistung) der Zuchtsauen oder die Schmackhaftigkeit bzw. Konsistenz der Milchprodukte ursächlich für die zum Teil verminderten Futteraufnahmen der Ferkel verantwortlich war, obwohl alle Herstellerempfehlungen exakt befolgt wurden. - Ersatzmilch nur dann verabreichen, wenn ausreichend Arbeitszeit zur Verfügung gestellt werden kann Der Einsatz von künstlichen Milchtränken erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Beobachtungsgabe seitens des Tierhalters. Ferner verursacht die erforderliche Futterhygiene und das ausgewogene Verhältnis zwischen Versorgung der Ferkel durch Mutter- und Ersatzmilch einen hohen Anspruch an die Arbeitszeit, insbesondere wenn die Zusatztränke nicht voll automatisch erfolgt. Die Tröge bzw. Tränkeschalen müssen perfekt gereinigt und frei von pathogenen
4 Keimen sein, die Milch muss exakt gemäß Herstellerangaben zubereitet und verabreicht werden. Ein Tränkevorgang kann schon mit unter bis zu fünf Minuten Arbeitszeit verursachen (Reinigen der Tröge, abwiegen des Milchpulvers, anmischen der Milch, Verabreichung der Milch, ggf. Zwangsfütterung mittels Tränkeflasche). Wenn dann bis zu sechs Mal am Tag getränkt wird, müssen mindestens 15-30 Minuten pro Wurf und Tag an zusätzlicher Arbeitszeit einkalkuliert werden. Zu Beginn der Beifütterung auch mehr, später, wenn die Tiere daran gewöhnt sind weniger. Das verursacht bei einer Tränkedauer von bis zu 20 oder mehr Tagen zusätzlich fünf bis zehn Arbeitsstunden je Wurf bzw. 10-25 Stunden je Sau und Jahr. Wird je Stunde ein Lohn von 20 (nach LKV) angesetzt, so entstehen zusätzlich zu den Futterkosten 200 500 an Arbeitserledigungskosten, die durch die höhere Aufzuchtleistung erst einmal kompensiert werden müssen. Denn das ganze System soll ja auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Bei voll automatischen Systemen ergeben sich relativ hohe Investitionskosten, die durch einen geringeren Zeitaufwand kompensiert werden können. Allerdings darf auch hier die Tierbeobachtung mehrmals täglich nicht fehlen. - Ersatzmilch nur dann einsetzen, wenn es sich nicht vermeiden lässt Bekannt ist, dass das Jugendwachstum der Ferkel einen besonderen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Ferkel ausübt. Ferkel, die besonders frohwüchsig und gesund während der Säugezeit aufgezogen wurden, können, unter guten Voraussetzungen, auch die Aufzucht und Mast verhältnismäßig schnell und problemlos durchlaufen. Die bisherigen Ergebnisse der durchgeführten Praxisbeobachtung zeigen, dass die Ferkel, die weniger oder fast gar keine
5 Muttermilch und mehr künstliche Ersatzmilch während der Saugferkelphase erhalten haben, geringere biologische Leistungen in der Aufzucht aufweisen, als die, die ausschließlich mit Muttermilch aufwuchsen. Ob die Unterschiede auch in der Mast ähnlich sind bzw. sich bis zum Schlachthaken weiter vollziehen, konnte noch nicht geklärt werden. Tendenziell scheit es da aber auch einen Unterschied zu geben. Offensichtlich scheinen die Ammenferkel schlechter zu wachsen, als die anderen. Auch die Futterumstellung von flüssig auf fest während der Säugezeit gestaltete sich relativ schwierig. Mit zunehmendem TS-Gehalt der Milch reduzierte sich die TS-Aufnahme der Ferkel bis etwa eine Woche vorm Absetzen, danach konnte ein leichter Anstieg beobachtet werden. Die Absetzgewichte der Ammenferkel war insgesamt geringer. Einige Jungtiere erkrankten während der Tränkephase an Durchfall, was sich beim Absetzen u.a. im Gewicht bemerkbar machte. Die Ersatzmilch wurde, je nach Abruf, zwischen fünf und 15 Tagen angeboten. Das Absetzalter betrug durchschnittlich 26 Tage. Das Absetzgewicht Ammenferkel lag durchschnittlich bei ca. 8,2kg und bei den Kontrolltieren etwa bei 8,8kg, dabei gilt es zu bedenken, dass es sich bei den Kontrollgruppen nicht um Würfe von Erstlingssauen gehandelt hat. Fazit: Leider lassen sich nicht immer alle Ferkel an Ersatzmilch oder Yoghurt gewöhnen. Insbesondere bei Sauen mit großen Würfen wäre das ein entscheidender Vorteil. Die Muttermilch ist immer noch die bessere Alternative. Ferkel, die mit Ersatzmilch während der Saugferkelphase ernährt werden, wachsen oft nicht so gut und sind krankheitsanfälliger, insbesondere dann, wenn die Tränkephase suboptimal verläuft. Der notwendige Zeitaufwand bei nicht vollautomatischen Tränkesystemen ist nicht zu vernachlässigen, es erfordert zum Teil einen erheblichen (Arbeits)-Aufwand, der nur schwer kompensierbar ist. Natürliche Ammen sind meist die günstigere Alternative. Nicht immer ist eine hohe Ferkelzahl je Wurf erstrebenswert.